Öffentliches Recht Newsletter 05/2016

Transkript

1 Öffentliches Recht Newsletter 05/2016 Informationen zur 10. EUROSOLAR-Konferenz Windenergie und Öffentliches Recht Aktuell in Mecklenburg-Vorpommern von Dr. Sebastian Helmes und Rebekka Klöcker Rechtsanwälte und Fachanwälte für Verwaltungsrecht Auf zu neuen Ufern? Bürgerbeteiligungsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern Über das Gesetz über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an Windparks diskutiert nicht nur die Windbranche. Was bedeutet die verpflichtende Beteiligung der Bürger für Projektentwickler? Welche Beteiligungsformen sind vorgesehen? Und ganz grundsätzlich: Kann das Gesetz überhaupt rechtlich Bestand haben? Hier ein Überblick. Seite 2 Der Anfang vom Ende? Bürgerwindparks und Ausschreibungsverfahren im EEG 2016 Die Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes steht vor der Tür und mit ihr die Umstellung des Förderregimes für Windenergie an Land auf ein Ausschreibungsverfahren. Dieser Paradigmenwechsel soll den Wettbewerb fördern. Welche Chancen haben kleine Akteure in diesem Wettbewerb zu bestehen? Welche Erleichterungen sind für sie vorgesehen? Seite 4 1

2 Auf zu neuen Ufern? Bürgerbeteiligungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern Die Windenergie in Mecklenburg-Vorpommern steht vor einer neuen Herausforderung: Am 19. April hat der Landtag das Gesetz über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an Windparks verabschiedet. Ziel des Gesetzes ist es, die von der Windkraft Betroffenen finanziell besser an den Erlösen zu beteiligen und so die Akzeptanz vor Ort zu erhöhen. Vorbild ist ein entsprechendes Gesetz in Dänemark; in Deutschland hingegen ist das Gesetz ohne Vorbild. Die wichtigsten Aspekte des neuen Gesetzes und auch einige offene Punkte stellen wir im Folgenden vor. Die Diskussion um Bürgerbeteiligung bei der Windkraft ist nicht neu. So wird seit Jahren diskutiert, wie sichergestellt werden kann, dass die Erlöse der Windenergie denjenigen zugute kommen, die von den Anlagen betroffen sind. Einiges wurde bereits ausprobiert und manches davon von den Gerichten bereits wieder kassiert (z.b. der Versuch, Bürgerwindparks in der Bauleitplanung verbindlich vorzuschreiben). Einen neuen Weg geht nun Mecklenburg-Vorpommern mit seinem Bürgerbeteiligungsgesetz. Damit sollen die Projektentwickler und Betreiber gezwungen werden, den vor Ort Betroffenen die Möglichkeit zur Beteiligung anzubieten. Als Normfall ist die Möglichkeit vorgesehen, Bürgern und Kommunen den Kauf von Anteilen anzubieten. Stattdessen sind aber auch alternative Beteiligungsformen vorgesehen. Im Einzelnen: Grundsatz: Anteilskauf Der Vorhabenträger bietet mindestens zwanzig Prozent der Anteile an der (zu diesem Zweck gegründeten) Projektgesellschaft an, die die Rechte an dem Windpark hält. Dieses Angebot muss sich exklusiv an die im Gesetz bestimmten Kaufberechtigten richten: Das sind zunächst alle Bürger, die im Umkreis von fünf Kilometern um die Anlage wohnen, aber auch die Standortgemeinde und alle andere Kommunen im Umkreis von fünf Kilometern. Die Gemeinden können die Kaufberechtigung auch auf einen Zweckverband übertragen. Der Kaufpreis eines Anteils darf 500 Euro nicht überschreiten; eine Mindestabnahmemenge an Anteilen darf nicht vorgesehen werden. Wichtig und aus Sicht des Projektentwicklers wenig erfreulich ist, dass sich der Kaufpreis nicht nach dem Marktwert, sondern nach dem Sachwert zu richten hat. Es muss sichergestellt sein, dass die Haftung der Kaufberechtigten die Einlage nicht übersteigt und keine Nachschusspflicht besteht. Bei kommunalen Beteiligungen müssen zusätzlich die Voraussetzungen des Gemeindewirtschaftsrechts erfüllt sein insbesondere muss der Gemeinde ein angemessener Einfluss in der Satzung zugebilligt werden. Alternative Beteiligungsformen Anstelle der Beteiligung können auch alternative Beteiligungsformen angeboten werden. Hierbei ist die Möglichkeit einer alternativen wirtschaftlichen Teilhabe vorgesehen, die beispielsweise in einem vergünstigten lokalen Stromtarif bestehen kann. Außerdem ist es auch möglich, den betroffenen Gemeinden eine Ausgleichsabgabe zu zahlen, die diese dann zur Steigerung der Akzeptanz der Windenergie einsetzen. Dies ist jedoch nur im Einverständnis mit den betroffenen Gemeinden möglich. Wird dieser Weg gewählt, ist den betroffenen Bürgern zusätzlich ein alternatives Sparprodukt mit einer Laufzeit von drei bis zehn Jahren anzubieten, wobei bis zum Ende der Betriebszeit nach Ablauf Anschlussprodukte anzubieten sind. 2 >>>

3 ...Auf zu neuen Ufern? Bürgerbeteiligungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern Kritik Die Kritik am Bürgerbeteiligungsgesetz ist vielgestaltig. In juristischer Hinsicht werden grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken laut: So wird bezweifelt, ob das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern überhaupt über die erforderliche Gesetzgebungskompetenz für eine solche Regelung verfügt. In der Gesetzesbegründung ist ausgeführt, es handele sich um einen Gesetzgebungsakt im Gebiet der Raumordnung was in der Tat etwas konstruiert wirkt. Denn raumordnerisch ist ausschließlich von Belang, ob Windenergieanlagen errichtet werden nicht aber, wer Anteile daran hält. Davon unabhängig greift das Gesetz fundamental in die Rechte der Projektentwickler ein, die zum Verkauf von Anteilen gezwungen werden. Tangiert sind insoweit Grundrechte wie die Eigentumsgarantie und die Berufsfreiheit, aber auch das Diskriminierungsverbot; schließlich wird die Windenergie, nicht aber z.b. die Biomasse, erfasst. Ob die Zwecke des Gesetzes eine solch fundamentale Beeinträchtigung von Grundrechten rechtfertigen, ist keinesfalls ausgemacht. Neben den verfassungsrechtlichen Bedenken werden Schwierigkeiten bei der künftigen Ausschreibung der Windenergie nach dem EEG 2016 befürchtet. Ob die Regelungen des Bürgerbeteiligungsgesetzes insoweit einen Standortnachteil für Mecklenburg-Vorpommern bedeuten, wird sich zeigen. Das Bürgerbeteiligungsgesetz macht die Projektentwicklung im Zweifel teurer, langwieriger und komplizierter als in anderen Bundesländern nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für die Teilnahme an einer bundesweiten Ausschreibung. Fazit Vieles an dem Bürgerbeteiligungsgesetz ist also umstritten. Weil das Gesetz aber Realität ist (und bis zu einer etwaigen Unwirksamkeitserklärung des Landesverfassungsgerichts auch angewendet werden muss), ist jeder Projektentwickler gut beraten, die neuen Pflichten und vor allem die verschiedenen Möglichkeiten der Beteiligung genau zu prüfen und in wirtschaftlicher Hinsicht zu bewerten. Insbesondere die alternativen Beteiligungsformen bieten durchaus Platz für unternehmerische Kreativität. Und nicht jede Form der Beteiligung führt automatisch zu wirtschaftlichen Einbußen des Projektentwicklers. Wenn das Gesetz seinen gewünschten Zweck erfüllt, so mag es für die Windenergie in Mecklenburg-Vorpommern (trotz aller Bedenken) unterm Strich sogar positiv sein schließlich könnten dann Projekte realisiert werden, die ansonsten am Widerstand vor Ort gescheitert wären. 3 >>>

4 DerAnfang vom Ende? Bürgerwindparks und Ausschreibungsverfahren im EEG 2016 Die Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes steht vor der Tür und mit ihr die Umstellung des Förderregimes für Windenergie an Land auf ein Ausschreibungsverfahren. Anstelle einer garantierten Einspeisevergütung, deren Höhe sich nach der Inbetriebnahme der Anlage richtet, kommen Windenergieanlagen künftig nur dann zum Zuge, wenn sie im Rahmen einer Ausschreibung bei der Bundesnetzagentur einen Zuschlag erhalten haben. Mit diesem Paradigmenwechsel soll, so der Wunsch der Befürworter, mehr Wettbewerb im Bereich der Erneuerbaren Energien entstehen. Schwierig könnte es allerdings für kleine Akteure werden. Denn die mit der Ausschreibung verbundenen Risiken wiegen für Bürgerwindparks und Energiegenossenschaften schwerer als für größere Wettbewerber. Der aktuelle Gesetzesentwurf zum EEG 2016 sieht deswegen erstmals Sonderregeln für solche Konstellationen vor. Lesen Sie hier, wer davon profitiert, welche Privilegien vorgesehen sind, und wo die Knackpunkte liegen. Es ist ein erklärtes Anliegen des Gesetzgebers, die Akteursvielfalt im Bereich der Windenergie auch nach der Umstellung auf das Ausschreibungssystem zu erhalten. Das Bekenntnis allein hilft allerdings nicht und über den besten Weg dahin kann man trefflich streiten. Deswegen wurde die Veröffentlichung des Referentenentwurfs zum EEG 2016 im April 2016 mit Spannung erwartet schließlich sind dort erstmals konkrete Formulierungen für künftige Vorschriften vorgesehen. Keine pauschale Freistellung Auch im neuen Entwurf des EEG 2016 ist die in den EU-Beihilfeleitlinien ausdrücklich vorgesehene Erleichterungsmöglichkeit für kleine Windparks, Windparks mit maximal 6 MW Leistung oder maximal sechs Anlagen freizustellen, nicht umgesetzt. Stattdessen wird im aktuellen Entwurf des EEG 2016 ein anderer Weg gewählt, um kleineren Akteuren zu helfen: So sollen Bürgerenergiegesellschaften unter bestimmten Umständen erleichterte Zugangsbedingungen zum Gebotsverfahren und auch bei der Projektrealisierung erhalten. Was ist eine Bürgerenergiegesellschaft? Auch wenn sich der deutsche Gesetzgeber damit den Schwerpunkt auf die Betreiber legt, ist eine Maximalgröße für das Windparkprojekt zu beachten. Erleichterte Bedingungen gelten nur für Gebote, die sich auf bis zu sechs Windenergieanlagen mit einer Leistung von maximal 18 MW beziehen. In personeller Hinsicht muss der Bieter eine Bürgerenergiegesellschaft sein ein Begriff, der rechtlich bislang nicht definiert gewesen ist. Hier bemüht sich der Entwurf des EEG 2016 um Klarheit und liefert eine Definition. Danach muss eine Bürgerenergiegesellschaft drei Voraussetzungen erfüllen: Sie muss erstens aus mindestens zehn natürlichen Personen als stimmberechtigte Gesellschafter bestehen. Zweitens müssen mindestens 51 % der Stimmrechte bei natürlichen Personen liegen, die seit mindestens einem Jahr ihren Erstwohnsitz in dem Landkreis haben, in dem die Anlagen errichten werden sollen. Drittens darf keines der Mitglieder mehr als zehn Prozent der Anteile halten. Weitere versteckte, gleichwohl wichtige Voraussetzung: weder die Gesellschaft noch eines ihrer stimmberechtigten Mitglieder dürfen in einer anderen Ausschreibungsrunde der vergangenenzwölf Monaten bereits einen Zuschlag erhalten haben. Welche Erleichterungen gibt es? Sind die Voraussetzungen erfüllt, so sind die Zugangsschranken zur Ausschreibung deutlich gesenkt. So muss die Bürgerenergiegesellschaft nicht bereits bei 4 >>>

5 DerAnfang vom Ende? Bürgerwindparks und Ausschreibungsverfahren im EEG 2016 Gebotsabgabe über die sonst obligatorische BImSchG-Genehmigung verfügen. Vielmehr soll hier ein zertifiziertes Ertragsgutachten für den geplanten Standort ausreichen. Damit können Bürgerenergiegesellschaften deutlich früher als andere Bieter in das Verfahren einsteigen was erheblich weniger Investitionsbedarf bedeutet. Außerdem ist die Sicherheitsleistung für solche Gesellschaften verringert und beträgt nur 15 Euro pro kw installierter Leistung. Damit sich dieser zeitliche und finanzielle Vorteil nicht später in einen Nachteil verwandelt, genießen Bürgergesellschaften auch hinsichtlich der Realisierungsdauer deutliche Vorteile. Auf diese Weise soll sichergestellt sein, dass etwaige Verzögerungen im Genehmigungsverfahren, die ja nie ausgeschlossen werden können, kein unkalkulierbares Risiko darstellen. Während für sonstige Bieter eine dreißigmonatige Realisierungsfrist ab Zuschlag gilt, haben Bürgerenergiegesellschaften mehr Zeit. So beginnt die Frist erst zu laufen, wenn die BImSchG-Genehmigung vorliegt und die Bundesnetzagentur auf dieser Grundlage den Zuschlag auf das Projekt zugeordnet hat. Dies bedeutet aber nicht, dass die Gesellschaft keine Sorgfaltspflichten im Hinblick auf den zeitlichen Umgang mit der BImSchG-Genehmigung hätte. Vielmehr sieht der Gesetzesentwurf vor, dass die Gesellschaft innerhalb von zwei Monaten ab Bekanntgabe der BImSchG-Genehmigung die Zuordnung des Zuschlags beantragen muss. Versäumt sie diese Frist, erlischt der Zuschlag. Achtung: Weil im Gesetzesentwurf ausdrücklich von einer materiellen Ausschlussfrist die Rede ist, kann man hier nicht auf Nachsicht hoffen. Weder kann die Frist verlängert werden, noch kann sich derjenige, der die Frist versäumt hat, auf fehlendes Verschulden berufen. Fazit Es ist zu begrüßen, dass der derzeitige Referentenentwurf erstmals ausdrückliche Erleichterungen für Bürgerenergiegesellschaften vorsieht. Auch die Entscheidung, eine Privilegierung nicht nur an die Größe bzw. Leistung des Windparks zu knüpfen, sondern dabei die Eigentümerstruktur zu berücksichtigen, ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. Gleichwohl: Ob die derzeit vorgesehenen Regeln zum erklärten Ziel führen, die Akteursvielfalt zu gewährleisten, ist zweifelhaft. So erscheint die faktische Zugangsschranke für institutionelle Investoren wie Stadtwerke (nichts anderes ist die 10 Prozent-Grenze für Gesellschaftsbeteiligungen) kontraproduktiv. In der Vergangenheit waren vor allem die Bürgerwindparks erfolgreich, in denen sich Stadtwerke und Gemeindebürger gemeinsam engagieren. Der Erfolg künftiger Bürgerwindparks richtet sich aber ohnehin nicht nur nach den formellen Zutrittsschranken, sondern natürlich auch nach den sonstigen Rahmenbedingungen, die letztlich auch über die Zuschlagshöhe entscheiden werden. Insbesondere der im Gesetzesentwurf vorgesehene geringe jährliche Zubaudeckel von MW ist kritisch zu sehen, weil er weit unter den tatsächlichen Zubauraten der letzten Jahre liegt. Wenn es dabei bleibt, können nur vergleichsweise geringe Mengen ausgeschrieben werden so dass der Konkurrenzkampf groß und die Zuschlagspreise gering sein werden. Noch steht nicht endgültig fest, wie die Neuregelungen letztlich aussehen werden. Wer derzeit einen Bürgerwindpark plant, sollte die Entwicklung aufmerksam verfolgen und die verschiedenen Optionen und ihre Auswirkungen prüfen. 5

6 rechtsanwälte WirtschAftsprÜfer steuerberater unternehmensberater Ihre Ansprechpartner: Dr. Sebastian Helmes Rebekka Klöcker, Rechtsanwälte und Fachanwälte für Verwaltungsrecht, Sterr-Kölln & Partner, Berlin Stand der Informationen: 09. Mai 2016 freiburg berlin paris sterr-kölln & partner mbb emmy-noether-str freiburg fon fax An der kieler brücke berlin fon fax rue de hanovre paris fon fax