Sehr geehrter Herr Abegg, Sehr geehrter Herr Professor Herzogenrath, Sehr verehrte Frau Dr. Hansen, Meine Damen und Herren,
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- Sara Armbruster
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1 Rede des französischen Botschafters Bernard de Montferrand zur Eröffnung der Ausstellung Über das Wasser Caillebotte. Ein Impressionist wieder entdeckt. Kunsthalle Bremen, 28. Juni 2008 Sehr geehrter Herr Abegg, Sehr geehrter Herr Professor Herzogenrath, Sehr verehrte Frau Dr. Hansen, Meine Damen und Herren, ich fühle mich sehr geehrt, mit Ihnen heute Abend gemeinsam die Ausstellung Über das Wasser Gustave Caillebotte. Ein Impressionist wieder entdeckt eröffnen zu dürfen. Ich hoffe, dass diese Ausstellung Ihnen die Möglichkeit bieten wird, mein Land und Ihren Nachbarn noch besser kennen zu lernen. Und welches schönere Mittel kann es geben als den Impressionismus, diese künstlerische Strömung, die zu den fruchtbarsten in unserer Geschichte gehört, um Sie in die französische Seele eintauchen zu lassen? 1
2 Der Impressionismus gehört zu unseren berühmtesten Stilrichtungen, aber auch zu den am meisten geschätzten: Aufgrund seiner Botschaft von Glück und innerer Heiterkeit, die der Impressionismus mit soviel Natürlichkeit und Talent auszudrücken vermag. Doch neben seiner scheinbaren Ruhe lehrt er uns viel über das Frankreich der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ich möchte der Kunsthalle von Bremen, ihrem Direktor, Herrn Professor Herzogenrath, und der stellvertretenden Direktorin, Frau Dr. Hansen, danken, dass sie diese bemerkenswerte Ausstellung zu Caillebotte organisiert haben. Sie zeigt uns etwas anderes als den wenn Sie so wollen offiziellen Impressionismus aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 2
3 Gestatten Sie mir, dass ich zwei Punkte besonders hervorhebe: - Diese Ausstellung bietet Anlass über jene Bindungen nachzudenken, die die Künstler mit ihrer Epoche vereinen. Ein großer Künstler zeichnet sich dadurch aus, dass er aufgrund seines Genies das Besondere seiner Epoche und seiner Persönlichkeit in universellen Werten auszudrücken vermag. - Andererseits wird uns diese Ausstellung viel Neues lehren, nicht nur über Caillebotte, den Menschen, einen bemerkenswerten Sammler, Mäzen und seine Epoche, sondern auch über das Kunstmilieu als solches, das von fundamentaler Bedeutung für das künstlerische Schaffen ist. 1) Die Ausstellung Über das Wasser ist die erste Retrospektive zu Caillebotte in Deutschland 3
4 und führt uns in die impressionistische Welt und in das Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts ein. Sie zeigt uns, wie sehr Caillebotte ein Künstler seiner Zeit war. Ich denke dabei vor allem an das Wasser. Das Wasser, als symbolträchtiges Element der impressionistischen Malerei, ist auch der rote Faden der Ausstellung: So wie das funkelnde Wasser die Variationen der Umgebung reflektiert, so bemühen sich die Impressionisten, den flüchtigen Moment einzufangen. Das changierende Wasser wird zur Metapher für eine Epoche, die allein auf Fortschritt, Schnelligkeit und Modernität schwört. Am Ufer des Wassers versammelt sich zudem die ganze französische Gesellschaft. Und so streben die Impressionisten vor Ort danach, die Freuden der modernen Gesellschaft auf der Suche nach Hedonismus zu erfassen: Sonntägliche Spaziergänge, Tanzlokale am Ufer der Marne, Bootsausflüge. 4
5 Wie die Ausstellung es zeigt, interessierte sich Caillebotte ganz besonders für Wassersportarten. Im Hintergrund erscheint das 19. Jahrhundert als Erfinder der Gesundheitslehre, der die sportliche Betätigung neu entdeckt und das angeregt wird vom Willen, die Welt auf wissenschaftliche Weise zu verstehen. Wir entdecken aber auch den Modellzeichner Caillebotte, der diesen Beruf parallel zu seiner Malerei ausübte, wie die Ausstellung es so treffend zeigt. Der Maler erscheint hier inmitten der Verknüpfung von wissenschaftlichem Versuch, ästhetischer Spekulation und sozialer Analyse. Wir sehen, welche geheimnisvolle, aber auch welche essentielle Verbindung die Kunst zur eigenen Zeitgeschichte hat. Doch bleiben wir nicht bei den Äußerlichkeiten stehen. Das 19. Jahrhundert der Impressionisten ist auch eine sehr schwierige Epoche. 5
6 Sie ist geprägt von einer rasanten Industrialisierung, von harten sozialen Kämpfen, die während der Pariser Kommune fast zum Bürgerkrieg führten, von gespannten internationalen Beziehungen, vor allem mit Deutschland. Nach der Niederlage von 1870 hinterfragte sich Frankreich, wie einst Deutschland nach Jena. Eine tiefgehende Erneuerung setzte ein. Es wurde notwendig, dass die Spannungen auf irgendeine Weise ihren Ausdruck fanden. Vielleicht liegt hier der Ursprung der außergewöhnlichen künstlerischen Fruchtbarkeit dieser Periode. Durch eine Sättigung ihrer Bilder mit viel hellem Licht, durch das Malen von Blumen, schönen Frauen und Momenten der Ruhe haben die Impressionisten sicherlich versucht, ein Gegenmittel zur vorherrschenden Angst zu finden. Doch auch wenn die Impressionisten die schönen Augenblicke des Alltags unsterblich machen wollten, so vergaßen sie dennoch keinen 6
7 Augenblick lang die dramatische Aktualität ihrer Zeit. Beweis dafür ist die Exécution de l Empereur Maximilien / Die Erschießung des Kaisers Maximilian von Manet. Von allen jedoch war es Caillebotte, der die größte Aufmerksamkeit der Realität der Industrielandschaften ich denke an La Place de l Europe / Straße von Paris bei Regenwetter sowie der Arbeitswelt schenkte. Werke wie Les Raboteurs de parquet / Parkettabzieher oder auch Les peintres en bâtiment / Fassadenmaler zeigen es ganz deutlich: Der Maler wendet sich den kleinen Berufen zu, um deren Schönheit hervortreten zu lassen. Im Unterschied zu den nostalgischen Realisten mit ihren Staffeleien vor einer ländlichen Welt, die im Begriff ist zu verschwinden (die zeitgenössische Version der Hirten von Arkadien), berichtet Caillebotte von seiner Epoche mit der Präzision eines Journalisten. Seine Kunst nähert sich damit der Fotografie, der Tochter der 7
8 Malerei, die Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend Erfolg hat. Das Werk von Caillebotte ist ein gutes Beispiel für das Paradoxon des Impressionismus, das darin besteht, die Süße des Lebens der Belle Epoque zu beschreiben, ohne jedoch die Schwierigkeiten dieser besonders unruhigen Epoche in Frankreich auszublenden. 2) Caillebotte ist nicht nur ein sehr talentierter Maler. Er ist auch Mäzen, Sammler und Wohltäter, der eine wichtige Rolle bei Anbruch der modernen Kunst spielte. Als Erbe einer bedeutenden Familie der Pariser Bourgeoisie unterstützte er großzügig die ersten Impressionistenausstellungen, vor allem jene im Jahr Und er sammelte von der ersten Stunde an Werke seiner Zeitgenossen. Caillebotte erinnert uns daran, dass es keine Kunst ohne künstlerisches Milieu, ohne Sammler, Mäzene und Konservatoren gibt, die die Künstler 8
9 ermutigen, anregen und fördern. Ohne diesen fruchtbaren Mutterboden kann sich Kunst einfach nicht entfalten. Der generöse Wohltäter Caillebotte bewirkte, dass ein bedeutender Teil der impressionistischen Werke Einlass in unsere öffentlichen Sammlungen fand. Somit war sein Geschmack besser und treffender als jener der großen Museumskonservatoren und Gott weiß, wie sehr ich die Museumskonservatoren bewundere. Doch zur damaligen Zeit hatten sie kein Interesse an den malerischen Revolutionen, die sich vor ihren Augen abspielten. Caillebotte war eine der wenigen Ausnahmen in Frankreich. Und er reihte sich damit ein in die große Zahl ausländischer Sammler und Galeristen wie auch der Deutsche Paul Cassirer, die die Meisterwerke der französischen Avantgarde-Kunst Ende des 19. Jahrhunderts aufkauften, ohne die Einwilligung der offiziellen Institutionen abzuwarten. 9
10 Ausstellungen wie diese bringen uns zum Nachdenken. Sie erinnern uns daran, dass unsere Länder darauf achten müssen, dass in Europa eine Atmosphäre herrscht, die der Weiterentwicklung der Kunst und des Kunstmarktes förderlich ist. In Frankreich haben wir 2003 ein Gesetz zum Mäzenatentum verabschiedet, das nicht nur steuerliche Vorteile einräumt, sondern auch die Künstler in ihrer Kreativität bestärkt und den öffentlichen Sammlungen Möglichkeiten zur Bestandserweiterung bietet. In Deutschland haben Sie eine bemerkenswerte Tradition des privaten Mäzenatentums. Das ist ein kostbares Gut für das gemeinschaftliche Interesse. Ausstellungen wie diese erinnern uns außerdem daran, dass nichts einträglicher für die Förderung des Dialogs zwischen Nachbarkulturen ist, als die Kenntnis großer Meisterwerke der Kunst. Über den Blick eines Malers entdeckt man unsere 10
11 ganze Vielfalt und die Fülle der Gefühle, die eine Lektüre oder eine einfache touristische Reise nicht zu übermitteln vermögen. Nach Paris, Chicago und London dürfen wir nun heute Abend das Werk von Caillebotte neu entdecken. Ich hoffe sehr, dass Sie auch künftig zahlreiche Ausstellungen von dieser Fülle organisieren werden. Abschließend möchte ich sagen, dass diese Ausstellung auch ein Anlass für mich ist, um der weltoffenen Hansestadt Bremen meine große Ehrerbietung auszusprechen. Diese Stadt hat es schon immer verstanden, dass die wirtschaftliche Entwicklung untrennbar mit der geistigen verbunden ist. 11
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