Muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Urlaubsanschrift mitteilen?
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- Sylvia Regina Tiedeman
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1 Muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Urlaubsanschrift mitteilen? Darf der Arbeitgeber anordnen, dass ein Arbeitnehmer während des Urlaubs über sein privates Mobiltelefon erreichbar sein muss? Kann ein Arbeitnehmer aus dem Urlaub zurückberufen werden? Jürgen Jendral (HMAV) Diese drei, in der Überschrift vorgestellten Fragen, wurden mir vom Sprengelkonvent Görlitz zur Beantwortung vorgelegt. Sie betreffen nicht etwa wichtige Führungskräfte unserer Kirche, sondern Erzieherinnen! Bevor ich die Fragen konkret beantworte, stelle ich einige allgemeine Ausführungen zum Thema Erholungsurlaub voran. Der Erholungsurlaub 1 bedeutet eine völlige Freistellung des Arbeitnehmers von allen Pflichten der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung. 2 Für den Arbeitgeber ist die Verpflichtung, den Arbeitnehmer freizustellen, um damit den Urlaubsanspruch zu erfüllen, eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner Grundsatzentscheidung vom den Urlaubsanspruch verstanden als ein Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Beseitigung der nach dem Arbeitsverhältnis an sich geschuldeten Arbeitspflichten für einen bestimmten Zeitraum. 3 Die Pflicht des kirchlichen Arbeitgebers aus 26 TV-EKBO i. V. mit dem BUrlG, dem Arbeitnehmer Urlaub zu erteilen, ist als arbeitsvertragliche Nebenpflicht darauf gerichtet, die sich arbeitsvertraglich ergebende Hauptpflicht, darunter versteht man die Arbeitspflicht, für die Dauer des Urlaubs zu beseitigen. 4 1 Siehe 26 TV-EKBO, 1 BUrlG. Der Begriff Erholungsurlaub wird im BUrlG nur in 1 benutzt. Ansonsten wird von Urlaub gesprochen und darunter der Erholungsurlaub verstanden. 2 Neumann/Fenski, Bundesurlaubsgesetz, Kommentar, 10. Auflage, 1, Rdnr BAG vom , zitiert aus Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 15. Auflage, 104, Rdnr. 3 4 So auch BAG vom , NZA 1984, 197 1
2 Wenn der Arbeitnehmer auch nur auf Abruf bereitstehen muss, ist dies mit dem Erholungsurlaub nicht vereinbar. 5 Unser Tarifvertrag spricht in 26 bewusst von Erholungsurlaub. Auch nach Ansicht des EuGH hat der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub den Zweck, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. 6 Erholen, im Sinne einer positiven Wirkung auf die physische, psychische und geistige Gesundheit, kann sich der Arbeitnehmer nur dann, wenn er während seines Urlaubs sicher sein kann, dass er vom Arbeitgeber nicht belästigt wird. Dies entspricht auch den Forderungen eines modernen betrieblichen Gesundheitsmanagements und gehört zur Toolbox der Burnout-Prävention. Erholungsurlaub bezweckt immer ein Abschalten und ein Loslassen von der Arbeit und den damit verbundenen Anforderungen und Problemstellungen. Nun zu den einzelnen Fragestellungen aus der Überschrift dieses Infos: Muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Urlaubsanschrift mitteilen? Der Arbeitnehmer braucht dem Arbeitgeber seine Urlaubsanschrift nicht mitzuteilen. Dieser sehr klare Standpunkt, dem sich der Verfasser dieses Infos ausdrücklich anschließt, wird im Arbeitsrechtshandbuch von Schaub vertreten. 7 5 Neumann/Fenski, Bundesurlaubsgesetz, Kommentar, 10. Auflage, 1, Rdnr EuGH vom , NZA 2010, 557, EuGH vom , NZA 2011, Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 15. Auflage, 104, Rdnr. 102, unter Bezugnahme auf BAG vom , AP Nr. 11 zu 130 BGB 2
3 Auch Gallner vertritt im Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht die Auffassung, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, seine Urlaubsanschrift zu hinterlassen. 8 Eine abweichende Meinung vertreten lediglich Neumann und Fenski in ihrem Kommentar zum Bundesurlaubsgesetz: Nach der Lage des Einzelfalles beurteilt sich die Frage, inwieweit der Arbeitnehmer verpflichtet ist, seine Urlaubsanschrift mitzuteilen. 9 Darf der Arbeitgeber anordnen, dass ein Arbeitnehmer während des Urlaubs über sein privates Mobiltelefon erreichbar sein muss? Nochmals zur Erinnerung: Diese Frage betrifft nicht etwa Führungskräfte unserer Kirche oder die Bundeskanzlerin, sondern Erzieherinnen! Mein klares Nein, darf der Arbeitgeber nicht, als Antwort auf diese Frage, begründe ich im folgenden: Das Weisungsrecht des Arbeitgebers hat seine Grundlage im Individualarbeitsvertrag. Es ist in 106 GewO als Leistungsbestimmungsrecht normiert und stellt ein Gestaltungsrecht im Sinne des 315 BGB dar. 10 Die Ausübung des Weisungsrechts muss nach billigem Ermessen im Sinne des 315 BGB erfolgen. Der Begriff des billigen Ermessens führt nach Conze gedanklich zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. 11 Wie eingangs in diesem Infoblatt dargestellt, hat das BAG hat in einer Grundsatzentscheidung den Urlaubsanspruch verstanden als einen Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Beseitigung der nach dem Arbeitsverhältnis an sich geschuldeten Arbeitspflichten für einen bestimmten Zeitraum. Auch nach einer Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2011 ist die Urlaubsgewährung nach 7 Abs. 1 BUrlG die Befreiung von der Arbeitspflicht für einen bestimmten Zeitraum Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BUrlG, 7 Rdnr Neumann/Fenski, Bundesurlaubsgesetz, Kommentar, 10. Auflage, 8, Rdnr Siehe dazu: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 15. Auflage, 45, Rdnr Conze/Karb, Personalbuch Arbeits- und Tarifrecht öffentlicher Dienst, 3. Auflage, Rdnr BAG vom , NZA 2011,
4 Daraus ergibt sich, dass dem Arbeitgeber, wenn er den Arbeitnehmer zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeit freigestellt (also unwiderruflich von der Arbeitspflicht befreit) hat, auch sein Weisungsrecht für diesen Zeitraum nicht zur Verfügung steht. Nur der Vollständigkeit halber sei hier angefügt, dass der Arbeitgeber, auch wenn er im Arbeitsverhältnis sein Direktionsrecht ausüben kann, keine Anordnungsbefugnis dergestalt gegenüber dem Arbeitnehmer hat, dass dieser sein privates Mobiltelefon zu dienstlichen Zwecken einsetzen muss. Wenn eine derartige Regelung gewollt und gewünscht ist, muss sie zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart werden. Wenn man den Anspruch auf die Gewährung von Erholungsurlaub aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die ihre Rechtsgrundlagen in den 618, 242 BGB hat herleitet, dann hat der Arbeitgeber nach 618 BGB dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahr für Leib und Gesundheit geschützt ist. Dazu gehört auch, dass er jeden Arbeitnehmer einmal im Jahr unter Fortzahlung der Vergütung eine bestimmte Zeit ausspannen lassen muss. Dies gilt als Grundlage des Urlaubsanspruches auch heute noch. 13 Gerade aus dem aktuellen Bereich der Burnout-Prävention und der Prävention von sonstigen gesundheitlichen Störungen wissen wir heute, wie wichtig es für den Gesundheitsschutz ist, dass der Arbeitnehmer in seinem Erholungsurlaub unbelästigt vom Arbeitgeber ausspannen kann, um so neue Kräfte zu sammeln, die (darauf sei hier ausdrücklich hingewiesen) auch dem Arbeitgeber zugute kommen! 13 Neumann/Fenski, Bundesurlaubsgesetz, Kommentar, 10. Auflage, 1, Rdnr 2 unter Bezugnahme auf die dort zitierte BAG Rechtsprechung. 4
5 Kann ein Arbeitnehmer aus dem Urlaub zurückberufen werden? Auch zu dieser Frage wird im Arbeitsrechtshandbuch von Schaub klar Stellung bezogen: Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub freigestellt hat, kann er den Arbeitnehmer nicht (auch nicht aufgrund einer Vereinbarung) aus dem Urlaub zurückrufen. 14 Ausnahme: Wenn sich der Arbeitgeber bei Urlaubserteilung den Widerruf vorbehält, fehlt die zur Erfüllung des Uraubsanspruchs notwendige Freistellungserklärung. 15 Gallner führt im Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht dazu u.a. aus: Ein Rückruf des Arbeitnehmers aus dem bereits angetretenen Urlaub kommt regelmäßig nicht in Betracht. Weder zwingende dienstliche Notwendigkeiten noch Not- und Erhaltungsarbeiten im Betrieb, gestatten es dem Arbeitgeber, durch einseitige Erklärung die Befreiung von der Arbeitspflicht zu beseitigen und die Arbeitspflicht wiederherzustellen (...). Der Arbeitnehmer ist deshalb nicht verpflichtet, seine Urlaubsanschrift zu hinterlassen. 16 Möglich ist nur eine einvernehmliche Aufhebung der Urlaubserteilung. 17 Eine abweichende Meinung wird im Kommentar zum Bundesurlaubsgesetz von Neumann und Fenski vertreten. Die Autoren sind der Auffassung, dass in Ausnahmefällen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer sogar aus dem Urlaub zurückrufen könne, wenn Gefahr im Verzug ist, Katastrophen eingetreten sind, Arbeitnehmer erkrankt und Ersatzkräfte nicht zu bgeschaffen sind, oder aber durch Feuer, Überschwemmung oder Explosion ein Eingreifen sofort erforderlich wird. 14 Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 15. Auflage, 104, Rdnr. 91 unter Bezugnahme auf BAG vom , NZA-RR 2010, BAG vom , AP Nr. 32 zu 7 BUrlG 16 Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Auflage, 7 BUrlG, Rdnr LAG Hamm vom , NZA-RR 2003, 347 5
6 Es wird aber auch ausdrücklich klargestellt, dass solche Ausnahmen für die Rückberufung des Arbeitnehmers aus dem Urlaub zwingende Notwendigkeiten sein müssen, die einen anderen Ausweg nicht zulassen. 18 Zur Frage des Kostenersatzes bei einem Rückruf aus dem bereits angetretenen Urlaub: Wenn der Arbeitgeber einen bereits genehmigten Urlaub wirksam widerrufen will, muss er auch eine entsprechende Zusicherung damit verbinden, die entstandenen Kosten zu übernehmen. Zu ersetzen sind u.a. die Kosten für Buchungen, Abbestellungen, Hotelkosten, Rücktritts- und Verfallsgebühren, nicht aber für Ausrüstungsgegenstände Neumann/Fenski, Bundesurlaubsgesetz, 10. Auflage, 7, Rdnr Neumann/Fenski, Bundesurlaubsgesetz, Kommentar, 10. Auflage, 7, Rdnr. 38 6
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