Spiritualität. Ruhe. in Frieden. Ein Tabu bleibt nur so lange ein Tabu, bis man darüber redet

Transkript

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2 Ruhe in Frieden Ein Tabu bleibt nur so lange ein Tabu, bis man darüber redet 80

3 Können Sie sich an den romantischen Spielfilmklassiker Ghost Nachrichten von Sam erinnern? Dort musste Patrick Swayze als unsichtbarer Geist seine Freundin vor seinem ehemaligen Freund beschützen, bis er dann schließlich nach vollbrachter Rettung bildgewaltig ins Jenseits aufsteigen durfte. Oder haben Sie den Kinofilm The Others gesehen, in dem Nicole Kidman mit ihren beiden ebenfalls verstorbenen Kindern in ihrem eigenen Haus herumspukte? Und kennen Sie den Kassenschlager Der sechste Sinn mit Bruce Willis? In diesem subtilen Horrorfilm (Musik Express) trägt der 8-jährige Cole ein düsteres Geheimnis mit sich herum: Er sieht tote Menschen. Zu jeder Tageszeit, an jedem Ort wird er von Wesen aus dem Jenseits aufgesucht. Verstorbene, die den Jungen mit ihren vergangenen Leben, Schicksalen, die sie nicht ruhen lassen, quälen... Nicht erst seit diesen Spielfilmen fasziniert viele Menschen die Frage nach einem Jenseits und die mögliche Existenz von Geistern. Das mag auch den großen Erfolg der TV-Serie Ghostwhisperer Stimmen aus dem Jenseits erklären. Alle diese Filme haben eines gemeinsam: Sie handeln von Verstorbenen, die nach ihrem Ableben nicht in Frieden ruhen und nicht in den Himmel aufgestiegen sind. Stattdessen verweilen Partrick Swayze, Nicole Kidman und Bruce Willis noch als Geister unter den Lebenden. Alles nur Spuk? Und was, wenn das die Wirklichkeit wäre? Was, wenn solche ruhelosen Geister nicht bloß in der Fantasie von Drehbuchautoren existierten? von Marcel Eschbach Wickland und Kardec 1924 schrieb der Psychiater Carl Wickland ( ) in Los Angeles ein Buch, das in Deutschland unter dem Titel Dreißig Jahre unter den Toten (Reichl-Verlag) erschienen ist. Darin Die Kirche nennt sie Dämonen und lässt Exorzisten ans Werk, andere rücken bösen Geistern mit Räucherstäbchen und magischen Ritualen zu Leibe. Die therapeutische Arbeit mit Verstorbenen, die sich an Lebende heften und sie negativ beeinflussen, ist hingegen kaum bekannt. Sie ist deutlich weniger spektakulär, aber in unserem Kulturkreis höchst umstritten 81

4 Durch gewaltsame Tode, Unfall, Selbstmord oder Verbrechen kann es passieren, dass Verstorbene in der Erdsphäre hängenbleiben und nicht in den Himmel weitergehen beschreibt er seine therapeutische Arbeit mit Verstorbenen. Mit Hilfe der medialen Fähigkeiten seiner Frau gelingt es Dr. Wickland, mit so genannten erdgebundenen Geistern Gespräche zu führen. Er beleuchtet damit die möglichen Einflüsse und Wechselwirkungen Verstorbener auf Lebende und zeigt so einen alternativen Weg, wie vielen psychisch Kranken erfolgreich und nachhaltig geholfen werden kann. Der französische Gelehrte und Pestalozzi-Schüler Hippolyte Léon Denizard Rivail ( ) begann bereits 1854, sich aus wissenschaftlichem Interesse mit Geistern zu beschäftigen. Über das damals verbreitete Phänomen des Tischrückens während spiritistischer Séancen erhielt er überraschend philosophische Antworten auf viele von ihm gestellte Fragen. Am 18. April 1857 veröffentlichte Rivail unter dem Pseudonym Allan Kardec schließlich sein erstes Buch der Geister. Es beinhaltet Fragen und Antworten zur Natur der Geistwesen, der Geisterwelt, der Beziehung zwischen der Geister- und irdischen Welt und vieles mehr. Die Antworten auf seine Fragen erhielt Kardec von verschiedenen Geistern, die sich durch Medien kundtaten. In vier weiteren Büchern erläutert Kardec die spiritistische Lehre, wobei er besonders auf die Dringlichkeit der christlichen Nächstenliebe hinweist. Sein Leitsatz heißt deshalb Ohne Nächstenliebe kein Heil. Kardecs spiritistische Lehre, die sich als Religion, Philosophie und Wissenschaft versteht, fand seinerzeit große Beachtung. Sie überzeugte viele namhafte Größen des gesellschaftlichen Lebens. So wurde Rivail selbst von Napoléon III. zu philosophischen Gesprächen geladen. Hippolyte Léon Denizard Rivail alias Kardec ( ) begann bereits 1854, sich aus wissenschaftlichem Interesse mit Geistern zu beschäftigen Dona Martha (92) ist die Leiterin eines der unzähligen spiritistischen Zentren in Sao Paulo. Sie glaubt nicht nur an Geister, sie kann sie sogar sehen! Was versteht man unter Spiritismus? Die spiritistische Lehre, auch Spiritismus genannt, ist eine spiritualistische Lehre, zu deren Grundlagen zählt, dass sich die Seelen Verstorbener im Volksmund als Geister bezeichnet mit Hilfe eines Mediums und unter bestimmten Umständen mitteilen können. Ein Medium ist ein Mensch, der die Fähigkeit entwickelt hat, einem Verstorbenen seinen physischen Körper ganz oder teilweise als Mitteilungs- 82

5 medium zu überlassen. Nach Kardecs Lehre ist es so möglich, mit Verstorbenen in Kontakt zu treten und auch Mitteilungen für Hinterbliebene zu erhalten. Obwohl der Spiritismus nach Kardec bei uns in der Öffentlichkeit praktisch unbekannt ist, hatte er bereits vor über hundert Jahren in Brasilien Fuß gefasst. Inzwischen ist dort die Anhängerschaft auf mehrere Millionen angewachsen. So existieren in Brasilien Abertausende spiritistische Zentren, psychiatrische Kliniken, die nach spiritistischer Philosophie geführt werden, Vereinigungen von spiritistischen Ärzten, Psychologen und Psychiatern. Regelmäßig finden medizinische Fachkongresse statt, bei denen die Zusammenhänge von Gesundheit und Spiritualität behandelt werden. Im Blickpunkt steht dabei die negative Beeinflussung von Menschen durch Verstorbene und deren therapeutische Befreiungsmöglichkeiten. In vielen Fällen geistiger Verwirrung handelt es sich nach spiritistisch-therapeutischer Erfahrung nicht etwa um Bewusstseinsspaltung oder dergleichen, sondern um eine Beeinflussung durch Fremdwesen, die von dem Patienten Besitz ergriffen haben und ihm ihren Willen aufzwingen und physisch oder psychisch negativ beeinflussen. Viele der Betroffenen beschreiben ihren Zustand oft auch mit nicht sie selbst sein hat die Psychologin Edith Fiore in den USA mit ihrem Buch The Unquiet Dead ( Besessenheit und Heilung, Silberschnur Verlag) für Aufsehen gesorgt. Anders als Wickland und die Spiritisten redet sie bei ihrer therapeutischen Arbeit nicht über Medien, sondern mit Hilfe von Hypnose direkt durch die Patienten mit den Verstorbenen, die ihre Patienten beeinflussen. Mögliche Symptome, die für eine Beeinflussung durch Verstorbene sprechen, sieht sie zum Beispiel im Hören innerer Stimmen, unerklärbarem impulsivem Verhalten, Gedächtnisproblemen, Charakterveränderungen oder unerklärbaren Stimmungsschwankungen und plötzlichem Auftreten von Angst oder Depressionen. Dr. Fiore hat inzwischen viele Berufskollegen in ihrer Methode ausgebildet. In London wurde 1999 die Spirit Release Foundation zur Erforschung und Verbreitung der Seelenerlösungstherapie gegründet, deren Präsident der Psychiater Alan Sanderson ist. Ein Medium ist ein Mensch, der die Fähigkeit entwickelt hat, einem Verstorbenen seinen physischen Körper ganz oder teilweise als Mitteilungsmedium zu überlassen Dr. Edith Fiore Bei der Behandlung gehen die brasilianischen Spiritisten ähnlich wie Wickland vor. Durch ein Medium wird Kontakt mit einem unliebsamen Geist aufgenommen. Diese Methode nennt sich in Brasilien Desobsessão (Seelenbefreiung), bei uns wird sie als mediumistisches Heilen bezeichnet. Indem diese Plagegeister durch ein Medium zum Reden gebracht werden, geben sie sich als Verstorbene kund, die sich oft über ihre veränderte Seinsweise nach dem Tod noch gar nicht klar geworden sind. Sie bilden sich ein wie Bruce Willis in Der sechste Sinn nach wie vor in ihrer gewohnten Umgebung zu leben. Erst nachdem die Verstorbenen über ihren neuen Zustand aufgeklärt worden sind, finden sie sich bereit, von ihrem Opfer zu lassen, das damit wieder Herr seiner selbst wird. 83

6 ANZEIGE Spiritualität Über den Autor Marcel Eschbach (*1970) ist Schweizer Physiotherapeut und arbeitet auf Teneriffa als Lebensberater. Seit seinem 18. Lebensjahr beschäftigt er sich mit Grenzfragen der Wissenschaften bereiste er erstmals Brasilien und hat dort den Spiritismus nach Kardec kennen gelernt. Seitdem ist er zu Studienzwecken mehrmals nach Brasilien gereist und hat an zwei Weltkongressen des Spiritismus teilgenommen. Er ist Gründer des Zentrums für Geisterforschung & Seelenerlösung auf Teneriffa. Marcel Eschbach hält Vorträge und gibt Seminare u. a. über die Beeinflussung durch Verstorbene und die therapeutischen Möglichkeiten der Seelenerlösung. Obwohl die Existenz von Geistern in der Regel keinen Platz in unserem westlichen Weltbild findet und höchstens als esoterische Fantasie belächelt wird, zeigen jedoch die Erfolge durch eingangs beschriebene therapeutische Maßnahmen, dass eine Beeinflussung durch Verstorbene ein unumstößliches Faktum darstellt. Und wie der Schweizer Psychiater C. G. Jung sagte Was wirklich ist, wirkt. Anders als uns die christlich-theologische Lehre weismachen möchte, finden wir nach dem Tod nicht zwangsläufig Frieden ( Hier ruht in Frieden... ). Aufgrund verschiedener Ursachen ist es möglich, dass Verstorbene in der Erdsphäre hängen bleiben und nicht ins Licht, in den Himmel oder wie man es sonst bezeichnen mag weitergehen. Gründe sind zum Beispiel gewaltsame Tode durch Unfall, Selbstmord oder Verbrechen. So wurden Swayze und Willis im Film erschossen und Kidman hat sich selbst umgebracht. Auch die Quälgeister, die den Knaben in Der sechste Sinn plagten, waren durch gewaltsame und unnatürliche Tode gestorben. Derart ruhelose Tote nennt man erdgebundene Geister. Sie sind es, die meist für die negative spirituelle Beeinflussung auf uns Lebende verantwortlich sind. Psychosen und Stimmenhören Das Buch Stimmen hören von Thomas Bock und Irene Stratenwerth nimmt unter anderem Bezug auf ein Interview mit dem Psychologen und Physiker Walter Lucadou, der die Parapsychologische Beratungsstelle in Freiburg i. Br. leitet. Zu der psychologischen Theorie, das Unbewusste oder Verdrängte seien eigene Gedanken, die sich in Form von Stimmen und Geistern manifestieren, antwortet Lucadou: Aber das stimmt einfach nicht. Die Geister sagen den Betroffenen ganz häufig Dinge, von denen die feststellen: Das konnte ich nicht wissen. Deshalb bin ich ja auch dagegen, dass Psychologen den Leuten immer einreden, dass das eigene Gedanken sind. Das ist nicht richtig es ist etwas Selbständiges. Das ist wie ein psychischer Parasit kein Teil vom Unbewussten. Aber wie es sich für einen rational denkenden Psychologen gehört, schlussfolgert Lucadou auch: Ich glaube natürlich auch nicht, dass ein Geist in der Gegend herumschwebt und sich bei jemandem festsetzt. Aber phänomenologisch ist es eine vollkommen selbstständige Psyche, die sich da breitmacht und die oder den Betreffenden quält. Bei diesen Aussagen zeigt sich einmal mehr die Widersprüchlichkeit unseres Zeitgeistes. Einerseits wird das Phänomen der Beeinflussung durch Verstorbene von Lucadou zwar erkannt und beschrieben, anderseits findet der Glaube an die Existenz der Geister in seinem wissenschaftlichen Weltbild einfach keinen Platz. Dr. Hans Naegeli-Osjord Ein Wissenschaftler und Forscher, der mehr Mut hatte, das Kind beim Namen zu nennen, war der Schweizer Psychiater Dr. med. Hans Naegeli-Osjord. Als Arzt und Psychiater kommt er aufgrund langjähriger Erfahrung, entgegen seiner schulmedizinischen Ausbildung, zu der Erkenntnis, dass die von diesen Phänomenen der Beeinflussung betroffenen Patienten ausnahmslos medial Veranlagte sind. Infolge ihrer Empfänglichkeit sind sie in mehr oder weniger starkem Grad für die Beeinflussungen von Fremdwesen offen. Naegeli hat eine eigene Form der Seelenbefreiung entwickelt, die er bei Patienten in seiner Praxis mit Erfolg angewandt hatte. Sein Buch Besessenheit und Exorzismus ist eine Herausforderung für jeden, der dem Überleben des Bewusstseins nach dem körperlichen Tod eine Chance einräumt. Konsequenzen Längst wäre es auch bei uns an der Zeit, dass sich Pfarrer, Theologen, Ärzte, Psychologen und Parapsychologen an einen Tisch setzen, um unvoreingenommen und ohne sich hinter Dogmen und falsch verstandener Wissenschaftlichkeit zu verstecken über die nachprüfbaren Phänomene der Beeinflussung durch Verstorbene und deren Folgen auf unser Leben und unsere Gesundheit zu diskutieren. Dann müssten in Zukunft Menschen, die wie der kleine Cole im Film Der sechste Sinn Verstorbene wahrnehmen, nicht weiter unnötig unsagbare Ängste leiden, nur weil sie nicht den Mut finden, ihr Geheimnis mitzuteilen. 84