Die Zeit danach. Abb. 19

Transkript

1 Die Zeit danach Jacqueline mit gelbem Band, 1962, Blech, ausgeschnitten, gebogen und bemalt Während Picasso für seine Skulptur Die Frau mit dem Schlüssel Fundstücke aus der Keramikwerkstatt zusammengestellt hatte, wurde für diese Skulptur Metallblech zur Form eines Kopfes zurechtgeschnitten. Anders jedoch als bei den beiden aus Blech geschaffenen Sylvette-Büsten in der Ausstellung hat der Künstler bei dieser Skulptur auf starke Verfremdungen verzichtet. Für jede Seite des Metallkopfes ist eine Gesichtshälfte vorbehalten, die in ihrer Gestaltung nur geringfügig voneinander abweichen. Nachdem Picasso bereits 1954 die Sylvette-Köpfe aus geschnittenem Blech entwickelt hatte, entstehen zwischen 1959 und 1963 noch etwa einhundert weitere Arbeiten in dieser Technik. Abb. 19 Verschiedene Handwerker fertigten während dieser Zeit die Skulpturen nach den Entwürfen Picassos. Ein Mitarbeiter berichtet von den hohen Anforderungen des Künstlers: Picasso lässt keine mangelhafte Arbeit zu, er ärgert sich manchmal, dass er nicht selbst an der Schmiede oder mit dem Lötbrenner arbeiten kann. Wenn die Skulptur zu sehr glänzt, beschließt er, sie zu bemalen, meist in Weiß, und er bringt sie ins Sonnenlicht, damit auch die kleinsten Fehler sichtbar werden. Die hier gezeigte Metallarbeit kann als eine Liebeserklärung an eine junge Frau aus der Provence verstanden werden, die Picasso in der Madoura-Werkstatt kennengelernt hatte und die in seinen Bildern anfänglich noch geheimnisvoll als Madame Z erschienen war. 32

2 Portrait der Jacqueline, 1959, Öl auf Leinwand Bei diesem Portrait, das Picasso 1959 von Jacqueline Roque gemalt hat, sticht der ungestüme Pinselduktus hervor. In freier, dynamischer Manier hat der fast 80-jährige Maler die reichhaltig auf den Malgrund aufgebrachte Farbe verstrichen, indem er teils in geordneten Bahnen, teils in kreisenden Bewegungen die Leinwand bearbeitet. Insbesondere in der unteren rechten Bildecke, wo sogar Teile des Malgrundes sichtbar geblieben sind, ist die spontan wirkende Pinselführung nachvollziehbar. Verhalten klingt in diesem Bild noch die Grisaille-Technik der Sylvette-Portraits nach, und auch die aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellten Gesichtshälften, die im Bild miteinander verklammert sind, erinnern an frühere Werke Picassos. Zugleich tritt mit den besonders kräftigen Pinselstrichen ein Merkmal von Picassos Spätwerk hervor. Abb. 20 Der Maler und sein Modell, 25. Oktober 1964, Öl auf Leinwand Der 'Maler und sein Modell' gehört zu den Themen, die Picasso in umfangreichen Werkreihen immer wieder zum Gegenstand seiner Kunst gemacht hat. Im Spätwerk nimmt es sogar eine zentrale Stellung ein. Stets aufs Neue versucht Picasso dabei, die Beziehung zwischen dem Maler und seiner Muse zu ergründen und der traditionsreichen Thematik immer neue Sichtweisen abzuringen: Gäbe es nur eine Wahrheit, könnte man nicht hundert Bilder zum gleichen Thema malen. war seine Überzeugung. In diesem Atelierbild aus dem Oktober 1964 schildert Picasso das Geschehen zwischen einem Künstler und einem weiblichen Modell in erhöhter Position. Der Maler Abb. 21 ist von kleiner Statur und in Grautönen gemalt. 33

3 Sein Modell hingegen ist farbig dargestellt und füllt nahezu das Hochformat des Bildes aus. Merkmale, die auf Jacqueline Roque als Modell hindeuten, sind nicht auszumachen. Vielmehr handelt es sich ganz allgemein um die Begegnung zwischen einem Künstler und einer inspirierenden Muse im Atelier. Ihre farbige Präsenz und die nahezu körperlos anmutende Erscheinung des Malers dokumentieren hierbei ein ungleiches Verhältnis zwischen ihnen. Immer wieder hat Picasso Atelierbilder zum Vorwand genommen, um darin sein eigenes Verhältnis zur Frau, zur Kunst und auch zum Altern zu ergründen. Zehn Jahre nach der Sylvette-Serie ist dieses Gemälde weit von einer lebensnahen oder kubistisch verfremdenden Darstellungsweise entfernt. Es wirkt spontan, skizzenhaft und unvollendet. Zugleich besticht das Werk durch eine neue Freiheit der farblichen Gestaltung und eine ausdrucksstarke Pinselführung. Dies sind charakteristische Merkmale von Picassos malerischem Spätwerk. Der Maler (Selbstbildnis), 1965, Öl auf Leinwand Das 1965 entstandene Gemälde Der Maler gehört zu der eher kleinen Gruppe der Selbstbildnisse im Werk des Künstlers. Der nun über 80 Jahre alte Künstler zeigt sich auf einem Stuhl sitzend beim Malen. Eine Hand führt den Pinsel, während die andere eine Farbpalette hält. Voller Aufmerksamkeit ist sein Körper leicht nach vorn gebeugt; vor allem aber seine wachen, großen Augen stechen hervor. Was sie betrachten, erfahren wir nicht, denn der Blick auf die Leinwand wird uns verwehrt. Picasso hat die Kunst als seinen einzigen Lebenszweck bezeichnet. Seiner Furcht vor dem Tod begegnete er im hohen Alter mit ungebrochener Schaffenskraft. Die Kunst bedeutete ihm ein Festhalten am Leben. Ich habe immer weniger Zeit, und immer mehr zu sagen. formuliert der Künstler mit Nachdruck. Wenn ich male, habe ich nichts anderes im Sinn, als zu zeigen, was ich gefunden habe, und nicht, was ich suche. Mit einem vorsätzlich gefassten Ziel ist es in der Kunst nicht getan, oder, wie wir im Spanischen sagen: Liebe muss mit Tatsachen bewiesen werden, und nicht mit Worten. Hier zählt nur, was man wirklich tut, und nicht, was man tun wollte. 1965, als dieses Selbstbildnis entstand, sind sich Pablo Picasso und Sylvette David zum letzten Mal begegnet. Gemeinsam mit Tobias Jellinek und ihrer 2-jährigen Tochter Isabel Abb

4 stattete sie dem Maler und seiner Frau Jacqueline einen Besuch in Mougins ab. Arbeitsanregung: Tellergesicht Picasso fertigte zahlreiche Teller, Schüsseln, Vasen und andere Gegenstände aus Ton an. Danach bemalte er sie mit fantasievollen Tieren oder witzigen Gesichtern, Formen und Farben. Gestalte Deinen eigenen Pappteller oder sogar Teller aus Ton; Alternative: Alte Steingutteller werden mit farbigen Eddingstiften bemalt. Gebe Deinem Teller, inspiriert von Picasso, sein eigenes Gesicht. Arbeitsanregung: Picassos Maskerade Picasso liebte es sich zu verkleiden und veranstaltete viele Maskeraden in seinem Atelier. Ihr könnt das auch! Bastel Deine eigene Picasso-Maske, in dem Du aus festem Tonkarton oder Papptellern Gesichter und Fratzen schneidest, die Du mit einem Gummiband um Deinen Kopf binden kannst. Mit bunten Farben, Federn, Glitzer oder Perlen kannst Du sie ganz bunt und fantasievoll gestalten. Arbeitsanregung: Mein eigenes Selbstbildnis Es gibt viele Künstler, die zahlreiche Selbstbildnisse von sich in verschiedenen Situationen angefertigt haben. Picassos Interesse galt zwar mehr dem Modell, bei der Darstellung Der Maler (Selbstbildnis) 1965 hat er sich jedoch auch einmal selbst als Maler mit seinem Pinsel gemalt. Fertige Dein eigenes Selbstbildnis von Dir an, indem Du einen Gegenstand mit ins Bild malst, der für Dich besonders wichtig ist oder Dich sogar ausmacht. Arbeitsanregung: Selbstportrait als Blindzeichnung Die Vorgehensweise bei der Erzeugung dieses Selbstportraits ist die Gleiche wie bei der schon beschriebenen Blindzeichnung (S. 13). Der Unterschied liegt darin, dass Du jetzt keinen Partner vor Dir hast, sondern einen Spiegel, in dem Du Dich selbst beobachten kannst. Je genauer das Beobachten im Spiegel erfolgt, desto detailreicher ist Deine Blindzeichnung. Arbeitsanregung: Überarbeitete Spiegelbilder als Serie Befestige eine stärkere Klarsichtfolie/Prospekthülle (keine Frischhaltefolie) auf einem Spiegel. Mit einem wasserfesten Feinliner kannst Du nun Dein Spiegelbild linear abzeichnen. Dabei geht es ausschließlich um erkennbare Linien und Falten im Gesicht. Anschließend kannst Du die Folie vom Spiegel entfernen. Dieses Selbstbildnis wird nun mit unterschiedlichsten grafischen und malerischen Verfahren überarbeitet. (siehe dazu auch Aufgaben unter Sylvette/Portrait) 35

5 Der experimentelle Ansatz steht im Vordergrund dieser Serie. Wirklichkeitsnahe Abbilder sind nicht vorgesehen. Durch die jeweils eigene Ausdrucksqualität der sich fortsetzenden Bildreihe entsteht eine ungewohnt andere Annäherung an die eigene Person. Arbeitsanregung: Selbstportrait im Spaltschnitt Für den Spaltschnitt benötigst Du zwei verschiedenfarbige DIN A4 Papiere (einen schönen Kontrast erreicht man mit schwarzem und weißem oder schwarzem und farbigem Papier) Fertige ein Portrait von Dir oder einer Person deiner Wahl auf dem weißen oder farbigen DIN A4 Papier an. Male auch Augen, Augenbrauen, Ohren, Mund und Nase hinein. Wenn Du damit fertig bist, schnappe Dir eine Schere und schneide quer einzelne Ebenen heraus. Den ersten Schnitt setzt Du zum Beispiel entlang des Ponys bzw. der Stirn. Die zweite über die Augenbrauen, die du auch vorsichtig ausschneidest. Verfahre so weiter, bis du schließlich Augen, Mund und Ohren ausgeschnitten hast. Lege die einzelnen Gesichtsteile auf den schwarzen Tonkarton und klebe sie auf. (Anlage 13) 36