Einleitung GÜNTHER CLOERKES UND JÖRG MICHAEL KASTL
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- Dennis Meissner
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1 GÜNTHER CLOERKES UND JÖRG MICHAEL KASTL Einleitung Institutionalisierung, so schreiben PETER BERGER und THOMAS LUCKMANN in ihrem mittlerweile klassischen Buch Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, findet statt, sobald habitualisierte Handlungen durch Typen von Handelnden reziprok typisiert werden. Jede Typisierung, die auf diese Weise vorgenommen wird, ist eine Institution. Für ihr Zustandekommen wichtig sind die Reziprozität der Typisierung und die Typik nicht nur der Akte, sondern auch der Akteure. [...] Die Institution ihrerseits macht aus individuellen Akteuren und individuellen Akten Typen. Institution postuliert, dass Handlungen des Typus X von Handelnden des Typus X ausgeführt werden. [...] Es ist unmöglich eine Institution ohne den historischen Prozess, der sie hervorgebracht hat, zu verstehen [...] Wenn ein Bereich menschlicher Tätigkeit institutionalisiert ist, so bedeutet das eo ipso, dass er unter sozialer Kontrolle steht (BERGER/LUCKMANN 2004, 58f.). Dieser sehr weite Begriff von Institution und Institutionalisierung, wie ihn BERGER/LUCKMANN entwerfen, hat den Vorzug, fast alle innerhalb und außerhalb der Disziplin Soziologie gängigen Verwendungen der beiden Begriffe auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Die wissenssoziologische Ebene eines gesellschaftlich gültigen Einverständnisses über das, was als wirklich, selbstverständlich und richtig betrachtet wird, ist ebenso einbegriffen wie der spezifischere Begriff der sozialen Einrichtung bis in dessen häufige Gleichsetzung mit Organisation (CLOERKES 2007, 40; ENDRUWEIT/TROMMSDORF 2002, 246), also eines spezifischen Typs sozialer Systeme, der sich u.a. durch relative Dauerhaftigkeit, Arbeitsteiligkeit, Zweckbezug, Mitgliedschaftskriterien und Zurechenbarkeit von Entscheidungen/Handlungen auszeichnet (vgl. z.b. ENDRUWEIT/TROMMSDORF 2002, 392). Die Soziologie der Behinderten hat sich auf allen diesen Ebenen immer mit Problemen der Institutionalisierung von Behinderung und des Behindertenstatus auseinander gesetzt. Dies beginnt bei der gesellschaftlichen Definition dessen, was Normalität und was Behinderung ist, wer ein behinderter Mensch ist und wer nicht und was daraus für das Handeln der behinderten wie nicht-behinderten Akteure folgt. GOFFMAN schreibt in seinem Buch Stigma (unbestritten einer der klassischen Texte der Soziologie der Behinderten und der Behinderung): Die Gesellschaft schafft die Mittel zur Kategorisierung von
2 8 GÜNTHER CLOERKES / JÖRG MICHAEL KASTL Personen und den kompletten Satz von Attributen, die man für die Mitglieder jeder dieser Kategorien als gewöhnlich und natürlich empfindet. Die sozialen Einrichtungen etablieren die Personenkategorien, die man dort vermutlich antreffen wird (GOFFMAN 1975, 10). Damit weist GOFFMAN darauf hin, dass der soziologischen und sozialpsychologischen Dynamik konkreter Stigmatisierungsprozesse immer eben diese institutionelle Ebene eines als gültig unterstellten gesellschaftlichen Wissensbestandes zugrunde liegt, der BERGER/ LUCKMANN vorschwebte. Einer der wichtigsten Beiträge der Soziologie der Behinderten lag und liegt darin, zu zeigen, dass sowohl dem, was als Behinderung gilt, als auch dem damit verknüpften Personenstatus Behinderte/r gesellschaftliche Institutionalisierungsprozesse zugrunde liegen. Was oder wer in einem gegebenen Kontext als normal und behindert gilt, verlangt demnach - wie BERGER/LUCKMANN schreiben - eine soziohistorische und eben nicht primär naturwissenschaftliche Aufklärung. Wenn im ersten Band dieser Reihe (CLOERKES 2003) KAI FELKENDORFF die Folgen neuerer Behinderungsbegriffe in Pädagogik und Sozialgesetzgebung beschreibt, ANNE WALDSCHMIDT sich mit dem Verhältnis von Normalität und Behindertsein auseinander setzt, JUSTIN POWELL die gesellschaftlich wirksamen Klassifikationssysteme des sonderpädagogischen Förderbedarfs in Deutschland und den USA vergleicht, dann scheint uns genau diese grundlegende wissenssoziologische Ebene berührt. 1 In vorliegenden dritten Band wird diese Ebene der gesellschaftlichen Semantik von Behinderung und Behindertsein immer wieder explizit, so zum Beispiel, wenn FELIX WELTI grundlegende rechtliche Institutionalisierungen des Behindertenstatus oder THOMAS HOFFMANN den Zusammenhang der gesellschaftlichen Definition der Rolle von Arbeit mit dem Komplex geistiger Behinderung analysieren. Der Schwerpunkt der meisten Beiträge dieses Buchs liegt jedoch insgesamt eher auf der spezifischeren Bedeutung von Institution im Sinne organisierter Institutionen. Wir sprechen dennoch bewusst von Institutionen und nicht von Organisationen, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass sich die Rolle der organisierten Institutionen nicht losgelöst von den grundlegenden Institutionalisierungen von Behinderung und Behindertsein im - wie BERGER/ LUCKMANN sagen würden - gesellschaftlichen Wissensvorrat loslösen lassen. 1 Obwohl BERGER/LUCKMANN ihn selbst im Titel verwenden und damit (unfreiwillig?) zu seiner Popularität beigetragen haben, so ist doch festzuhalten, dass der unscharfe - auch in der Behindertensoziologie in Mode gekommene - Begriff der Konstruktion in ihrem Buch selbst praktisch keine Rolle spielt. In der begrifflichen Systematik des Buches taucht der Konstruktionsbegriff im Gegensatz zu dem weit präziseren der Institutionalisierung nicht auf.
3 Einleitung 9 Auch das war von Anfang an ein wichtiges Thema behindertensoziologischer Analysen und wiederum kann man auf den Klassiker GOFFMAN verweisen. Dies betrifft natürlich insbesondere seine berühmte Arbeit zu den totalen Institutionen (GOFFMAN 1973), die neben der wissenschaftlichen Effekte nicht zu unterschätzende politische und sozialpolitische Auswirkungen auf Behindertenhilfe und Psychiatrie hatte (vgl. aus historischer Sicht dazu die Beiträge von VANJA und HOFFMANN). Aber auch in seinen stigmatisierungstheoretischen Überlegungen ist die wichtige Rolle von Institutionen im Sinne von Einrichtung und Organisation durchaus mit gedacht, - die bereits zitierte Stelle aus Stigma, in der er ohne Umschweife auf Einrichtungen zu sprechen kommt, ist dafür ein guter Beleg. JÜRGEN HOHMEIER schreibt in einem vielzitierten Aufsatz aus dem Jahr 1975: Im Verlauf der arbeitsteiligen Differenzierung von Gesellschaften übernehmen spezialisierte Organisationen immer mehr die Aufgabe der Verwaltung und Betreuung bestimmter Gruppen, die zuvor Lebensgemeinschaften wie Familie und Gemeinde oblag. [...] Die in Frage kommenden Organisationen haben weithin die Funktion übernommen, Abweichungen zu definieren, Deviante anhand ihrer Definition zu identifizieren, sie zu betreuen, zu verwalten und zu kontrollieren. [...] Über diese Arbeit leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Stigmatisierung der befassten Gruppen. Die Stigmatisierung hängt hierbei kaum davon ab, ob die Aufgaben in der Kontrolle oder gar Bestrafung von Devianten oder ob sie in der Betreuung und Hilfe oder in der Behandlung im Sinne von Resozialisierung und Rehabilitation gesehen werden (HOHMEIER 1975, 16f.). HOHMEIER verweist damit gerade im letzten Satz auf eine konstitutive Ambivalenz, die für auf Behinderung bezogene Institutionen in der Gegenwartsgesellschaft typisch ist. Auch und gerade wenn diese, wie im Fall von Resozialisierung und Rehabilitation, letztlich auf das Funktionsziel einer weitestgehenden Normalisierung des Status ihrer Klienten bezogen sind, auch wenn Institutionen noch so menschenfreundlichen Zielen der Unterstützung und Begleitung behinderter Menschen nachgehen, realisieren sie zwangsläufig immer auch Etikettierungen, soziale Zuschreibungen, Kategorisierungen und Klassifizierungen (im Extremfall Stigmatisierungen), um überhaupt ihr Klientel zu bestimmen und ihm Zugang zu den jeweiligen Angeboten zu ermöglichen. In Extremform trifft dies natürlich für die von GOFFMAN so bezeichneten totalen Institutionen zu, aber wir wissen heute, dass die beschriebene Dialektik durchaus nicht nur auf totale Institutionen beschränkt ist. Hinzu kommt ein weiterer Punkt: GOFFMANs totale Institutionen stehen für eine Extremausprägung dessen, was BERGER/LUCKMANN mit dem Aspekt der sozialen Kontrolle von Institutionen thematisieren. Insbesondere organisierte Institutionen neigen bekanntlich zur Standardisierung von Handlungsabläufen, die dann notwendig
4 10 GÜNTHER CLOERKES / JÖRG MICHAEL KASTL verbunden sind mit einer Einschränkung von individuellen Spielräumen. Solche Folgeeffekte können behinderte Menschen nicht nur im Bezugsrahmen sogenannter totaler Institutionen treffen (vgl. dazu insbesondere die Beiträge von KASTL und WELTI). Unsere kurzen Anmerkungen verweisen nun aber auf einen weiteren Punkt. Mittlerweile hat die behindertensoziologische Analyse der Rolle von (organisierten) Institutionen über die Befassung mit totalen Institutionen hinaus eine sehr viel weitere und vielfältigere Ausformung erfahren. Nicht zuletzt behindertensoziologische Erkenntnisse, zusammen mit sozial- und behindertenpolitischen Bestrebungen, haben dazu geführt, die Institutionalisierung von Behinderung und ihre Konsequenzen für die betroffenen Menschen gesellschaftlich zu hinterfragen und darüber hinaus die Frage aufzuwerfen, wie eigentlich Institutionalisierungen von Unterstützung für behinderte Menschen aussehen müssten, die das Maß an sozialer Kontrolle und Stigmatisierung zugunsten der Erweiterung von Handlungsspielräumen möglichst klein halten. Zwar werden Institutionen immer als objektive Wirklichkeit erlebt, d.h. sie haben eine Art von Eigenfaktizität, die als unabhängig von den handelnden Individuen erfahren wird. Dennoch gibt es sozusagen unterschiedliche Verdichtungs- und Reichweitengrade dieser institutionellen Objektivität und damit ihrer Kontrolldichte sowie der Penetranz der von ihr ausgeübten Handlungszwänge (dazu: BERGER/LUCK- MANN 2004, 62ff., 65). Gerade in der modernen Gesellschaft wird - auch angeregt durch sozialwissenschaftliche Analysen - der Produktcharakter von Institutionen (ebd., 65) reflexiv und kann zu Entinstitutionalisierungsprozessen im Sinne eines Zurückschraubens sozialer Kontrolle und einer expliziten Freigabe von Handlungsspielräumen für situative und individuelle Gestaltungen führen. 2 Seit den 70er Jahren wird in der Behindertenhilfe und in der Psychiatrie eine intensive Deinstitutionalisierungsdiskussion geführt, und auch das heutige sozialpolitische Postulat einer Einschränkung stationärer zugunsten ambulanter Unterstützungsformen für behinderte Menschen sowie die hohe Bedeutung von Selbstbestimmung und Teilhabe sind damit auf das engste verknüpft (vgl. dazu WELTI in diesem Band). Nicht zuletzt war eine anwendungsorientierte Form der sozialwissenschaftlichen und soziologischen Forschung im Kontext von Behinderung und Behindertenhilfe wesentlich und aktiv daran beteiligt, derartige Prozesse der Deinstitutionalisierung wissenschaftlich zu begleiten 2 Institutionalisierung ist [...] kein unwiderruflicher Prozess, obwohl Institutionen, sind sie erst einmal entstanden, eine Neigung zur Dauerhaftigkeit zeigen. Aus einer Vielzahl von historischen Gründen kann der Spielraum für institutionalisierte Tätigkeiten auch kleiner werden. Entinstitutionalisierung gewisser Bereiche des gesellschaftlichen Lebens kann um sich greifen (BERGER/LUCKMANN 2004, 86).
5 Einleitung 11 (WACKER/WEDEL 1999) und nach Möglichkeit zu befördern. Ein Teil der Arbeiten im vorliegenden Band repräsentiert diese Art von wissenschaftlich-gesellschaftlichem Engagement und thematisiert institutionelle Innovationen mit dem Ziel einer Entinstitutionalisierung (HOHMEIER, MAIR/MÖLLER, WAGNER, KASTL/MEYER). Sie verdeutlichen allerdings zugleich: Alle Bemühungen, die Unterstützung behinderter Menschen aus vergleichsweise rigiden institutionellen Kontexten zu lösen und mit ihrer Hilfe ein größeres Maß an Handlungsspielräumen und Normalisierung zu erzielen, kommen ihrerseits nicht ohne eine Neujustierung institutioneller (organisatorischer wie professioneller) Bedingungen und Strukturen aus. So gesehen führen - das ist eine Erfahrung gerade der anwendungsbezogenen behindertensoziologischen Forschung - Versuche der Deinstitutionalisierung immer auch in Prozesse der Reinstitutionalisierung. Die vorstehenden Überlegungen legten uns die durchaus vieldeutig gedachte und so gemeinte Verwendung der Netzmetapher nahe. Behinderte Menschen im Netz der Institutionen, das meint zugleich ganz verschiedene Aspekte: Netz im Sinne eines Netzes, das einen auffängt und stützt, womit auf eine ganze Metaphorik der (Unter-)Stützung und sozialen Sicherung angespielt werden soll; Netz im Sinne eines Netzwerks, in das man eingebunden, einbezogen, in das man integriert ist, womit auf den für die gesellschaftliche Ausdeutung von Behinderung wesentlichen Wert der Teilhabe verwiesen ist; Netz im Sinne eines Netzes, in dem man sich verfängt, - damit sind Assoziationen wie Abhängigkeit und Verstrickung ( Spinnennetz ) angesprochen, also die für Institutionen typischen Aspekte der sozialen Kontrolle sowie der von Betroffenen auch als Zwang erfahrenen institutionellen Komplexität. Die Beiträge in diesem Buch befassen sich auf unterschiedliche Weise mit den verschiedenen Konnotationen der Netzmetapher, der damit verbundenen Dialektik von Ermöglichung von Handlungsspielräumen, aber auch ihrer Einschränkung für behinderte Menschen im Spannungsfeld von Institutionalisierung, Deinstitutionalisierung und Reinstitutionalisierung. Am Anfang stehen zwei Beiträge, die sich schwerpunktmäßig mit der rechtlichen Institutionalisierung von Behinderung und ihren Folgen für das Leben und Arbeiten behinderter Menschen auseinandersetzen: Im Mittelpunkt des Beitrags von JÖRG MICHAEL KASTL steht die bereits angedeutete Dialektik von Normalisierung und Etikettierung. Ausgehend von der Analyse des Briefwechsels einer behinderten Frau mit ihrer Pflegekasse und ihrer besonderen Lebensproblematik zeigt er auf, wie nahe beieinander sowohl in der gesellschaftlichen Realität als auch in der subjektiven
6 12 GÜNTHER CLOERKES / JÖRG MICHAEL KASTL Erfahrung die beiden Konnotationen der Netzmetapher (Unter-)Stützung und Verstrickung liegen. FELIX WELTI bietet einen umfassenden Einblick in die derzeitige komplexe rechtliche Institutionalisierung von Behinderung, die von den verfassungsund europarechtlichen Rahmenbedingungen bis hin zu den aktuellen Problemen der derzeitigen Sozialgesetzgebung reicht. Der Beitrag verweist deutlich auf den Tatbestand einer äußerst komplexen rechtlichen Institutionalisierung von Behinderung mit entsprechenden Konsequenzen für die Lebensmöglichkeiten behinderter Menschen in der modernen Gesellschaft. Es folgen zwei Beiträge, die das BERGER/LUCKMANNsche Postulat der Notwendigkeit soziohistorischer Analysen von gesellschaftlichen Institutionen auf je verschiedene Weise Ernst nehmen und damit die Vorgeschichte noch heute wirksamer institutioneller Strukturen verdeutlichen: CHRISTINA VANJA zeichnet die Institutionsgeschichte der Versorgung behinderter Menschen vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart nach. In diesem großflächigen historischen Überblick zeigt sich eindringlich die beschriebene Dynamik von Institutionalisierung, De- und Reinstitutionalisierung des Lebens und Arbeitens behinderter Menschen. Der Text bietet zugleich eine Fülle von Anschauungsmaterial zur historischen Realität, aber auch der von Soziologen oft übersehenen Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit der von GOFFMAN pauschal so bezeichneten totalen Institutionen. THOMAS HOFFMANNs Beitrag ist ein Beispiel für die Fruchtbarkeit der Verknüpfung eines wissenssoziologischen und eines organisationsbezogenen Institutionsverständnisses. Die Ausbildung des Anstaltswesens im 19. Jahrhundert verweist auf den engen Zusammenhang zwischen der gesellschaftlichen Deutung der Rolle von Arbeit und der von geistiger Behinderung. HOFFMANN zeigt, dass dieser komplexe Zusammenhang noch in den völlig entgegengesetzten Erscheinungen des organisierten Massenmordes zur Zeit des Nationalsozialismus sowie in den Inklusionsvorstellungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts seinen Niederschlag findet. Die weiteren Beiträge thematisieren - bezogen auf die Gegenwart - die institutionelle Einbettung des Lebens und Arbeitens behinderter Menschen in verschiedenen biografischen Phasen. Sie analysieren allesamt die besonderen Schwierigkeiten und greifen Defizite bestehender institutioneller Strukturen, aber auch Chancen neuer institutioneller Konzepte auf, wie zum Beispiel Integrationsfachdienste, Persönliche Budgets, Job Coaches, u.a.. Damit bieten sie einen Einblick in die aktuelle gesellschaftliche und sozialpolitische Dynamik von De- und Reinstitutionalisierung im Bereich der Unterstützung des Lebens und Arbeitens behinderter Menschen:
7 Einleitung 13 SANDRA WAGNER untersucht die besonderen Probleme lernbehinderter Jugendlicher beim Übergang von der Schule ins Berufsleben. Sie zeigt dabei auf, dass die Schwierigkeiten nicht zuletzt mit den Strukturproblemen der Institution Förderschule zu tun haben und diskutiert eine besondere Form individualisierter Unterstützung durch Job Coaches. JÜRGEN HOHMEIER stellt zwei neue Formen der institutionellen Förderung behinderter Menschen im Bereich Arbeiten vor: die Integrationsfachdienste und das damit verbundene Konzept unterstützter Beschäftigung sowie die ambulante Unterstützung betrieblicher Ausbildung. Auch der Beitrag von MATHILDE NIEHAUS befasst sich mit der Frage der Unterstützung(sbedürftigkeit) im Bereich Arbeiten. Sie nimmt Bezug auf die spezifische Situation behinderter Frauen, deren Situation nach wie vor von einer doppelten Diskriminierung geprägt ist. JÖRG MICHAEL KASTL und THOMAS MEYER analysieren die Auswirkungen der Dialektik von Deinstitutionalisierung und Reinstitutionalisierung für das Leben von Menschen mit psychischen Behinderungen, und zwar am Beispiel der Rolle von Persönlichen Budgets. Der Beitrag von HELMUT MAIR und SÖREN MÖLLER greift die Frage der Lebensmöglichkeiten behinderter Menschen im Alter auf, eine Frage, die aus verschiedenen demographischen Gründen zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Die Autoren zeigen auf, welche Unterstützungsbedarfe in diesem Zusammenhang entstehen und dass die bestehenden institutionellen Unterstützungsstrukturen darauf nicht ausreichend eingestellt sind. Abschließend machen sie Vorschläge zu einer personenzentrierten Unterstützung des Ruhestands. Literatur BERGER, P.L./LUCKMANN, T.: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt/Main (Fischer), 20. Aufl (zuerst 1970). CLOERKES, G. Soziologie der Behinderten. Eine Einführung. Heidelberg (Winter), 3. Aufl CLOERKES, G. (Hrsg.): Wie man behindert wird. Texte zur Konstruktion einer sozialen Rolle und zur Lebenssituation betroffener Menschen. Materialien zur Soziologie der Behinderten, Band 1. Heidelberg (Winter) ENDRUWEIT, G./TROMMSDORF G. (Hrsg.): Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart (Enke), 2. Aufl GOFFMAN, E.: Asyle. Frankfurt/Main (Suhrkamp) 1973.
8 14 GÜNTHER CLOERKES / JÖRG MICHAEL KASTL GOFFMAN, E.: Stigma. Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität. Frankfurt/ Main (Suhrkamp) 1975 (dt. zuerst 1967). HOHMEIER, J.: Stigmatisierung als sozialer Definitionsprozess. In: BRUSTEN, M./HOHMEIER, J. (Hrsg.): Stigmatisierung I. Zur Produktion sozialer Randgruppen. Neuwied/Darmstadt (Luchterhand) 1975, WACKER, E./WEDEL, U.: Behindertenhilfe und Soziologie im Dialog? Auf den Spuren einer Fachdisziplin und ihrer Leistungen für die Behindertenhilfe in den vergangenen vier Jahrzehnten. In: Geistige Behinderung 38 (1999),
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