Kriegsheimkehrerschicksal. Darstellung in Sönke Wortmanns "Wunder von Bern"
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- Ina Maurer
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1 Geschichte André Schnücke Kriegsheimkehrerschicksal. Darstellung in Sönke Wortmanns "Wunder von Bern" Studienarbeit
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3 Die Darstellung des Kriegsheimkehrerschicksals in Sönke Wortmanns Wunder von Bern 1. Einleitung Als im Oktober 2003 Sönke Wortmanns Das Wunder von Bern in den deutschen Kinosälen anlief, forderte Cornelia Pieper, zum gegebenen Zeitpunkt Generalsekretärin der FDP, der Film solle in den Geschichtsunterricht eingebunden werden. Thomas Rachel, der damalige bildungspolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion und heutige Staatssekretär im Ministerium für Bildung und Forschung, äußerte sich in ähnlicher Weise und verwies auf die Vorteile, die eine spannungsreiche und anschauliche Narration für die Vermittlung Nachkriegsgeschichte mit sich bringe. Besser als manches Buch sei gerade dieser Film geeignet, Geschichte den Schülern nahe zu bringen und deren historische Bildung zu erweitern. 1 In der Tat lassen Filme im allgemeinen, Spielfilme im Besonderen eine vergangene Welt vermeintlich wiederauferstehen. Die Vergangenheit wird anders als bei der Vermittlung in Schriftform vermeintlich sinnlich erfahrbar, der Zuschauer wird vorgeblich zum Augenzeugen des dargestellten Geschehens. 2 Neben der sich seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts rasant fortschreitenden Verlagerung der Informationsgewinnung fort von schriftlichen, hin zu audiovisuellen Medien mag die scheinbare Vergegenwärtigung der Geschichte in der filmischen Darbietung ursächlich dafür sein, dass die breite Masse ihre historischen Vorstellungen heute weit mehr aus Spielfilmen und Fernsehdokumentationen, als aus Literatur und Schule bezieht. 3 Die scheinbare Präsenz des Geschehenen auf Leinwand und Bildschirm verleitet jedoch nur allzu leicht dazu, das Dargestellte als realistisches Abbild anzusehen und den Konstruktionscharakter jeder Geschichtsschreibung zu missachten. 4 Gerade filmische Geschichtsschreibung unterliegt dabei in Dokumentaristik, wie auch im Spielfilm der Notwendigkeit geschlossener Darstellung und dem Streben nach Eindeutigkeit: Eine Welt, die sich mit 24 Bildern pro Sekunde bewegt, lässt weder Zeit noch Raum für Re- 1 Vgl. [Unbekannter] Autor: Fußball-Film: Kommt das Wunder von Bern auf den Lehrplan?. stern.de/kultur/film/fussball-film-kommt-das-wunder-von-bern-auf-den-lehrplan html (Artikel eingestellt am 20. Oktober 2003). Letztmalig aufgerufen am vgl. Buchschwentner, Robert und Tillner, Georg: Geschichte als Film/ Film als Geschichte. Zur Interpretierbarkeit des historischen Spielfilms. In: Zeitgeschichte 21 (1994) S Hier S Vgl. Meyers, Peter: Film im Geschichtsunterricht. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 52 (2001) S Hier S.247; Mettele, Gisela: Geschichte in bewgten Bildern. Historisches Arbeiten mit Dokumentar- und Spielfilmen. In: Hein, Dieter, Hillebrand, Klaus, Schulz, Andreas (Hrsg.): Historie und Leben. Der Historiker als Wissenschaftler und Zeitgenosse. Festschrift für Lothar Gall zum 70. Geburtstag. München S Hier S vgl. Buschwenter, Tillner: Geschichte als Film. S
4 flexion, Verifikation oder Debatte. 5 Nicht allein das Medium begünstigt Vereinfachungen, auch das Publikum erwartet ein ganzheitliches Bild, dass dem Fragmentarischen einer auf größtmögliche Objektivität zielenden, diskursiven und quellengestützten Geschichtsschreibung entgegensteht. Dabei sind die entstehenden Geschichtsbilder in hohem Maße das Ergebnis von im Produktionsprozess gefällten Entscheidungen. Das subjektive Moment des Historikers kommt zuvorderst durch die Auswahl der Quellen und die Anordnung des Materials zum Tragen. Literaten wählen ihren Stoff und reichern ihn mit fiktionalen Elementen an, bleiben jedoch bei ihrer Darstellung stets an das Medium der Sprache und die Mittel der Rhetorik gebunden. Die Darstellung im Film dahingegen verlangt Entscheidungen hinsichtlich der Stoffauswahl und der Kombination von Bild und Ton. Kameraperspektive, Lichtverhältnisse, Einstellungen und ihre Montage sind prinzipiell ebenso bedeutungstragende Elemente, wie gleichermaßen Geräuschuntermalung und Dialogtexte. 6 Was in der Aura des Abbildhaften daher kommt, ist das Ergebnis einer bewussten Konstruktion aus all diesen Momenten, Ausdruck einer Wirkungsabsicht des Regisseurs und aller an der Produktion des Films beteiligten Personen. 7 Besonders bei den für das kommerzielle Kino produzierten historischen Spielfilmen ist dabei davon auszugehen, dass der inhaltlichen wie ästhetischen Gestaltung die Orientierung am Zuschauer, der Ausformung der Geschichtsbilder eine Antizipation der Vorstellungen des erwarteten Publikums zugrunde liegt. Der Quellenwert von Filmen ist für den Historiker vor allem darin zu sehen, dass sie einen unmittelbaren Einblick in Geschmack und Gemütslage, Empfindungen und Stimmungen ganzer Völkerschaften 8 vermitteln. Ist ein geschichtliches Ereignis das Thema des Films, so kann man durch die Analyse Aufschluss erhoffen bezüglich der das thematisierte Ereignis betreffenden gängigen Geschichtsbilder. 9 Kommerzielle Spielfilme sind im Rahmen der kontemporären Geschichtskultur folglich nicht allein als Produzenten, sondern ebenso als Produkte von Geschichtsbildern und Geschichtsbewusstsein zu betrachten. Dies kann als Ausgangspunkt einer Filmanalyse angesehen werden, die weniger nach der historischen Korrektheit der vermittelten Geschichtsbilder fragt, sondern vielmehr diese in ihrer Ausgestaltung zu analysie- 5 Mettele, Gisela: Geschichte in bewegten Bildern. S Wie aus diesem Grunde die theoretische Unterscheidung von Dokumentar- und Spielfilm unter Zugrundelegung des Objektivitätsgrades gehörig ins Wanken geraten ist. Vgl. Meyers: Film im Geschichtsunterricht, S.249; Mettele: Geschichte in bewegten Bildern, S Vgl. Mettele: Geschichte in bewegten Bildern, S ; S Paschen, Joachim: Film und Geschichte. In: Geschichte lernen 42 (1994) S Hier S Vgl. Meyers: Filme im Geschichtsunterricht, S.252; Baumann, Heidrun: Der Film. In: Schreiber, Waltraud (Hrsg.): Erste Begegnungen mit Geschichte. Grundlagen historischen Lernens. Bd.1. Neuried 1999 (= Bayrische Studien zur Geschichtsdidaktik) S Hier S
5 ren und auf ihre Quellen hin zu hinterfragen bemüht ist. Wird Sönke Wortmanns Wunder von Bern offenkundig als Abbild der Nachkriegsgeschichte begriffen, wie die eingangs rekapitulierten Forderungen nach der Einbindung des Filmes in den Schulunterricht suggerieren, so scheint es angebracht zu sein, nach der Ausgestaltung der Geschichtsbilder im Film zu fragen. Diese Annäherung muss notgedrungen aufgrund des vorgegebenen Rahmens einer Hauptseminararbeit aspektorientiert erfolgen. Der Darstellung der Fußballweltmeisterschaft 1954, des Zusammenlebens der deutschen Nationalmannschaft in Spiez und des Gewinns der Trophäe wird im Folgenden keine weitere Beachtung geschenkt. Vielmehr soll im Zentrum der Auseinandersetzung die Darstellung des Kriegsheimkehrerschicksals, die entworfene Geschichte der Heimkehr der fiktiven Figur Richard Lubansky ins Auge gefasst werden. Dabei versuche ich aufzuzeigen, dass sich Wortmann im Wunder von Bern Bildern, Vorstellungen und Denkmustern bedient, die im Diskurs um die Spätheimkehrer im Westdeutschland der frühen fünfziger Jahren gesehen entwickelt worden sind. Dabei ist bemerkenswert, dass für die Auseinandersetzung mit dem Kriegsheimkehrerschicksal in der Öffentlichkeit sozialpsychologische und erinnerungspolitische Faktoren mitbestimmend waren, die das Bild des Kriegsheimkehrers auch in der Folge determinierten. Das Schicksal der Spätheimkehrer wurde mit Bedeutungen aufgeladen, die das sich auf diese beziehende populäre Geschichtsbild bis in unsere Tage prägt. Dies bezeugt, so meine These, die Darstellung des Kriegsheimkehrerschicksals in Wortmanns Wunder von Bern. 2. Viktimisierungsdiskurs und Spätheimkehrer Nach der Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 stellte sich die Frage nach dem kollektiven Selbstverständnis und der nationalen Identität. Damit verbunden war das Problem des Umgangs mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, der Auseinandersetzung mit den in Vorkriegs- und Kriegszeiten begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sowie die Frage nach individueller und kollektiver Schuld an dem Geschehenen. Es ist davon auszugehen, dass Einzelpersonen wie Gemeinschaften stets das Bemühen auszeichnet, ein positives Selbstbild aufzubauen und zu erhalten. So verlangte die Präsenz der Erinnerung an Krieg und Terror in einer Gesellschaft von Tätern und Tatbeteiligten eine Form der Erinnerung, welche es ermöglichte, sich moralisch auf die Seite der Sieger zu stellen. In der Bundesrepublik gewann eine Sichtweise die Oberhand, die in Abgrenzung von der von außen zugewiesenen Täterrolle das Leiden unter Vertreibung und Bombardements, den Überlebenskampf in der unmittelbaren Nachkriegszeit und die Belastung der Familien durch Tod im Feld und Kriegsgefangenschaft 3
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