Das Markt- und Technologieumfeld ist reif für Connected Car
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- Susanne Brandt
- vor 8 Jahren
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1 REIFEGRAD VERNeTZTER Lösungen Das Markt- und Technologieumfeld ist reif für Connected Car Connected Car wird kommen! Offen ist, welche technologische und geschäftliche Architektur sich durchsetzt. Hürden, die derzeit noch existieren, können zeitnah gelöst werden. Die Verbindung zwischen Fahrzeug und Internet, in erster Variante über das mitgebrachte Smartphone, ist da. In kurzer Zeit werden auch im Fahrzeug eingebettete On-Board Connectivity Units (OBUs) für den Massenmarkt realisierbar sein. 1 Die Automobilbranche hat in der Vergangenheit einige Telematik- Zyklen erlebt und zum Teil sehr hohe Investments getätigt, ohne die erwarteten Gewinne zu erwirtschaften. Telematik-Produkte sind bisher zum Großteil nicht richtig aus der Forschung und Vorentwicklung erwachsen, um im Massenmarkt zur Standardausrüstung der Fahrzeuge zu werden. Das Thema Telematik beziehungsweise Connected Car wird deshalb sehr kontrovers innerhalb der großen Automobilhersteller diskutiert. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Hauptargumente waren sicherlich in der fehlenden Nachfrage der Produkte durch die Fahrer und der nicht ausreichend verfügbaren Technologie sowie Infrastruktur zu finden. Inzwischen ist das Markt- und Technologieumfeld reif, um dem Connected Car den Durchbruch zu verschaffen: 14 DMR MARKETS Automotive Ausgabe Dieser Artikel fokussiert auf die Verbindung des Fahrzeugs mit dem Internet und lässt direkte Vehicle-2-Vehicle - und Vehicle-2-Infrastructure -Kommunikation außen vor. Solche Technologien gehören selbstverständlich auch zum Connected Car, benötigen aber, besonders weil die nötige Infrastruktur noch nicht vorhanden ist, mehr Zeit bis zur Marktdurchdringung. Insbesondere für autonom fahrende Fahrzeuge ist eine Vehicle-2-Vehicle - und Vehicle-2-Infrastructure - Kommunikation unabdingbar.
2 Abbildung 1: Aufstieg des Connected Car 1. Das Internet ist ein ständiger Begleiter des heutigen Lebens geworden, besonders auch für Gesellschaftsschichten, die zukünftige Autokäufer und Nutzer darstellen. Durch die massive Verbreitung von Smartphones ist das Internet in den letzten Jahren zu unserem ständigen Begleiter geworden. Die Smartphone-Penetration erreicht dieses Jahr 1,75 Milliarden Nutzer weltweit und wird bis 2017 auf zirka 2,5 Milliarden, also etwa ein Drittel der Weltbevölkerung, steigen. Die Anwendungsfälle eines Smartphones gehen weit über das hinaus, was sich selbst Pioniere in diesem Gebiet hätten vorstellen können. Dank offener oder halb-offener Programmierschnittstellen (APIs) ist ein immenses Applikations-Ökosystem um diese Geräte entstanden. Wir verknüpfen uns online auf unterschiedlichsten Plattformen untereinander und halten Kontakt zu Familie, Freunden und Geschäftskontakten, wir konsumieren Text, Bild, Ton und Video online, wir kaufen und verkaufen online, und letztlich verlagern sich durch Cloud Computing immer mehr der ursprünglich nativen Anwendungen ins Netz. Im Kontext des Fahrzeugs sind ebenfalls sehr viele Anwendungsfälle denkbar. Die Integration bestehender Dienste macht in vielen Fällen Sinn. Man denke zum Beispiel an die Integration von Musik-Streaming-Diensten, die einen Zugriff auf die privaten Playlists ermöglichen, oder der Zugriff auf aktuelle Online-Navigationsdaten, angereichert um sekundenaktuelle, von anderen Verkehrsteilnehmern erzeugte Verkehrsnachrichten. Darüber hinaus wird es viele weitere Dienste geben, die sinnhaft sind, aber zunächst aus der aktuellen Perspektive nicht offensichtlich erscheinen. Es existieren viele Zielgruppen mit besonderen Anforderungen, beispielsweise Flottenfahrzeugbetreiber, die bereits jetzt die Vorzüge des Connected Car nutzen. Im Fahrzeug lassen sich während des Fahrens ein Großteil der aktuellen Internetdienste nicht ernsthaft nutzen. Die Eingabeschnittstellen werden meist dem Anwendungsfall nicht gerecht. Touchscreens funktionieren wegen fehlenden haptischen Feedbacks nicht richtig. Die Sprachsteuerung ist oftmals nicht gut genug implementiert. Diese Probleme werden zwar durch aufkommende Integrations-Standards wie MirrorLink 2, proprietäre Lösungen wie Apple CarPlay 3 sowie DMR MARKETS Automotive Ausgabe 2014
3 Googles Open Automotive Alliance (OAA) 4 schrittweise gelöst. Eine vollständige Integration in das Fahrzeug samt Remote Services, also Diensten, die sich nutzen lassen, wenn das Auto geparkt ist und kein Smartphone in der Nähe ist, benötigen allerdings separat eingebaute Hardware und SIM-Karten. 2. In den meisten entwickelten Ländern ist der Zugriff auf Breitband- Internet zur Genüge ausgebaut und die Netzabdeckung in nahezu allen bewohnten Gebieten, in denen Fahrzeuge hauptsächlich verwendet werden, vorhanden. Die Netzgeschwindigkeit ist deshalb auch für Anwendungen wie Multimedia- Streaming ausreichend. Die LTE-Abdeckung ist zwar aktuell in den meisten Ländern noch nicht sehr hoch, es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass diese in den nächsten Jahren rapide wachsen wird. Schaut man sich den Ausbau von HSPA-Netzen an, findet man in den EU27-Ländern bereits eine Abdeckung von 94,9 Prozent. Selbst in abgelegenen Gebieten in Europa beträgt die HSPA Abdeckung noch 79,09 Prozent. 5 Die Geschwindigkeit beziehungsweise die verfügbare Bandbreite hat sich allein zwischen den Jahren 2005 und 2010 verhundertfacht HSDPA in 2005 mit einem Mbit/s zu LTE in 2010 mit 100 Mbit/s und von 1999 bis 2010 sogar vertausendfacht: GPRS unterstützt seit kbit/s und LTE seit 2010 Geschwindigkeiten bis zu 100 Mbit/s. Die Netzgeschwindigkeit in Mobilfunknetzen ist demnach inzwischen ausreichend auch für aufwändigere Multimedia- Anwendung. Einer Nutzung im Fahrzeug steht damit ein schlecht ausgebautes, zu langsames Netz nicht im Wege. Selbst in großen Flächenländern wie den USA ist die Netzabdeckung größtenteils ausreichend, um Connected-Car-Anwendungen zu ermöglichen. 3. Die Hardware- und Verbindungskosten sind in der letzten Dekade rapide gefallen und ermöglichen nun eine verhältnismäßige Implementierung in den Fahrzeugen. Sowohl die Hardware als auch die Kosten für eine Netzverbindung sind auf allen Ebenen, vom Netzbetreiber bis zum Endkunden, stark gefallen. Dies ermöglicht eine verhältnismäßige Implementierung auch in Fahrzeugen. Der effektive Preis pro Megabyte versandter Daten ist von 2008 mit zirka 0,30 (0,47$) auf 0,04 (0,05$) pro Megabyte in 2010 gefallen. Zurzeit existieren bereits Angebote im Bereich unterhalb eines Cents eine Verminderung der Kosten um über 89 Prozent. 6 Durch spezielle M2M-Tarife kann davon ausgegangen werden, dass die Kosten noch weiter fallen. Was die Kosten für die Hardware angeht, greift zu einem Großteil die Gesetzmäßigkeit, die allgemein als Moores Law bezeichnet wird. Diese beschreibt die Beobachtung, dass sich die Anzahl der Schaltkreiskomponenten und damit auch die Leistung mit minimalen Komponentenkosten alle Monate verdoppelt. Im Umkehrschluss werden so für dieselbe Leistung geringere Kosten fällig. Zwischen 1975 und 2014 haben sich die Kosten pro Transistor jedes Jahr etwa halbiert. 7 Economies of Scale, also die Massenproduktion von Mobilfunk-Chips, drücken die Kosten ebenfalls. 4. Die nötigen Partnerschaften zwischen Automobilherstellern, Zulieferern, der Softwarebranche und Telekommunikationsunternehmen kommen langsam in Fahrt. Automobilhersteller öffnen sich für benötigte Kooperationen mit der Softwarebranche. Apple bekommt mit CarPlay eine Möglichkeit zur Smartphone-Integration, Google und das Android-Ökosystem kommen über die Open Automotive Alliance (OAA) ins Fahrzeug. Weiterhin ermöglicht das MirrorLink Konsortium einen Hersteller-unabhängigen Integrations-Standard. Etablierte Lieferanten von Infotainment Systemen bauen ebenfalls weitreichende Partnerschaften aus. Als gutes Beispiel sei hier QNX mit seiner CAR Platform 8 genannt. Letztlich ist eine halboffene Plattform der Schlüssel zu einem guten Produkt. Eine komplette Öffnung Broadband Coverage in Europe European Commission, s_law, DMR MARKETS Automotive Ausgabe 2014
4 Abbildung 2: Mobilfunk-Potenzial vs. Connected-Car-Potenzial (Quelle: Ovum Research and Berg Insight, 2011, Ward AutoWorld 2011) im Kontext des Fahrzeugs wäre gegebenenfalls risikobehaftet, da sich damit die Customer Experience nicht mehr komplett steuern lässt und bestimmte Anwendungen sicherlich auch ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten. Eine geschlossene Plattform wird es nicht ermöglichen, neue Services in Vielzahl kostengünstig und mit vernünftiger Time-to-Market zu integrieren. Interessant ist auch, dass mit Tesla der erste Hersteller erfolgreich das OTA (Over-the-Air) Update-Verfahren nutzt und Remote Maintenance, also eine Wartung aus der Ferne, anbietet. Mercedes und BMW erproben ebenfalls dieses Verfahren. 9 Besonders Over-the-Air-Updates sind nötig, um die Systeme nicht schnell veralten zu lassen. Der Technologielebenszyklus eines Fahrzeugs ist selbstverständlich um einiges länger als der eines eingebetteten Systems beziehungsweise der von Software-Applikationen. Die Telekommunikationsbranche sieht besonders im Bereich M2M für Automotive-Applikationen große Wachstumsmöglichkeiten und ist bereit, zu investieren. Schließlich hat die Penetration von SIM-Karten in vielen Märkten bereits mehr als 100 Prozent der Bevölkerung erreicht, einige Länder erreichen sogar knapp 200 Prozent. 10 Weltweit existieren allerdings über eine Milliarden Fahrzeuge 11, wovon erst 23 Millionen 12 vernetzt sind. Deshalb strömen die Telekommunikationsunternehmen mit neuen Möglichkeiten wie virtuellen SIM-Karten, die sehr einfach in die Produkte zu integrieren sind, und speziellen M2M-Tarifen sowie -Plattformen in die Märkte. 9 html, mobile_phones_in_use, Ward AutoWorld, Ovum Research, DMR MARKETS Automotive Ausgabe 2014
5 5. Letztlich erkennen die Automobilhersteller den strategischen Wert einer ständigen Verbindung mit den Kunden und deren Daten an. Internet-Unternehmen wie Google und Facebook machen es vor: Daten sind wertvoll und können richtig genutzt zu hohen Umsätzen und stark optimierten Produkten führen. Ein Großteil der Umsätze stammt zwar aus dem Werbegeschäft, etwas was Automobilhersteller vermutlich nicht in ihren Fahrzeugen umsetzen sollten, es existieren allerdings noch viele weitere Möglichkeiten die Daten sinnvoll zu nutzen. Eine ständige Verbindung mit den Kunden kann sogar als Paradigmenwechsel gesehen werden: der Automobilhersteller hat das erste Mal die Möglichkeit, seinen Kunden während der Nutzungsphase der Produkte aktiv zu begleiten, kann das eigene Werkstattgeschäft sehr gezielt steuern und letztlich die gesamte Customer Experience entlang des Lebenszyklus der Produkte verbessern und um zusätzliche Dienstleistungen anreichern. Hypes wie Big Data Analytics für ein besseres Kundenverständnis und zur Optimierung der Produkte verstärken diese Debatte zusätzlich und machen den Weg für Projekte in diesem Bereich innerhalb der Automobilbranche frei. Das Connected Car wird weitreichenden Einfluss auf die Automobilbranche haben: Es verändert nicht nur die Beziehung zwischen Herstellern und Kunden, sondern ermöglicht auch neue Geschäftsmodelle wie Carsharing. Letztlich wird es einen großen Beitrag zur Elektromobilität, zum Beispiel zur intelligenten Planung, Buchung und Bezahlung von Ladestationen, sowie zum autonomen Fahren, zum Beispiel durch Austausch von Status und Sensordaten zwischen den Fahrzeugen, liefern. Neben den existierenden Zulieferern etablieren sich neue Partner wie Google und Apple im Ökosystem der Automobilbranche. Automobilhersteller müssen sich unter anderem mit Themen wie dem Management von Softwareprodukten, agiler Produktentwicklung, Data Analytics, Billing, Device Management, Mobilfunktechnik und Regularien aus der Telekommunikationsbranche beschäftigen und die benötigten Kompetenzen dazu aufbauen. Timo Bolse ist Consultant und berät Unternehmen der Automobil- und Telekommunikationsindustrie zu den Themen Strategie und Innovation, insbe sondere Telematik und Connected Car. Mark Heinrich ist Partner und berät Unternehmen der Automobilindustrie zu Strategie- und Innovationsthemen. Selbstverständlich wird die Thematik rund um Datenerhebung und -analyse sehr kontrovers diskutiert und Automobilhersteller sind gut beraten, hier mit dem richtigen Augenmaß zu agieren, um nicht die eigenen Marken zu beschädigen. Es ist äußerst wichtig, die Privatsphäre der Kunden zu schützen und die richtige Tiefe der Datenerhebung zu finden, um gleichzeitig Nützliches anbieten zu können. Selbige Vorsicht ist bezüglich der Sicherheit der Systeme geboten, um keine unnötigen kritischen Angriffsvektoren in die Fahrzeugelektronik 13 zu ermöglichen. 13 Checkoway et al, Comprehensive Experimental Analyses of Automotive Attack Surfaces, University of San Diego, University of Washington. 18 DMR MARKETS Automotive Ausgabe 2014
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