zum beunruhigend präsenten Mittelpunkt der neuen, sehr eigenwilligen Kompositionen Ruths wurde. Da die diesigen Lichtverhältnisse gegen harte
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- Theodor Blau
- vor 7 Jahren
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2 zum beunruhigend präsenten Mittelpunkt der neuen, sehr eigenwilligen Kompositionen Ruths wurde. Da die diesigen Lichtverhältnisse gegen harte Konturen sprachen, arbeitete sie verstärkt mit Spezialfiltern, Weichzeichnern oder Diffusem und setzte auf den Effekt sanfter Linien und fließender Bewegungen. Vor vielen Jahren war sie brillant in dieser Technik gewesen, nun mußte sie jeden Tag aufs neue dazulernen. Und doch, es funktionierte offenbar; ein paar der Polaroids waren aufregend, versprachen satte, beinahe monochrome Bilder von melancholischer Schönheit. Stoffe und Landschaft schienen ineinander verwoben, die erdigen, gedämpften Farben der Kollektion mit dem Braun und Rosenholz und Rauchblau der Natur verschmolzen. Sie
3 konnte nur hoffen, daß sich beim Entwickeln der Diafilme keine unliebsamen Überraschungen zeigen würden. Aber für eine weitere Neuorientierung war es ohnehin zu spät; noch drei Tage, zog man den heutigen ab, dann mußte das Set endgültig im Kasten sein. Vermutlich wäre die Arbeit trotz aller Schwierigkeiten reibungsloser verlaufen, hätte sich Ingo, ihr Assistent, nicht als Fehlbesetzung entpuppt. Er war träge, nicht besonders geschickt und stand die meiste Zeit im Weg herum. Dafür war sein Talent als Intrigant um so beachtlicher. Offenbar tief von dem Umstand getroffen, daß er einer Frau zuarbeiten mußte, nutzte er jede Gelegenheit, um aufzubegehren oder miese Stimmung gegen Ruth zu machen. Nicht nur ihm gegenüber hatte sie sich deshalb einen
4 knappen, fast schon ruppigen Ton angewöhnt. Sie ertappte sich dabei, daß sie auch die Models anraunzte, die ihrerseits trotzig reagierten; kein Wunder, daß die Stimmung innerhalb der kleinen Gruppe mittlerweile hochexplosiv war. Was war eigentlich los mit ihr? Lag es tatsächlich am geballten Anblick naiven Frischfleischs, daß Ruth täglich unleidlicher wurde, wie Fee, die Stylistin, frech behauptet hatte? Hatte es mit den stumpfen, schnapsroten Augen der Indianer zu tun, die sie bis in ihre Träume verfolgten? Oder gab es nach über zehn Jahren Arbeit als Modefotografin Anzeichen von Ermüdung oder gar Resignation? Ruth schob diese Gedanken beiseite, allerdings nicht rasch genug. Ein Nachgeschmack blieb; ihre Kehle fühlte
5 sich plötzlich so trocken an, daß das Verlangen nach heißem Kaffee nahezu übermächtig wurde. Sie schloß das Fenster, nahm ihre Tasche und verließ das Zimmer. Im schmalen, immer zu dunklen Flur, der nach vorn zur Küche führte, duftete es nach frischem Kuchen. Offenbar hatte Mary, die sich auf rührende Weise um das Wohl ihrer Gäste kümmerte, eine ihrer spontanen Backschichten eingelegt. In dem kleinen, funktional eingerichteten Raum standen zwei große Thermoskannen mit Kaffee bereit, daneben eine Platte mit warmen Muffins. Ruth schenkte sich eine große Henkeltasse ein, schüttete reichlich Milch zu und nahm ein Stück von dem Gebäck. Mit beidem verzog sie sich in den Wintergarten, den sie zu dieser frühen Stunde noch ganz für sich hatte.
6 Draußen war der Wind so stark geworden, daß die winzigen Kolibris nicht mehr um ihre hängende Zuckertränke schwirren konnten; sie wurden abgetrieben wie schwerelose, schillernde Federknäuel, gaben aber erst auf, als ihre Kräfte erlahmt waren, und suchten schließlich unter der blauen Holzbank Schutz. Ein paar dicke Flocken fielen, dann kam der Schnee als dichter Schleier. Im Nu war der Rasen verschwunden und das ganze Grundstück weiß. Über dem geheizten Whirlpool stiegen Dampfwolken auf. Ruth begann zu frösteln trotz der Wärme, die zwei Radiatoren verbreiteten. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wirklich ehrlich, dann wußte sie sehr wohl, woher ihre innere Unruhe rührte. Es war der Gedanke an Martin, der sie nicht
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