Das "Gesetz über Patientenverfügungen" und Sterbehilfe
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- Jörg Bösch
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1 Das "Gesetz über Patientenverfügungen" und Sterbehilfe Wann sind die Umsetzung von Patientenverfügungen und eine Sterbehilfe rechtmäßig? Bearbeitet von Rolf Coeppicus 1. Auflage Taschenbuch. 124 S. Paperback ISBN Format (B x L): 12,5 x 18,5 cm Gewicht: 148 g Recht > Öffentliches Recht > Medizinrecht, Gesundheitsrecht Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.
2 ff. Der Unterschied zwischen einem rechtmäßigen Behandlungsabbruch bei Dauerbewusstlosigkeit und einer strafbaren, aktiven Sterbehilfe aaa. Beim Behandlungsabbruch entsprechend dem Willen des einwilligungsfähigen Patienten werden medizinische Behandlungen und künstliche Ernährung abgebrochen. Das ist rechtmäßig, weil der einwilligungsfähige Patient das Recht hat, Behandlung und künstliche Ernährung zu verweigern. Diese rechtmäßige Verweigerung von Behandlung und Ernährung kann nicht gleichzeitig ein strafbares Tötungsdelikt für die sein, die diesen rechtswirksamen Patientenwillen respektieren. Der Patient stirbt an seiner Krankheit. Er stirbt einen natürlichen Tod. bbb. Eine strafbare, aktive Sterbehilfe liegt vor, wenn das Leben durch Maßnahmen beendet wird, die kein Abbruch oder Unterlassen von Behandlungen sind wie z.b. Vergiften oder das Setzen einer tödlichen Spritze. Das Vergiften ist keine Behandlung. Der Patient stirbt bei aktiver Sterbehilfe durch eine Maßnahme, die mit seiner Krankheit und einem Verzicht auf Behandlungen keinen Zusammenhang hat. Es fehlt die Behandlungsbezogenheit. Er stirbt einen nicht natürlichen Tod. e. Fall 3: Der Behandlungsabbruch bei Demenz aa. 40 Demenzkranke erkennen in fortgeschrittenem Stadium z.b. sogar ihre nächsten Angehörigen (sie halten sie für Fremde) und ihre Wohnung nicht mehr (sie meinen, sie seien nicht in ihrer Wohnung), sie können den eigenen Namen nicht mehr angeben und sind unfähig, ihren Alltag zu bewältigen. Ein geistiger Austausch ist nicht möglich. Viele halten diesen Zustand für unvereinbar mit ihrer Würde und wollen für den Fall des Erreichens eines derartigen Zustandes den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen. Sie haben den Wunsch, nicht ohne Ver-
3 bb. stand und mit den mit schwerster Demenz verbundenen Ausfallserscheinungen zu leben. Sie lehnen das nur rein biologische Weiterleben ab, wenn ihre geistigen Fähigkeiten erloschen sind. Eine höchst individuelle Entscheidung Auch die Anordnung eines Behandlungsabbruchs bei Demenz ist eine schwierige und höchst individuelle Entscheidung. Sie muss genau bedacht werden. Vielleicht würde man, könnte man seine Demenz erkennen und sich äußern, trotzdem keinen Behandlungs- und Ernährungsabbruch wollen. Ein Lebenswille ist auch angesichts der heute guten äußeren Lebensbedingungen verständlich. Demente essen und trinken oft gern, sie haben eine natürliche Lebensbejahung, sie machen oft einen zufriedenen Eindruck, sind oft noch mobil und können in diesem Zustand noch viele Jahre leben. Auch bei weitgehendem Zerfall der bisherigen intellektuellen Fähigkeiten bleibt eine Gefühlsebene vorhanden, auf der mit den Kranken kommuniziert werden kann. Die Kranken sind durch Anknüpfen an das, was sie früher interessiert hatte, emotional zu erreichen (z.b. durch Vorlesen, Musik, Körperkontakt). Sie haben also durchaus glückliche Erlebnisse und Zeiten. Sie sind offenbar zufrieden, dass und wie sie existieren. Insoweit haben sie Lebensqualität. Der Errichter einer Patientenverfügung kann als wahrscheinlich davon ausgehen, dass auch er im Zustand der Demenz, in dem dann geänderten Seinszustand, zufrieden sein wird. Wenn er diesen Zustand erreicht hat, will seine Person, so wie sie dann ist, wegen des kreatürlichen Lebenswillens wahrscheinlich nicht sterben (s. den Rhetorikprofessor Walter Jens). Sie möchte sehen, hören, Zuwendung, Bewegung, essen und trinken. Der Errichter muss sich die Frage beantworten, ob er trotzdem den Abbruch von Ernährung und Flüssigkeitszufuhr für den Fall schwerster Demenz anordnen will. Andererseits muss 41
4 cc. er in seine Überlegungen einbeziehen, ob er auf Dauer gefüttert und gewindelt werden, desorientiert und ohne alle seine bisherigen geistigen Fähigkeiten leben möchte. Die Rechtswirksamkeit der Anordnung eines Behandlungsabbruchs bei Demenz Auch die Anordnung eines Behandlungs- und Ernährungsabbruchs für den Fall einer Demenz ist rechtswirksam und verbindlich 38. Denn nur die Einwilligung des Patienten rechtfertigt Eingriffe in seine körperliche Integrität 39. Medizinische Behandlungen und künstliche Ernährung sind also nur mit einer Einwilligung des Patienten erlaubt. Behandlung und Ernährung gegen den urteilsfähigen Patientenwillen wären rechtswidrige Zwangsbehandlungen und Zwangsernährungen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber eine Reichweitenbegrenzung ausdrücklich abgelehnt. In einem Fall aus dem Jahr 2005 hatte eine Zeugin Jehovas vor ihrer Niederkunft evtl. notwendig werdende Bluttransfusionen untersagt. Sie brachte ein gesundes Kind zur Welt. Danach wurden Bluttransfusionen notwendig, die wegen ihrer Verweigerung nicht gegeben wurden. Sie starb. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat, entsprechend dem geltenden Recht 40, das Unterbleiben der Bluttransfusionen als rechtmäßig angesehen. Wenn urteilsfähige Patienten in einem mittleren Alter mit noch langer Lebenserwartung in voraussichtlich guter Gesundheit lebenserhaltende Maßnahmen verweigern dürfen, auch wenn sie dann unmittelbar sterben, darf ein Patient das erst recht für den Fall schwerster Demenz Verrel (Fn. 26), C 86, C 87; Ankermann, Sterben zulassen, 2004, S. 37, 38, BGH, NJW 2003, 1588, BVerfG, NJW 1972, 327, 329; BVerfG, NJW 2002, Das war bisher schon offizieller Standpunkt. In der Formulierungshilfe Patientenverfügung des Bundesministeriums der Justiz von September 42
5 dd. Wann ist der Zustand schwerster Demenz eingetreten? Die Gerichte werden in einem zur Entscheidung anstehenden Konfliktfall durch Auslegung feststellen, ob der vom Patienten festgelegte Fall der Demenz eingetreten ist. In veröffentlichten Gerichtsentscheidungen sind die Wünsche und der Wille der Patienten ersichtlich richtig festgestellt worden (s. a. nf. h. jj. und Kap. E. 5.) 42. f. Fall 4: Schmerztherapie mit Sterberisiko aa. Eine Schmerztherapie mit Sterberisiko ist die ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation eines Kranken gemäß seinem erklärten oder mutmaßlichen Willen, wenn bei unerträglichen Schmerzen das Schmerzmittel als unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen kann. Die Schmerztherapie mit Sterberisiko ist also eine Schmerzbehandlung. Die Schmerztherapie mit Sterberisiko ist zulässig und straflos. Die Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit gemäß dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen ist ein höherwertiges Rechtsgut als die Aussicht, unter schwersten, insbesondere sog. Vernichtungsschmerzen noch kurze Zeit länger leben zu müssen heißt es (S. 6 und 8), dass im Fall eines sehr weit fortgeschrittenen Hirnabbauprozesses (z.b. bei Demenzerkrankung) auch der Abbruch der künstlichen Ernährung und die Unterlassung jeglicher künstlicher Flüssigkeitszufuhr in einer Patientenverfügung angeordnet werden kann. 42 Das OLG Karlsruhe (NJW 2004, 1882) hat einen Fall als Endzustand einer Demenz bezeichnet, in dem die 96 Jahre alte Patientin ständig bettlägerig und voll pflegebedürftig, zu einer mündlichen Kommunikation nicht mehr fähig war. Das Gericht hat entschieden, die künstliche Ernährung dieser Patientin dürfe abgebrochen werden, wenn das ihrem mutmaßlichen Willen entspreche. 43 BGH, NJW 1997, 807, 810; BGH, NJW 2001, 1802,
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