Eine halbe Stunde später standen Lucy und Lilie mit den Taschen voller Wurzen, essbaren
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- Hertha Holzmann
- vor 7 Jahren
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Transkript
1 Dunkelheit und Wind Leise schlich Lucy durch den Wald. Nur keinen Laut machen! Immer tiefer drang das Mädchen in den Wald ein. Plötzlich hörte Lucy hinter sich ein Knacken. Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Mädchens, denn es kannte dieses Geräusch nur zu gut. Lucy spannte ihren Bogen. Kurz blitzte etwas im Dickicht auf. In dem Moment schoss Lucy auch schon ab. Etwas ging mit einem dumpfen Schlag zu Boden. Lucy ging zu ihrer Beute und pfiff leise durch die Zähne. Dieser Bär war fast drei Meter lang. Na gut, sagte Lucy, und wie soll ich dich jetzt transportieren? Just in diesem Augenblick fegte ein Windstoß durch den Wald und es wurde dunkel. Lucy konnte nichts mehr sehen, sie hörte nur noch die Blätter rauschen. Fest hielt das Mädchen seinen Bogen umklammert. Immer lauter heulte der Wind, doch als es so laut war, dass Lucys Ohren schmerzten, hörte es so plötzlich wieder auf, wie es angefangen hatte. Auch wurde es wieder hell. Verwundert sah sich das Mädchen um. Es war noch im Wald, aber der Bär war weg. Nur noch der Pfeil, mit dem Lucy ihn erlegt hatte, war noch da. Lucy konnte nur knapp verhindern, dass sie verzweifelte. Was, bitte schön, sollten sie und ihre Familie jetzt essen? Es war doch sowieso schon schwer genug, etwas Essbares zu finden. Das Leben in diesem Landstrich war düster und schwer. Es ging das Gerücht um, dass es mal gute Zeiten gegeben hatte, doch die waren schon lange vorbei. Warum, das wusste niemand mehr. In diesem Moment fragte eine Stimme: Wie wäre es, Wurzeln zu sammeln? Es muss ja nicht immer Fleisch sein. Lucy fuhr erschrocken herum, - doch da war niemand. Wer ist da? rief sie. Keine Antwort. Hallo? - wieder nichts. Lucy wollte gerade zu einem weiteren Ruf ansetzen, als ihre kleine Schwester Lilie auf sie zugerannt kam. Sie rief: Lucy, wo bleibst du? Mama und Papa warten schon lange! Hast du noch nichts geschossen? Doch, eigentlich schon antwortete sie, doch dann wurde es plötzlich dunkel und so unheimliche Geräusche waren da. Als alles vorbei war, war der Bär aber weg! Moment! Sagtest du etwas von Dunkelheit und unheimlichen Geräuschen?, fragte Lilie. Sie wirkte plötzlich nervös und abwesend, fiel Lucy auf. Trotzdem fragte sie: Ja. Wieso? Falls Lilie sie gehört hatte, reagierte sie nicht. Dann sagte sie: Wir sollten nach Hause gehen. Vielleicht können wir ja noch Wurzeln und Gänseblümchen sammeln. Für ihre zehn Jahre konnte Lilie sich ganz schön gut mit Pflanzen aus, fand Lucy. Ja, stimmte das Mädchen zu, das können wir machen. Eine halbe Stunde später standen Lucy und Lilie mit den Taschen voller Wurzen, essbaren
2 Blumen und zwei Wildgänsen im Arm vor der Türe ihrer Hütte. Ihre Mutter öffnete ihnen. Sie stieß einen Freudenschrei aus, als sie die Beute der Mädchen sah und kurz später saßen sie auch schon bei Tisch und schlugen sich die Bäuche voll. Währenddessen erzählte Lucy, was sich im Wald ereignet hatte. Als sie mit ihrer Geschichte fertig war, sahen sich ihre Eltern komisch an und reagierten genau wie Lilie. Sie wirkten abwesend und fragten nochmals nach den Geräuschen und der Dunkelheit. Auf die Frage, warum sie nachfragten, bekam Lucy wieder keine Antwort. Da wurde es ihr zu bunt. Sie sprang auf und verließ ohne ein weiteres Wort zu verlieren das Haus. Wenn ihr niemand eine Antwort gab, dann würde sie eben selbst herausfinden, was im Wald vor sich ging. Entschlossen schnappte sich Lucy ihren Bogen und einen vollen Köcher. Als sie gerade den Wald betreten wollte, sagte eine Stimme: Ich würde das lieber lassen! Diese Stimme klang, als ob sie lange nicht mehr benutzt worden wäre, dennoch hatte sie etwas Beruhigendes an sich. Wieso? fragte Lucy. Die Stimme antwortete: Seltsame Dinge geschehen. Sogar für dich könnte es gefährlich, obwohl du anders bist. Lucy hatte genau gehört, woher die Stimme kam, konnte es jedoch nicht wirklich glauben, denn es war einfach unheimlich. Sie kam sich etwas dumm vor, als sie fragte: Sprichst du, Baum? Ja, aber das ist nicht schlimm, Mädchen. Es tragen sich jedoch solch ungewöhnliche Dinge zu, da hast du andere Probleme als einen sprechenden Baum. Woher kennst du meinen Namen? Warum bin ich anders? Was ist passiert oder passiert so Seltsames? Warum sagst du, sogar für mich kann es gefährlich werden? Der Baum setzte zu einer Antwort an, doch weiter kam er nicht. Eine furchtbare Stimme, bei der Lucy das Gefühl hatte tausend Messer kratzen ihr über den Rücken, donnerte: Verlass sofort den Wald, deine Familie wird sonst Leid ertragen! - Dann wurde es schwarz um Lucy. Wach auf, Lucy! Von diesen Worten schreckte das Mädchen hoch. Endlich, seufzte Lilie. Vorsichtig setzte sich Lucy auf. Was ist los? wollte sie wissen. Wir haben dich am Waldrand gefunden und hierher gebracht. Ruh dich aus, dann bist du bald wieder fit. In der Zwischenzeit werde ich jagen gehen. Lucy wollte protestieren, aber ihr fielen die Augen zu, - und weg war sie. Als sie wieder erwachte, war es dunkel. Unheimliche Stille umgab Lucy. Lilie? krächzte sie. Zu Lucys Erleichterung antwortete Lilies Stimme: Ich bin hier. Soll ich Mum bitten, dir was zum Essen zu bringen? Dankend nahm Lucy das Angebot an. Kurze Zeit später saß sie aufrecht in ihrem Bett und löffelte den Waschbären-Wildgans-Eintopf in sich hinein.
3 Lilie leistete ihrer Schwester Gesellschaft. Als Lucy mit dem Essen fertig war, bat sie Lilie: Lilie, bitte lass mich morgen mit in den Wald kommen. Bitte! Ich habe ein schlechtes Gefühl dabei, wenn du alleine im Wald bist. Außerdem... Lucy zögerte. Sie holte tief Luft: Außerdem will ich dir etwas zeigen. Lange schauten die Schwestern einander an. Okay sagte Lilie schließlich, aber du musst versprechen vorsichtig zu sein un dnicht wieder umzukippen! Lucy versprach es und dann schlief sie wieder ein. Die Sonne schien vom Himmel und ihre Lichtstrahlen drangen in das Zimmer von Lucy und Lilie. Die beiden Mädchen erwachten von dem hellen Licht, das sie ausstrahlten. Gemächlich rechte sich Lucy und schwang die Beine aus dem Bett. Ihre Schwester tat es ihr gleich. Lucy schlüpfte in ihre Hose und ihr Hemd, dann ging sie in die Küche, wo ihre Mutter gerade Wurzeln zubereitete, die sie am Tag davor nicht in den Eintopf getan hatte. Dazu gab es frisch gemolkene Milch von ihrer Kuh Milchweis. Guten Morgen, mein Schatz!, begrüßte die Mutter Lucy und Lilie. Lucy küsste sie auf die Wange und auf Mums Bitte hin holte Lilie Dad aus dem Stall und gemeinsam aßen sie das Frühstück. Danach holten die Mädchen Bogen und Köcher und verließen das Haus. Sofort empfing die Geschwister strahlender Sonnenschein, nur eine angenehme leichte Brise wehte. Grinsend schauten sich die Mädchen an und liefen lachend zum Waldrand. Dort blieben sie stehen. Zuerst sagte Lucy zu Lilie: Bitte bleib ruhig und versuche dich nicht zu erschrecken. Dann legte sie eine Hand auf den Stamm der Eiche, mit der sie sich schon vor ein paar Tagen unterhalten hatte und sagte mit lauter Stimme: Hallo, Eiche! Hier bin ich wieder. Ich will dir meine Schwester vorstellen. Die Äste des Baumes wippten, dann hörte Lucy die beruhigende Stimme der Eiche: Es freut mich dich wiederzusehen, Lucy und ich freue mich auch, dich kennenzulernen, Lilie. Woher... weiter kam Lilie nicht. Die furchtbare Stimme, bei der man das Gefühl hatte, tausend Messer kratzen einem über den Rücken, schrie: Schert euch fort! Verlasst sofort den Wald, sonst leiden eure Eltern! Schnell, klettert auf mich und haltet euch gut fest! rief die Eiche ihnen zu. Rauf mit dir!, gerade noch konnte Lilie diesen Befehl befolgen und Lucy zu sich hinaufziehen, als es dunkel wurde. Der Wind heulte. Nichts deutete noch darauf hin, dass es kurz zuvor noch ein wunderschöner Tag gewesen war. Danach wurde es wieder hell. Alles war wie vorher. Zitternd sprangen die Mädchen zu Boden. Danke, Eiche! Ohne dich hätten wir das nicht geschafft! Der Baum neigte sich nach vorne und es sah aus, als wolle er sich verbeugen. Dann sagte er: Setzt euch. Ich muss euch noch etwas erzählen und eure Fragen beantworten. Die Geschwister taten, wie ihnen geheißen. Dann begann der Baum zu
4 erzählen: Alle Pflanzen hier können denken und sprechen. Sowohl untereinander als auch mit Menschen. Wir haben auch die Gabe, bestimmten Leuten ein Schutznetz überzuwerfen. Das macht sie nicht unverwundbar und gegen Krankheiten immun, schützt aber vor dem Tod im Kampf. An Altersschwäche kann man aber immer noch sterben. Also, als du, Lucy, beim letzten Mal hier warst und die Stimme gesprochen hatte, habe ich ein solches Netz über dich geworfen und auch heute über dich, Lilie. Nun zu der Sache, warum ich eure Namen kenne, - nicht nur ich übrigens, sondern alle Pflanzen ringsum. Da ihr euch beim Namen nennt und täglich im Wald seid, haben wir eure Namen natürlich aufgeschnappt und da wir nicht vergesslich sind, haben wir sie uns gemerkt. Jetzt das unangehmste Thema: Die Dunkelheit und der Wind Bei diesen Worten schaute Lilie zu Boden und gestand Lucy: Ich habe von einigen Fällen gewusst, wo dasselbe wie dir passiert ist. Aber ich hatte Angst, es dir zu erzählen. Der Baum fuhr fort: Im Herzen des Waldes gibt es eine Burgruine. In dieser Burgruine gibt es etwas, das all das hier verursacht. Man munkelt, das es ein Monster mit übernatürlichen Kräften sei. Wenn man ihm in die Augen schaut, muss man sterben. So endete die Erzählung des Baumes. Was ist das? Dieses Monster? Ich weiß es nicht, sagte die Eiche, aber es heißt, das ein besonderes Kind es besiegen wird. Jetzt fiel Lucy ein, was der Baum bei ihrem ersten Treffen gesagt hatte: Du sagtest, ich sei anders... Meintest du...? Das Baumwesen sprach: Du hast recht. Der Bestimmung nach musst du es besiegen und jetzt müsst ihr die Burg suchen, ehe es zu spät ist. Los! Die beiden Mädchen bedankten sich bei dem Baum und liefen los. Fast zwei Stunden liefen sie, als Lilie plöztlich hinfiel. Als ihr Lucy aufhalf, bemerkte sie den Gegenstand, über den Lilie gestolpert war: es war eine Säule. Jetzt erst bemerkten die Mädchen die Burgruine, die sich vor ihnen erstreckte. Sie traten durch das noch erhaltene Tor. Als sie in einen Saal kamen, der noch fast unzerstört war, hörten sie hinter sich ein Gebrüll. Die Mädchen fuhren herum. Sofort kniffen sie die Augen zu. Auch wenn der Baum sie nicht vor den tödlichen Augen gewarnt hätte, wäre das ganz natürlich passiert, denn das Monster war hässlich. So hässlich, wie ein Monster nur sein kann. Es hatte leuchtend rote Haut, war sieben Meter lang und hatte vier Meter lange Hauer. Seine giftgrünen Stacheln ließen ihn nicht freundlicher aussehen. Komm, flüsterte Lucy Lilie zu, wir müssen hinter die Kommode. Lilie schnüffelte. Diesen Geruch kannte sie doch! Jetzt erst sah sie die Knollen, die sie gerochen hatte und ein breites Grinsen huschte über ihr Gesicht. Als das Monster wieder zu brüllen anfing, warf Lilie ihm die Knolle in den offenen Mund hinein. Sofort wurden seine Augen trübe. Er war blind geworden. Vor Wut brüllte das Monster
5 noch einmal und kam auf die Mädchen zugeglitten. Das war Lucys Chance. Sie spannte ihren Bogen und schoss ebenfalls in das offen stehende Maul. Sofort war das Untier tot. Nachdem sie das Monster besiegt hatten, liefen die Mädchen zu dem Baum und bedankten sich bei ihm. Dann liefen sie nach Hause. Dort wartete eine Überraschung: Der erlegte Bär war bei ihnen aufgetaucht! Glücklich fielen sie einander in die Arme und genossen den Sieg bei einem wahren Festmahl. Ab sofort passierte der Familie nie mehr etwas Schlimmes. Lucy und ihre Familie lebten glücklich, genau wie die Eiche und die anderen Pflanzen. Alles war wieder gut.
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