GK Sprachwissenschaft - Wolfgang Schulze Zusammenfassung der Sitzung vom Syntax - Eine Einführung in die Grundlagen (1)
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- Maria Buchholz
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1 Seite1 GK Sprachwissenschaft - Wolfgang Schulze Zusammenfassung der Sitzung vom Syntax - Eine Einführung in die Grundlagen (1) 1. Ausgangspunkt: Wozu dient Morphologie? Mono-polare (lokale) Morphologie: Gestaltung von Lexemen ohne Einwirkung auf andere Lexeme und deren Beziehung untereinander: Derivation Bi-polare Morphologie: Gestaltung von Lexemen mit Einwirkung auf andere Lexeme und deren Beziehung untereinander bzw. aufgrund deren Beziehung untereinander: Flexionsmorphologie im weitesten Sinne des Wortes Nota: Vom Kategoriellen (Onomasiologischen) her gesehen sind die Übergänge fließend: Was in der einen Sprache als Derivation aufscheint, kann in der anderen Sprache flexionsmorphologisch sein. Beispiel: Plural-Bildung (rot: lokal, blau: bi-polar): Beispiel aus dem Deutschen: Türkisch: ev-ler büyük-tür Haus-PL groß-cop:pres:3 Latein: tect-a magn-a sunt Haus-PL:N:NOM groß-pl:n:nom sein:pres:3pl 'Die Häuser sind groß.' Un-gerechtigkeit spiel-t ein-e groß-e Rolle Flexionsmorpheme kontextualisieren also ein Lexem im Hinblick auf eine bestimmte Funktion oder Eigenschaft. Kontext kann sein: Lexikalische Umgebung oder konzeptuelle Größen, e.g. Bist du in den Garten gelaufen? Vergangenheitshypothese Analyse: du bi-st Garten d-en laufen in du; d-en (Garten) VERGANGENHEIT bist ge-l-au-f-en BESTIMMTHEIT d-
2 Seite2 Bezugsgröße der Flexionsmorphologie ist also der Kontext. Primärer Kontext: SATZ und seine Struktur (Syntax) ( Morphosyntax) Definition: Morphosyntax ist derjenige Teil der Morphologie (einer Sprache), dessen Verwendung über den Kontext, hier bes. die Syntax bestimmt wird. Problem: Strukturelle Zuordnung von Elementen (Konstituenten) eines 'Satzes' kann unterschiedlich interpretiert werden. Beispiel: Diese Struktur kann u.a. beschrieben werden als: Lineare (horizontale) Abfolge von Sequenzen des Typs: Lineare (vertikale) Abfolge von Sequenzen des Typs: Als diagonale Sequenzen des Typs: Die Interpretation der obigen Struktur hängt also ab von der Anschauung. Unterschiedliche syntaktische Analysen basieren auf derselben Substanz, unterscheiden sich aber in ihrer Anschauung: Syntaktische Strukturen sind nur als 'Phänomene' (be)greifbar Phänomenologie. Beispiel: 1. Syntaktische Beschreibung/Analyse im Sinne der Generativen Syntax (basierend auf den Arbeiten von Noam Chomsky). Basis (stark vereinfacht!): 'Sätze' sind Repräsentationen (teil)abstrakter Regelmengen und erzeugen sich/gliedern sich nach Maßgaben dieser Regeln. Dabei sind wesentliche Momente dieser Regelmengen angeboren (Fähigkeit zum Spracherwerb; Universal Grammar).
3 Seite3 Klassische Modell (stark vereinfacht): S VP NP V NP Der Mann sieht den Hund Regeln: S NP + VP VP V + NP usw. 2. Syntaktische Beschreibung/Analyse im Sinne der Funktionalen Syntax (i.w.s.d.w.): Ausgangspunkt: Beschreibung der funktionalen (bzw. semantischen) Beziehungen von Elementen einer syntaktischen Struktur und Generalisierung/Kategorisierung dieser Funktionen: Verbsemantik Subjekt Objekt Der Mann sieht den Hund Nota: Funktionale Grammatiken sind weitaus heterogener als Generative Grammatiken. Grundproblem: Was ist die Bezugsgröße der 'Syntax' (= Was ist das 'Objekt/Phänomen der Beschreibung bzw. Analyse?) Traditionell: Syntax ist die Beschreibung/Analyse der Struktur von Sätzen bzw. Satzkomplexen. Frage: Was ist ein Satz? Terminus aus der Gerichtssprache des Mittelalters (lat. pro-positio) Eine rein strukturelle Definition scheint unmöglich (vgl. aber Chomsky- Grammatiken!) Hinzu kommt Problem der These: Building blocks (Bausteine) [basierend auf dem Demokrit'schen Atomismus]: Text Satz Besteht aus Wort Setzt sich zusammen zu Silbe Laut
4 Seite4 Wenn immer zwei oder mehr Einheiten eine (höherwertige) Einheit bilden, entsteht Struktur bzw. basiert die Bildung auf Struktur(vorgaben): ist anders als Emergenz: Wenn zwei oder mehrere Teile ein Einheit bilden, ist diese Einheit anders als die Teile bzw. hat andere Eigenschaften als die Teile: Ein Wort besteht aus Silben, ist aber etwas anderes als die Summe der Silben. Ein Satz besteht aus Wörtern, ist aber etwas anderes als die Summe der Wörter. Vgl. Deutsch: [h] + [i] + [n] + [t] + [ə] + [n] {hintən} Kein semantisches Korrelat Semantisches Korrelat Ergo: ist nicht sondern + Struktur Nota: Struktur kann den Teilen 'unterlegt' (s.o.) oder in diese eingebettet sein: hat eine Eigenschaft, die in gespiegelt wird, weshalb beide Teile sich 'von sich aus' verzahnen können ( semantische Selektionsbeschränkung). Beispiel: Mensch essen Tier fressen Demnach sind (in nicht metaphorischer Verwendung) + und + inkompatibel (sie verletzen Selektionsbeschränkungen eines jeden Teils).
5 Seite5 Ergo: Building block-vorstellung reicht nicht aus, die strukturellen Verhältnisse in einem Satz zu erklären. Alternativ: Ein einfaches kognitiv-linguistisches Modell: Basis: Sprache findet ausschließlich 'im Kopf' statt, ist also primär ein kognitives Verfahren. Kognition: Die "funktionale Seite" des Gehirns (stark vereinfacht!) Sprache: Artikulationsbasierte Kodierung von Wahrnehmungsprozessen über ihre Abbildung mittels Erfahrung und Vorstellungen (sekundär: zur Kommunikation): Vereinfacht: Wahrnehmung Erfahrung Symbolisierung Artikulation Sprache Kommunikation Spezifischer Typ der Erfahrung: Ereignisvorstellung Eine Ereignisvorstellung ist ein (relativ minimales) kognitives Modell der Verarbeitung von wahrgenommenen Ereignissen. Ein Satz ist das signifiant einer Ereignisvorstellung (signifié) Wahrnehmung/Erfahrung Ereignisvorstellung Artikulation Satz Frage: Wie verhält sich die Strukturierung der Ereignisvorstellung zur Strukturierung des Satzes? Drei Modelle: 1. Es gibt keinerlei Beziehungen: Die Struktur (Σ 2 ) des Satzes wird erlernt und konventionalisiert auf Ereignisvorstellungen (ohne "Rücksicht" auf deren interner Strukturierung (Σ 1 )) 'angewandt':
6 Seite6 Σ 1 (Ereignisvorstellung) Σ 2 (Satz) Grammatisches Wissen 2. Grammatik basiert auf einem angeborenen "Filter" (Universal Grammar, UG), der die Strukturierung von Ereignisvorstellungen 'ersetzt' durch ein 'grammatisches Format', das den Satz strukturiert. Σ(Ereignisvorstellung) Universal Grammar Σ(UG) Σ UG (Satz) 3. Die Strukturierung des Satzes (Σ') ist eine (un)mittelbare, nach Maßgaben der Parameter der artikulationsbasierten Symbolisierung modifizierte sowie in ihrer konkreten Ausprägung tradierte und gelernte Abbildung der Strukturierung (Σ) von Ereignisvorstellungen. Die Syntax eines Satzes erwächst aus der Syntax einer Ereignisvorstellung Σ(Ereignisvorstellung) Artikulatorische Symbolisierung Σ'(Satz) Im Folgenden wird Modell (3) [Kognitive Typologie] verwendet. Syntax einer Ereignisvorstellung: Definition: Jede Ereignisvorstellung beruht auf der Relationierung ( ) (Inbeziehungsetzung) von zwei oder mehr "Referenten" ( ): Referent: Zeitstabile, in ihrer Qualität aber veränderliche Vorstellung von "Objekten" der Welt und generalisierten Ereignisvorstellungen ("Abstrakta"). Relationen sind nur über die Veränderung der Qualität von Referenten wahrnehmbar und konstruierbar. [Merke: Man kann sich die Semantik von 'Verben' ohne 'Mitdenken' von Referenten vorstellen.]
7 Seite7 Wahrnehmung Ereignisvorstellung 1 [:Hund] /beißen 2 [:Katze] Satz (Deutsch) d-er Hund beiß-t d-ie Katze Dabei steht die Relation meronymisch (als Teil-Ganze-Beziehung) für die Ereignisvorstellung. EV ( ) Also: NP VP NP "Es gibt ein Beißen, woran ein Hund (in der Rolle X) und eine Katze (in der Rolle Y) beteiligt sind" WICHTIG: Die sprachliche Abbildung von Referenten und Relationen (auch: Relatoren) erfolgt über "Phrasen" (Anleihe an generative Grammatik) und nicht über "Wörter", wobei Phrasen durchaus nur aus einem Wort bestehen können. Grundlage: <DER GROSSE HUND> hat einen anderen referentiellen Wert als <DER HUND> oder <HUND>. Genauer: Die Paraphrase "der große Hund" > "der Hund, der groß ist" zeigt, dass Attribute sich wie Relationen (hier: Verben) verhalten. Formal: [ ] Definition: Beispiel: Referenten artikulieren sich primär (!) als Nominalphrasen (NP) Relationen/Relatoren artikulieren sich primär (!) als Verbalphrasen (VP) EV ( ) [Ein großer Eber] NP [hat] VP [das kleines Weizenfeld] NP [zertrampelt] VP'
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