Urbane Ökosystemdienstleistungen und ihre Integration in Stadtplanung und Naturschutz
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1 Urbane Ökosystemdienstleistungen und ihre Integration in Stadtplanung und Naturschutz Herausforderungen und Perspektiven Dr. Annette Voigt Daniel Wurster, M.Sc. Irkutsk, Juli 2014
2 Übersicht Themenschwerpunkte I. Urbane Ökosystemdienstleistungen: Das URBES Projekt II. Methodischer Ansatz zur Erfassung urbaner ÖSD III. Integrative Herausforderungen urbaner ÖSD a) Integration von Ergebnissen in die Planung b) Ökosystemdienstleistungskonzept und Naturschutz 2
3 I. Urbane Ökosystemdienstleistungen: Das URBES Projekt URBES - Urban Biodiversity and Ecosystem Services (FP7 ERA-NET, BiodivERsA) Ziel: Wissenslücken zwischen Urbanisierung, Ökosystemdienstleistungen und Biodiversität zu schließen. Dauer: Projektpartner: 13 Projektländer: Deutschland, Österreich, Niederlande, Spanien, Schweden Finnland (selbstfinanziert) USA (selbstfinanziert) Fallstudien: Barcelona, Berlin, New York, Rotterdam, Salzburg, Stockholm 3
4 I. Urbane Ökosystemdienstleistungen: Das URBES Projekt Städtische Umweltfaktoren: Versiegelung Luftverschmutzung Entwässerung Aktivitäten des Menschen Erwärmung Anthropogene Böden Lärm 4
5 I. Urbane Ökosystemdienstleistungen: Das URBES Projekt Städtische Ökosystemdienstleistungen: URBES ÖSD Stadtklimaregulation Luftfilterung Wasserhaushalt Landwirtschaft Erholung Lernen von/über Natur auf lokaler, großmaßstäblicher Ebene 5
6 Ausgangsproblem: Wie lassen sich Hotspots in einer Stadt identifizieren und hinsichtlich ihrer Ökosystemdienstleistungen und ihres Potentials bewerten? Ökosystemdienstleistungen, Potentiale und Bedarf erheben Anforderung: II. Methodischer Ansatz zur Erfassung urbaner ÖSD detaillierte, kleinräumige Informationen für eine exakte Bewertung der lokalen ÖSD, die Daten sollen so aggregiert werden, dass Informationen für die Gesamtstadt ablesbar sind Kombination zweier verschiedene Konzepte: Ansatz der site specific elements und des Stadtstrukturtypenansatzes 6
7 II. Methodischer Ansatz zur Erfassung urbaner ÖSD Kombinierter Ansatz Wurster & Artmann
8 Ökosystemdienstleistungen in Städten: Angebot und Nachfrage Wie können ÖSD Provider systematisch erfasst und bewertet werden? Wo werden ÖSD konsumiert? 8
9 II. Methodischer Ansatz zur Erfassung urbaner ÖSD Service reducing element Service providing element USU 4823: Wohngebiet mit hoher Einwohnerdichte hohem 9 Grünflächenanteil
10 II. Methodischer Ansatz zur Erfassung urbaner ÖSD Beispielhafte Berechnung der mikroklimatischen Auswirkungen eines innerstädtischen Wohngebietes (hohe Einwohnerdichte / hoher Grünflächenanteil) anhand einzelner site specific elements (SSE) USU
11 III. Integrative Herausforderungen urbaner ÖSD a) Integration von Ergebnissen in die Planung b) Ökosystemdienstleistungskonzept und Naturschutz 11
12 III. Integrative Herausforderungen urbaner ÖSD: Planung Stadtplanung arbeitet sowohl auf Gesamtstadtebene als auch auf lokaler bzw. Quartiersebene wissenschaftliche Ansätze zur Integration des ÖSD Konzeptes in die Stadtplanung müssen sich an diesen Anforderungen orientieren ÖSD-Ansatz ist bei Stadtplanungsämtern nicht sehr hoch angesehen Aber: ÖSD Ansatz bietet ein großes Potential, umweltrelevante Folgen planerischer Entscheidungen quantifizierbar bzw. externe Kosten abschätzbar zu machen Dazu muss ein Bewertungssystem ausgearbeitet werden, das eine Bewertung von ÖSD, Potentialen und Bedarf/ Nachfrage erlaubt, rasch und dennoch exakt arbeitet, verschiedene Informationsquellen auf verschiedenen Maßstabsebenen nutzen und miteinander verbinden kann 12
13 III. Integrative Herausforderungen urbaner ÖSD: Naturschutz Naturschutz in der Stadt Kann das ÖSD-Konzept eine Grundlage für den Naturschutz (Arten- und Biotopschutz) bieten? Beispiel: Artenvielfalt 13
14 III. Integrative Herausforderungen urbaner ÖSD: Naturschutz Zusammenhang von ÖSD und biologischer Vielfalt Annahmen: ÖSD werden durch Biodiversität der Ökosysteme erzeugt und aufrechterhalten je höher Biodiversität, umso höher die Services hohe Biodiversität wichtig für Stabilität / Resilienz des Ökosystems wegen funktionaler Kompensation (insurance hypothesis) Daher ist der Ökosystemdienstleistungsansatz eine wichtige Grundlage für den Schutz der biologischen Vielfalt Siehe z.b. MEA 2005, TEEB 2010, UNEP 2007, Hooper et al. 2005, Diaz et al. 2006, Mace et al. 2011, Bengtsson et al. 2003, Walker
15 Gegenargumente und -beispiele Themenschwerpunkt III. Integrative Herausforderungen urbaner ÖSD: Naturschutz Diversität - Stabilität? lange Diskussion in der Ökologie (Pimm 1984; Trepl 1995; McCann 2000) artenarme Ökosysteme, die sich schnell wieder herstellen (z.b. boreale Wälder nach einem Waldbrand) artenreiche Ökosysteme, die oft lange relativ resistent sind, sich aber nach Veränderungen nur schwer oder gar nicht wieder herstellen (z.b. tropische Regenwälder nach einem Waldbrand) Siehe z.b. May 1975; Orians
16 III. Integrative Herausforderungen urbaner ÖSD: Naturschutz Gegenargumente und -beispiele Disservices - Tiere, die Anbauprodukte, Besitz und Menschenleben zerstören, - Vegetation, die sich nachteilig auf das Wassermanagement auswirke oder - Feuchtgebiete, in denen gesundheitsschädliche Organismen leben Siehe z.b. McCauley
17 Gegenargumente und -beispiele Themenschwerpunkt III. Integrative Herausforderungen urbaner ÖSD: Naturschutz viele ÖSD sind nicht mit Artenvielfalt positiv korreliert, z.b. - bereitstellende ÖSD (Nahrungsmittel- und Holzproduktion) hängen v.a. von einigen wenigen dominanten Arten ab - Wasserspeicherung v.a. von geophysikalischen Faktoren - Kohlenstofffixierung beruht v.a. auf der Menge an Biomasse service-providing units (Luck et al. 2003: 333) oder key ecosystem service providers (Kremen 2005: 469) Alle anderen Arten sind für die betrachteten ÖSD irrelevant oder sogar schädlich. Siehe z.b. Ridder 2008, Trepl 2008, Voigt
18 III. Integrative Herausforderungen urbaner ÖSD: Naturschutz ÖSD-Ansatz bezieht sich auf die Ökosystemtheorie: Arten sind funktional äquivalent / redundant: Welche oder wie viele unterschiedliche Arten die Komponenten bilden, ist irrelevant, solange die Funktionen für das Ganze erfüllt und damit auch die Leistungen des Systems aufrechterhalten werden. redundante Arten können wegfallen, ohne dass sich die ÖSD ändert H. Odum (1957): Energy flow diagram 18
19 III. Integrative Herausforderungen urbaner ÖSD: Naturschutz Fazit: Man braucht für ÖSD eine bestimmte Mindest-Biodiversität, v. a. bestimmte Schlüsselarten (key service provider), ein paar potentielle Substituenten zur Sicherheit und die Arten, die Störungen puffern, aber es gibt immer viele Arten, die a) dafür irrelevant sind, b) eine negative Wirkung auf gewünschte Systemleistungen haben oder c) redundant sind. Artenvielfalt ist der Steigerung von Leistungen hinderlich
20 Schutz nur für Leistungsträger? Themenschwerpunkt III. Integrative Herausforderungen urbaner ÖSD: Naturschutz Schutz eines Ökosystems kann nur aufgrund seiner Leistungen begründet werden Schutz einer oder mehrerer Arten, der Vielfalt an Arten oder auch bestimmter Individuen nur durch ihren jeweiligen Beitrag zu diesen Leistungen. nur das an Natur, von dem wir wissen, dass es einen relevanten Nutzen für uns hat, kann geschützt werden, Viele Leistungen können mit einem Minimum an Artenvielfalt erbracht werden ökonomisch vernünftig, die Artenvielfalt eines Systems auf die notwendige Vielfalt (service providers) zu reduzieren oder zumindest nicht in die irrelevanten, redundanten oder schädlichen Arten zu investieren. 20
21 Schutz nur für Leistungsträger? Themenschwerpunkt III. Integrative Herausforderungen urbaner ÖSD: Naturschutz Maximierung der Produktion: Ökosysteme mit gezüchteten oder genveränderten Organismen sind oft von Vorteil ÖSD werden meist nicht von seltenen und gefährdeten Arten geleistet, sondern von häufigen und toleranten Arten Sie können natürlich auch von standortfremden Arten / Neobiota erbracht werden. 21
22 Vielfalt und kulturelle ÖSD? ÖSD impliziert: Themenschwerpunkt III. Integrative Herausforderungen urbaner ÖSD: Naturschutz Schutz von Arten und Landschaftselementen, die für andere Dienstleistungen keine Funktion erfüllen oder schädlich sind Leistungen beruhen auf ökologischen Funktionen des Ökosystems Ökosysteme bringen auch kulturelle Leistungen: Ästhetik, Inspiration, Spiritualität, Wissen. auf objektive, naturwissenschaftlich messbare Weise hervor 22 22
23 III. Integrative Herausforderungen urbaner ÖSD: Naturschutz Vielfalt und kulturelle ÖSD? wilde Tiere, seltene Pflanzen: ökologische Basis für die Möglichkeit des Erlebens, aber Freude an ihnen ist keine Leistung des Systems Kulturelle Leistungen sind keine Systemleistung, sondern die Fähigkeit des Subjektes, die Natur und ihre Vielfalt zu erleben, ästhetisch zu beurteilen, zu interpretieren und dabei symbolische Bedeutungen und Werte zuzuweisen 23 23
24 Kontakt: Vielen Dank!
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