Ein europaweites Gütesiegel für den elektronischen Geschäftsverkehr: Möglichkeiten und Chancen
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- Peter Schräder
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1 GENERALDIREKTION INTERNE POLITIKBEREICHE FACHABTEILUNG A: WIRTSCHAFTS- UND WISSENSCHAFTSPOLITIK Ein europaweites Gütesiegel für den elektronischen Geschäftsverkehr: Möglichkeiten und Chancen STUDIE Zusammenfassung Die Möglichkeiten und Chancen der Schaffung eines europaweiten Gütesiegels für den elektronischen Geschäftsverkehr werden durch eine Analyse bestehender Gütesiegel für den elektronischen Geschäftsverkehr, des einschlägigen Rechtsrahmens der EU und der wichtigsten politischen Optionen für die Einführung eines europaweiten Gütesiegels untersucht. Die Studie befasst sich u. a. mit Fragen wie Vor- und Nachteile eines europaweiten Gütesiegels, Geltungsbereich und Durchsetzung, seine freiwillige oder verbindlich vorgeschriebene Benutzung durch die Händler und Notwendigkeit rechtlicher Änderungen. IP/A/IMCO/ST/ Juli 2012 PE DE
2 Dieses Dokument wurde vom Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments angefordert. VERFASSER Civic Consulting Potsdamer Str. 150 DE Berlin Dr. Frank Alleweldt, Dr. Senda Kara (Direktoren) Neva Nahtigal (Koordination, Analyse bestehender Gütesiegel) Dr. Jan Trzaskowski (rechtliche Analyse) Dr. Gottlobe Fabisch (Analyse von Zertifizierung, Akkreditierung und Optionen) Anna Fielder (Zweitlesung) Dr. Peter Møgelvang-Hansen (Zweitlesung rechtliche Analyse) VERANTWORTLICHER BEAMTER Mariusz Maciejewski Fachabteilung Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik Europäisches Parlament 1047 Brüssel -Adresse: SPRACHFASSUNGEN Original: EN ÜBER DEN HERAUSGEBER Kontakt zur Fachabteilung oder Bestellung des Newsletters über: Redaktionsschluss: Juli Brüssel, Europäische Union, Dieses Dokument ist im Internet abrufbar unter: HAFTUNGSAUSSCHLUSS Die hier vertretenen Auffassungen geben die Meinung des Verfassers wieder und entsprechen nicht unbedingt dem Standpunkt des Europäischen Parlaments. Nachdruck und Übersetzung außer zu kommerziellen Zwecken mit Quellenangabe gestattet, sofern der Herausgeber vorab unterrichtet und ihm ein Exemplar übermittelt wird.
3 Ein europaweites Gütesiegel für den elektronischen Geschäftsverkehr: Möglichkeiten und Chancen ZUSAMMENFASSUNG Hintergrund Diese Studie stellt die Ergebnisse von Forschungsarbeiten dar, die von Civic Consulting zwischen März und Juni 2012 durchgeführt wurden. Ihr Zweck ist es, die Möglichkeiten und Chancen der Schaffung eines europaweiten Gütesiegels für den elektronischen Geschäftsverkehr zu untersuchen. Vertrauen der Verbraucher in den elektronischen Geschäftsverkehr Vertrauen wurde als ein wichtiger Faktor bei der Kaufentscheidung von Verbrauchern ermittelt, und mangelndes Vertrauen erwies sich mehrfach als eines der Haupthindernisse für den elektronischen Geschäftsverkehr. Nach einer Studie über den Verbrauchsgütermarkt aus dem Jahr 2011 hatten Verbraucher u. a. Befürchtungen hinsichtlich der Rückgabe von Produkten, der Lieferung von falschen oder beschädigten Produkten, Problemen mit dem Ersatz oder der Reparatur fehlerhafter Produkte, Fällen, in denen Produkte überhaupt nicht geliefert werden, dem Missbrauch personenbezogener Daten und dem Diebstahl von Daten auf Zahlungskarten. Beim Online-Einkauf in anderen EU-Ländern gaben lediglich 12 % der Verbraucher an, dass sie keinerlei Befürchtungen hätten. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Vertrauen im Zusammenhang mit dem Online-Einkauf zu stärken. Es lassen sich Unterschiede zwischen kleineren Händlern und denjenigen feststellen, die ihre eigenen gut eingeführten Handelsmarken aufgebaut haben. Große Handelsmarken profitieren von ihrem Wiedererkennungseffekt und Ruf, und sie brauchen eine Unterstützung ihrer Vertrauenswürdigkeit durch zusätzliche Hilfsmittel, wie etwa Gütesiegel, weniger oder gar nicht. Gütesiegel für den elektronischen Geschäftsverkehr Gütesiegel für den elektronischen Geschäftsverkehr sind dafür bestimmt, auf einer Website als elektronische Kennzeichnungen gezeigt zu werden, und der Zweck besteht darin, deutlich zu machen, dass man einige Regeln (einen Verhaltenskodex) befolgt, um das Vertrauen der Verbraucher in den Online-Händler zu stärken. Eines der wesentlichen Merkmale eines Gütesiegels ist die Einbeziehung einer dritten Partei, die dem Verbraucher hinsichtlich des Online-Händlers eine Gewähr bietet. Die Zertifizierung durch eine dritte Partei ist das Kernstück eines glaubwürdigen Gütesiegels. Sie umfasst einige Anforderungen und die Prüfung, ob der Online- Händler diesen Anforderungen entspricht. Die bestehenden Gütesiegel in der EU sind sehr vielfältig. Sie unterscheiden sich u. a. in folgenden Punkten: eine förmliche Akkreditierung eines Gütesiegels, die Art von Organisationen, die die Gütesiegel verwalten, ihre Quellen und Finanzierung, die Einbeziehung von Stakeholdern, der geographische und sachliche Anwendungsbereich, die Überwachung der Einhaltung durch die Händler und Sanktionen für die Nichteinhaltung. PE
4 Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik Forschungsergebnisse zu den tatsächlichen Auswirkungen von Gütesiegeln gibt es kaum oder gar nicht. Verschiedene Studien haben ergeben, dass die Auswirkungen von Gütesiegeln meistens bei den Menschen festzustellen sind, die den Online- Einkauf für riskant halten. Aus einer früheren Studie geht hervor, dass die Kenntnis der Verbraucher und Unternehmen einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist, weswegen die geringe Kenntnis der Verbraucher von Gütesiegeln eine besondere Herausforderung ist. In den letzten Jahren gab es einige Fortschritte bei der Konsolidierung und Ausweitung einiger bestehender Gütesiegel, was sich anhand der steigenden Zahl zertifizierter Händler zeigt, die Gütesiegel, die in dieser Studie berücksichtigt wurden, benutzen. Vor- und Nachteile eines EU-Gütesiegels für den elektronischen Geschäftsverkehr Für die potenziellen Vor- und Nachteile eines EU-Gütesiegels ist seine Gestaltung maßgeblich. Die wichtigsten möglichen Vorteile, die durch Forschungsarbeiten für diesen Bericht ermittelt wurden, sind folgende: Unterstützung für KMU; verbesserte grenzübergreifende Koordination von Gütesiegeln und Austausch bewährter Verfahren; Überwindung von Sprachbarrieren; gesteigerte Rechtssicherheit; höhere Vertrauenswürdigkeit akkreditierter Gütesiegel; großer Wiedererkennungseffekt unter Verbrauchern in verschiedenen Mitgliedstaaten; mehr Vertrauen in den Online-Einkauf; Zunahme des grenzüberschreitenden Handels. Mögliche Nachteile könnten die zusätzliche Verwaltungslasten für Unternehmen, eine mögliche Verwirrung unter den Verbrauchern, Überschneidungen mit bestehenden Gütesiegeln, Schwierigkeiten bei der einheitlichen Anwendung in der gesamten EU, die Verwaltungskosten für Gütesiegel, lückenhafte Abdeckung im Falle von Akkreditierungssystemen für bestehende Gütesiegel und die Diskreditierung von Händlern, die sich an die Regeln halten, und anderen Gütesiegeln im Falle einer mangelhaften Durchsetzung. Rechtsrahmen für Gütesiegel für den elektronischen Geschäftsverkehr Es gibt keine spezielle EU-Rechtsvorschrift, die sich mit Gütesiegeln befasst, aber einige Rechtsvorschriften betreffen mehrere wichtige Aspekte: Die wichtigsten Rechtsvorschriften, die die Benutzung von Gütesiegeln regeln, sind diejenigen, die die an Verbraucher gerichtete kommerzielle Kommunikation betreffen, einschließlich insbesondere der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken aus dem Jahr Zusätzlich sind einige andere Verbraucherschutzrichtlinien im Kontext der Aufstellung von Anforderungen für die Benutzung eines Gütesiegels relevant. Allgemein gibt es ein umfassendes Regelungswerk im EU-Recht, durch das die Verbraucher im elektronischen Geschäftsverkehr geschützt werden, und jeder Verhaltenskodex, der Grundlage eines möglichen EU-Gütesiegels für den Verbraucherschutz im elektronischen Geschäftsverkehr ist, muss im Kontext des bereits bestehenden EU-Rechts gesehen werden. 4 PE
5 Ein europaweites Gütesiegel für den elektronischen Geschäftsverkehr: Möglichkeiten und Chancen Es ist davon auszugehen, dass die Verbraucher ein Gütesiegel als Garantie ansehen. Dies führt dazu, dass durch das Gütesiegel etwas garantiert werden muss, das nicht bereits gesetzlich vorgeschrieben ist. Dieser Grundsatz wird im Anhang I Nummer 10 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken eingeführt, in dem die Tatsache, dass Verbrauchern gesetzlich zugestandene Rechte als Besonderheit des Angebots des Gewerbetreibenden präsentiert werden, als irreführende Geschäftspraxis eingestuft wird. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise die Zertifizierung, Überwachung, Durchsetzung usw. durch eine dritte Partei durchaus Vorteile für die Verbraucher bieten und über das hinausgehen, was lediglich gesetzlich vorgeschrieben ist. Das Gütesiegel kann zu einer Erwartungshaltung führen, wie zum Beispiel eine Garantie, die derjenige, der das Gütesiegel vergibt, gegenüber Verbrauchern übernimmt, was so weit gehen kann, dass die Verbraucher angesichts ihrer legitimen Erwartungen enttäuscht sind. Es ist nicht wahrscheinlich, dass der Betreiber eines Gütesiegels für alle Verstöße durch einen Händler haftet, es sei denn, das Gütesiegel umfasst eine Garantie, die spezifisch diesen Fall abdeckt. Ob der Betreiber eines Gütesiegels haftet, wird von der Auslegung des einzelstaatlichen Rechts und auch davon abhängen, ob es der Betreiber des Gütesiegels unterlassen hat, Kontrollen des Händlers gemäß den legitimen Erwartungen durchzuführen, die die Verbraucher aufgrund des Gütesiegels und seiner Vermarktung haben könnten. Ein EU-Gütesiegel für den elektronischen Geschäftsverkehr Es gibt ein breites Spektrum politischer Optionen für die Frage, wie ein europaweites Gütesiegel für den elektronischen Geschäftsverkehr behandelt und gefördert werden soll. Fünf der wichtigsten politischen Szenarien können skizziert werden: kein Tätigwerden; Ermunterung zur Selbstregulierung; Koregulierung; Einrichtung einer EU-Akkreditierung von Anbietern von Gütesiegeln; Schaffung eines EU-weiten Gütesiegels für den elektronischen Geschäftsverkehr. Wenn die politischen Entscheidungsträger der EU entscheiden, ein Gütesiegel auf EU-Ebene einzuführen, würde dies im Grunde der Schaffung eines privat betriebenen Gütesiegels in dem Sinne gleichkommen, dass der gewünschte Geltungsbereich frei gewählt werden kann. Bei einem EU-Gütesiegel sollten Verfahren sowohl für eine anfängliche als auch für wiederkehrende Prüfungen und auch Sanktionen im Falle von festgestellten Verstößen gegen den Verhaltenskodex vorgesehen werden. Ein Verbraucher kann durchaus davon ausgehen, dass ein Gütesiegel etwas ist, das verdient wurde (d. h. freiwillig), und nicht etwas, das gefordert wird, und dass derjenige, der ein Gütesiegel führt, mehr bietet, als gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Existenz von Anforderungen und Verfahren für eine Zertifizierung könnte so aufgefasst werden, dass über die Einhaltung der Rechtsvorschriften hinausgegangen wird, und sie könnte den Verbrauchern einen zusätzlichen Aspekt des Schutzes bieten. Wenn die politischen Entscheidungsträger beschließen, ein verbindlich vorgeschriebenes EU-Gütesiegel für den elektronischen Geschäftsverkehr einzuführen, wäre es erforderlich, eine EU-Rechtsvorschrift zu erlassen, durch die die Händler verpflichtet werden, und es müssten auch die potentiellen Konflikte mit dem bestehenden EU-Rechtsrahmen untersucht werden. Aus einer politischen und wirtschaftlichen Perspektive würde ein verbindlich vorgeschriebenes EU-Gütesiegel unter Umständen einige zusätzliche Probleme aufwerfen. PE
6 Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik Allgemein richtet sich die Wahl eines Rechtsinstruments danach, in welchem Maß die Mitgliedstaaten das durchführen müssen, was mit dem System eines Gütesiegels beabsichtigt wird. Wenn eine in EU-Institution das Gütesiegel vergeben sollte, wäre eine Verordnung für diesen Zweck geeigneter. Wenn der Ansatz aber darin bestünde, dass die Mitgliedstaaten nationale Institutionen einrichten und für eine Akkreditierung auf nationaler Ebene sorgen, wäre eine Richtlinie sachgerechter. Bei der Aufstellung von Grundsätzen für die Zertifizierung eines EU-Gütesiegels wäre es wichtig zu berücksichtigen, dass die Einhaltung einiger Anforderungen sehr viel leichter zu kontrollieren ist als anderer. Im Gegensatz zur Einhaltung von Anforderungen hinsichtlich der Information, die in der Regel leicht zu überprüfen ist, ist die Erfüllung von Anforderungen bezüglich Geschäftspraktiken und der Verarbeitung personenbezogener Daten wohl eher schwierig. Zu den Problemen, die bei der Einrichtung eines EU-Systems für die Akkreditierung oder eines EU-Gütesiegels auftreten könnten, gehören u. a. die rechtlichen Auswirkungen, eine ordnungsgemäße Durchsetzung und eine nachhaltige Finanzierung. Die Kenntnis unter den Verbrauchern gilt als ein Hauptfaktor für den Erfolg. Die Analysen für diese Studie haben ergeben, dass es in der Regel mindestens fünf Jahre ab der Einführung eines Gütesiegels dauert, bis eine nennenswerte Verbreitung festzustellen ist. Unterschiede in regelnden gesetzlichen Vorschriften, die weiterhin bestehen, müssen berücksichtigt werden. Sie können überwunden werden, indem man einen Verhaltenskodex erlässt, der den Anforderungen in allen Mitgliedstaaten entspricht (höchster gemeinsamer Nenner). Ein anderer Ansatz zum Umgang mit den Unterschieden in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zum Verbraucherschutz besteht darin, die betreffenden Bereiche vollständig zu harmonisieren. 6 PE
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