Visuelle Beurteilung der Stärke des Phytophthorabefalls. von 71 gefällten Kastanien der Lesselallee in Mainz-Kostheim

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1 Sachverständigenbüro Dipl.-Forstwirt SV-Büro Prof. Dr. U. Weihs, Bovenden, Am Stollen 12 Visuelle Beurteilung der Stärke des Phytophthorabefalls von 71 gefällten Kastanien der Lesselallee in Mainz-Kostheim anhand von Fotos der Stubbenquerschnittsflächen Göttingen/Bovenden, den Professur an der HAWK-Fakultät Ressourcenmanagement in Göttingen für die Fachgebiete: Baumsachverständigenwesen, Baumkontrolle und Baumwertermittlung Waldpflege und Waldentwicklung Bewertung von Wald und Holz von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen öffentlich bestellter und vereidigter SV für: Baumpflege Verkehrssicherheit von Bäumen Baumwertermittlung Mitgliedschaften ANW (Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft) FLL (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.v.) Arbeitskreise Baumkontrolle Eingehende Untersuchung ZTV-Baumpflege Supervisor für FLL - zertifizierte Baumkontrolleure SVK Sachverständigenkuratorium Fachkommission für Sachverständigenwesen der LWK Niedersachsen Büro: Am Stollen Bovenden Tel: +49(0) Mobil: +49(0) Fax: weihs@hawk-hhg.de Internet: Steuer-Nr.: 20/147/04990 Bankverbindung: Commerzbank Göttingen Kto.-Nr BLZ IBAN: DE BIC: COBADEFFXXX

2 1) Einleitung Für die Beurteilung der Vitalitätsschwächung durch Phytophthorabefall anhand der Stubbenquerschnittsflächen der gefällten Kastanien in der Lesselallee ist das Verständnis der Lebensvorgänge in Bäumen von grundlegender Bedeutung, weshalb diese hier kurz erläutert werden sollen. 2) Wie funktioniert ein Baum? Grundsätzlich besteht ein Baum aus unter- und oberirdischen Teilen. Sichtbar ist der Stamm mit der darauf sitzenden Krone. Das im Boden befindliche Wurzelwerk ist dagegen dem Blick des Betrachters verborgen. Eine wesentliche Grundlage für die Lebensvorgänge in Bäumen ist die CO 2 -Assimilation im Rahmen der Photosynthese. Hierbei wird durch kleine Spaltöffnungen in den Blättern der Umgebungsluft Kohlendioxyd entzogen, welches mit Hilfe des grünen Blattfarbstoffes (Chlorophyll) unter Einwirkung des Sonnenlichtes in Zucker und Stärke (sog. Assimilate) umgewandelt wird. Der größte Teil der gebildeten Assimilate wird vom Baum zur Bildung von Holzsubstanz sowie Blattund Wurzelmasse genutzt. Unbedingte Voraussetzung für den reibungslosen Ablauf der Photosynthese sowie aller übrigen Lebensprozesse ist die ausreichende Versorgung des Baumes mit Wasser und darin gelösten Mineralsalzen. Insofern sind die folgenden zwei miteinander verknüpften Prozesse für die Lebenstüchtigkeit (Vitalität) eines Baumes unabdingbar: Der von den Feinwurzeln im Boden ausgehende und über das Splintholz des Baumstammes aufsteigende Transpirationsstrom versorgt die Blätter in der Baumkrone mit Wasser und lebenswichtigen Mineralien. Umgekehrt versorgt der aus den Blättern der Baumkrone im Bast des Baumstammes absteigende Assimilatstrom auf seinem Weg nach unten alle im Wachstum befindlichen Zellen, insbesondere auch diejenigen Wachstumszellen an den Spitzen der Feinwurzeln, die für die lebenswichtige Wasser- und Mineralstoffaufnahme zuständig sind. Da somit die Krone abhängig vom Wurzelwerk ist und umgekehrt, pendelt sich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ober- und unterirdischen Baumteilen ein. Jede Störung, sowohl ober- als auch unterirdisch beeinflusst dieses ausgewogene Verhältnis negativ und führt zu einer Schwächung der Vitalität (Lebenstüchtigkeit) des gesamten Baumes. 3) Visuelle Interpretation der Stubbenquerschnittsflächen auf Phytophthorabefall Die folgende Abbildung 1 des Stubbens einer gefällten Ross-Kastanie in der Lesselallee zeigt beispielhaft den anatomischen Aufbau im Querschnitt eines Rosskastanienstammes, der in Höhe der Fällebene keinerlei Befallssymptome von Phytophthora aufweist. Seite 2

3 Abb. 1: gesunder Stammquerschnitt einer nicht von Phytophthora geschädigten, gefällten Rosskastanie in der Lesselallee Von außen nach innen sind folgende Bereiche im Stammquerschnitt zu unterscheiden: 1 nur wenige Millimeter stark ausgeprägte dunkle Rinde (Borke) 2 ca. einen Zentimeter breit ausgeprägter, braun gefärbter Bast, in dessen Siebröhren die Assimilate aus der Krone stammabwärts bis in die Wurzeln geleitet werden 3 mehrere Zentimeter starkes, helles Splintholz, in dessen Leitbahnen Wasser mit den darin gelösten Mineralstoffen von den Wurzeln bis in die Krone transportiert werden. Das helle Splintholz lässt sich vom darunter in Richtung der zentralen Markröhre liegenden, nicht mehr wasserleitenden Reifholz farblich nicht abgrenzen 4 Markröhre (Zentrum des Stammquerschnitts) mit einer beginnenden, alterstypisch normalen Ausprägung eines kleinen, braun gefärbten Nasskerns 5 gesund überwallte, gut abgeschottete, mechanisch verursachte, ältere Stammverletzung. Im Vergleich zu dem in Abbildung 1 dargestellten gesunden Stammquerschnitt, zeigt die folgende Abbildung 2 einen Stammquerschnitt mit deutlich sichtbaren Befallssymptomen von Phytophthora. Phytophthora schädigt die Kastanie durch Wurzel- und Stammbefall. Die Schäden sind äußerlich durch starke Verfärbungen, insbesondere am unteren Stammabschnitt, sowie Austritt einer dunklen Flüssigkeit (sog. Bluten) erkennbar. Unterhalb der infizierten blutenden Stellen ist das Gewebe des Bastes und Splintholzes verfärbt. Die hellbraun bis rotbraun verfärbten Befallsbereiche (in Abbildung 1 rot umrandet) sind in Abhängigkeit vom Fortschritt des Befalls mehr oder weniger lang gestreckt bzw. flächig ausgebreitet und teilweise stark nässend ( verstockt ). Seite 3

4 Abb. 2: Stammquerschnitt einer von Phytophthora bereits stark geschädigten, gefällten Kastanie in der Lesselallee (vermutlich Rotblühende Kastanie). Vom Phytophthorabefall ist der ebenfalls braun gefärbte Nasskern im Zentrum des Stammquerschnitts abzugrenzen (siehe Abbildung 3). Bei ihm handelt es sich um eine für Kastanien altersentsprechend normale Ausprägung, die mit Phytophthorabefall nichts zu tun hat. Der zentrale Nasskern übt keinen vitalitätsschwächenden Einfluss auf die physiologisch aktiven Bereiche des Splintholzes und Bastes im äußeren Querschnittsbereich des Stammes aus. Abb. 3: gesunde Stammquerschnitte von gefällten Kastanien der Lesselallee mit einem stärker ausgebildeten, alterstypischen, zentralen Nasskern Seite 4

5 4) Ergebnis der Fotoauswertung von 71 Stammquerschnitten der gefällten Kastanien der Lesselallee auf Phytophthorabefall Die Interpretation von 71 Fotos von Stammquerschnitten in der Fällebene erfolgte unter Berücksichtigung der unter Ziffer 3 getroffenen Feststellungen. In die Auswertung gingen ausschließlich sichtbare Defektsymptome ein, die anhand der Schnittflächenfotos eindeutig als Phytophthorabefall angesprochen werden konnten. Da es im Verlauf der Jahrzehnte an alten Bäumen immer wieder zu mechanischen Verletzungen, insbesondere im bodennahen Stammfußbereich kommt, die somit für die 100 Jahre alte Kastanien der Lesselallee keine Besonderheit darstellen, wurden solche Defekte, die auch zu lokalen Fäulen/Verfärbungen oder dem partiellen Absterben von Bast und Kambium am Stammfuß geführt haben, im Rahmen der vorliegenden Auswertung nicht unter Phytophthorabefall berücksichtigt. Obwohl die Fotos ohne Maßstab angefertigt wurden, lässt sich anhand der Querschnittsgröße und - geometrie der Schnittflächen erkennen, dass insbesondere die nachgepflanzten rotblühenden Kastanien mit vergleichsweise schwachen Querschnittsflächendurchmessern einen stärken Phytophthorabefall aufweisen. Diese jüngeren Bäume gehören nicht zum Kollektiv der alten Kastanienallee, in dem nach eigener Feststellung des Unterzeichners gelegentlich der im April 2014 durchgeführten fachlich qualifizierten Inaugenscheinnahme ebenfalls die älteren rotblühenden Kastanien stärker von Phytophthorabefall betroffen waren. Eine klare Trennung der stärker von Phytophthora befallenen jungen und alten Kastanien war wegen eines fehlenden Maßstabs auf den Fotos nicht sicher möglich. Aus diesem Grund sind beide Kollektive (junge und alte Bäume) in der folgenden Auswertung enthalten. Differenziert nach dem Grad bzw. der Stärke des Phytophthorabefalls kommt der Unterzeichner nach der visuellen Beurteilung der Querschnittsfchnittflächen zu folgendem Ergebnis: ohne Befallssymptome: 53 Kastanien mit leichten Befallssymptomen: 6 Kastanien mit mittleren Befallssymptomen: 4 Kastanien mit starken Befallssymptomen: 8 Kastanien Da sich ein starker Phytophthorabefall äußerlich gut an einer sukzessiv absterbenden Baumkrone erkennen lässt, wäre eine individuelle Fällentscheidung bei Einzelbäumen der Lesselallee in Abhängigkeit eines deutlich sichtbaren Kronensterbens möglich und sinnvoll gewesen. Nach dem Stand der vorliegenden Auswertung ist davon auszugehen, dass davon ca. acht Kastanien (junge, nachgepflanzte sowie auch alte Bäume) betroffen gewesen wären. Göttingen/Bovenden, den Seite 5