Vorwort. Steuerforum 2011 Dr. Christ / Dr. von Elsner
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- Johanna Schreiber
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1 4 Vorwort Am ist das viele Jahre diskutierte Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts in Kraft getreten. 1 Die wichtigsten Punkte der Reform betreffen das Pflichtteilsrecht und einen kurz vor der Verabschiedung einkassierten Reformvorschlag zur Auswirkung von Schenkungen im Erbfall. 2 Ausgangsfall Erblasser E hat bereits zu Lebzeiten erhebliches Vermögen an gemeinnützige Organisationen gespendet. Außerdem hat er seinen einzigen Sohn während des Studiums großzügig unterstützt. Seinen beiden Töchtern hat der Erblasser ebenfalls Vermögen unter Lebenden übertragen: Die älteste Tochter erhielt Immobilien unter Vorbehalt des Nießbrauchs, während die jüngste Tochter sechs Jahre vor dem Erbfall erhebliches Barvermögen erhalten hat. In seinem Testament hat er seine beiden Töchter als Alleinerben eingesetzt. Seinen Sohn sowie dessen Kinder hat der Erblasser nicht bedacht; der Sohn macht daher gegenüber seinen Schwestern Pflichtteilsrechte geltend. 1 2 BGBl I 2009, 3142 Hierzu Langenfeld, NJW 2009, 3121
2 Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsanspruch Gem BGB geht das Vermögen insgesamt (sämtliche Vermögenswerte, Rechte und Pflichten) vom Erblasser als Ganzes auf die gesetzlichen Erben über; ein Übergang nur einzelner Vermögensgegenstände auf bestimmte Personen kraft Erbfolge erfolgt nicht. Hiervon gibt es jedoch Ausnahmen, in denen im Wege einer sog. Sonderrechtsnachfolge einzelne Vermögensgegenstände unmittelbar auf bestimmte Personen übergehen Höfeordnung, Sondernachfolge in die Beteiligung an einer Personengesellschaft (Nachfolgeklausel) Verwandtenerbfolge (1) Gesetzliche Erben sind die Verwandten des Erblassers und sein Ehegatte. Nach der Rangordnung der 1924 ff BGB ergibt sich: Erben der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge (Kinder, Enkelkinder usw.) des Erblassers. Sind mehrere Verwandte der ersten Ordnung (Abkömmlinge) vorhanden, bestimmen sich die Erben nach Stämmen; jedes Kind des Erblassers bildet mit seinen Nachkommen einen Stamm und jeder Stamm erhält den gleichen Erbteil, 1924 Abs. 4 BGB. Erben der zweiten Ordnung sind dessen Eltern und deren Abkömmlinge. In der zweiten Ordnung (Eltern und deren Abkömmlinge) bildet jeder Elternteil des Erblassers zusammen mit seinen Nachkommen eine Linie, jede Linie erbt zu gleichen Teilen. Sind nur Verwandte der dritten Ordnung (Großeltern und deren Abkömmlinge) vorhanden, bildet jeder Großelternteil zusammen mit seinen Nachkommen eine Linie, die ebenfalls zu gleichen Teilen erben. (2) Innerhalb jedes Stammes und jeder Linie gilt das Repräsentationsprinzip; es bedeutet, dass innerhalb einer Ordnung der dem Erblasser dem Grade nach am nächsten Stehende seine eigenen Abkömmlinge von der Erbfolge ausschließt, 1930 BGB Ehegattenerbrecht Das Erbrecht des Ehegatten ist davon abhängig, zu welcher Ordnung die Miterben gehören und zudem vom Güterstand. Grundsätzlich beträgt der gesetzliche Erbteil neben Verwandten der ersten Ordnung ein Viertel und neben Verwandten der zweiten Ordnung sowie
3 6 Großeltern die Hälfte, 1931 Abs. 1 BGB. Sind weder Verwandte der ersten oder zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden, wird der überlebende Ehegatte der Alleinerbe, 1931 Abs. 2 BGB Zugewinngemeinschaft Leben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, erhält der überlebende Ehegatte als Miterbe ein weiteres Viertel als pauschalen Zugewinnausgleich, 1371 BGB. Mit dieser Pauschalierung sollen die mit der Berechnung und Geltendmachung eines etwaigen Zugewinnausgleichsanspruchs verbundenen Schwierigkeiten vermieden werden; sie gilt unabhängig davon, ob überhaupt ein Zugewinn entstanden ist. Beispiele E hinterlässt Ehefrau und zwei Kinder: Ehefrau erbt ein Halb, Kinder je ein Viertel. E hinterlässt Ehefrau sowie seine beiden Eltern und seinen Bruder: Ehefrau erbt drei Viertel, die Eltern je ein Achtel; der Bruder wird durch die Eltern ausgeschlossen Gütertrennung Beim Güterstand der Gütertrennung entfällt die pauschalierte Erhöhung des Erbteils. Jedoch ist zu beachten, dass das Erbrecht eine Ausnahme im Hinblick auf die Anzahl der Kinder erfährt: Haben die Ehepartner lediglich ein oder zwei Kinder, erben der Ehegatte und jedes Kind zu gleichen Teilen ( 1931 Abs. 4 BGB); dieser Regelung liegt die Überlegung zu Grunde, dass der Ehegatte mindestens soviel wie jedes Kind erhalten soll. Beispiele E hinterlässt Ehefrau und zwei Kinder: Ehefrau und Kinder erben zu je ein Drittel. E hinterlässt Ehefrau und fünf Kinder: Ehefrau erbt zu ein Viertel, Kinder teilen sich die restlichen drei Viertel nach Köpfen = jeweils 5/20. E hinterlässt Ehefrau und seine beiden Eltern: Ehefrau erbt ein Halb, die Eltern jeweils ein Viertel Pflichtteilsanspruch Der Erblasser kann durch Testament oder Erbvertrag beliebig verfügen und damit auch seine gesetzlichen Erben von der Erbfolge ausschließen. Sofern diese Enterbung seine Abkömmlinge, die Eltern oder den überlebenden Ehegatten betrifft, erwerben diese mit dem Erbfall ( 2317 Abs. 1 BGB) gegenüber dem eingesetzten Erben ei-
4 7 nen Anspruch auf eine Geldforderung in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils, 2303 Abs. 1 BGB. Entferntere Abkömmlinge und Eltern des Erblassers sind nicht pflichtteilsberechtigt, sofern ein Abkömmling, der sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichtteil verlangen kann. Zum Fall: Den Kindern des Sohnes steht somit kein Pflichtteilsanspruch zu. Bei Ehegatten besteht in Fällen der Zugewinngemeinschaft eine Besonderheit: Wird der überlebende Ehegatte nicht Erbe, erhält er gem Abs. 2 BGB nur den kleinen Pflichtteil (nach Erbteil von ein Viertel) und kann daneben einen Zugewinnausgleichsanspruch geltend machen. Wird er hingegen Erbe, schlägt die Erbschaft jedoch aus, würde er an sich auch den Pflichtteilsanspruch verlieren; für den überlebenden Ehegatten gilt hingegen die Sonderregelung des 1371 Abs. 3 BGB, wonach ihm bei einer Ausschlagung ein Pflichtteilsanspruch zusteht und zwar der kleine Pflichtteil. Der überlebende Ehegatte ist jedoch nicht mehr pflichtteilsberechtigt, sofern die Ehe bereits geschieden (bzw. aufgehoben oder für nichtig erklärt) war oder aber ein Scheidungsverfahren rechtshängig ist Ehescheidungsklage durch den Erblasser oder Zustimmung nach wirksamem Scheidungsantrag des Ehepartners ( 1933 BGB). 1.2 Erbausschlagung bei belastetem Erbteil Der pflichtteilsberechtigte Erbe kann durch testamentarische Beschränkungen oder Beschwerungen belastet sein, also insbesondere bei Nacherbschaft, Testamentsvollstreckung, Teilungsanordnung oder Vermächtnis. (1) In diesem Fall musste er bislang gem Abs. 1 BGB innerhalb der Ausschlagungsfrist von regelmäßig 6 Wochen ( 1944 Abs. 1 BGB) feststellen, ob der ihm hinterlassene Erbteil größer ist als sein Pflichtteil. War der Erbteil größer, hatte der pflichtteilsberechtigte Erbe die Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen, um so den zwar rechnerisch geringeren Pflichtteil zu erlangen, diesen aber ohne Beschränkungen und Beschwerungen. War der Erbteil kleiner als der Pflichtteil, entfielen die angeordneten Beschränkungen kraft Gesetzes automatisch. (2) Nunmehr besteht für jeden beschwerten Erben ein generelles Wahlrecht, entweder den Erbteil mit allen Beschränkungen und
5 8 Beschwerungen anzunehmen, oder aber den Erbteil auszuschlagen und den Pflichtteil zu verlangen (keine Automatik). Dies gilt unabhängig davon, ob seine Erbquote nominal die Pflichtteilsquote übersteigt oder nicht. Ein automatischer Wegfall der vom Erblasser angeordneten Beschränkungen bzw. Beschwerungen für den Fall, dass der zugewiesene Erbfall den Pflichtteil nicht übersteigt, findet zukünftig jedoch nicht mehr statt Gesetzliche Neuregelung Abschmelzungsmodell Der Pflichtteilsanspruch bezieht sich grundsätzlich auf den beim Erbfall vorhandenen Nachlass. Um zu verhindern, dass der Erblasser durch lebzeitige Vermögensverschiebungen den gesetzlichen Pflichtteil schmälern und somit den Pflichtteilsberechtigten ausbooten kann, sieht 2325 BGB vor, dass dem Pflichtteilsberechtigten für bestimmte Schenkungen des Erblassers gleichfalls ein Pflichtteilsanspruch zusteht sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch. Voraussetzung hierfür ist grundsätzlich, dass die Schenkung innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall erfolgt ist, 2325 Abs. 3 BGB. (1) In diesem Fall war die Schenkung bisher vollständig dem Nachlass zum Zwecke der Pflichtteilsberechnung hinzuzurechnen (sog. Alles-Oder-Nichts-Prinzip). Durch diesen Anspruch wird der Pflichtteilsberechtigte so gestellt, als ob die Schenkung nicht erfolgt und das Vermögen des Erblassers nicht verringert worden wäre. Der Beschenkte musste daher bisher innerhalb der 10-Jahres-Frist stets damit rechnen, dass die Schenkung in voller Höhe einem Pflichtteilsergänzungsanspruch unterliegt. Diese fehlende Planungssicherheit galt auch für Stiftungen und gemeinnützige Vereine, die mit einer Schenkung bedacht wurden; denn auch rechtspolitisch wünschenswerte Zuwendungen unterliegen der Pflichtteilsergänzung. 4 Zum Fall: Auch die Spenden des Erblassers an die gemeinnützigen Organisationen unterliegen somit grundsätzlich dem Pflichtteilsergänzungsanspruch. (2) Nunmehr sieht 2325 Abs. 3 BGB ein Abschmelzungsmodell vor, nach dem die Schenkung innerhalb der 10-Jahres-Frist immer weniger Berücksichtigung findet, je länger sie zurückliegt. Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird demnach voll in die Berechnung einbezogen, im zweiten Jahr jedoch nur noch zu 9/10, im dritten zu 8/10 usw. Liegt die Schenkung bereits 10 Jahre zurück, bleibt sie völlig unberücksichtigt. 3 4 Hierzu Mayer, ZEV 2010, 2 BGH v IV ZR 249/02, NJW 2004,1382
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