allem darum gehen, was Sie selbst tun können, um sich vor beruflicher Erschöpfung zu schützen: Was Sie positiv in Ihrem Sinne umgestalten können,
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- Karlheinz Hartmann
- vor 7 Jahren
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1 I. Einleitung Der Klient macht eigentlich einen blendenden Eindruck. Er berichtet davon, wie glücklich er sich schätzen könne: Verheiratet mit einer liebenswerten Frau, die er schon aus Schulzeiten kennt und die ihn in allen Belangen unterstützt, die beiden Kinder wohlgeraten, und um seinen Job beneiden ihn die meisten seiner Studienkollegen. Gut, seine Arbeit hatte immer mehr Zeit in Anspruch genommen: Zuerst ein paar Überstunden mehr pro Woche, dann ist es einfach»praktischer«geworden, die Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Die neue Internet-Flatrate lädt geradezu dazu ein. Dadurch kann er seine Kinder öfter sehen und ist meist zum Abendessen zu Hause. Danach kann er sich gemütlich wieder an den Laptop setzen und so lange arbeiten, wie er Lust hat. Prima. Eigentlich. Denn nun wird die Ausnahme zur Gewohnheit, der Wohnzimmertisch zum zweiten Büro. Durch die enormen Vorteile dieses Arrangements, zu denen auch gehört, dass er durch das»vorarbeiten«am Abend morgens entspannter in den Tag gehen kann, merkt er lange nicht, wie sehr sich sein Leben geändert hatte: Nur noch in der Sauna ist er definitiv nicht für seinen Job erreichbar. Doch erst als eine Umstrukturierung seiner Abteilung seine Handlungsmöglichkeiten deutlich einschränkt und er über deutlich weniger Mittel als zuvor verfügt und außerdem noch der Teil seiner Arbeit, der ihm am meisten gelegen und viel Freude bereitet hatte durch die Umstrukturierung an einen Kollegen übertragen wird, beginnt er, sich unwohl zu fühlen. Gleichzeitig sind in seiner neuen Position viele Aufgaben hinzugekommen. Er ist nun nicht mehr nur Vorgesetzter von Fachkollegen, sondern muss auch die technischen Mitarbeiter und die Verwaltungskräfte führen. Diese verlangen ganz 9
2 andere Dinge von ihm, als er es von seinen Kollegen, deren Sprache er spricht und die auf ähnliche berufliche Erfahrungen wie er zurückblicken können, bislang gewohnt war. Als er schließlich aufgefordert wird, während eines wichtigen Projekts an mehreren Tagen rund um die Uhr erreichbar zu sein, merkt er das erste Mal, dass er mit Wut und Ärger an die Arbeit denkt. Und nachdem sich diese»empfehlung«seines Chefs, die anfangs für eine Woche vorgesehen war, über Wochen hinzieht, weil es immer mehr statt weniger Probleme in dem Projekt gibt, bricht er eines Morgens zusammen. Er zittert am ganzen Körper, kann nicht aufstehen, ohne von Übelkeit übermannt zu werden, erbricht sich, bekommt Herzklopfen und Schweißausbrüche. Erst nach einer Woche Krankschreibung, die sein Hausarzt ihm mühsam abringen muss es ist ja so wichtig, dass er baldmöglichst wieder arbeitet, kommt er wieder zur Ruhe. So oder ähnlich wie diesem Klienten geht es immer mehr Menschen. Die Burnout-Gefahr nimmt zu. Und das nicht nur aus individuellen Ursachen heraus. Auch Menschen, die bislang nicht zur Risikogruppe gehörten, deren psychische Konstitution und familiärer Hintergrund wenig für Burnout prädestiniert erscheint, sind zunehmend gefährdet. Hier sind nicht das Verhalten und die Persönlichkeit einer Einzelperson Ursache für Burnout, sondern die Verhältnisse, die Arbeits- und Lebensbedingungen. Die Verhältnisse, die Burnout in einem Unternehmen fördern und so auch relativ stressresistente Individuen ausbrennen lassen. Ein Unternehmen kann viel dafür tun, dass seine Mitarbeiter nicht oder zumindest seltener ausbrennen. Aus meiner Sicht als Ärztin, die Burnout-Betroffene behandelt, und als Referentin, die Mitarbeiter sowie Führungskräfte schult, um Burnout vorzubeugen, halte ich es aber nicht nur für wichtig zu überlegen, was ein Unternehmen für seine Mitarbeiter tun kann. Denn dies verleitet Betroffene zu einer passiven Rolle, und Passivität bzw. die krank machende Variante davon, nämlich das Gefühl selbst nichts oder wenig bewirken zu können, führt zu Depression, zu Stress und wiederum zu Burnout. Es soll in diesem Buch daher vor 10
3 allem darum gehen, was Sie selbst tun können, um sich vor beruflicher Erschöpfung zu schützen: Was Sie positiv in Ihrem Sinne umgestalten können, welche Möglichkeiten Sie haben, welche Fehler Sie machen können, wann der richtige Zeitpunkt ist, wer Ihnen dabei wie helfen kann und wie Sie gegebenenfalls Ihre Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeiter mit ins Boot bringen. Anhand vieler praktischer Beispiele aus meiner Praxis- und Seminartätigkeit will ich Möglichkeiten veranschaulichen, wie Sie Stress im Job abbauen und damit Burnout an Ihrem jetzigen Arbeitsplatz und im weiteren Berufsleben vermeiden können. Sie erhalten Einblick in die Gruppen- und Einzelübungen aus meinen Burnout-Präventions-Seminaren, in Fallgeschichten und Erfahrungen der Teilnehmer sowie in die Wege, die meinen Pa tientinnen und Patienten aus dem Burnout geholfen haben. In meiner Arbeit, sowohl in der therapeutischen Praxis als auch bei Seminaren, lege ich großen Wert darauf, Ressourcen, die jeder Einzelne mitbringt, zu nutzen. Das, was Sie durch Ihre eigenen Möglichkeiten bewirken können, was Sie selber in Ihrem Leben als schützend vor Burnout erkennen, ist für die Prophylaxe und Behandlung des Ausbrennens besonders wertvoll. Das, was Sie können (oder früher konnten), können Sie nämlich besonders gut! Daher möchte ich diese Ressourcen aufgreifen, dabei helfen, sie einzuordnen und hinsichtlich der Wirksamkeit bei der Vorbeugung von Burnout zu bewerten. Weitere Möglichkeiten, die Sie vielleicht noch nicht kennen oder nutzen, möchte ich vorstellen. Aber immer gilt für mich der Grundsatz: Das, was Sie am besten können, schützt Sie und hilft Ihnen am besten. Daher sollten Sie diese Fähigkeiten auch ganz besonders berücksichtigen und wenn möglich erweitern. Dabei möchte ich Ihnen zur Seite stehen. 11
4 1. Wie Sie dieses Buch für sich nutzen können Dieses Buch ist kein Ersatz für eine ärztliche Diagnostik oder Behandlung. Sollten Sie sich selbst nicht mehr zu helfen wissen, so zögern Sie nicht, die Unterstützung von professionellen Helfern in Anspruch zu nehmen. Sollten Sie mein Buch»Erfolgreich ohne auszubrennen«bereits gelesen haben, so werden Sie ein paar Gemeinsamkeiten entdecken. Der Burnout-Test ist mit ein paar kleinen Änderungen übernommen worden, und einige Tipps und Ratschläge, insbesondere die Kurzpausen, werden Ihnen bekannt vorkommen. Sie werden in diesem Buch ergänzt und in einem neuen Rhythmus eingesetzt. Sie müssen das vorliegende Lese- und Arbeitsbuch nicht wie einen Roman von vorne bis hinten durchlesen. Wenn Sie schnelle Hilfe wünschen für ein Problem, dann können Sie auch ziel strebig das entsprechende Kapitel ansteuern, sich die Lösungsvorschläge vornehmen und davon versuchen umzusetzen, was Sie für brauchbar halten. Allerdings bin ich auch immer bemüht zu begründen, warum ich zu dieser oder jener Einschätzung gelangt bin. Die Vorschläge mögen für Sie überzeugender und leichter umzusetzen sein, wenn Sie sich sei es vor oder nach Sichtung der Übungen auch die Begründungen ansehen und etwas mehr über neue Daten und Fakten zum Thema Burnout lesen. Wenn Sie vor allem aktuelle Fakten zum Thema suchen, finden Sie in Kapitel II»Neues zum Thema Burnout«aktuelle Zahlen und Wissenswertes zum Thema mit einem Schwerpunkt auf arbeitsbedingten Burnout-Erkrankungen. Möchten Sie Ihre aktuelle Burnout-Gefährdung einschätzen, so finden Sie in Kapitel III»Bin ich ausgebrannt?«einen Burnout-Selbsttest. Dieser ersetzt keine ärztliche Diagnose, sondern soll Ihnen einen Eindruck davon geben, welche Bereiche leicht und welche Themen eher schwer für Sie sind. In diesem Kapitel finden Sie auch Hinweise zur Früherkennung sowie zur Abgrenzung gegenüber anderen Erkrankun- 12
5 gen, wie zum Beispiel einer Depression. Prävention und Früherkennung bilden die wichtigsten Bausteine einer Beschäftigung mit dem Thema Burnout. Um mögliche Gründe zu erfahren, weshalb Sie in ein Burnout geraten können, lesen Sie Kapitel VI»Warum brennt mein Job mich aus?«dabei werden vor allem die Faktoren beleuchtet, die Burnout in Ihrem Erwerbsleben begünstigen. Wenn Sie schon einiges über Burnout wissen, können Sie sich auch gleich dem Kapitel V»Wege aus dem Burnout«widmen. Sie finden dort Übungen, Fallbeschreibungen und Tipps zur Burnout-Vorbeugung und zur Verbesserung Ihrer Arbeits - be dingungen. In der Einleitung zu Kapitel 4 finden Sie auf Seite 40 eine Einstiegsübung, anhand der Sie Ihre persönlichen Schwerpunktthemen eingrenzen können. Sie können anschließend gezielt zu den für Sie wichtigsten Unterpunkten weiterblättern. Beginnen Sie möglichst immer mit einer Aufgabe, die Ihnen leicht von der Hand geht, nicht mit der Übung, die die größte Herausforderung an Sie stellt. In Kapitel VI finden Kollegen, Vorgesetzte und Mitarbeiter von Burnout-Gefährdeten Unterstützung. Hier werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie Sie betroffenen Kollegen helfen können, um die Sie sich sorgen oder die Ihren Arbeits- oder Lebensalltag beschwerlich machen. Mögliche Fallstricke und hilfreiche Verhaltensweisen werden erläutert und typische Verläufe dargestellt. Dieses Buch ist keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern veranschaulicht, aus der Praxis heraus, anhand von Tipps, Ideen und Übungen, wie Sie auch ohne direkte therapeutische Hilfe einige Bereiche Ihres Arbeitslebens aus einem neuen Blickwinkel betrachten und das eine oder andere auf eine neue Weise ausprobieren können. Sollten Sie sich als Leser oder Leserin noch mehr für die Hintergründe und wissenschaftlichen Grundlagen interessieren, so finden Sie im Anhang einige ausgewählte Literaturangaben und Bücher von Kolleginnen und Kollegen, die diesen Bereich stärker ausgeführt haben. 13
6 Da dieses Buch viele Übungen enthält, empfehle ich, beim Lesen eine Packung Buntstifte bereitzuhalten. Bringen Sie ein wenig Farbe in Ihr Arbeitsleben! 14
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