Neuroradiologie. von Klaus Sartor. überarbeitet. Thieme Verlag C.H. Beck im Internet: ISBN Zu Inhaltsverzeichnis
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1 Neuroradiologie von Klaus Sartor überarbeitet Thieme 2006 Verlag C.H. Beck im Internet: ISBN Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
2 1 Kraniozerebrale Erkrankungen Ischämische Hirnerkrankungen O. ansen und H. Brückmann Fokale zerebrale Ischämie Neuropathologische Stadieneinteilung Die heute noch übliche Einteilung der ischämischen zerebralen Infarkte geht auf Untersuchungen von Spatz zurück. e nach Alter des Infarkts wird zwischen folgenden Stadien unterschieden: Stadieneinteilung Nekrosestadium Resorptionsstadium Organisationsstadium Nekrosestadium. Die Nekrosephase dauert vom akuten Ereignis bis zum 3. Tag. Der normale Blutfluss in der grauen Hirnsubstanz beträgt 80 ml/100 g Hirngewebe/min. Die Hirnfunktion ist reversibel eingeschränkt bei Flussraten zwischen 25 und 15 ml/ 100g/min (Penumbra). Ein Infarkt entsteht dann, wenn die Hirnperfusion fokal unter den kritischen Wert von 15 fällt (Abb ). Nach dem Ausfall der Na + -/K + -Pumpe entwickelt sich zunächst ein zytotoxisches Ödem, dessen Substrat die Schwellung der perivaskulären Astrozyten und der Endothelzellen ist. Als Folge der Zellschwellung verkleinert sich der Extrazellularraum, was die Brown-Molekularbewegung der Wasserprotonen im infarzierten Gewebe beeinträchtigt. Mit diffusionsgewichteten MRT-Sequenzen ist die verminderte Beweglichkeit der Protonen bereits wenige Minuten nach Beginn der Ischämie an einem Abfall des sog. Apparent Diffusion Coefficient (ADC) nachweisbar. Im ischämischen Gewebe nimmt der Wassergehalt zunächst nur um 3 5% zu, denn die BHS ist noch erhalten und Makromoleküle können noch nicht aus dem Blut in das Gewebe eindringen. Etwa 6 Stunden nach dem Ereignis setzt dann aber der Zusammenbruch der BHS ein, was zum deutlichen Einstrom von Wasser und Makromolekülen in den Extrazellularraum führt. Die Ausbildung dieses vasogenen Ödems wird vor allem durch die verzögert einsetzende Proteinzunahme begünstigt. Die aus zytotoxischem und vasogenem Ödem resultierende Zunahme des Wassergehalts im ischämischen Hirnparenchym ist die Hauptursache der schon nach 2 3 Stunden nachweisbaren fokalen Hypodensität in der CT und Hyperintensität in der T2- gewichteten MRT. Nach 24 Stunden ist dann eine ausgeprägte Leukozyteninfiltration im Randbereich des Infarkts zu beobachten. Ferner setzt bereits die Nekrose der Ganglien-und Gliazellen sowie die Schädigung der Markscheiden ein. Oligämie Resorptionsstadium. Während der Resorptionsphase (ab dem 4. Tag nach dem Ereignis) überwiegt die Penumbra Phagozytose des nekrotischen Gewebes und mit Neutralfett beladene Makrophagen verlassen das In < 10 Infarkt farktareal über neugebildete Kapillaren. Das Ödem erreicht sein Maximum zwischen dem 3. und dem 5. Tag und wird in der 2. Woche nach dem Ereignis wieder ausgeschwemmt. Abb Derzeitiges 3-Kompartiment-Modell der akuten zerebralen Ischämie. Der Infarktkern ist irreversibel geschädigt. Das Gewebe in der Penumbra ist funktionell schon gestört,aber strukturell noch intakt und auch noch rettbar. Im oligämischen Gewebe ist auch die Funktion noch erhalten. Die Zahlen geben den zerebralen Blutfluss im ml/100 g Gehirngewebe/Minute an. Organisationsstadium. In der 6. Woche sind Nekrose und Resorptionweitgehend abgeschlossen. Kolliquationszysten, reaktive Gliose, Fettkörnchenzellen und abgeblasstemyelinscheiden bestimmen jetztdasbild. Pathogenetische Einteilung Eine mehr auf die Therapie gerichtete pathogenetische Einteilung der ischämischen zerebralen Infarkte 140
3 Erkrankungen der Blutgefäße a c e g b d f h Abb a h Schematische Darstellung der Infarkttypen und der ischämisch-hypoxischen Hirnläsionen in der axialen CT (nach Ringelstein u. Mitarb.). a, b Typischer Befund bei zerebraler Mikroangiopathie. c, d Subkortikale und kortikale Varianten von hämodynamisch verursachten Hirninfarkten. e, f Kortikale und subkortikale Varianten von Territorialinfarkten. g, h Doppelseitige Stammgangliennekrose,Hirnatrophie und diffuse Marklagerläsionen durch schwere hypoxisch-ischämische Hirnschädigung. stützt sich auf die Befunde der modernen bildgebenden Verfahren: CT, MRT, DSA, Ultraschall. Dazu gehört neben der Gehirndarstellung auch die Untersuchung des Herzens und der großen hirnversorgenden Arterien auf embolieträchtige oder perfusionsmindernde Erkrankungen. Heute können bei den meisten Patienten aus der Bewertung dieser Befunde zuverlässig folgende Arten von Hirninfarkten unterschieden werden (Abb ): Territorialinfarkte. Territorialinfarkte entstehen durch embolischen oder thrombotischen Verschluss einer oder mehrerer Hirnarterien. Die häufigste Ursache sind arterioarterielle Embolien aus vorgeschalteten Gefäßläsionen oder aus dem Herzen, während autochthone arteriosklerotische Thrombosen als Ursache selten sind. Bei embolischer Infarktentstehung hängt die Infarktgröße von verschiedenen Faktoren ab: vom Ort des arteriellen Verschlusses, von der Wirksamkeit der leptomeningealen Kollateralen, von der Zusammensetzung und vom Alter des Embolus. Einteilung der Hirninfarkte Hirninfarkte mit Ursache in makroangiopathischen Gefäßläsionen: Hierzu gehören Territorialinfarkte,denen thromboembolische Ereignisse zugrunde liegen,sowie Endstrom- und Grenzzoneninfarkte,die auf hämodynamischen Fernwirkungen vorgeschalteter Gefäßengen,also arteriosklerotischen Stenosen oder Verschlüssen der großen extra- und intrakraniellen Arterien beruhen Hirninfarkte mit Ursache in mikroangiopathischen Gefäßläsionen: Hierzu gehören die lakunären Infarkte der tiefen grauen und der weißen Hirnsubstanz sowie die subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE),denen eine fibrinoide Degeneration der kleinen perforierenden Hirnarterien zugrunde liegt Die Mehrzahl der Territorialinfarkte betreffen das kortikale Versorgungsgebiet der A. cerebri media; relativ häufig sind auch Posteriorinfarkte. Endstrominfarkte. Endstrominfarkte kommen wesentlich seltener vor als Territorialinfarkte. Sie sind die Folge einer Fernwirkung eines kritischen Perfusionsabfalls im terminalen Versorgungsgebiet der langen penetrierenden Markarterien und daher typischerweise im zerebralen Marklager lokalisiert. Ursächlich sind hochgradige Stenosen oder Verschlüsse vorgeschalteter Arterien, vor allem der A. carotis interna oder der A. cerebri media. Häufig besteht gleichzeitig ein unvollständiger, für die Kollateralisation zwischen dem vorderen und dem hin- 141
4 1 Kraniozerebrale Erkrankungen teren Hirnkreislauf und zwischen den Hemisphären ungünstiger Circulus arteriosus Willisii. Grenzzoneninfarkte. Grenzzoneninfarkte sind noch seltener als Endstrominfarkte und ebenfalls hämodynamisch bedingt. Sie entstehen zwischen den Territorien der großen Hirnarterien und hier am häufigsten parietookzipital, im sog. Dreiländereck; selten dehnen sich diese (kortikalen) Infarkte nach frontal aus. Wie die Endstrominfarkte sind die Grenzzoneninfarkte Folge eines kritischen Perfusionsabfalls durch Erkrankung vorgeschalteter Arterien. In beiden Fällen kommt es zu einer unzureichenden Bewässerung (Blutversorgung) der letzten Wiesen (Endstromgebiete) oder Wasserscheiden (Grenzzonen). Lakunäre Infarkte. Diese entstehen durch Verschluss kleiner penetrierender Arterien eines Durchmessers von mm; bei stärkerer Ausprägung spricht man auch von einem Status lacunaris. Dem Gefäßverschluss liegt eine komplexe Erkrankung der Gefäßwand zugrunde, die Fisher als segmentale Desintegration bezeichnet hat. Lipohyalinose und fibrinoide Nekrose spielen bei dieser degenerativen Erkrankung der Arterien eine große Rolle, sie werden in erster Linie als Folge eines langjährigen Hypertonus gedeutet. Prädilektionsstellen der oft multifokalen Nekrosen des Gehirnparenchyms sind: Stammganglien, Thalamus, Capsulae interna et externa, Basis pontis, ventrikelnahe Anteile des zerebralen Marklagers. Subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE) oder vaskuläre ischämische Leukenzephalopathie. Hierbei handelt es sich um eine Form der zerebralen Mikroangiopathie. Pathologisch-anatomisch liegen eine diffuse Demyelinisierung und Vakuolisierung des zerebralen Marklagers vor; die U-Fasern bleiben dabei ausgespart. Die betroffenen Patienten erleiden rezidivierend leichtgradige ischämische Insulte wechselnder Topographie und entwickeln Hirnleistungsstörungen bis hin zur Demenz. Akute zerebrale Ischämie und akuter Hirninfarkt Die Behandlungsmöglichkeiten der akuten arteriellen Ischämie reichen heute von der Antikoagulation über die Neuroprotektion (z. B. mit Glutamatantagonisten, Radikalenfängern, Antizytokinen oder Calciumkanalblockern) bis zur Hypothermie und zur dekompressiven Kraniektomie. Viele dieser Therapien wurden in den letzten ahren untersucht, teilweise in großen Multizenterstudien. Die Thrombolysebehandlung ist dabei der erfolgsversprechendste Ansatz, da die eigentliche Ursache der Ischämie behandelt wird, nämlich der Gefäßverschluss. Diese Therapieform beinhaltet aber auch das Risiko einer lebensgefährlichen Blutung in das ischämisch geschädigte Hirn, sodass die Indikation streng gestellt werden muss. Vor der Lysetherapie müssen mit den bildgebenden Verfahren (CT und MRT) möglichst folgende Fragen beantwortet werden: Liegt eine zerebrale Ischämie oder eine primäre zerebrale Blutung vor? Wie viel Hirngewebe ist schon irreversibel geschädigt und wie viel ist zwar infarktgefährdet, potenziell aber noch rettbar (tissue at risk)? Besteht noch ein Verschluss einer der großen basalen Arterien, dessen Beseitigung sich lohnt? CT. Mit der Nativ-CT kann die intrakranielle Blutung sicher ausgeschlossen und größere Territorialinfarkte können bereits nach 2 3 Stunden anhand der folgenden Infarktfrühzeichen erkannt werden (Abb ): Fokaler Dichteausgleich zwischen grauer und weißer Substanz: Bei kortikalen Infarkten verliert das Rindenband an Dichte und gleicht sich dem subkortikalen Marklager an. Ebenso kommt es zum Dichteausgleich zwischen Inselrinde und Capsula externa (loss of the insular ribbon) bei dort lokalisierten Infarkten. Bei Infarkten mit Beteiligung der tiefen grauen Substanz, der Stammganglien, ist der Dichteausgleich zwischen Linsenkern und Capsulae interna et externa (obscuration of the lentiform nucleus) ebenfalls schon früh nachzuweisen. Ursächlich ist in allen diesen Fällen die Minderperfusion und das Ödem in der grauen Substanz. Fokales Verstreichen der Rindenfurchen: Verengung und Verschwinden von Hirnfurchen sind oft nur durch den Vergleich mit der kontralateralen Großhirnhemisphäre zu erkennen. Bei größeren Infarkten im Territorium der A. cerebri media kann sogar die Sylvische Fissur bzw. die Inselzisterne wie ausgepresst wirken. Hyperdensität der A. cerebri media: Dieses auffällige Zeichen ist bei ungefähr der Hälfte aller Mediaverschlüsse zu beobachten. Es kommt dadurch zustande, dass der Thromboembolus im Hauptstamm der A. cerebri media infolge physikochemischer Veränderungen an Dichte zunimmt und 142
5 Erkrankungen der Blutgefäße a b c Abb a c Frühe Infarktzeichen in der CT bei akutem Verschluss der linken A. cerebri media. Axiale Nativ-CT. a Zeichen der hyperdensen Media (Thrombus im Stamm der A. cerebri media). b Hypodensität im Striatum und in der Inselrinde links mit Verengung der Inselzisterne etwa 6 Stunden nach dem Insult. c Großer,jetzt scharf demarkierter Mediainfarkt (Territorialinfarkt) nach 7 Tagen. a b c Abb a c Fogging-Effekt in der CT. Axiale Nativ-CT. a 4 Tage alter Infarkt in einem Teil des Versorgungsgebiets der rechten A. cerebri media mit leichtem Ödem. b 10 Tage später weitgehende Maskierung des Infarkts durch Fogging-Effekt. c Etwa 2 Monate nach dem Insult Demarkierung des Infarkts durch Kolliquationsnekrose. direkt sichtbar wird. Manchmal ist das Phänomen auch bei Verschlüssen von Mediaästen nachweisbar. Die Grenzen des Infarkts werden innerhalb der ersten 24 Stunden immer deutlicher, das betroffene Parenchymareal demarkiert sich; nach 3 5 Tagen erreicht das Ödem sein Maximum. Wenn in der CT schon früh über die Hälfte des Versorgungsgebiets der A. cerebri media hypodens erscheinen, droht die Entwicklung eines lebensgefährlichen malignen Mediainfarkts. Bei einem solchen Infarkt, der mit Massenverschiebungen und Störungen der Liquorzirkulation einhergeht, sind engmaschige Verlaufskontrollen erforderlich. Das geschieht zunächst klinisch und computertomographisch, macht schließlich aber oft den Einsatz intrakranieller Drucksonden nötig. In verzweifelten Fällen kann eine operative Dekompression (Kraniektomie) lebensrettend sein. Im weiteren Verlauf des Resorptionsstadiums am ausgeprägtesten innerhalb der 2. und 3. Woche kann man den Infarkt in der CT mitunter überhaupt nicht mehr abgrenzen (sog. fogging effect nach Becker u. Mitarb. 1979) (Abb ). Diese vorübergehend hirnisodense Darstellung des Infarkts soll auf Hyperämie bei Vasodilatation, petechiale Blutungen und die zahlreichen Fettkörnerzellen zurückzuführen sein, die zu diesem Zeit- 143
6 1 Kraniozerebrale Erkrankungen a b c Abb a c CTA bei akutem, embolischem Verschluss der linken A. cerebri media. a In der Nativ-CT sind nur angedeutete Infarktfrühzeichen b In der 3-D-Rekonstruktion der CTA (Ansicht von oben) erkennbar: fokaler Dichteausgleich zwischen Hirnrinde wird deutlich,dass ein proximaler Mediaverschluss besteht. und subkortikaler weißer Substanz; fokales Verstrichensein der Rindenfurchen. c Im Quellbild der CTA lässt sich das minderperfundierte Mediaterritorium klar abgrenzen. punkt das histologische Bild beherrschen. 4 6Wo- chen nach dem Schlaganfallereignis sind Kolliquationsnekrosen nachweisbar, die das Infarktareal noch schärfer hervortreten lassen. Gliotische Gewebebezirke dagegen haben in der CT oft ähnliche Dichtewerte wie das Marklager und sind daher schlecht abgrenzbar. Abb Perfusions-CT bei kleinem hyperakutem Territorialinfarkt im Versorgungsgebiet der linken A. cerebri media. Die farbkodierte Darstellung zeigt eine ausgeprägte Durchblutungsminderung im linken frontalen Operkulum (violett); die Nativ-CT war unauffällig. 62-jähriger Patient mit akut aufgetretener motorischer Aphasie und Hemiparese rechts. Mit der CTA steht heute eine Methode zu Verfügung, mit der beim akuten Schlaganfall die großen Arterien an der Hirnbasis bis etwa zur Mediabifurkation verlässlich untersucht werden können. Verglichen mit dem Doppler-Ultraschallverfahren ist die CTA weit weniger von der Erfahrung des Untersuchers abhängig und daher auch für Notfälle geeignet. Außerdem erlauben die sog. Quellbilder (source images) der CTA eine Abschätzung der Qualität des leptomeningealen Kollateralkreislaufs und der Ausdehnung des ischämischen Hirnareals, wenn sich das im Nativscan anhand der Infarktfrühzeichen noch nicht abgrenzen lässt (Abb ). Rasch aufeinander folgende, dynamische CT-Aufnahmen mit Verfolgung des KM-Bolus während der ersten Passage durch das Hirngewebe (Perfusions- CT) erlauben die Berechnung von Parameterbildern des relativen zerebralen Blutvolumens (rcbv), des relativen zerebralen Blutflusses (rcbf) und der Zeitdauer bis zum Erreichen des Kontrastmaximums (TTP, time to peak) (Abb ). Bei guter Ortsauflösung stellen diese Bilder das akut minderperfundierte Hirnareal zuverlässig dar. Mit den derzeit verbreiteten CT-Geräten kann pro KM-Bolus jedoch nur 1 Schicht untersucht werden, so dass selbst bei 2 oder 3 KM-Injektionen keine Untersuchung des ganzen Gehirns möglich ist. Es ist aber zu erwarten, dass die Bedeutung der Technik in der Diagnostik des akuten Schlaganfalls mit weiterer Verbreitung von Mehrschicht-CT-Scannern erheblich wachsen wird. MRT. In der MRT kann ein akuter Hirninfarkt mit konventioneller SE-Technik nicht früher als mit 144
7 Erkrankungen der Blutgefäße a b c Abb a c Diffusionsgewichtete MRT bei hyperakutem Territorialinfarkt im Versorgungsgebiet der linken A. cerebri media. a Bei reiner T2-Gewichtung ist kein Infarkt nachweisbar. b Bei starker Diffusionsgewichtung markiert eine deutliche Signalanhebung das Infarktareal. c Im ADC-Parameterbild stellt sich der Infarkt dunkel dar. dem Nativ-CT nachgewiesen werden. Die Wasserzunahme im Gewebe führt in den ersten Stunden zu einer Verlängerung der T1-und T2-Relaxationszeiten: Bei T2-Gewichtung hat das Infarktareal ein erhöhtes Signal, bei T1-Gewichtung ein erniedrigtes. Anfangs, vor allem während der 1. Woche, wird das Signal in erster Linie vom (vasogenen) Ödem bestimmt, das zunächst auch noch zunimmt. Danach bestimmen die gleichfalls mit einem erhöhten Wassergehalt einhergehenden Nekrose-und Resorptionsvorgänge das Signalverhalten des infarzierten Gewebes. Nach 6 8 Wochen ist schon weitgehend der Endzustand des Infarkts erreicht. Dieser besteht bei großen Läsionen in einem zystischen Parenchymdefekt, der von einer Erweiterung benachbarter Ventrikelanteile begleitet sein kann (Ex-vacuo- Effekt); bei den kleinen Läsionen besteht der Endzustand des Infarkts in einer Glianarbe. Die Zeichen der gestörten BHS mit fokalem Enhancement beginnen erst einige Tage nach dem akuten Ereignis und sind gewöhnlich in der 2. Woche am deutlichsten; sie können mit abnehmender Ausprägung bis zu 8 Wochen nach dem Schlaganfall noch zu sehen sein. Da die MRT sensitiver ist als die CT, zeigt sie das Enhancement etwas früher, manchmal sogar in kleinen mikroangiopathischen Infarkten. Mit diffusionsgewichteten Sequenzen (diffusion weighted imaging [DWI]) kann der akute Hirninfarkt bereits wenige Minuten nach dem Gefäßverschluss erfasst werden. Das früh eintretene zytotoxische Ödem schränkt nämlich die Wasserdiffusion ein, weshalb das infarzierte Hirngewebe in der diffusionsgewichteten MRT sein hohes Signal behält, während das gesunde Hirngewebe infolge der uneingeschränkten Brown-Molekularbewegung der Protonen einen Signalverlust erleidet und dunkel erscheint. Auf den ADC-Bildern kehrt sich der Kontrast zwischen Infarkt und gesundem Gewebe um: Das Infarktareal erscheint dunkel, das normale Gewebe hell (Abb ). Auch wenn diese Veränderungen im Tierversuch oder bei besonders früher Untersuchung von Schlaganfallpatienten innerhalb von 2 Stunden oder weniger partiell reversibel sein können, nimmt man derzeit an, dass die Hyperintensität in der diffusionsgewichteten MRT das irreversibel geschädigte Hirngewebe im Zentrum der Ischämie markiert (sog. Infarktkern). Interpretationsfehler bei der DWI-Auswertung treten dann auf, wenn die Protonenbeweglichkeit nur unidirektional anisotrop untersucht wird oder bereits eine T2-Verlängerung des Gewebes infolge bislang unbekannter alter Hirninfarkte besteht (T2-shine-through effect). Sie können durch Untersuchung der isotropen Diffusion mit Erfassung der Protonenbeweglichkeit in allen 3 Raumebenen, Berechnung von ADC-Bildern und Akquisition von T2-gewichteten Aufnahmen vermieden werden. An der Schädelbasis treten wegen der Nähe zum Knochen und zu den pneumatischen Höhlen Suszeptibilitätsartefakte auf, die in diffusionsgewichteten MRT-Bildern Hyperintensitäten erzeugen, die nicht als Infarktkorrelate gedeutet werden dürfen. Analog zur Perfusions-CT wird bei der Perfusions- MRT (perfusion weighted imaging [PWI]) ein KM-Bolus i. v. appliziert und während des An-und Abflutens im Hirngewebe mit raschen Signalmessungen verfolgt (zu den methodischen Details s. S.17). Bei Anwendung der EPI-Technik kann so heute beim akuten Schlaganfall die Durchblutung des gesamten Gehirns innerhalb von 1 2 Minuten registriert werden. Anhand der Perfusionskurven lassen sich dann Parameterbilder berechnen, die allerdings mehr quali- 145
8 1 Kraniozerebrale Erkrankungen Baustein Sequenztyp Untersuchungszeit Interpretation T2 FSE (32 Echozug) 1 min Tumorausschluss MRA 3D TOF 3 min Gefäßverschluss DWI SE-EPI; isotrope Diffusion: b = 0, 333, 666, min Infarktkern PWI GE-EPI; KM-Bolus: 0,1 mmol/kg; 5 ml/sec 2 min Perfusionsdefizit PWI DWI semiquantitativ; Postprocessing nötig minus tissue at risk Abb Beispiel für das Protokoll einer Schlaganfall- MRT. Die gesamte Untersuchungszeit beträgt meistens weniger als 20 Minuten. In der Notfallsituation wird die Differenz zwischen DWI und PWI abgeschätzt,um die Größe des durch Rekanalisation noch potenziell rettbaren tissue at risk zu bestimmen. tativ, durch Vergleich mit gesundem Gewebe wichtige Informationen zur zerebrovaskulären Lage liefern, vor allem über das zerebrale Blutvolumen und die mittlere Passagezeit (mean transit time [MTT]) des KM durch das Kapillarbett (dadurch indirekt auch über den zerebralen Blutfluss). Infolge von Suszeptibilitätsartefakten ist die PWI-Interpretation an der Schädelbasis jedoch problematisch. Die anfängliche Hoffnung mit nur einer der neuen Techniken vor allem DWI die therapierelevanten Fragen (S.142) beantworten zu können, hat sich jedoch bislang nicht erfüllt. Es scheint sich dagegen das Konzept des Schlaganfall-MRT zu bewähren, das die verschiedenen Techniken in einem Untersuchungsprotokoll zusammenfasst: Untersuchungsprotokoll der Schlaganfall-MRT eine reguläre schnelle T2-gewichtete Sequenz eine schnelle MR-Angiographie der basalen Hirnarterien DWI und PWI (Abb ) Die vergleichende Analyse von DWI und PWI geht von der Annahme aus, dass die DWI-Signalveränderungen dem irreversibel geschädigten Gewebe (dem sog. Infarktkern) entsprechen, während die PWI- Veränderungen ausgewertet wird primär das MTT-Parameterbild das gesamte minderperfundierte Hirnareal darstellen. Die Korrelation der Ausdehnung der DWI-Abnormität mit derjenigen der PWI-Abnormität ergibt entweder eine Deckungsgleichheit (match) oder aber eine Ungleichheit (mismatch). Bei Ungleichheit kann das perfusionsgestörte Areal oder das diffusionsgestörte Areal größer sein. Ist das perfusionsgestörte Areal größer (PWI > DWI), wird das Differenzareal als Korrelat für das Gewebe betrachtet, das noch nicht infarziert, aber hochgradig gefährdet ist: Tissue at Risk (Abb ). In kleineren Studien konnte bereits gezeigt werden, dass Patienten mit einem so definierten Tissue at Risk von einer raschen Wiedereröffnung des verschlossenen Gefässes signifikant profitieren. Großhirninfarkte Großhirninfarkte sind typischerweise Territorialinfarkte, sie ereignen sich am häufigsten im Versorgungsgebiet der A. cerebri media. e nach der Lage des Gefäßverschlusses und der Funktionsfähigkeit der leptomeningealen Kollateralen aus Ästen der vorderen und hinteren Hirnarterien der gleichen Seite kann das komplette Mediastromgebiet einschließlich des Striatums oder nur ein einzelner Gyrus von der Infarzierung betroffen sein (Abb ). 146
9 Erkrankungen der Blutgefäße a b c d Abb a d Schlaganfall-MRT bei akutem Territorialinfarkt im Versorgungsgebiet der linken A. cerebri media. a Das T2-gewichtete-Standardbild zeigt einen normalen Befund. b Die 3-D-Rekonstruktion der MRA läßt distal im Mediastamm einen Abbruch des Flusssignals erkennen. c Bei starker Diffusionsgewichtung markiert eine deutliche Signalanhebung die Infarktareale im frontalen Operkulum und paraventrikulär. d Im perfusionsgewichteten MTT-Parameterbild wird die Minderdurchblutung des gesamten Mediastromgebiets deutlich. Die Differenz zwischen den Flächen mit abnormem Signal in c u. d stellt das infarktgefährdete Gewebe dar (tissue at risk). Bei gut kollateralisierten Verschlüssen der Mediaaufzweigung kann sich der Infarkt auch auf die Inselregion beschränken. Die Infarktkonfiguration richtet sich bei Mediaastverschlüssen nach dem Versorgungsgebiet des Gefäßes. In der CT oder MRT kann rein morphologisch die Differenzialdiagnose zwischen einem frischen Infarkt und einem niedriggradigen Gliom in Einzelfällen schwierig sein. Das gilt vor allem für Infarkte in der Inselregion, einem häufigen Sitz von Astrozytomen. Dann erlauben die Zuordnung des Ödems zu einem arteriellen Versorgungsgebiet, die Anwendung der diffusionsgewichteten MRT (DWI) und die Verlaufsbeobachtung mit Nachweis eines Fogging-Effekts und typischer Störung der BHS die Diagnose eines Infarkts (Abb.1.138). Gelegentlich finden sich auch ganz periphere Astverschlüsse mit dem Ergebnis eines Infarkts, z. B. des motorischen Kortex. Bei guter leptomeningealer Kollateralisation des Kortex bekommt ein solcher Infarkt u. U. eine überwiegend subkortikale Ausprägung. Embolisch bedingte Verschlüsse im Versorgungsgebiet der A. cerebri posterior haben ihre Streuquelle zwar überwiegend in den großen Arterien der hinteren Hirnzirkulation, können sie aber auch in der vorderen Zirkulation haben, so bei direktem Abgang der A. cerebri posterior aus der A. carotis interna, bei kräftigen Rr. communicantes posteriores und bei persistierenden karotidobasilaren Anastomosen (A. trigemina). Infarzierungen im Gebiet der A. cerebri anterior sind selten (5% aller Infarkte), da im Vergleich zur A. cerebri media und A. cerebri posterior das durchströmte Blutvolumen geringer ist, zum anderen durch die A. communicans anterior ein guter Kollateralkreislauf bei proximalen Verschlüssen vorliegt. Der Gyrus cinguli sowie die frontobasalen Hirnterritorien stellen noch die häufigste Infarktlokalisation dar. Komplette Balkeninfarzierungen sind aufgrund der zusätzlichen Versorgung aus dem hinteren Kreislauf über die A. pericallosa posterior kaum möglich. Beim langsamen proximalen A.-cerebri-anterior- Verschluss und hypo-oder aplastischer A. communicans anterior kann sich über die A. pericallosa posterior ein suffizienter Kollateralkreislauf entwickeln. Eine Sonderform der territorialen Infarkte sind die im Versorgungsgebiet der Aa. lenticulostriatae liegenden Stammganglieninfarkte. Diese Infarkte können gelegentlich eine sehr umschriebene räum- > Die Frühzeichen von Infarkten im Gebiet der A. cerebri anterior sind manchmal schwer zu erkennen,sodass darauf besonders geachtet werden muss. 147
10 1 Kraniozerebrale Erkrankungen a b c d Abb a d Schema der arteriellen Gefäßversorgung supratentoriell bzw. in der vorderen Hirnzirkulation im Axialbild (modifiziert nach Kretschmann u. Weinrich). Erläuterung siehe gegenüber. 148
11 Erkrankungen der Blutgefäße a b c Abb a c Differenzialdiagnose zwischen ischämischem Hirninfarkt und niedergradigem Gliom. a In der CT besteht eine rundliche Hypodensität rechts temporookzipital,die unspezifisch wirkt. Axiales Nativscan. b Die T2-gewichtete axiale MRT trägt ebenfalls nicht zur Unterscheidung bei. c Die Diagnose eines kortikalen Infarkts kann erst nach paramagnetischer Kontrastverstärkung gestellt werden: eindeutig kortikales Enhancement. T1-gewichtete koronare MRT. liche Ausdehnung aufweisen und dann in ihrer Unterscheidung zu mikroangiopathischen Infarzierungen differenzialdiagnostische Schwierigkeiten bereiten. Die Kenntnis der komplexen, aus unterschiedlichen Gefäßterritorien stammenden arteriellen Versorgung dieser Region ermöglicht jedoch in der Regel die Einordnung als makroangiopathischer Infarkt (Abb ). In basalen Großhirnanteilen sind die sog. striatokapsulären Infarkte mit Beteiligung des Linsenkerns, der äußeren Kapsel samt Klaustrum, des vorderen Erläuterung zu Abbildung 1.137a d A. cerebri anterior A. cerebri media A. cerebri posterior perforierende Äste der A. cerebri anterior perforierende Äste der A. cerebri media perforierende Äste der A. cerebri posterior/ A. communicans posterior A. choroidea anterior Schenkels der Capsula interna und des Kaudatuskörpers am häufigsten. Ursache dieses Infarkttyps sind Verschlüsse der feinen lentikulostriären (zentralen) Äste des proximalen Mediastamms aufgrund thrombotischer Ablagerungen in der Umgebung der Ostien dieser Gefäße oder aufgrund eines kompletten Mediaverschlusses. Typischerweise bleibt der Kaudatuskopf ausgespart, weil die für diese Struktur zuständige A. recurrens Heubner aus dem präkommunikalen Abschnitt der A. cerebri anterior und nicht aus der A. cerebri media entspringt. Bei einem solchen Verschluss des Mediastamms kann eine Infarzierung des nachgeschalteten Mediastromgebiets durch die rasche Entwicklung eines funktionstüchtigen Kollateralkreislaufs über Äste der vorderen und der hinteren Hirnarterie verhindert werden. Ein striatokapsulärer Infarkt entsteht möglicherweise auch dadurch, dass ein Mediaverschluss frühzeitig spontan lysiert wird; zur Gewebenekrose kommt es dann nur im Gebiet des nicht kollateralisierten Linsenkerns. Liegt der Mediastammverschluss etwas weiter distal, kommt es zu einem lateralen Linsenkerninfarkt, der sich in koronaren MRT-Aufnahmen bogenförmig von laterobasal bis zum Seitenventrikeldach ausdehnt (Abb ). Die bei Linsenkerninfarkten häufige hämorrhagische Transformation führt selten zu einer klinischen Verschlechterung. Die A. choroidea anterior versorgt den hinteren Schenkel der inneren Kapsel (und damit die Pyramidenbahn) sowie Teile des Kaudatuskörpers. Isolierte Infarkte im Versorgungsgebiet der A. choroidea anterior kommen zwar gelegentlich vor, dürften aber häufiger mikroangiopathischen 149
12 1 Kraniozerebrale Erkrankungen Abb a, b Schema der arteriellen Versorgung von Stammganglien und Thalamus (nach Rossberg). 2 a Axialschnitt. b Koronarschnitt A. lenticulostriata lateralis 2 A. recurrens Heubner 3 A. lenticulostriata medialis 4 A. choroidea anterior A. thalamotuberalis et thalamoperforata anterior 6 A. thalamoperforata posterior 7 A. thalamogeniculata 8 A. choroidea posterior a b als embolischen Ursprungs sein. Hypothalamus und Thalamus, die gemeinsam den III. Ventrikel begrenzen, werden von den Rr. thalamoperforantes der A. basilaris und der proximalen Abschnitte der Aa. cerebri posteriores, also aus dem hinteren Hirnkreislauf, versorgt. Die Endstrominfarkte betreffen das para-oder supraventrikuläre Marklager, sie liegen an der Wasserscheide zwischen den Versorgungsgebieten der aus dem Mediastamm entspringenden langen penetrierenden Markarterien und der tiefen pialen Äste der kortikalen Arterien. Von mikroangiopathischen Infarkten lassen sie sich dadurch unterscheiden, dass sie im typischen Fall kettenförmig angeordnet sind, und zwar auf einem Bogen, der von frontal bis nach okzipital reicht (Abb.1.141). Grenzzoneninfarkte stellen sich in der CT oder MRT als kortikal-subkortikale Dichteminderungen oder Signalveränderungen an den Grenzen der Versorgungsgebiete der 3 Hirnarterien dar; sie reichen dabei oft von den Vorder-oder Hinterhörnern der Seitenventrikel bis zur Hirnoberfläche. Die hämodynamische Relevanz von Stenosen der hirnversorgenden Arterien kann semiquantitativ auch mit dem Perfusions-MRT abgeschätzt werden. Reicht die Hirnperfusion in den Endstromgebieten nicht mehr aus, wird auf zerebrovaskuläre Reservekapazität angezapft, indem sich die kleinen parenchymalen Gefäße reaktiv weitstellen. Im Perfusions-MRT führt das zu einer Verlängerung der MTT und einer Erhöhung des zerebralen Blutvolumens (CBV). Abb Tage alter ischämischer Infarkt im Versorgungsgebiet der Aa. lenticulostriatae laterales rechts. T2-gewichtete koronare MRT. Kleinhirninfarkte Kleinhirninfarkte sind entsprechend der variablen arteriellen Versorgung des Kleinhirns weniger gleichförmig in ihrer morphologischen Ausprägung als Großhirninfarkte. Die Territorien der Kleinhirnarterien überschneiden sich z. T. oder es bestehen reziproke Größenverhältnisse, wobei einmal die eine Arterie das größere Territorium hat, dann wieder die andere. Die Darstellung eines Infarkts und dessen Zuordnung zu einem arteriellen Stromgebiet gelingt am besten mit der MRT, wobei Aufnahmen in 2 der 3 orthogonalen Ebenen meistens ausreichen; oft genügen sogar die sagittalen Aufnahmen (Abb.1.142). In der Regel versorgt die gewöhnlich aus dem Endteil der A. vertebralis entspringende A. cerebelli inferior posterior (PICA) basal den größten Teil der Kleinhirnhemisphäre, nach rostral bis über die Fissura horizontalis hinaus, also vor allem den Lobulus semilunaris inferior, den Lobulus biventer und die 150
13 Erkrankungen der Blutgefäße Abb a, b Alter frontaler Endstrominfarkt oberhalb des Seitenventrikels. a Im Zentrum des parallel zur Mittellinie liegenden linksseitigen Infarkts besteht ein liquorähnliches Signal. T2-gewichtete axiale MRT. b Der Infarkt hat eine angedeutete C-Form. T1-gewichtete sagittale MRT. a b a b c d Schichtebenen durch das Kleinhirn Axial (a c): a in Höhe der Medulla oblongata b in Höhe der mittleren Pons c in Höhe des Mesenzephalons Sagittal (d): paravermal Arterielle Versorgungsgebiete: A. cerebelli inferior posterior (PICA) A. cerebelli inferior anterior (AICA) A. cerebelli superior (SUCA) Grenzzonengebiet Abb a d Schema der arteriellen Versorgung des Kleinhirns in Axial-, Sagittal- und Koronarbildern (modifiziert nach Savoiardo u. Mitarb.). Tonsille; über die unteren Wurmäste wird auch ein Teil des Kleinhirnwurms arteriell versorgt. In sagittalen MRT-Bildern hat ein kompletter PICA-Infarkt typischerweise eine nach rostral (kranial) konkave Form (Abb.1.143). Da das PICA-Territorium gelegentlich sogar die Mittellinie überschreitet, können trotz kompletten Gefäßverschlusses Anteile des üblichen Versorgungsbereichs durch Kollateralisation von der Gegenseite unbeeinträchtigt bleiben. Bei hypoplastischer oder fehlender PICA wird die Abb Subakuter ischämischer Infarkt im Versorgungsgebiet der A. cerebelli inferior posterior (PICA- Infarkt). Die Läsion ist nach oben konkav begrenzt und befindet sich im Stadium der BHS-Störung. T1-gewichtete sagittale MRT nach paramagnetischer Kontrastverstärkung. arterielle Versorgung oft von einer besonders kaliberstarken A. cerebelli inferior anterior (AICA) übernommen. Ansonsten sind die relativ seltenen AICA- Infarkte auf den mittleren Kleinhirnstiel beschränkt; ihre häufig rundliche Form kann die Differenzialdiagnose zu einem akuten Demyelinisierungsherd schwierig machen. Die A. cerebelli superior zeigt von allen 3 Kleinhirnarterien die geringste Variabilität, ihr Versor- 151
14 1 Kraniozerebrale Erkrankungen ligner Kleinhirninfarkt rechtzeitig erkannt und mit Hilfe einer subokzipitalen Kraniektomie dekompressiv behandelt wird. Am häufigsten verursachen große PICA-Infarkte einen Verschlusshydropzephalus durch Kompression des IV. Ventrikels und der perimesenzephalen Zisternen. Hirnstamminfarkte Abb Paramedianer Ponsinfarkt. Die Läsion zeigt ein erhöhtes Signal und reicht von der vorderen Brückenkontur bis an das Tegmentum. T2-gewichtete sagittale MRT. Hirnstamminfarkte gefährden das Leben des Patienten weit häufiger als Infarkte im vorderen Hirnkreislauf, obwohl das Verhältnis von Ischämien im vorderen Kreislauf zu Ischämien im hinteren Kreislauf ungefähr 5 : 1 beträgt. Infolge der unvermeidbaren Aufhärtungsartefakte in der Umgebung des Felsenbeins ist mit der CT die Nachweisrate von Hirnstamminfarkten wesentlich geringer als die Nachweisrate von Infarkten im Großhirn, die schon ab einer Größe von 3 5 mm Durchmesser erkennbar sind. Die sichere Erfassung und exakte topische Zuordnung von Hirnstamminfarkten erfordert daher die MRT, bei deren Anwendung oft auch Informationen zur Pathogenese der Erkrankung gewonnen werden. Bei Verdacht auf akute Basilaristhrombose eignet sich besonders die CTA zur Klärung des Sachverhalts, sie sollte daher frühzeitig durchgeführt werden. Abb Mikroangiopathische Veränderungen in der Brücke. Die Läsionen (Pfeile) zeigen ein erhöhtes Signal und wirken fast symmetrisch. T2-gewichtete axiale MRT. gungsgebiet ist nahezu konstant. Sie versorgt die Lobuli quadrangulares, den größtenteildes Centrum medullare einschließlich der Kerngebiete sowie den Oberwurm. Im Vergleich zu PICA-Infarkten sind Infarkte im A.-cerebelli-superior-Gebiet jedoch seltener. Auf Axialbildern haben Teilinfarkte eine Trapezform. Auf den gleichen Bildern können im übrigen PICA- Teilinfarkte mit einer weiten Fissura prima (horizontalis) verwechselt werden, wenn diese wie bei Kleinhirnatrophie der Fall sehr prominent ist. Bei bewusstseinsgetrübten Patienten sind CToder MRT-Verlaufsuntersuchungen in kurzen Abständen notwendig, damit ein raumfordernder ma- Territorialinfarkte. Territorialinfarkte des Hirnstamms entstehen vor allem paramedian im Brückenfuß, sie reichen bis an die Brückenoberfläche (Abb ). Bei der Basilaristhrombose kommt es häufig zu doppelseitigen Infarkten in der Brückenhaube (Tegmentum) und im Brückenfuß (Basis pontis). Lakunäre Infarkte. Lakunäre Infarkte entstehen meistens im Übergang des Brückenfußes zur Brückenhaube. Im Zusammenhang mit einer zerebralen Mikroangiopathie kommt es oft auch im Hirnstamm zu weitgehend symmetrischen leukenzephalopathischen Veränderungen, die im Brückenfuß am ausgeprägtesten sind (Abb ). Infarkte der Medulla oblongata. Infarkte der Medulla oblongata liegen fast immer im dorsolateralen Teil des verlängerten Marks, ihre Ursache ist gewöhnlich ein intraduraler (distaler) Verschluss der A. vertebralis; klinisch besteht ein sog. Wallenberg-Syndrom. Ist bei einem solchen Vertebralisverschluss die PICA miteinbezogen, kommt ein Kleinhirninfarkt hinzu. 152
15 Erkrankungen der Blutgefäße Ponsinfarkte. Ponsinfarkte entstehen typischerweise paramedian im mittleren Brückenfuß und äußern sich klinisch in einer motorischen Hemiparese, die meistens arm-und distal betont ist und initial oft von einer Dysarthrie begleitet wird; die für Hirnstamminfarkte als charakteristisch geltende gekreuzte Symptomatik fehlt oft. Mittelhirninfarkte. Mittelhirninfarkte entstehen ebenfalls überwiegend im Brückenfuß. Klinisch stehen meistens eine komplette Okulomotoriusparese und eine kontralaterale Hemiparese im Vordergrund. Akute und chronische vaskuläre Enzephalopathie Die akute zerebrale Hypoxie durch Stagnation des Blutflusses (Ischämie) ist als Ursache von Hirninfarkten von der hypoxämischen, toxischen und hypoglykämischen Hypoxie abzugrenzen. Von letzteren Hypoxieformen führt die Hypoxämie am häufigsten zu einer Schädigung des Gehirns. Infolge von Unterschieden im Stoffwechsel und in der Vaskularisation reagiert das Hirnparenchym auch unterschiedlich auf Hypoxie. e nach Grad und Dauer der Hypoxie resultieren daher unterschiedliche klinische und radiologische Befunde. Bei passagerer Hypoxie kann es besonders am zerebralen Kortex zu einer reversiblen Beeinträchtigung der Gehirnfunktion durch Ödem und Störung der BHS kommen. Am häufigsten betroffen ist die zwischen den großen arteriellen Versorgungsbereichen gelegene parietookzipitotemporale Grenzregion, die letzte Wiese ; die kortikale Störung kann dabei deutlich asymmetrisch sein. Das beste Verfahren zum Nachweis morphologischer Veränderungen, die in diesem Zusammenhang auftreten, ist die MRT. Mit ihr gelingt es am ehesten, die Störung der BHS nachzuweisen. Nach KM-Gabe ist das charakteristische gyrale Enhancement im betroffenen Kortex vor allem in der subakuten Phase der hypoxischen Störung nachweisbar (Abb.1.146). In PD-gewichteten oder FLAIR-MRT-Bildern wirkt der geschädigte Kortex gelegentlich hyperintens, ein Phänomen, das man u. U. schon früher beobachten kann als das Enhancement. Ist die Hypoxie ausgeprägter und somit die kortikale Beeinträchtigung stärker, können sich kortikal laminare Nekrosen entwickeln. Das Ödem kann dann auch in der CT in Erscheinung treten, indem der Dichtesprung zwischen der Hirnrinde und der subkortikalen weißen Substanz verschwindet und die Hirnfurchen verstreichen. Bei einer Hirnschädigung durch globale Hypoxie dehnt sich das Hirnödem auf die Stammganglien, das Kleinhirn und den Hirnstamm aus (Abb ). Einige der entzündlichen Gefäßerkrankungen oder Vaskulitiden lassen sich ebenfalls den akuten vaskulären Enzephalopathien zurechnen. So kann es bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen, darunter dem SLE, der Periarteriitis nodosa und dem Morbus Behçet, zu einer Mitbeteiligung des Gehirns mit perivaskulärer Infiltration kommen. Die Wandentzündung der kleinen und mittleren Arterien führt zum einem zu segmentaler Gefäßerweiterung mit Ausbildung von (Pseudo-) Aneurysmen, die schließlich, vor allem bei der SLE, rupturieren und intraze- Abb a, b Einseitiger hypoxischer Gehirnschaden nach Intubationsnarkose. a Der Kortex der linken Großhirnhemisphäre wirkt ödematös und hat ein abnorm hohes Signal. T2-gewichtete axiale MRT. b Der erkrankte Kortex zeigt ein gyrales Enhancement. T1-gewichtete axiale MRT nach paramagnetischer Kontrastverstärkung. a b 153
16 1 Kraniozerebrale Erkrankungen Abb Diffuser hypoxischer Gehirnschaden nach Kammerflimmern und Reanimation (64-jähriger Mann). Der Kontrast zwischen grauer und weißer Hirnsubstanz ist aufgehoben und beide Großhirnhemisphären zeigen eine gleichförmige,leicht reduzierte Dichte; infolge allgemeiner Hirnschwellung sind kaum Hirnfurchen zu erkennen. Axiale Nativ-CT. a rebrale Blutungen herbeiführen können. Zum anderen führt sie zu Gefäßverengungen, Gefäßverschlüssen und ischämischen Hirninfarkten. Da die perivaskuläre Entzündung anders als die degenerative Wanderkrankung bei der arteriosklerotischen Mikroangiopathie nicht auf die kleinen Arterien beschränkt ist, resultiert in der CT und MRT ein Mischbild von Infarkten, u. U. kommen gleichzeitig mikroangiographische, hämodynamische und territoriale Infarkte vor. Zwar ist dieses Läsionsmuster charakteristisch, es erlaubt aber nicht die Diagnose Vaskulitis. Zur radiologischen Sicherung der Diagnose ist die selektive zerebrale Angiographie notwendig, mit der die arteriellen Stenosen, Verschlüsse und Aneurysmen noch am verlässlichsten nachgewiesen werden (Abb ). Ein ähnlich buntes Infarktbild wird auch bei akut auftretenden Hyperkoagulopathien mit intravasaler Thrombenbildung vom Typ des Moschkowitz- Syndroms beobachtet. Die zerebrale Mikroangiopathie als Erkrankung primär des Marklagers manifestiert sich mit lakunären Einzelläsionen von 1 2 mm Durchmesser oder als konfluierende spongiöse Demyelinisierung. In der Regel reicht die CT diagnostisch aus: Sie zeigt die Lakunen als kleine, hypodense Läsionen in den Stammganglien, im Thalamus und in der inneren Kapsel, gelegentlich auch kettenförmig angeordnet in der äußeren Kapsel (Abb ). Ausnahmsweise tritt die zerebrale Mikroangiographie auch zuerst mit flächigen Hypodensitäten im subkortikalen Marklager in Erscheinung. In der MRT sind diese Veränderungen früher und ausgedehnter zu erkennen als in der CT, wobei die T2- gewichteten Aufnahmen für die Läsionen der weißen Substanz am empfindlichsten sind. In extremen Fällen zeigt außer den U-Fasern das gesamte Marklager eine gleichförmige Signalerhöhung, das radiologische Zeichen der SAE (Abb.1.150). b Abb a, b Zerebrale Vaskulitis ungeklärter Genese (34-jähriger Mann). a In beiden Großhirnhemisphären bestehen paraventrikulär und auch weiter peripher im Marklager multiple, teilweise konfluierende Areale erhöhter Signalintensität. Ein weiteres Areal rechts paraventrikulär ist dagegen stark signalgemindert,vermutlich infolge von Hämosiderinresten nach früherer Blutung (Pfeile). T2-gewichtete axiale MRT. b Zahlreiche Hirnarterien,vor allem die A. cerebri posterior (großer Pfeil),haben ein unregelmäßiges Lumen. Die Zentralarterie trägt ein kleines Pseudoaneurysma (kleiner Pfeil). Karotisangiogramm,laterale Projektion. 154
17 Erkrankungen der Blutgefäße Abb Zerebrale Mikro- Abb Ausgeprägte subkorti- Abb CADASIL. Abb Erweiterte Virchow- angiopathie vom überwiegend kale arteriosklerotische Enzephalo- Die T2 gewichtete axiale MRT zeigt bei Robin-Räume. lakunären Typ. pathie. einem 41-jährigen Mann mit rezidivie- In der weißen Substanz beider Groß- Alte lakunäre Infarkte bestehen im 67-jährige Frau mit chronischer arteri- renden Schlaganfällen symmetrische, hirnhemisphären sind subkortikal Thalamus,im Striatum und in der eller Hypertonie. Mit Ausnahme der U- teils flächige,teils lakunäre Signalanhe- zahlreiche lineare Areale erhöhter Capsula externa. Die mikroangio- Fasern ist das gesamte zerebrale bungen in der periventrikulären weißen Signalintensität zu erkennen. Die Ver- pathischen Veränderungen der Marklager dichtegemindert. Axiale CT. Substanz. Keine Risikofaktoren bekannt. änderungen entsprechen einer kli- weißen Substanz sind eher gering nisch belanglosen Erweiterung des ausgeprägt,am stärksten noch Liquorraums,der die perforierenden nahe den Vorderhörnern. Axiale CT. Arterien begleitet. T2-gewichtete axiale MRT. Gelegentlich kann die Unterscheidung der Mikroangiopathie von anderen Demyelinisierungserkrankungen, vor allem der Encephalomyelitis disseminata (ED), schwierig sein. Anders als die ED befällt die zerebrale Mikroangiopathie aber nicht den Balken, und sie hat ihre stärkste Ausprägung auch nicht unmittelbar an den Seitenventrikeln (periventrikulär), sondern in einigem Abstand davon (paraventrikulär). Die charakteristischen lakunären Läsionen kommen hinzu. Der Befall besonders des Balkenunterrands ist dagegen fast spezifisch für die ED. Erst in den letzten ahren wurde die Differenzialdiagnose der vaskulären Leukenzephalopathien um das unerwartet häufig auftretende Erkrankungsbild CADASIL (cerebral autosomal dominant arteriopathy with subcortical infarcts and leukencephalopathy) erweitert. Diese Erkrankung beginnt oft schon im 3. Lebensjahrzehnt, wobei sie sich manifestiert mit: rezidivierenden zerebralen Durchblutungsstörungen, der Entwicklung einer subkortikalen Demenz. Vor allem in der MRT sind oft symmetrisch verteilte, zunächst nur periventrikulär lokalisierte Gliosen (Hyperintensität in T2-gewichteten Aufnahmen) nachzuweisen, die später das gesamte zerebrale Marklager erfassen. Besonders charakteristisch scheint der Befall der Capsula externa zu sein, während die Stammganglien seltener betroffen sind als bei der zerebralen Mikroangiopathie. Kennzeichen von CADASIL-Patienten sie sind in der Regel wesentlich jünger als Patienten mit einer subkortikalen arteriosklerotischen Enzephalopathopathie es liegen auch keine typischen Risikofaktoren vor Die Diagnosesicherung erfolgt durch den Nachweis des Gendefekts auf Chromosom 19p13 (Abb ). Mikroangiopathische Marklagerveränderungen fokal-gliotischer Art müssen außerdem von erweiterten perivaskulären Spalten, den Virchow-Robin- Räumen, unterschieden werden, die die perforierenden Arterien begleiten. Man findet diese per se klinisch belanglosen Liquorspalten vor allem bei: ausgeprägter Hirnatrophie, fortgeschrittenem Alter, lange bestehendem Hypertonus und chronischer Rechtsherzinsuffizienz, gelegentlich aber auch bei jungen Menschen ohne erkennbare systemische Störung (Abb ). Von mikroangiopathischen Gliosen unterscheiden sie sich durch ihr liquoräquivalentes Signal, was besonders auf PD-gewichteten Bildern deutlich wird. In para-und supraventrikulären Schichtbildern haben die Veränderungen im Übrigen eine lineare, ventrikulofugale Gestalt. Bei Schnittführung durch die Substantia perforata anterior wo sie recht groß werden können täuschen Virchow- Robin-Räume gelegentlich lakunäre Infarkte vor (Abb ). 155
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