Medizinische Soziologie
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- Harald Beltz
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1 Vorlesung WS 2015/16 Medizinische Soziologie Thomas Kohlmann Sandra Meyer-Moock, You-Shan Feng Institut für Community Medicine Universitätsmedizin Greifswald
2 Vorlesung WS 2015/16 Das Gesundheitssystem in Deutschland Thomas Kohlmann Sandra Meyer-Moock, You-Shan Feng Institut für Community Medicine Universitätsmedizin Greifswald
3 Das Gesundheitssystem in Deutschland Geschichte des deutschen Gesundheitswesens Einführung von Gesundheitsleistungen Einführung des Sozialversicherungssystems Leistungsträger Das Gesundheitssystem in Deutschland Aufbau und Funktionsweise Finanzierung
4 Geschichte des deutschen Gesundheitswesens Industrialisierung Einführung von Maschinen in den Produktionsprozess Veränderung der Arbeitsprozesse: Einführung der Arbeitsteilung Landflucht niedriges Lohnniveau Soziale Leistungen abgesehen von einem nur wenig entwickelten Fürsorgesystem fehlten völlig.
5 Geschichte des deutschen Gesundheitswesens
6 »Die Arbeit zwischen den Maschinen veranlaßt eine Menge Unglücksfälle, die mehr oder weniger ernster Natur sind und für den Arbeiter noch dazu die Folge haben, daß sie ihn teilweise oder ganz zu seiner Arbeit unfähig machen. Am häufigsten kommt es vor, daß ein einzelnes Glied von einem Finger abgequetscht wird, seltner schon, daß ganze Finger, eine halbe oder ganze Hand, ein Arm usw. von den Rädern ergriffen und zermalmt wird. [...] Die gefährlichsten Stellen der Maschinerie sind aber die Riemen, welche die Triebkraft vom Schaft auf die einzelnen Maschinen leiten, besonders wenn sie Schnallen haben, die man indes selten mehr findet. Wer von diesen Riemen ergriffen wird, den reißt die treibende Kraft pfeilschnell mit sich herum, schlägt ihn oben gegen die Decke und unten gegen den Fußboden mit solcher Gewalt, daß selten ein Knochen am Körper ganz bleibt und augenblicklicher Tod erfolgt. [...] Die Fabrikanten bezahlen bei solchen Unglücken, sie mögen arbeitsunfähig machen oder nicht, höchstens den Arzt und, wenn es sehr hoch kommt, den Lohn während der Dauer der Kur wohin der Arbeiter später gerät, wenn er nicht arbeiten kann, ist ihnen gleichgültig.«quelle: Friedrich Engels über die Fabrikarbeit in England 1845
7 Geschichte des deutschen Gesundheitswesens Industrialisierung Folgen Einführung von Maschinen in den Produktionsprozess Veränderung der Arbeitsprozesse: Einführung der Arbeitsteilung Landflucht niedriges Lohnniveau Soziale Leistungen abgesehen von einem nur wenig entwickelten Fürsorgesystem fehlten völlig. biologische Schäden (Unterernährung, häufige Krankheiten, hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit, geringe Lebenserwartung) moralische Schäden (Trunksucht, Neid, Verbitterung und sexuelle Verwahrlosung)
8 Geschichte des deutschen Gesundheitswesens Das erste sozial- und gesundheitspolitische Gesetz in Deutschland: Preußisches Fabrikregulativ 1839 Friedrich Wilhelm III König von Preußen Verbot der Arbeit von Kindern unter 9 Jahren Unter 16 Jahren: Verbot der Nacht- und Sonntagsarbeit und Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf 10 Std.
9 Wilhelm I Geschichte des deutschen Gesundheitswesens
10 Geschichte des deutschen Gesundheitswesens Kaiserliche Botschaft 1881 Wilhelm I... dass die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf dem Wege der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde
11 Geschichte des deutschen Gesundheitswesens Beginn Gründung einer staatlich organisierten Sozialversicherung Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung (1883) Es gilt allgemeiner Versicherungszwang. Otto von Bismarck Leistungen vom Beginn der Krankheit an: freie ärztliche Behandlung, Arznei sowie Brillen, Bruchbänder und ähnliche Heilmittel, Krankenhauspflege bei Erwerbsunfähigkeit (heute: Arbeitsunfähigkeit) vom dritten Tag an ein Krankengeld Die Krankenunterstützung endete spätestens mit Ablauf der 13. Woche nach Krankheitsbeginn.
12 Geschichte des deutschen Gesundheitswesens 1839 Preußisches Fabrikregulativ 1881 Kaiserliche Botschaft 1883 Bismarcksche Sozialgesetzgebung 1883 Krankenversicherung 1884 Unfallversicherung 1889 Gesetzliche Rentenversicherung (ursprünglich: Alters- und Invaliditätssicherung) 1911 Reichsversicherungsordnung RVO 1976ff Sozialgesetzbuch SGB Bis heute gegliedertes Sozialversicherungssystem
13 Gesetzliche Rentenversicherung 5 Säulen der Sozialen Sicherung Gesetzliche Krankenversicherung Sozialgesetzbuch I XII Soziale Pflegeversicherung Gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsförderung seit 1889 seit 1883 seit 1995 seit 1884 seit 1927 SGB VI SGB V SGB XI SGB VII SGB III Alter und Erwerbsminderung, Reha Krankheit (Behandlungskosten, Krankengeld) Pflegebedürftigkeit Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten Erwerbslosigkeit
14 Das Gesundheitssystem in Deutschland Wirtschaftliche Aspekte des Gesundheitssystems
15 Das Gesundheitssystem in Deutschland Gesundheitsausgaben finanzielle Aufwendungen für alle Leistungen und Güter mit dem Ziel der Prävention Behandlung Rehabilitation und Pflege sowie Investitionen der Einrichtungen des Gesundheitswesens
16 Gesundheitsausgaben nach Ausgabenträgern (in Mio. Euro) Gesundheitsausgaben gesamt öffentliche Haushalte : gesetzliche Krankenversicherung ,9 483 Milliarden 172 Euro 408 soziale Pflegeversicherung Anstieg von 4,0 % gegenüber 2012 gesetzliche Rentenversicherung Pro 119 Einwohner: private Krankenversicherung (2012: Euro) Anteil der Arbeitgeber Gesundheitsausgaben am BSP: 11,2 % private Haushalte und private Organisationen ohne Erwerbszweck Quelle: Statistisches Bundesamt 2014
17 Gesundheitsausgaben nach Leistungsarten (in Mio. Euro) Gesundheitsausgaben gesamt Prävention / Gesundheitsschutz Ärztliche Leistungen Pflegerische/therapeutische Leistungen Unterkunft/Verpflegung Waren davon Arzneimittel Transporte Verwaltungsleistungen Quelle: Statistisches Bundesamt 2014
18 Krankenversicherung der deutschen Bevölkerung Bevölkerungsanteile in % Gesetzliche Krankenversicherung Private Krankenversicherung Sonstiger Versicherungsschutz darunter: AOK 36,6 Ersatzkassen 33,2 BKK 20,3 Andere 9,9 88,5 8,9 2,4 Nicht krankenversichert 0,2
19 Das Gesundheitssystem in Deutschland Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) Arbeitet nach dem Solidarprinzip: Jede(r) Versicherte zahlt einen festen Prozentsatz seines Nettolohns unabhängig vom Krankheitsrisiko: (ab Jan. 2015: 14,6%) Arbeitgeber und Arbeitnehmer tragen jeweils die Hälfte (AG: 7,3% / AN: 7,3%).
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21 Das Gesundheitssystem in Deutschland Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) Arbeitet nach dem Solidarprinzip: Jede(r) Versicherte zahlt einen festen Prozentsatz seines Nettolohns unabhängig vom Krankheitsrisiko: (ab Jan. 2015: 14,6%) Arbeitgeber und Arbeitnehmer tragen jeweils die Hälfte (AG: 7,3% / AN: 7,3%). Zukünftige Entwicklung: Beitragssatz bleibt konstant! Bei Mehrbedarf der Kassen: Erhebung eines kassenindividuellen Zusatzbeitrages
22 Krankenkassen finanzieren sich aus Zuweisungen zum Gesundheitsfond und kassenindividuellen Zusatzbeiträgen
23 Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) Standardisierte Leistungsangebote, die nur geringfügig variieren. Die Abrechnung medizinischer Leistungen erfolgt nach dem Sachleistungsprinzip.
24 Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) Staat Kostenträger Rechtsansprüche Verträge Leistungserbringer Vergütungen Mitglieder / Versicherte
25 Sektoren des Gesundheitssystems Finanzierung Ambulante Versorgung Stationäre Versorgung Rehabilitation
26 Ambulante Versorgung KV-Karte Med. Dienstleistung Facharzt Mitgliedschaft KV-Karte Mitgliedschaft Honorarverteilung Gesetzliche Krankenkassen Gesamtvergütung Abr.-Belege KV (Kassenärztliche Vereinigung)
27 Kassenärztliche Vereinigung (KV) Aufgaben: Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten Übernahme der Gewährleistung gegenüber den Krankenkassen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht Verpflichtung zur Wahrnehmung der Interessen und Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen
28 Stationäre Versorgung KV-Karte Med. Dienstleistung Mitgliedschaft KV-Karte Rechnungsstellung Bezahlung Investitionskosten Gesetzliche Krankenkassen Öffentl. Haushalt Privatwirtschaft
29 Krankenhäuser, Betten und Bettenauslastung 1991 Krankenhäuser: 2411 Betten: Krankenhäuser: 1996 Betten:
30 Krankenhäuser, Betten und Bettenauslastung Jahr Einrichtungen Anzahl Fallzahl Fallzahl je Einw. Berechnungs-/ Belegungstage Verweildauer (Tage) , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,5 Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Bundes, 2014
31 Aktuelle Diskussion (u.a. Rosenbrock) Gesundheitsfonds als Kompromiss zwischen Kopfpauschale und Bürgerversicherung Zusatzbeiträge unterminieren die Parität der Finanzierung Umverteilung von unten nach oben auf Kosten der Gesundheit PKV nicht in den Solidarausgleich einbezogen Positiv: Bisherige Kann-Leistungen im Pflichtkatalog Ausbau der integrierten Versorgung Verträge zwischen Kassen und Pharmaherstellern
32 Mitgliedschaft Honorar Kassenärztl. Vereinigung Facharzt Mitgliedschaft Honorar Med. Dienstleistung Gesamtvergütung Abr.-Belege Mitgliedschaft Beitrag Rezept Krankenkassen Rezepte Zahlungen Einweisung KV-Karte Investitionskosten Öffentl. Haushalte Privatwirtschaft Medikamentenabgabe Geld, Waren Pharmazeut. Großhandel Pharma. Industrie Kosten-/Leistungsnachweis Fallpauschalen/DRGs
33 Gesetzliche Rentenversicherung 5 Säulen der Sozialen Sicherung Gesetzliche Krankenversicherung Sozialgesetzbuch I XII Soziale Pflegeversicherung Gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsförderung seit 1889 seit 1883 seit 1995 seit 1884 seit 1927 SGB VI SGB V SGB XI SGB VII SGB III Alter und Erwerbsminderung, Reha Krankheit (Behandlungskosten, Krankengeld) Pflegebedürftigkeit Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten Erwerbslosigkeit
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35 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung Die Berufsgenossenschaften und die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand haben den gesetzlichen Auftrag, Arbeits- und Schulunfälle sowie Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten. Nach Eintritt eines Versicherungsfalles entschädigen sie die Versicherten oder deren Hinterbliebene. Die Unfallversicherungsträger sorgen mit allen geeigneten Mitteln dafür, dass die Gesundheit von Verletzten/Erkrankten durch geeignete Maßnahmen der Akutversorgung / medizinischen Rehabilitation möglichst wiederhergestellt wird.
36 Meldepflichtige Arbeitsunfälle 2007 N je 1000 Quelle: DGUV-Statistik
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38 Versorgungstypen gesundheitlicher Sicherung Wohlfahrtstaatliche Systeme Finanzierung über Beiträge zu Krankenversicherungen Beiträge sind nicht risikoabhängig Allgemeine Versicherungspflicht Alle Versicherten haben Zugang zur gleichen Qualität medizinischer Versorgung!
39 Versorgungstypen gesundheitlicher Sicherung Nationale Gesundheitssysteme Finanzierung aus Steuermitteln Zugang zu medizinischen Leistungen ist für alle Personen offen, die sich im Geltungsbereich des Gesundheitssystems aufhalten Privatwirtschaftlich organisierte Systeme Keine Versicherungspflicht Beiträge zur Krankenversicherung sind nach individuellen Risiken gestaffelt oder es gibt eine an die Berufstätigkeit gekoppelte Versicherung Nicht alle Leistungen sind abdeckt
40 Vielen Dank!
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