hr2wissen Psychologische Schlüsselbegriffe 03 Mitgefühl Brücke zum Mitmenschen von Lisa Laurenz Sendung: xy.xy. 2014, hr2-kultur
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- Heidi Melsbach
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1 1 Hessischer Rundfunk hr2-kultur Redaktion: Volker Bernius hr2wissen Psychologische Schlüsselbegriffe 03 Mitgefühl Brücke zum Mitmenschen von Lisa Laurenz Sendung: xy.xy. 2014, hr2-kultur Regie: Marlene Breuer O-Töne: Annelie Keil, Gesundheitswissenschaftlerin, Gerald Hüther, Hirnforscher, Neurobiologe, Peter < > event. Musikzäsur hr2wi Copyright Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (z.b. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks.
2 2 Was tun, wenn der Partner schlecht gelaunt ist oder die beste Freundin Kummer hat? Häufig hilft es erst einmal, nur zuzuhören, den anderen wahrzunehmen, einfach nur da zu sein, offen und präsent zu sein. Mitgefühl bedeutet ganz wörtlich: mit Gefühl wahrnehmen: Take 1 (Anneli Keil) 0`36 Ich würde sagen, Mitgefühl ist der Ausdruck, dass wir Teil der gesamten Schöpfung sind. Ich bin ein Mensch, der Erfahrungen hat und das ist die Brücke von einem Menschen zum anderen. Also ich erkenne den Menschen in mir auch an einem anderen Menschen und weil ich dieser Mensch bin, der leidet, sich freut, zornig ist, der lernen kann, weiß ich, dass das auch andere Menschen können und Mitgefühl heißt zunächst mal, mitfühlen können. Mitfühlen können ist aber auch mitverstehen können. Für die Gesundheitswissenschaftlerin Anneli Keil ist Mitgefühl ein universelles menschliches Gefühl. Das immer auch eingefärbt ist durch die historische Zeit, durch soziale Umstände, durch Religion und Kultur: Take 2 (Anneli Keil) 0`33 Wenn ich in die heutige Zeit gucke, dann glaube ich, wir haben Probleme mit dem Mitgefühl. Und die resultierenden glaube ich daher, dass Menschen das Gefühl zu sich selbst verlieren. Wenn ich die Fähigkeit, sich selber zu lieben, mich selber auch kritisch zu betrachten, wenn ich selbst meinen Schmerz nicht mehr spüre, wenn ich selbst bei der Tränen nicht spüre, wenn ich selbst meinen Hunger nicht spüre in einer tiefen Weise, dann wird es schwer, weil wenn ich mich nicht fühlen kann, kann ich auch nicht mehr mitfühlen. Mitgefühl wird oft mit Mitleid verwechselt. Mitleiden bedeutet, sich mit dem Leid eines Anderen zu identifizieren und keine Distanz mehr zu haben. Mitleid schwächt und bedrückt. Wer mitfühlt, lässt sich vom Leid eines anderen berühren, spürt seinen Schmerz, seinen Kummer und ist doch ganz bei sich. Er bleibt in der eigenen Kraft und kann dadurch dem anderen sogar Kraft geben. Es ist eine besondere Form der Wertschätzung, wie folgende Erfahrung zeigt: Take 3 (Peter) 0`32
3 3 Das Mitleid hat mich über Jahrzehnte in der Trauer gehalten, in der Verzweiflung. Das Mitgefühl hat die Möglichkeit gegeben, Menschen in ihrer tatsächlichen Bedürftigkeit erleben zu können, wertschätzen zu können. Das hat mein Verhältnis zu allen Menschen in einer entscheidenden Weise verändert, dass ich sie viel eher als im Gefühl erlebe und es mir viel eher möglich ist, den Menschen, die mir in dem Moment begegnen, zu glauben, ihnen zu vertrauen, ich viel eher empfinde, dass ich angenommen bin. Die Entwicklungspsychologie und die Hirnforschung haben viel zum Verständnis des Mitgefühls beigetragen. Wenn wir miterleben, dass jemand lacht oder traurig ist, dann fühlt unser Gehirn quasi mit, es spiegelt unser Gegenüber und so nehmen wir intuitiv wahr, wie es dem Anderen geht. Wenn wir nicht nur sozusagen in die Haut eines Anderen schlüpfen, sondern auch seine Gefühle miterleben und verstehen, ist das Mitgefühl. Die Fähigkeit zum Mitfühlen ist angeboren. Schon vor der Geburt, wenn das Ungeborene die Gefühlsregungen der Mutter wahrnimmt, beginnt es mitzufühlen. Jede Mutter weiß, dass das Baby ihr auf geheimnisvolle Weise spiegelt, wie sie sich gerade fühlt, so der Neurobiologe Gerald Hüther: Take 4 (Gerald Hüther) 0`40 Das Kind reagiert darauf, es ist also in der Lage, diese Ausdrucksformen zu erkennen und Kinder können das umso besser erkennen, je häufiger und je deutlicher die Mutter diese Gesichtsausdrücke auch zeigt. D.h. je deutlicher eine Mutter zeigt, wie es aussieht, wenn man sich freut oder wenn man traurig ist, desto leichter fällt es dem Kind, diese Muster zu übernehmen und die eigenen Gesichtsmuskeln in dieser Weise zu koordinieren, dass die betreffenden Ausdrücke dann auch entstehen, wenn im Inneren des Kindes ein solches Gefühl geweckt wird. In dieser frühen Phase der nonverbalen Verständigung werden die Grundlagen fürs Mitgefühl gelegt. Und zwar indem das Kind lernt, seine eigenen Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken. Wenn Eltern glauben, wie das heute oft der Fall ist, sie müssten ihrem Kind möglichst früh das Sprechen beibringen, dann sei das für die Kleinen schwieriger, Mitgefühl zu entwickeln, mahnt Gerald Hüther: Take 5 (Gerald Hüther) 0`42 Da sehe ich eine erhebliche Gefahr in unserer gegenwärtigen Gesellschaft, wo alles auf Schnelligkeit und Effizienz hinausläuft. Wenn man Kindern zu früh beibringt, sich auf andere, nämlich verbale Weise auszudrücken, dann ver-
4 4 kürzt man gewissermaßen diesen Zeitraum, in dem das Kind diese nonverbalen Ausdrucksmöglichkeiten erlernen kann und das kann dann dazu führen, dass Kinder viel zu früh mit der Sprache sich verständigen und sich dann auch in ihren Emotionen nur noch sprachlich verständigen und das führt dann leicht dazu, dass diese Kinder später als Erwachsene gar nicht richtig erkennen können, was in einem anderen vorgeht. Wenn ein Mensch nicht erkennen kann, ob der andere glücklich, traurig oder wie auch immer gestimmt ist, dann kann er mit dem Anderen auch nicht mitfühlen. Ähnlich sei das, wenn Eltern ständig ihre Gefühle verbergen, weil sie sich nicht schwach oder verletzbar zeigen wollen. Dann werde das Kind gebremst in seiner natürlichen Neigung mitzufühlen und zu trösten. Es werde selbst weniger mitfühlend oder verliert diese Fähigkeit sogar, erklärt der Neurobiologe. Bei vielen Menschen ist das Mitgefühl verschüttet. Es ist überdeckt von negativen Emotionen wie Angst, Wut oder Trauer. Diese Menschen wirken häufig hart und gefühlsarm. Wenn die harte Schale jedoch aufbricht, zum Beispiel durch eine Liebeserfahrung oder einen Schicksalsschlag oder auch in einer Psychotherapie, dann erwacht häufig das Mitgefühl, nicht nur mit anderen, sondern auch mit sich selbst: Take 6 (Peter) 0`23 Es hat eine Zeit gedauert, bis ich in dem Erspüren merken konnte, dass das Mitgefühl eine enorme Rückwirkung auf mich selbst hatte und ich zum ersten Mal jetzt nicht nur in der Trauer um etwas traurig sein muss, was andere betrifft, sondern dass ich zum ersten Mal auch Trauer über mich selbst haben darf, weil was man darin erkennt, ist letztendlich die eigene und die andere Menschlichkeit, letztlich die allgemeine Menschlichkeit. Mitgefühl kann nachweislich helfen, seelische Schmerzen zu lindern, negative Erfahrungen zu verarbeiten und sich zu versöhnen, mit sich selbst, mit Anderen und mit der Welt: Take 7 (Anneli Keil) 0`12 Mitgefühl ist eine unglaubliche Quelle der Freude. Man redet beim Mitgefühl immer eher von Trauer und Kummer und Sorgen und Krisen, die Menschen haben. Aber wir haben völlig verlernt das Mitgefühl mit Freude
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