Landtag Nordrhein-Westfalen Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschuss. Christian Möbius, MdL Platz des Landtags Düsseldorf
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- Cornelius Böhler
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1 Landtag Nordrhein-Westfalen Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschuss Christian Möbius, MdL Platz des Landtags Düsseldorf Berlin, 29. Mai 2015 Stellungnahme zum Antrag der Fraktion der FDP Faire Besteuerung ermöglichen und Existenz von Familienunternehmen in Nordrhein-Westfalen sichern - Für eine zukunftsfeste und verfassungskonforme Ausgestaltung der Erbschaftsteuer (Drs. 16/8134) Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Möbius, vielen Dank für die Möglichkeit zur Stellungnahme bezüglich des o. g. Antrags der Fraktion der FDP. Diese nehmen wir zusammen mit der IHK Köln gern wahr. Zu Punkt 1 des Beschlussantrags: Gerade in Bezug auf die Unternehmensnachfolge ist für Familienunternehmen die Rechts- und Planungssicherheit von elementarer Bedeutung. Die notwendige Neuregelung der Erbschaftsteuer muss diese Anforderung und dabei zugleich die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts erfüllen. Deshalb unterstützen wir den Antrag der FDP-Fraktion ausdrücklich.
2 - 2 - Zu Punkt 2 und 3 des Beschlussantrags: Wir unterstützen und befürworten Punkt 2 des Antrags der Fraktion der FDP. Im Einzelnen: 1. Grenzwert 20 Mio. Euro nicht geeignet Das Konzept des BMF sieht vor, für die Abgrenzung von großen Unternehmen eine erwerbsbezogene Freigrenze von 20 Mio. Euro pro Erwerb einzuführen. Übersteigt das erworbene begünstigte Vermögen diese Freigrenze, bedarf es einer individuellen Bedürfnisprüfung um die Verschonungsregelungen in Anspruch nehmen zu können. Die vorgeschlagene Freigrenze ist nicht geeignet, für den Standort Deutschland eine adäquate Bestimmung eines mittelständischen Unternehmens in Abgrenzung zu Großunternehmen vorzunehmen. Dies gilt umso mehr als die Bewertung von Familienunternehmen in der Regel zu überhöhten Unternehmenswerten führt (beim vereinfachten Ertragswertverfahren liegt der Kapitalisierungsfaktor bei 18,21 hierzu folgen Ausführungen weiter unten). Ohne eine marktgerechte Bewertung von Betrieben kann eine unangemessen hohe Belastung bei der Übertragung nur dann vermieden werden, wenn eine Verschonung vorgenommen wird, die anhand der Auflagen mit der Erreichung des Gemeinwohlziels verknüpft wird. Dabei hat das BVerfG für die mittelständischen Unternehmen eine unwiderlegbare Gefährdungsvermutung ohne Bedürfnisprüfung für verfassungskonform erklärt. Nach dem Bundesverfassungsgericht soll die Abgrenzung dazu dienen, die mittelständischen Unternehmen als Adressatenkreis der Verschonungsregelungen zu bestimmen. Der vom BMF vorgeschlagene Grenzwert von 20 Mio. Euro betrifft allerdings bereits Betriebe, die einen durchschnittlichen Jahresertrag von gut einer Mio. Euro erzielen. Denn nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren ergibt sich mit dem Faktor 18,21 in diesem Fall bereits der Grenzwert von 20 Mio. Euro. Angesichts der Unternehmensstruktur in Deutschland würde ein Grenzwert von 20 Mio. Euro auch bereits die Betriebe betreffen, die nicht zwingend als Großunternehmen eingestuft werden müssen. Unseres Erachtens ist dieser Grenzwert auch deutlich restriktiver als die als Beispiele formulierten Vorgaben des BVerfG. Der Grenzwert sollte sich deshalb eher am Wert von 100 Mio. Euro pro Erwerb orientieren, den das BVerfG als Orientierungswert nennt. 2. Bewertungsproblem nicht behoben Die Bewertungsfälle und der Bewertungsumfang steigen bei dem vom BMF vorgeschlagenen Konzept gegenüber der bisherigen Regelung deutlich. Denn künftig müsste jedes übertragene Betriebsvermögen selbst die (nach den BMF-Eckwerten) unter die Aufgriffsgrenze von 1 Mio. Euro Unternehmenswert fallenden Unternehmen bewertet werden. Zudem würde es
3 - 3 - notwendig, in Fällen eines Übertragungswerts von mindestens 20 Mio. Euro das komplette Privatvermögen der Erben zu bewerten. In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, dass das Kernproblem des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes, die marktgerechte Bewertung der Familienunternehmen, nicht gelöst ist. In der Regel werden Familienbetriebe überbewertet, weil die klassischen mittelständischen Strukturen zur Unternehmensfinanzierung und Unternehmenssicherung (Thesaurierungsvorgaben, Verfügungsbeschränkungen, Abfindungsklauseln etc.) bei der Bewertung nicht angemessen berücksichtigt werden. Nach 9 Abs. 2 i. V. m. 9 Abs. 3 BewG sind persönliche Verfügungsbeschränkungen nicht zu berücksichtigen. Nach dem aktuellen vereinfachten Ertragswertverfahren, das in vielen Fällen der Unternehmensbewertung bei Übertragungen angewandt wird, muss nach 203 BewG ein Kapitalisierungsfaktor auf den durchschnittlichen Nachsteuergewinn der letzten 3 Jahre angewandt werden. Dieser Kapitalisierungsfaktor orientiert sich am Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank, zu dem ein Zuschlag von 4,5 addiert wird. Der daraus ermittelte Kehrwert ergibt den Kapitalisierungsfaktor. Bei sinkenden Zinsen steigt somit der Faktor und umgekehrt. Und dies auch dann, wenn sich aktuell die tatsächliche Marktsituation eines Betriebes nicht ändert. Seit dem beträgt der Faktor 18,21, bis Ende 2014 lag er noch bei 14,10. Damit stieg der Kapitalisierungsfaktor allein zum Jahreswechsel um knapp 30 %. Das Bewertungsverfahren führt zu unrealistischen Bemessungsgrundlagen für die Erbschaftsteuer. Bisher wurde dieses Problem unabhängig von der Unternehmensgröße durch die geltenden Verschonungsregelungen kompensiert. Bei der anstehenden Neuregelung der Erbschaftsteuer und der dabei neu zu definierenden Bemessungsgrundlage muss das angesprochene Bewertungsproblem beachtet werden. Andernfalls werden für die Bestimmung der Freigrenze und bei der Bedürfnisprüfung Werte herangezogen, die nicht den tatsächlichen, für die Gesellschafter wirtschaftlich relevanten Werten entsprechen. Die Überbewertung des Betriebsvermögens würde ohne Verschonungsmöglichkeit zu einer überhöhten Steuerbelastung führen. Bisher hat das BMF hierzu aber keine Vorschläge erarbeitet. Möglich wäre es zum Beispiel, die Berechnung des Kapitalisierungsfaktors in 203 BewG zu ändern. Zu Punkt 4 des Beschlussantrags: Wir unterstützen und befürworten Punkt 4 des Antrags der Fraktion der FDP. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Bedürfnisprüfung muss so ausgestaltet werden, dass die Übertragung und Fortführung eines Unternehmens und die Erhaltung der Arbeitsplätze nicht durch Schmälerung des Eigenkapitals gefährdet werden (Rz. 171).
4 Ausgestaltung der Bedürfnisprüfung Aus unserer Sicht muss die Bedürfnisprüfung auf der Ebene des Unternehmens angesiedelt werden. Das verfassungsgerichtliche Urteil lässt dies ausdrücklich zu (Rz. 171 und 175). Dies würde zu einer deutlichen Vereinfachung im Erbschaftsteuerverfahren führen. Ziel der neuen sog. Bedürfnisprüfung für große Unternehmen sollte eine klare, eindeutige und sowohl für die Finanzverwaltung als auch für die Unternehmen handhabbare Regelung sein, die anhand gesetzlich bestimmter Kriterien ohne Ermessen im Rahmen einer individuellen Prüfung für das jeweilige Unternehmen vollzogen wird. Besonders betont hat das Bundesverfassungsgericht die sog. mittelständische und familienunternehmergeprägte Struktur im Rahmen der Verschonung. Diese Struktur ist geprägt von der Gesellschafter- und Kapitalbindung im Unternehmen zur nachhaltigen Unternehmens- und Arbeitsplatzsicherung. Im Hinblick auf das Betriebsvermögen müssen aus unserer Sicht bei einer Bedürfnisprüfung sog. qualitative Merkmale des Unternehmensanteils (Merkmale der Familienunternehmen und des Mittelstandes) herangezogen werden. Familienunternehmen sind geprägt von einer besonderen Bindung der Gesellschafter an das Unternehmen und des Kapitals im Unternehmen. Diese Bindungen dienen explizit einer nachhaltigen Unternehmens- und Arbeitsplatzsicherung damit formulieren wir mit den nachstehenden Kriterien ganz konkret solche Kriterien, deren Einhaltung dem Ziel der gesetzlichen Verschonung dienen. Zugleich werden mit ihnen die Probleme einer realitätsgerechten Bewertung der Familienunternehmen berücksichtigt. Folgende Kriterien, die verfassungsrechtlich seitens der Wissenschaft geprüft wurden 1, sollten einfließen: Gesellschafterbindung Kapitalbindung Persönliches Engagement bzw. persönliche Haftung und Fortführungs- und Bestandssicherung. 1 Rechtsgutachterliche Stellungnahme von Prof Dr. Loritz im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.v. (BDI) und des Deutschen Industrie- und Handelskammertages e.v. (DIHK) zu den Kriterien für die Einbeziehung sog. großer Unternehmen in die künftige gesetzliche Verschonungsregelung im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer ( ); Rechtsgutachten von Prof. Dr. Marcel Krumm zur Erbschaftsteuer-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 unter besonderer Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Bewertung und Verschonung von großen Familiengesellschaften ( ); Gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. Gregor Kirchhof zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Erbschaft- und Schenkungsteuer und einer auf die steuerliche Leistungsfähigkeit ausgerichteten Bedürfnisprüfung im Auftrag von DIE FAMILIENUNTERNEHMER ASU e.v. ( ); Rechtsgutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Reform des Erbschaftsteuerrechts im Auftrag des Wirtschaftsrats der CDU e. V. ( ).
5 - 5 - Der Gesetzgeber darf unterstellen, dass die spezifische Eigentümerstruktur dieser Unternehmen besonders schützenswerte Belange darstellen. Denn zur Sicherung der Liquidität der eigentümergeführten Unternehmen muss sichergestellt werden, dass Mittel, auf die der Erbe aufgrund von Vinkulierung vertraglich keinen Zugriff hat, nicht für Steuerzahlungen herangezogen werden. 2. Einbeziehung Privatvermögen nicht zwingend erforderlich Der Gesetzgeber hat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bei Prüfung der Verschonungsbedürftigkeit zu erwägen, ob das miterworbene oder unter Umständen schon vor dem Erwerb vorhandenes eigenes Privatvermögen einzubeziehen ist (Rz. 175). Daraus resultiert aber keine Verpflichtung zur Einbeziehung. Eine Erwägung des Gesetzgebers kann unseres Erachtens auch zu dem Ergebnis kommen, dass das Privatvermögen eines Erben im Rahmen einer Bedürfnisprüfung nicht einbezogen werden sollte. Der Gesetzgeber muss hier allerdings ausreichend begründen, warum das Privatvermögen nicht in die Bedürfnisprüfung mit einbezogen wird. Gegen eine Einbeziehung sprechen gravierende betriebs- und volkswirtschaftliche, aber auch ernstzunehmende verfassungsrechtliche Argumente. Mitübertragenes Privatvermögen würde definitiv doppelt erfasst, denn es würde zunächst in voller Höhe besteuert, danach dann das netto verbleibende mitübertragene Privatvermögen noch einmal zur Hälfte im Rahmen der Bedürfnisprüfung berücksichtigt. Die Einbeziehung des bereits beim Erben vorhandenen Privatvermögens hätte zudem weitreichende negative betriebsund volkswirtschaftliche Folgen: Es käme zu einer doppelten Erfassung des Privatvermögens (einmal als Bemessungsgrundlage bei der Erbschaftsteuer auf Privatvermögen und einmal als Liquiditätsreserve bei der Bedürfnisprüfung im Rahmen der Erbschaftsbesteuerung des Betriebsvermögens). Zudem entstünden bei der Einbeziehung des privaten Vermögens erhebliche Zweifel hinsichtlich der Gleichbehandlung. 2 Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls die unterschiedliche Behandlung von Privat- und Betriebsvermögen ausdrücklich bekräftigt (Rz. 153). Eine Einbeziehung des beim Erben vor dem Erbfall vorhandenen Privatvermögens stünde zudem im Widerspruch zur bisherigen Systematik der Erbschaftsteuer. Zwar räumt das BVerfG wie beschrie- 2 Gutachten von Prof. Dr. Drüen zu Verfassungsrechtsfragen bei einer Einbeziehung des Privatvermögens des Erwerbers bei der Bedürfnisprüfung im Rahmen der Reform der Erbschaftsteuer nach der Entscheidung des BVerfG vom im Auftrag des DIHK ( ); Rechtsgutachtliche Stellungnahme von Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Reform des Erbschaftsteuerrechts im Auftrag des Wirtschaftsrats der CDU e. V. ( ); Gutachterliche Stellungnahme von Dr. Georg Crezelius o. Prof. (em) zur sog. Bedürfnisprüfung bei erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Verschonungen für Unternehmensvermögen - insbesondere nach dem Eckwertepapier des BMF im Auftrag DIE FAMILIENUNTERNEHMER ASU e.v. ( ).
6 - 6 - ben dem Gesetzgeber die Möglichkeit der Erwägung einer Einbeziehung des Privatvermögens ein, es spricht jedoch an anderer Stelle klar von einem erheblichen Widerspruch zur Systematik (Rz. 153). Auch wenn in den vom BMF vorgelegten Eckwerten der Rückgriff auf das Privatvermögen auf 50 % begrenzt wird, ändert dies nichts an dem grundsätzlichen Widerspruch zur geltenden Systematik der Erbschaftsbesteuerung. Der steuerliche Zugriff auf das Privatvermögen eines Erben würde nicht nur unmittelbar die Erben belasten, sondern mittelbar auch die Unternehmen und damit auch den Wirtschaftsstandort. Denn das Privatvermögen dient in Familienunternehmen in vielen Fällen als Sicherheit für Kredite oder neue Investitionen. Hierfür gehen Unternehmen oftmals Risiken ein, die auch durch das Privatvermögen abgesichert werden. Zur Bewältigung der Herausforderungen der jüngsten Wirtschafts- und Finanzmarktkrise haben die familiengeführten Unternehmen jedenfalls oftmals auch ihr Privatvermögen eingesetzt und damit Arbeitsplätze erhalten und für die Zukunft gesichert. Dem eigentlichen Ziel der Reform, der Ermöglichung einer ungefährdeten Fortführung der Familienunternehmen bei Erhalt der Arbeitsplätze, würde die vom BMF vorgeschlagene Neuregelung nicht gerecht. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Einbeziehung des Privatvermögens dessen Bewertung erfordert, was administrativ sehr aufwändig und für alle Beteiligten mit erheblichen Kosten verbunden ist. Prof. Dr. Drüen hat in seinem Gutachten die Schwierigkeiten dargelegt. Die Bewertungsverfahren unterscheiden sich je nachdem, ob es sich um die Bewertung von bereits vorhandenem Privatvermögen oder um die Bewertung von miterworbenem Privatvermögen handelt. Für miterworbenes Privatvermögen gilt für die Bewertung aufgrund des geltenden Bereicherungsprinzips die Regelung des 12 ErbStG, so dass sich die Bewertung nach den Vorschriften des BewG richtet. Für die Einbeziehung bereits vorhandenen Privatvermögens findet 12 ErbStG keine Anwendung. Zwei Alternativen sind nach Prof. Dr. Drüen für die Bewertung denkbar: Zum einen könnte der Gesetzgeber eine neue Bewertungsregel für die Bedürfnisprüfung einführen. Alternativ und naheliegender wäre ein besonderer Verweis auf das BewG, so dass dieses auch für bereits vorhandenes Privatvermögen Anwendung findet. 3 Der Steuergesetzgeber muss eine gestaltungsfeste Regelung schaffen und dabei Sorge dafür tragen, dass diese nicht wegen struktureller Umgehungsmöglichkeiten dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit (Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG) ausgesetzt ist. Die neue Regelung sollte den verfassungsgerichtlichen Maßstäben folgend keine Anreize für Umgehungsmöglichkeiten in 3 Gutachten vom von Prof. Dr. Drüen zu Verfassungsrechtsfragen bei einer Einbeziehung des Privatvermögens des Erwerbers bei der Bedürfnisprüfung im Rahmen der Reform der Erbschaftsteuer nach der Entscheidung des BVerfG vom im Auftrag des DIHK
7 - 7 - erheblichem Umfang setzen und typische Gestaltungen erfassen. Bei der Einbeziehung des Privatvermögens in einer Bedürfnisprüfung ergeben sich hier aber erhebliche Schwierigkeiten. 3. Definition des verschonungswürdigen Vermögens Grundsätzlich gibt es zwei Vorgehensweisen bei der Abgrenzung: Man kann das produktive, begünstigte Betriebsvermögen definieren und das verbleibende Betriebsvermögen als Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer festlegen. Man kann aber auch wie bisher das nicht produktive, nicht zu begünstigende Betriebsvermögen (Verwaltungsvermögen) definieren und es unmittelbar als Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer definieren. Mit der Identifizierung des Verwaltungsvermögensanteils wurde bisher versucht, sog. schädliches Betriebsvermögen vom produktiven Betriebsvermögen zu unterscheiden. Weil das BVerfG dieses Qualifizierungskriterium als verfassungsrechtlich nicht zulässiges Alles oder Nichts-Prinzip (gemessen an der 50 %-Grenze) befunden hat, muss ein neues Abgrenzungsmerkmal entwickelt werden. Für die bisherige breite Annahme von Verwaltungsvermögen im Rahmen einer missbrauchsvermeidenden Regelung besteht insofern keine Grundlage mehr. Das BMF hat einen Vorschlag für eine neue Definition des begünstigten Vermögens vorgelegt und sieht hierin einen einfachen Weg, das Urteil des BVerfG umzusetzen. In diesem Zusammenhang ist eine Abgrenzung des begünstigten Vermögens anhand einer Definition im Rahmen einer überwiegenden Betriebsnotwendigkeit ein nachvollziehbarer Ansatz, sofern das betriebsnotwendige Vermögen all diejenigen Vermögensgegenstände umfasst, die das Unternehmen zur Erwirtschaftung seines Ertragsüberschusses benötigt. Mit der Abgrenzung des betriebsnotwendigen Vermögens könnte nicht nur das vom Bundesverfassungsgericht beanstandete Alles oder Nichts-Prinzip vermieden werden, es wäre auch eine wesentlich zielgenauere und sachgerechtere Ausgestaltung der Verschonungsregelung möglich. Voraussetzung für eine im Vergleich zum Status quo bessere Regelung ist allerdings, dass Klarstellungen vorgenommen werden: Es muss rechtssicher festgehalten werden, dass die Unternehmen mit höherem Eigenkapital durch eine technische Regelung erbschaftsteuerlich nicht benachteiligt werden dürfen, vielmehr Kundenforderungen, Beteiligungen, Planvermögen zur Absicherung von Pensionsrückstellungen, aus Liquiditäts- oder Akquisegründen vorzuhaltende Bank- und Kassenbestände, Gesellschafterdarlehen, Vorratsgrundstücke und dergl. zum begünstigten Vermögen gehören. Gelingt es nicht, eine klare und rechtssichere Neudefinition des betriebsnotwendigen Vermögens zu formulieren, kann es aber auch nicht bei der bisherigen Definition des Verwaltungsvermögens bleiben. Vielmehr müsste die aktuelle Definition des Verwaltungsvermögens angepasst werden. Um zukünftig etwaige, vom Bundesverfassungsgericht kritisierte Gestaltungen zu vermeiden, bedarf es sowohl bei der Regel- als auch bei der Optionsverschonung einer konsolidierten Ermittlung des sog. Verwaltungsvermögens. Hierbei sollte auf den handelsrechtlichen Konzernabschluss ab-
8 - 8 - gestellt werden, da dieser in vielen Fällen ohnehin von den Unternehmen erstellt wird. Um zu realistischen Werten zu gelangen, bedarf es darüber hinaus in Anlehnung an den Finanzmitteltest in 13b Abs. 2 Nr. 4a ErbStG einer Nettobetrachtung beim Verwaltungsvermögen; erbschaftsteuerlich ist dann das Verwaltungsvermögen abzüglich der Verbindlichkeiten und Rückstellungen relevant. Da dem Unternehmen zu jeder Zeit in ausreichendem Maße Liquidität zur Verfügung stehen muss, z. B. für die Zahlung von Löhnen, Sozialversicherungsbeiträgen, Lieferverbindlichkeiten und Steuern, muss für das Verwaltungsvermögen ein angemessener Freibetrag vorgesehen werden. Dieser sollte mindestens 20 % des Unternehmenswertes betragen. Zusammenfassung Mehr als Betriebe werden nach Aussage des Instituts für Mittelstandsforschung, Bonn, allein in den kommenden 5 Jahren übertragen - mit mehr als 2 Millionen Arbeitnehmern. 4 Nach einer aktuellen Umfrage des DIHK sieht jeder 5. Senior-Unternehmer bereits durch die aktuelle Erbschaftsteuerregelung seine Betriebsübergabe gefährdet. An einer hohen Erbschaftsteuerbelastung kann sogar die Übergabe eines Betriebes scheitern. Auf jeden Fall wird den Betrieben Kapital entzogen, das in der Folge für wichtige Investitionen und für den Erhalt von Arbeitsplätzen fehlt. Im Ergebnis kann die Erbschaftsteuer unsere erfolgreiche Wirtschaftsstruktur gefährden, den weltweit einzigartigen Mix aus kleinen, mittleren, aber auch großen Familienunternehmen. Eine Unternehmensstruktur und -kultur, um die uns viele Staaten beneiden. Auch im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung festgehalten, dass die Neuregelung der Erbschaftsteuer mittelstandsfreundlich ausfallen muss, um die Unternehmensübertragungen nicht zu gefährden. Dies sollte sich nun auch im ersten Aufschlag zum Gesetzentwurf aus dem Bundesfinanzministerium zeigen. Für weiterführende Ausführungen stehen wir Ihnen in der Anhörung gern zur Verfügung. Freundliche Grüße Dr. Rainer Kambeck Leiter Bereich Finanzen, Steuern Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) e. V. In Vertretung Achim Hoffmann Industrie- und Handelskammer zu Köln Federführung Steuern, Finanzen und öffentliche Wirtschaft 4 Institut für Mittelstandsforschung,
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