Liebe Schwestern und Brüder, Ach, ne sagte der Vater im Weihnachtsspiel. Auf einmal sucht mein Töchterchen nach dem tieferen Sinn.

Transkript

1 Heiligabend Christvesper Uhr Predigt: Lukas 2, Vers 12 (Windeln) Pastor Volker Dieterich-Domröse Liebe Schwestern und Brüder, Ach, ne sagte der Vater im Weihnachtsspiel. Auf einmal sucht mein Töchterchen nach dem tieferen Sinn. Anja und Jana, die beiden Kinder im Weihnachtsspiel der Haddorfer Konfirmanden und ihre Eltern waren mithilfe der Oma auf der Suche nach dem Sinn von Weihnachten. Die Kinder waren nicht mehr zufrieden mit dem, was bislang in ihrer Familie im Mittelpunkt an Weihnachten stand: mit den Geschenken. In der biblischen Geschichte verkündet der Engel den tieferen Sinn von Weihnachten. Fürchtet euch nicht, sagte der Engel, denn euch ist heute der Heiland geboren. Und das habt zum Zeichen. Ihr werdet ihn in Windeln gewickelt in einer Krippe liegend finden. Windeln, soll ich sagen: stinknormale Windeln -, das ist das Zeichen für den tieferen Sinn von Weihnachten. Ich habe hier eine mitgebracht, - auch nicht mehr als ein Tuch. Vor allem anderen ist die Windel das Zeichen von Weihnachten. Vor Lametta und Tannenduft, vor allen schönen Liedern und vor dem Weihnachtsstern, vor den Geschenken und dem Weihnachtsessen. Aber ist das nicht peinlich? Eine Windel, ausgerechnet eine Windel. Eigentlich ist das die peinlichste Stelle aus der ganzen Weihnachtsgeschichte. Das war manchen Christen früher auch mehr als peinlich. Schon im 2. Jh. hat der Theologe Marcion gesagt: Schafft endlich die Krippe fort und die eines Gottes unwürdigen Windeln! Der Stall und die Krippe und die Windel, das war diesem Marcion ein echtes Ärgernis; der Glaube sollte den ewigen und bedürfnislosen Gott

2 verehren. Gott ganz anders als wir Menschen es sind. Alles sollte schön sein und erhaben. Aber Marcion hat man dann zum Irrlehrer erklärt und die Weihnachtsgeschichte genau so durch die Jahrhunderte weitererzählt: Die Windel ist das Zeichen. Martin Luther hat das auf die Spitze getrieben. So drastisch wie ich es mich fast gar nicht traue, hat Luther das ausgedrückt: Gott scheißt und pisst in die Windeln.... Gott selbst liegt in Windeln. Das ist eine unerhörte Erniedrigung Gottes. Ja - So sehr hat sich Gott selbst für uns klein und niedrig gemacht. Damit wir ihn annehmen können wie ein hilfloses Kind, das unsere Fürsorge braucht. Windeln sind ja nichts Besonderes. Jedes Baby hat welche. Wir alle hier haben einmal Windeln getragen. Ob aus Stoff wie diese hier oder aus Kunststoff die Pampers. Windeln gehören dazu, wenn ein Mensch zur Welt gekommen ist. Wie ich meinen beiden Töchtern die Windeln gewechselt habe, erinnere ich noch sehr gut. Und wie viel Wäsche da immer anfiel. Manchmal waren die Windeln gerade wieder trocken nach dem Waschen, - da kamen sie auch schon wieder zum Einsatz. Die Windel ist das Zeichen für einen wirklichen Menschen. Darum ist die Windel auch das Zeichen für Weihnachten: Gott ist Mensch geworden. Weil die Engel einen Retter in Windeln angekündigt haben, verstanden die Hirten sofort, dass dies auch ihr Heiland sein würde. Als die Engel sagten: Euch ist heute der Heiland geboren da haben sie das für die Hirten eben mit diesem besonderen Zeichen begründet. An den Windeln sollten sie erkennen, dass das wirklich ihr Retter sein würde:

3 Einer von ihnen - geboren und bedürftig wie sie. Kein abgehobener Herrscher, der in einem Palast lebt und sich nach außen hin anders gibt, als er in Wirklichkeit ist. Ein Kind in Windeln wie sie jeder von uns am Anfang seines Lebens getragen hat, ist wirklich ein Zeichen dafür, dass Gott keine Unterschiede macht. Josef hielt die Hirten im Weihnachtsspiel zurück, die sich aus Scham vor dem Reichtum der Könige von der Krippe wegstehlen wollten mit den Worten: Für Gott gibt es keine Unterschiede. Er mag alle Menschen, auch euch und gerade euch. Ein Retter, dessen Zeichen die Windeln sind, die alle Menschen am Anfang ihres Lebens tragen, der ist für die Hirten die Erfüllung ihrer Sehnsucht: Es ist einer von uns und für uns. Wie es der eine Hirte sagte: es müsste mal jemand kommen, der ganz besonders für uns Ausgestoßene da ist, für die, denen es ganz schlecht geht. Und es ist Gott selber, der kommt. Gott ist dieser erwartete Helfer geworden, ER, der Herr der Welt, der Erhabene Er teilt die Menschlichkeit mit uns. So wie ich Mensch bin und du und Sie alle: mit dem, was ich an mir nicht mag, mit dem, womit ich nicht fertig werde, mit meiner Kleinmütigkeit und mit meiner Scham. Und dafür sind die Windeln eben auch das Zeichen: Gott ist solidarisch mit uns selbst in den Peinlichkeiten unseres Lebensbeginns und erst recht in der höchsten Not unseres Leidens und am Ende unseres Lebens im Sterben. Wenn wir vielleicht wieder Windeln tragen. Die Windeln führen uns auf die Spur von Weihnachten. Und auf dieser Spur werden wir menschlicher. Also: Mach es wie Gott - werde Mensch. Werde wahrhaft menschlich!

4 Unsere Menschlichkeit ist schon so oft abhanden gekommen. Wir haben oft genug das menschliche Maß verloren mit unserer Gier, unserem Durchsetzungswillen, unserem Hass auf andere. Auch 2008 war und ist das so: In China wurde mit den olympischen Spielen die Menschlichkeit nach außen hin gefeiert, und im Hintergrund die Unterdrückung der Meinung besonders in Tibet noch offenkundiger. Im Kaukasus sollten wieder einmal politische Probleme mit militärischen Mitteln gelöst werden In Passau waren es vermutlich rechtsradikale Täter, die den Polizeipräsidenten niedergestochen haben. Und in der sich immer mehr ausweitenden Wirtschaftskrise haben wir mit ansehen müssen, wie einige Banker - nicht alle - Milliarden Euro durch profitsüchtige Spekulationen verzockt haben und jetzt dürfen wir, die Steuerzahler Rettungsschirme bezahlen und viele müssen dieses unverantwortliche Tun nun mit ihren Arbeitsplätzen bezahlen. Dabei ist oft genug die Menschlichkeit vor die Hunde gegangen. Es gibt immer noch viele, die glauben, sie könnten etwas darstellen durch Stärke und Geld, durch Show und Macht. Und sie merken nicht, wie sie gerade so die Menschlichkeit verfehlen. Dabei kann ein Mensch einem anderen Menschen nur dann nahe sein, wenn sie gegenseitig spüren können, dass der andere auch ein empfindlicher und bedürftiger Mensch ist. Und genau so kommt Gott uns nahe: Die Windel ist das Zeichen dafür. Und dieser Mensch, der so menschlich geworden ist, Jesus, der hat uns gezeigt, was es heißt, als Mensch zu leben. Von ihm können wir die Menschlichkeit lernen. Wie er die Menschen angesehen hat, die kein Ansehen hatten, so können wir einander als Gottes geliebte Kinder in die Augen sehen. Wie er für die Verhasstesten zum Bruder wurde, so können wir anderen über allen Streit hinweg geschwisterlich die Hand reichen.

5 Wie er in seiner Liebe zu den Menschen sogar sein Leben hingegeben hat, so können wir uns mit Hingabe den Menschen zuwenden, die unsere Nähe brauchen. Die wahre Menschlichkeit, die fängt aber ganz unten an. So klein und empfindlich wie jedes neue Leben. In Windeln gewickelt. Und doch so voller Möglichkeiten des Lebens, die jedem neugeborenen Kind offen stehen. In der Krippe fing das an. Gott ist der Mensch, der uns menschlicher macht. Amen.