Antibiotika-Therapie
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- Gerhardt Scholz
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1 Antibiotika-Therapie Klinik und Praxis der antiinfektiösen Behandlung Bearbeitet von Hans-Reinhardt Brodt, Wolfgang Stille, Claus Simon, Martin Smollich 12., kompl. überarb. u. aktual. Aufl Taschenbuch S. Paperback ISBN Format (B x L): 16,5 x 24 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Sonstige Medizinische Fachgebiete > Pharmakotherapie, Psychopharmakotherapie Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.
2 28 Antiinfektiva-Therapie in der Schwangerschaft und Stillperiode Infektionen mit besonderer Relevanz in der Schwangerschaft War das Kindbettfieber noch bis Mitte des letzten Jahrhunderts eine gefürchtete und häufige Komplikation unter der Geburt, so ist es heute zumindest in Industrienationen eine Rarität geworden, wenn auch dafür andere, meist subtilere Infektionen immer noch eine große Bedeutung in der Schwangerschaft haben. Hierzu zählt auch die besondere Empfänglichkeit der Feten wie auch der Frühgeburten für spezielle oder (sub-)klinische Infektionen. An erster Stelle dieses Kapitels stehen daher Ursachen und Folgen von Frühgeburtlichkeit und vorzeitigem Blasensprung, gefolgt von häufigen und besonderen Infektionsproblemen in der Schwangerschaft und unter der Geburt. Bakterielle Vaginose Bei einer bakteriellen Vaginose handelt es sich zunächst nur um eine veränderte und damit untypische Besiedlung des Scheidenmilieus mit vorwiegend anaerober Mischflo- Tab Behandlung der bakteriellen Vaginose. ra auf Kosten der sonst üblichen (fakultativ anaeroben) Laktobazillen. Dabei sind vorwiegend Gardnerella vaginalis nachweisbar, zusätzlich noch Prevotella-Spezies, Peptostreptokokken und andere Erreger. Bedeutsam sind zudem Atopobium vaginae, da diese im Biofilm unter Metronidazol-Therapie oft wegen Resistenz verbleiben. Diese veränderte vaginale Besiedlung kann symptomlos bleiben, aber auch eine Kolpitis und selten eine Vulvovaginitis auslösen. Während der Schwangerschaft werden bakterielle Vaginosen am häufigsten beobachtet (und vermutlich untersucht!) und sind über eine aszendierende Infektion mit vorzeitigem Blasensprung, vorzeitiger Wehentätigkeit sowie Frühgeburtlichkeit und Neugeborenensepsis assoziiert bis hin zur Endometritis post partum. Therapie: Auch während der Schwangerschaft ist die Notwendigkeit einer Behandlung der asymptomatischen bakteriellen Vaginose umstritten, sollte allerdings bei jedem (frühgeburtlichen) Risiko wie auch bei allen chirurgischen vaginalen Eingriffen stets frühzeitig erfolgen (Tab ). Neben den klassischen Anaerobier-wirksamen Subs- Wahl Therapie Schwangerschaft Stillzeit 1. Metronidazol 2( 3) tgl. 500 mg für 7 Tage 1. Trimenon; nur bis 20. SSW nein Clindamycin 2( 3) tgl. 300 mg für 7 Tage ab 2. Trimenon; nur bis 20. SSW nein 2. Amoxicillin 3 tgl. 0,5 1,0 g für 7 Tage ja ja 3. Metronidazol 1 2 g (Einmaldosis) nein nein 4. Tinidazol 1 tgl. 1 g für 5 Tage nein nein Tinidazol 1 2 g (Einmaldosis) nein nein lokal Metronidazol Gel (0,75 %) 1 tgl. vaginal ggf. nur in Kombination! nein für 5 Tage Borsäure nein nein Clindamycin-Creme (2 %) 1 tgl. vaginal für 7 Tage ggf. nur in Kombination! ja 906
3 28.1 Infektionen und Antiinfektiva in der Schwangerschaft tanzen kommen vor allem bei Unverträglichkeit dieser Substanzen aufgrund der Invitro-Testungen auch Amoxicillin (ggf. plus Clavulansäure) infrage (mit Resistenz gegen seltene Prevotella- und Mobiluncus-Spezies muss jedoch gerechnet werden). Soweit klinisch geprüft können damit allein allerdings keine einer Metronidazol- oder Clindamycin-Therapie vergleichbaren Erfolge erzielt werden! Auch mögliche Kombinationstherapien, wie z. B. von Metronidazol mit Amoxicillin ähnlich einer Helicobacter-Eradikation, wurden bisher nicht überprüft. Die Behandlung der bakteriellen Vaginose sollte deshalb bei Schwangeren frühzeitig zunächst mit Metronidazol oder Clindamycin oral erfolgen und nur nach Beginn der 20. SSW ggf. auch mit Amoxicillin durchgeführt werden. Die Behandlung kann durch topische Vaginalcremes unterstützt werden allein sind sie außerhalb von Schwangerschaften wirksam, nicht jedoch zur Vermeidung assoziierter Schwangerschaftskomplikationen! Die Wirksamkeit intravaginal applizierter Antiseptika, Döderlein-Lyophilisate oder Milchsäurebakterien ist wissenschaftlich nicht belegt und daher ohne Indikation. Infektionen bei vorzeitigem Blasensprung Zu den wichtigsten prädisponierenden Faktoren des vorzeitigen Blasensprungs zählen neben Mehrlingsschwangerschaften und Polyhydramnion genitale Infektionen sowie Infektionen des unteren Eipols durch aszendierende Erreger aus dem Urogenitaltrakt einschließlich der Gruppe-B-Streptokokken (GBS) (s. u.). Mit der Eröffnung der Amnionhöhle sind vielfältige Komplikationen möglich, insbesondere Frühgeburtlichkeit und Amnioninfektionssyndrom. Prophylaxe: Die Prophylaxe von Amnioninfektionssyndrom bzw. Neugeborenensepsis erfolgt mit Penicillin G (initial 5 Mio. Einheiten, dann 2,5 Mio. Einheiten alle 4 h bis zur Geburt); alternativ mit Ampicillin (3 tgl. 2 g i. v.) plus Erythromycin (2 tgl. 1 g i. v.). Amoxicillin/Clavulansäure sollte wegen! des Risikos einer nekrotisierenden Enterokolitis beim Neugeborenen nicht zur Prophylaxe gegeben werden. Das Prozedere richtet sich dabei nach dem Schwangerschaftsalter: y Blasensprung vor der 36. SSW, GBSpositiv: Infektionsprophylaxe zur Vermeidung einer Neugeborenensepsis antibiogrammgerecht, möglichst mit Penicillin G. y Blasensprung vor der 36. SSW, GBS- Status unbekannt: Wenn die zeitnahe Geburt nicht ausgeschlossen werden kann, wird mit einer Prophylaxe begonnen. Kann die Geburt verzögert werden, sollten mikrobiologische Abstriche von Scheide und Anorektum zur Bestimmung des GBS-Status entnommen werden. Die Prophylaxe wird dann bis zur Geburt bzw. bis zum Ausschluss einer GBS-Infektion (i. d. R. 48 h) fortgesetzt. y Blasensprung ab der 36. SSW: Eine Infektionsprophylaxe ist indiziert bei einer Dauer des Blasensprungs > 18 h oder einer Temperaturerhöhung der Mutter 38 C unter der Geburt; außerdem bei GBS-Bakteriurie, positivem GBS-Screening, AIS-Zeichen oder wenn bei einer vorausgegangenen Geburt eine Neugeborenensepsis aufgetreten war. Amnioninfektionssyndrom Das Amnioninfektionssyndrom (AIS; auch Chorioamnionitis) besteht aus einer Infektion von Plazenta, Eihäuten und möglicherweise auch des Fetus mit der Gefahr der schnellen Ausbreitung und Sepsis. Das AIS 907
4 28 Antiinfektiva-Therapie in der Schwangerschaft und Stillperiode ist eine gefährliche Komplikation des vorzeitigen Blasensprungs und gekennzeichnet durch Fieber (> 38 C), hohe Entzündungswerte, fetale bzw. maternale Tachykardie, druckschmerzhaftem Uterus sowie fötid riechendem Fruchtwasser. Auslösende Erreger sind ähnlich der bakteriellen Vaginose meist Escherichia coli, B-Streptokokken, Enterokokken und pathogene Anaerobier wie Prevotella-Spezies, mitunter auch Listerien und genitale Mykoplasmen. Zum Erregernachweis sind mikrobiologische und native Zervix- und Vaginalabstriche obligat. Therapie: Jedes Amnioninfektionssyndrom mit vitaler mütterlicher Gefährdung sollte sowohl zum Schutz der Mutter als auch des Fetus unverzüglich präpartal mit Antibiotika parenteral behandelt werden selbst wenn gleichzeitig mit der Beendigung der Schwangerschaft bzw. der Geburt auch der mütterliche»infektionsherd«(plazenta und Fetus) beseitigt wird. Ohne sicheren Nachweis der Infektionserreger erfolgt die Therapie zunächst kalkuliert mit 3 4,5 g Piperacillin/Tazobactam oder 3 1,5 g Cefuroxim, jeweils plus mg Clindamycin. Bei den am häufigsten zu erwartenden pathogenen Erregern wie B-Streptokokken, Enterobakterien und Anaerobiern und deren zunehmenden Resistenzen wäre auch kalkuliert wenngleich nicht klinisch geprüft eine Behandlung mit Imipenem oder Meropenem nicht nur bei Nachweis von ESBL eine sehr gute Alternative! Infektionsprophylaxe bei Sectio caesarea Eine Infektionsprophylaxe erfolgt mit der Einmalgabe von Cefuroxim 1,5 g i. v. Hierbei sollte die Applikation vor dem Abklemmen der Nabelschnur also regulär 30 min vor dem Schnitt erfolgen, da nur so die Prävalenz der postpartalen Endometritis und anderer Infektionen gesenkt werden kann; die Komplikationsrate beim Neugeborenen wird hierdurch allerdings nicht beeinflusst. Harnwegsinfekte Um aszendierende Infektionen und eine damit assoziierte Frühgeburtlichkeit zu verhindern, besteht in der Schwangerschaft nicht nur bei symptomatischen Harnwegsinfekten, sondern bereits bei asymptomatischer Bakteriurie die Indikation zur Antibiotika- Therapie. Die Diagnostik der akuten unkomplizierten Harnwegsinfekte ist identisch mit jener bei nicht schwangeren Patientinnen, sollte jedoch neben der körperlichen Untersuchung auch Urinstatus, -sediment sowie eine Urinkultur einschließen. Therapie: Die Antibiotika-Therapie der asymptomatischen Bakteriurie, der akuten unkomplizierten Zystitis sowie der Pyelonephritis gravidarum sollte sich weitgehend am Erregernachweis und der Resistenztestung orientieren. Zur Therapie der akuten unkomplizierten Zystitis und der asymptomatischen Bakteriurie geeignet sind die oral verfügbaren Cephalosporine Cefuroxim (2 tgl mg p. o.), Cefixim (1 tgl. 400 mg p. o.) und Cefpodoxim (2 tgl mg p. o.) sowie Amoxicillin (1 3 g p. o. als ED) und Fosfomycin-Trometamol (1 3 g p. o. als ED). Einmaltherapien sind jedoch in der Schwangerschaft wegen der dabei häufigeren Harnwegsobstruktionen gegenüber Nichtschwangeren weniger wirksam und sollten deshalb eher, in jedem Fall bei Rezidiven, über eine Dauer von etwa 3 5 Tagen durchgeführt werden. Bei der akuten Pyelonephritis einer ansonsten gesunden Schwangeren sollte die stationäre Behandlung erwogen und bis zum Vorliegen des (obligatorischen!) Antibiogramms mit der empirischen Therapie begonnen werden (Cefuroximaxetil, Cefixim, Cefpodoximproxetil, Amoxicillin). Bei Fieber und 908
5 28.1 Infektionen und Antiinfektiva in der Schwangerschaft anderen systemischen Reaktionen sowie Begleiterkrankungen sollte bereits frühzeitig eine parenterale Antibiotika-Therapie erfolgen, die unter schnellem Erfolg und ent sprechender Empfindlichkeit der Erreger auf eine orale Medikation umgestellt werden kann. Nach Therapieende muss bei Schwangeren die erfolgreiche Erregereradikation durch negative Urinkultur(en) verifiziert werden. Klassische Erreger und durch sie verursachte Infektionen in der Schwangerschaft Bakterielle Erreger Gruppe-B-Streptokokken (GBS-Infektionen) Besondere Bedeutung bekommen die»gruppe-b-streptokokken«bei Infektionen in der Schwangerschaft und durch deren perinatale Übertragung als häufiger Erreger einer vielfach letalen Neugeborenensepsis. B-Streptokokken sind Teil der physiologischen Darmflora, aber auch bei ungefähr 30 % der Frauen vaginal zu finden; hierbei vorwiegend mit der Spezies Streptococcus agalactiae, die außerhalb von Schwangerschaften selten als Erreger meist unkomplizierter Harnwegsinfekte in Erscheinung treten. GBS-Screening: Um das Risiko insbesondere einer Early-onset-type-Sepsis des Neugeborenen zu minimieren, sollte zwischen der 35. und der 37. SSW ein GBS-Screening durchgeführt werden. Ergänzend kann die Schwangere mit Spezialhandschuhen (Care Plan ) regelmäßig prophylaktisch auch selbst den vaginalen ph-wert im Hinblick auf eine Besiedlung bzw. Infektion kontrollieren. Prophylaxe und Therapie: Ist das Ergebnis des GBS-Screenings negativ (max. 5 Wochen vor Entbindung erhoben!), kann auf eine subpartale Antibiotika-Prophylaxe verzichtet werden. Ist das Ergebnis des GBS-Screenings bei einer ansonsten asymptomatischen Schwangeren positiv, so genügt die subpartale Prophylaxe mit Penicillin G (initial 5 Mio. Einheiten, dann 2,5 Mio. Einheiten alle 4 h bis zur Entbindung) oder Ampicillin (initial 2 g i. v., dann 1 g i. v. alle 4 h bis zur Entbindung), bei Betalactam-Allergie auch Vancomycin (1 g i. v. alle 12 h bis zur Entbindung). Liegt bei Beginn der Entbindung kein Ergebnis des GBS-Screenings vor und bestehen Risikofaktoren wie eine drohende Frühgeburt vor der 37. SSW, Blasensprung 18 h oder maternales Fieber 38 C, so sollte eine subpartale Prophylaxe wie oben beschrieben erfolgen. Bei einer primären Schnittentbindung kann auf eine antibiotische GBS-Prophylaxe verzichtet werden. Patientinnen mit GBS-Bakteriurie während der Schwangerschaft oder mit Fieber unter der Geburt sind umgehend zu behandeln. Geeignet sind neben der bevorzugten parenteralen Therapie mit Benzylpenicillin 4 täglich 5 Mio. IE und Ampicillin 3 täglich 2 g bei Penicillin-Allergie oder zur oralen Therapie auch Cefuroximaxetil (2 tgl. 500 mg) oder Clindamycin (2 3 tgl. 300 mg). Die systemische Antibiotika-Therapie kann durch lokale Anwendung geeigneter Desinfizienzien unterstützt werden (z. B. Dequaliniumchlorid, als Vaginaltabletten). Chlamydia trachomatis ( Chlamydien-Infektionen) Die genitale Chlamydien-Infektion entsteht unabhängig von der Klinik durch Kolonisation der Cervix uteri und/oder Urethra mit Chlamydia trachomatis der Serotypen D bis K. Die Chlamydien-Infektion ist mit 909
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