Die gravimetrischen Messverfahren. oder. Was verrät t uns die Schwere über den Aufbau der Erde?
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- Ingelore Böhm
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1 Die gravimetrischen Messverfahren oder Was verrät t uns die Schwere über den Aufbau der Erde? Herbert Wilmes Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG), Frankfurt a.m.
2 Gliederung Die Physik Verfahren zur Schwerebestimmung Messinstrumente Anwendungen in der Geodäsie Ausblick
3 Wie wirkt die Gravitation? Physik: Gegenseitige Anziehung zweier Körper aufgrund ihrer Masse Wirkungen: Bestimmt die Bahnen der Himmelskörper Hält uns auf der Erde fest
4 Newtonsches Attraktionsgesetz F = G G Erforschung der Gesetzmäßigkeiten Die Gravitation ist nach Newton (1643 bis 1727) eine anziehende Kraft, die proportional der Masse der beteiligten Körper zunimmt, und im Quadrat der Entfernung abnimmt. m m 1 l = 6, m kg s 2 F G m 1, m 2 l Gravitationskraft Newtonsche Gravitationskonstante Massen zweier Körper Abstand der Körper
5 Erdbeschleunigung Annahmen: Erde = homogene Kugel mit Radius: r e 6, m Masse: 5, m e 24 kg F grav m m m g = G 2 re me g = G 2 r e e g: Gravitationsbeschleunigung An der Erdoberfläche: 5, g 6, ,82 2 m kg ( 6, ) kg s m m s Die Zentrifugalbeschleunigung auf Grund der Erdrotation wirkt der Erdanziehung entgegen
6 Orts- und Zeitabhängigkeit des Erdschwerefeldes Die Schwerebeschleunigung ist orts-abhängig Höhenabhängigkeit: Zugspitze: 9, m/s² Garmisch: 9, m/s² Abplattung der Erde durch die Erdrotation an den Polen: 9,84 m/s² am Äquator: 9,78 m/s² Flensburg: 9, m/s² Massenverteilung im Erdkörper Die Schwerebeschleunigung ist zeit-abhängig Erdbeschleunigung g in Abhängigkeit von der Höhe Gezeiten der festen Erde Variierende Anziehung und Deformation durch veränderliche Hydrosphäre (Ozeane, Grundwasser), Atmosphäre, Eisauflasten
7 [nm s -2 ]
8 Wie lässt sich die Gravitation messen? Pendel Federwaage Vergleichskraft eines Supraleitenden Magnetfeldes Freier Fall
9 Pendel Pendelmessungen (mathematisches Pendel, Fadenpendel) O φ φ l g sin φ m x F r = rücktreibende Kraft G = Gewichtskraft = G sinφ F r Für kleine Winkel gilt: l φ + T = 2π g sinφ = 0 l g z g g = Schwerebeschleunigung l = Pendellänge T = Schwingungsdauer m = Masse g = 2 4π l T 2
10 Historischer Pendelapparat Potsdamer Reversionspendel nach Kühnen / Furtwängler (1898) zur absoluten Schwerebestimmung
11 Pendelversuch Konstante Masse Konstante Fadenlänge Pendellänge Schwingungsdauer Schwerebeschleunigung [ m ] [ s ] [ m / s² ] 1,000 2,009 9,781 1,000 2,007 9,801 1,000 2,005 9,820 1,000 2,003 9,840 Äquator Pol
12 Federwaage Schwerkraftmesser mit Torsionsfeder s m g D s Bei gleichbleibender Masse und Federeigenschaft wird die Feder proportional zur Schwere-beschleunigung ausgelenkt Masse Gravitationsbeschleunigung Federkonstante Verlängerung der Feder g = D s / m g 2 Relativer Schweremesser g 1
13 Supraleitendes Gravimeter
14 Freifallprinzip Beispiel für eine Freifallmessung z = g 2 t 2 aus Schulbuch Metzler PHYSIK
15 Freifallmessung Freiwurf- / Freifallmessung in einem homogenen Schwerefeld z = z + v t g 2 t 2 Höhe des fallenden Prismas z [m] z in einem inhomogenen Schwerefeld bei linearem Gradient g 2 g z 2 z = z0 + v0 t + t 1+ t g z = δg δz (vertikaler Schweregradient) t Zeit t [s] Abb.: Weg-Zeit-Diagramm der Wurf
16 Wurf-Fall-Messung mit einem Absolutgravimeter
17 Absolute Schweremessung Voraussetzungen: Genauer Längenmaßstab (physikalischer Standard) Genauer Zeitmaßstab (physikalischer Standard) Testkörper fällt in einer Vakuumkammer Zeitmessung genauer als 1 Nano-Sekunde Längenmessung genauer 1 Nano-Meter
18 Schnittdiagramm eines Absolutgravimeters FG5 Schweremessung im freien Fall
19 Wozu Schwerebestimmung? Geophysik: Geologische Interpretation (z.b. zur Lagerstättenforschung) Untersuchung geophysikalischer Prozesse im Untergrund Metrologie (BKG im Auftrag der PTB): Physikalische Kenngrößen für Präzisionswaagen und Barometer Schwerereferenz für Deutschland Geodäsie (BKG): Referenzfläche für die Höhenbestimmung Überwachung von Meeresspiegeländerungen und Höhenänderungen Verbindung zu den modernen Satellitenschwerefeld-Missionen Transformationsparameter und Korrektionsmodelle für genaueste geodätische Raummessverfahren
20 Figur der Erde Geoid als Bezugsfläche für Höhenangaben
21
22 GFZ
23 Netze von Schwerestationen Flensburg Aurich Hamburg Rostock Pasewalk Seelow Cottbus Dresden Halle Potsdam Perleberg Hannover Braunschweig Erfurt Plauen Bad Harzburg Kassel Bamberg Wettzell Zwiesel Greding München Bad Reichenhall Wangen Aalen Karlsruhe Freiburg Merzig Wiesbaden Hünsborn Aachen Bad Bentheim Clausthal GREF-Stationen Deutsches Schweregrundnetz DSGN1994
24 Geoidmodellierung Beobachtungen - GPS/Niv.-Punkte im Abstand von ~25km - 2 x 2km Freiluftanomalien abgeleitet aus Schweremessungen W g RMS Min Max 9,4 mm -3.1 cm 2.3 cm Nordwest 10.6 mm -4.5 cm 2.1 cm Süd 15.7 mm -5.5 cm 6.3 cm Nordost
25
26 Validierung der Satellitenschwerefeldmissionen Globale Schwerevariationen auf Grund hydrologischer Massenvariationen aus GRACE Schwerefeldmodellen aus: Mass Transport and Mass Distribution, Proposal 2005 Differenzen Frühjahr - Sommer 2003, beobachtet mit GRACE Millimeter Wassersäule
27 Moderne Satelliten-Schwerefeldmissionen CHAMP GOCE GRACE
28 Erprobung eines neuen feldtauglichen Absolutgravimeters A10 Absolutgravimeter für Feldmessungen Entwicklung bei Micro-g, USA Erste Auslieferung eines Prototyps 1999, Grundlegende Überarbeitung 2004 Bisher ca. 15 Geräte gebaut Netzunabhängiger Betrieb, 12 V Einfache Aufstellung im Feld (Messkomponenten je 20 kg) Automatische Horizontierung Messbetrieb und Auswertung automatisiert (Laptop/PC) Messfrequenz 1 Hz ± 10*10-7 m/s² nach < 1 Stunde Messung (± 10 µgal)
29 Erprobung eines neuen feldtauglichen Absolutgravimeters Obere Einheit Aufbau des A10-Feldgravimeters Fallkammer Ionenpumpe Interferometer Untere Einheit Superspring Laser Transportverpackung
30 Einrichtung einer alpinen Gravimeter-Eichlinie Eichlinie Garmisch - Zugspitze A at WANK200, 05 Feb 19-1 C
31 Einrichtung einer alpinen Gravimeter-Eichlinie Alpine Gravimeter-Eichlinie Zugspitze A at SFP306, 05 Feb 17 3 C
32 Einrichtung einer alpinen Gravimeter-Eichlinie Alpine Gravimeter-Eichlinie Zugspitze A at ZUG200, 05 Feb 17 9 C
33 Referenzstation Wettzell Supraleitendes Gravimeter GWR SG-029 Absolutgravimeter FG5-301
34 Referenzstation Wettzell 5 Wettzell:CD029-1:g1 gravity TIDE-45s (Volt) Wettzell:CD029-1:Vgrav resid #raw (nm/s^2) Wettzell:CD029-1:Vgrav resid #corr (nm/s^2) Supraleitendes Gravimeter GWR SG-029 Registriersignal Mai 2006
35 Erdschwerebeschleunigung g We ortsabhängig zeitabhängig We = [ m / s 2 ] Zentrifugalbeschleunigung, Figur der Erde Massenanomalien Erdgezeiten Luftdruck, Ozean, Polbewegung, Grundwasser, Bodenfeuchte, Höhenänderungen
36 Nutzen der Schwerebestimmung Zusammenfassung Schweremessungen des BKG definieren Schwerestandard für Deutschland Höhenreferenzfläche wird aus Schweremessungen abgeleitet Moderne Satellitenschwerefeldmodelle können mit terrestrischen Schwerefeldmodellen zu besseren Modelle verknüpft werden Satellitenschwerefeldmodelle zeigen zeitliche Variationen (als Folge von Hydrologie / Atmosphäre / Höhenänderungen), die durch terrestrische Messungen kalibriert werden können Schwerebestimmung besitzt hohe Sensitivität gegenüber Höhenänderungen und Massenverschiebungen Steigende Messgenauigkeit der geometrischen Messverfahren führt zu höheren Anforderungen an die Referenzsysteme für Lage, Höhe und Schwere
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