Rollenspiel in der schulischen Bindungsarbeit

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1 Rollenspiel in der schulischen Bindungsarbeit Symposium: Verbindung hergestellt!? Workshop: Rollenspiel in der schulischen Bindungsarbeit Vortragende: Dipl. Päd. Pfeiffer Elisabeth, Mag. Sabine Schnitzhofer Waldklasse, Peter Petersen Landesschule St. Isidor Jänner 2012 Dipl. Päd. Elisabeth Pfeiffer, Mag. Sabine Schnitzhofer 1

2 Allgemeine Tipps zur Rollenspielgestaltung: Kinder spielen meist freiwillig, mit Tricks sind sie jedoch gut lockbar: z.b. die Spielzeit mit der Lehrerin allein verbringen zu dürfen, die Handlung oder die Rolle bestimmen zu dürfen, den Platz aussuchen zu dürfen Den Kindern Zeit geben, sich auf die Rolle einzustellen: den Rahmen mit ihnen gemeinsam schaffen, z.b. Bühne und Umgebung vorbereiten. Das Rollenspiel muss aber nicht an einem fixen Ort stattfinden Bewegung ist möglich. Die Kinder sollen nur mit einer einzelnen Puppe spielen. Sie können nicht konzentriert in einer Rolle bleiben und die Rollen den Puppen entsprechend wechseln. Trick: Alle Puppen herauslegen lassen, die nicht verwendet werden sollen, wieder wegräumen die Entscheidung wird erleichtert. Das Kind darauf hinweisen, dass es das nächste Mal eine andere Rolle haben darf. Das Kind gibt das Grundthema vor, der Erwachsene leitet das Spiel und bestimmt die Richtung mit. Vorschläge dürfen gemacht werden, aber immer mit dem Kind abstimmen/fragen und nicht gleich zu spielen beginnen, z.b. Wollen wir deinen Geburtstag feiern? Einige Themen sollte man jedoch im Hinterkopf haben, am besten welche mit Versorgungsmöglichkeiten. Den Kindern im Spiel nach Möglichkeit reale Gegenstände zur Versorgung anbieten, z.b. Tannenzapfen als Kuchen. Die Kinder nehmen dies direkt an und somit ist es leichter erkennbar, dass sie etwas angenommen haben. Es können immer wieder die gleichen Themen gespielt werden, bis vom Kind ein anderer Vorschlag kommt. Rollenspiele können an jedem Tag mit dem gleichen Kind und den gleichen Themen total unterschiedlich ausfallen > dran bleiben, irgendwann lassen sie sich versorgen. Wichtig im Spiel: Den Kindern Zeit zum Reagieren lassen! Kinder lassen sich oft von der anderen Figur streicheln und berühren. Hier halten sie Körperkontakt gut aus. Auch Kinder greifen immer wieder aus der Rolle heraus den Erwachsenen an. Manche Kinder reden mit der Puppe, andere mit dem Spieler. Man ist für sie dann ganz in die Rolle geschlüpft. Der Erwachsene beginnt und beendet nach Möglichkeit das Rollenspiel. Man spielt mit einem Kind möglichst ungestört allein. Spielen mit mehreren Kindern bringt wenig für die Bindungsarbeit. Abgeschlossene Szenen rechtzeitig beenden, sonst kann der Erfolg überdeckt werden. Intensive Spiele können bis zu 20 Minuten dauern und sind sehr anstrengend! Dipl. Päd. Elisabeth Pfeiffer, Mag. Sabine Schnitzhofer 2

3 Im Anschluss an ein intensives Rollenspiel empfiehlt sich ein warmes Getränk oder eine betreute Einzelarbeit, um das sichere Gefühl zu festigen. Rollenspiele, deren Dramaturgie von den Erwachsenen komplett bestimmt wird, sind nett, aber für die Bindung nicht relevant. Nicht jedes Rollenspiel ist und muss Bindungsarbeit sein. Je mehr man sich auf das Kind einlässt, umso eher entstehen bindungsrelevante Rollenspiele. Gleich welche Bindungsstörung das Kind hat jede Situation kann für Versorgung verwendet werden (im Auto mitnehmen, Bett bauen, Beute kochen, etwas nachtragen oder bringen). Die erwachsene Rolle ist nie verletzt, hungrig oder krank. Sie bringt sich in keine Situation, in der sie vom Kind versorgt werden möchte. Auf Angriffe versuchen, feinfühlig zu reagieren. Erst wenn ein Kind es geschafft hat, etwas anzunehmen und anschließend teilen möchte, dann kann das vorsichtig angenommen werden. In guten Bindungsszenen sind die Kinder offen besonders feinfühliger Umgang ist wichtig. Tipps für die Rollenspielkarriere: Sich selbst auf Video zu beobachten ist sehr lehrreich und führt am schnellsten zu einem guten Spiel. Man merkt sehr schön, wie Schülerinnen einem zu ihrem Muster verführen! Nicht nervös werden, mit Ruhe und Gelassenheit kommen die besten Ideen. Die Kinder geben uns immer wieder die Chance, richtig zu reagieren und alles Mögliche auszuprobieren. Auch wenn es anstrengend ist, soll es eigentlich beiden Spielern Spaß machen sonst lieber nicht spielen. Rollenspiel mit den verschiedenen Bindungstypen: o Mit sicher gebundenen Kindern zu spielen macht Spaß und ist nicht anstrengend. Es läuft von selbst, man muss nicht ständig auf Gegenkontrolle und Fürsorge achten. Sichere Kinder nehmen Fürsorge an, können sich aber auch um den Partner kümmern. o Vermeidende Kinder dürfen die Rolle aussuchen es geht darum überhaupt mit ihnen in Kontakt zukommen. Dabei erfährt man sehr viel Zurückweisung, da solche Kinder sich nur alleine versorgen wollen und jegliche Unterstützung abweisen. Diesen Kindern immer wieder Hilfe und Unterstützung im Rollenspiel anbieten. Dipl. Päd. Elisabeth Pfeiffer, Mag. Sabine Schnitzhofer 3

4 o Bei ambivalenten Kindern versuchen, immer die gleiche Puppe zu sein, um eine Konstante zu bieten. Das ambivalente Verhalten ist deutlich lesbar. Zum Beispiel schreit und schimpft die Figur und legt sich aber gleichzeitig in das gemachte Bett oder isst das Angebotene. Bei diesen Kindern auch als Kasperlspieler immer ähnliche Muster und Reaktionen zeigen. Das Kind dabei unterstützen, selbst etwas auszuprobieren. o Bei desorganisierten und vermeidenden Kindern soll der Erwachsene eine versorgende Rolle spielen, das heißt eine Rolle, die eher die Kontrolle hat (Kasperl, Großmutter, König). Besonders für Anfänger ist es leichter auf eine Autorität als Mitspieler zurückgreifen zu können. Im Rollenspiel kann man sich kontrollieren lassen. Dadurch entwickeln die Kinder eine gewisse Sicherheit. Die Situation wird für sie so erträglich und können auch Versorgung leichter annehmen. Für den anderen Spieler ist das oft sehr mühsam und langwierig. Schweigende Kinder beginnen zu sprechen, wenn sie viel Kontrolle behalten dürfen. Es entsteht ein Wechselspiel zwischen Kontrolle und Versorgung. Diesen Kindern die vielsprechende Puppe anbieten. Diese Puppe muss schließlich viel reden und dadurch hat das Kind mehr Kontrolle bekommen. o Als erwachsener Spieler kann man sich darauf verlassen, dass bindungsrelevante Situationen kommen. Man soll sie erkennen. Es kann nichts schief gehen. Desorganisierte Kinder müssen nicht immer Versorgung annehmen können > weiterspielen. Ab und zu gelingt es dann und die Bindung zum Kind ändert sich schnell zum Positiven. o Desorganisierte Kinder gehen oft auf die andere Figur los. In solchen Situationen soll ein gemeinsamer Feind auf eine andere Spur lenken. Ein gemeinsamer Feind muss keine dritte Puppe sein, sonder kann beispielsweise ein herumliegender Ast im Wald, eine Schnur etc. sein. Viele Feinde müssen oft erlegt werden, bevor sich das Kind versorgen lässt. Der erlegte Feind eignet sich aber gut zur Versorgung. Nicht wertend auf dramatische Aussagen reagieren, auch nicht auf Aggressionen, negative Figuren und Aussagen spiegelnd und wohlwollend stehen lassen auch nicht umkehren versuchen. Hilfe im Spiel anbieten. Bei traumatisierten Kindern abgespaltene Systeme nicht antasten, sondern stehen lassen! Sich nicht als Therapeut versuchen auf pädagogischer Ebene bleiben. Man kann sehr viel zerstören. Solange man nicht negativ auf das Trauma des Kindes eingeht, wird das Kind immer wieder und wieder Ähnliches erzählen. Dipl. Päd. Elisabeth Pfeiffer, Mag. Sabine Schnitzhofer 4

5 ANHANG: Arbeitsmodelle von Bindung sicher gebundene Kinder(B) Bindungspersonen als feinfühlig, zuverlässig, verfügbar und unterstützend repräsentiert; suchen in belastenden Situationen Nähe, Trost und Unterstützung bei den Bindungspersonen; freies Explorieren der Umwelt in weitem Aktionsradius; Äußerung von emotionaler Betroffenheit und negativen Gefühlen wie Angst und Ärger. unsicher vermeidend gebundene Kinder (A) Bindungspersonen als zurückweisend und nicht unterstützend repräsentiert; eher beziehungsvermeidendes Verhalten: suchen in belastenden Situationen keine Nähe, Trost und Unterstützung; statt dessen erhöhtes Explorationsverhalten, Zuwendung z.b. zu Spielsachen oder anderen Objekten; zeigen selten Gefühle wie Angst, Trauer oder Ärger. unsicher ambivalent gebundene Kinder (C) Bindungspersonen bezüglich Responsivität und Verfügbarkeit als unberechenbar repräsentiert (Beziehungsverhalten der Bindungspersonen unberechenbar); suchen ständig Nähe von Bezugspersonen, da sie deren Verfügbarkeit in emotional belastenden Situationen nicht sicher sein können: anhänglich, kleinkindhaft, wenig Explorationsverhalten; zeigen gleichzeitig z.t. massiven Ärger und Wut gegen ihre Bindungspersonen (wegen der Nichtbeachtung von Bindungsbedürfnissen). desorganisiert desorientiertes Bindungsmuster (D) In Belastungssituationen Unterbrechung des organisierten Verhaltens: stereotype Bewegungen, tranceähnliche Zustände, Wechsel der Sprechstimme, katastrophenähnliche Phantasien usw. oder ängstliche und desorientierte Reaktion auf Trennungen, kontrollierendes Verhalten gegenüber Bezugspersonen mit Rollenumkehr; Als Ursache werden traumatische Erinnerungen sowie Angst vor den Bindungspersonen, deren Nähe man trotzdem sucht, vermutet. Desorganisiertes Verhalten verweist auf einen abgespaltenen Bewusstseinszustand hin. Können gleichzeitig einem der drei anderen Bindungsmuster zugeordnet werden: 25 % sicher gebunden / 48 % vermeidend / 22 % ambivalent Julius, H. Bindungstheoretisch abgeleitete, schulische Interventionen für verhaltensgestörte Kinder Zeitschrift Heilpädagogische Forschung Heft 4/2001 S Dipl. Päd. Elisabeth Pfeiffer, Mag. Sabine Schnitzhofer 5