Hohes Infektionsrisiko durch Getreideviren im Herbst 2016
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- Christoph Böhme
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1 Hohes Infektionsrisiko durch Getreideviren im 2016 Durch Insekten übertragene Viruskrankheiten können in einzelnen Jahren einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen. Die größte Bedeutung im Getreide haben das Gelbverzwergungsvirus der Gerste (BYDV) und seit einigen Jahren zunehmend auch das Weizenverzwergungsvirus (WDV), die sich in einigen grundlegenden Punkten unterscheiden. In diesem ist das Infektionsrisiko besonders hoch, da ein sehr warmer Spätsommer die Blattlauspopulationen ansteigen ließ und im Ausfallgetreide bereits hohe Befallswerte mit BYDV gefunden werden. BYDV Unter der Bezeichnung BYDV werden verschiedene Viren bzw. Virusstämme zusammengefasst, die von unterschiedlichen Blattlausarten übertragen werden. Die wichtigsten Virusvektoren im Getreide sind die Haferblattlaus (Rhopalisiphum padi), die Große Getreideblattlaus (Sitobion avenae) und die Bleiche Getreideblattlaus (Metopolophium dirhodum). Gleichzeitig gibt es einen großen Wirtspflanzenkreis für das Gelbverzwergungsvirus. Dazu gehören neben den verschiedenen Getreidearten auch der Mais und Gräser wie z.b. Weidelgräser, Ackerfuchsschwanz oder Quecke. Besonders Haferblattlaus (Rhopalosiphum padi) Dr. Werner anfällig sind Gerste und Hafer gefolgt von Weizen. Roggen und Triticale sind etwas widerstandsfähiger. Erste Infektionen können bereits im durch Blattläuse, die in die jungen Getreidebestände einfliegen, gesetzt werden. Diese geflügelten Mutterläuse setzen dann zügig Larven ab, die den Virus ihrerseits erneut von bereits infizierten Pflanzen aufnehmen und im Bestand weiter verbreiten können. So kommt es zu den typischen Virusnestern mit verzwergten Pflanzen als Schadsymptom. In extremen Jahren kann sich das Virus fast flächendeckend auf dem Schlag ausbreiten, insbesondere dann, wenn nach infektionen ein milder Winter folgt und Blattläuse im Bestand überleben können. Deutliche Ertragsverluste sind dann die Folge. Generell lässt sich sagen, je milder der und der Winter, desto höher ist die Vermehrungsleistung der Blattläuse und somit auch das Risiko der Virusausbreitung. WDV Neben dem Gelbverzwergungsvirus spielt in Niedersachsen seit einigen Jahren auch das Weizenverzwergungsvirus (WDV) eine größere Rolle. WDV wird nicht von Blattläusen sondern von Zikaden übertragen. WDV besitzt ebenso wie BYDV einen großen Wirtskreis unter den Gräsern und Getreidearten. Bei den Zikaden übertragen
2 HOHES INFEKTIONSRISIKO DURCH GETREIDEVIREN IM HERBST 2016 Seite 2 von 5 nur die erwachsenen Tiere das Virus und unter 10 C ist ihre Mobilität stark eingeschränkt. Bei warmen Temperaturen sind sie dagegen sehr mobil und lassen sich nur äußerst schwer bekämpfen. Von den derzeit zugelassenen Insektiziden hat keins eine Indikation auf Zikaden. Bei Insektizidmaßnahmen gegen Blattläuse sind die Nebenwirkungen gegen die Zikaden nur gering bzw. schwankend. Aktuelle Situation Im 2016 ist aber vorrangig ein Problem mit dem Gelbverzwergungsvirus zu erwarten, da durch den sehr warmen August und September bereits Massen an Blattläusen in den Startlöchern stehen. Sowohl im Mais als auch im Ausfallgetreide fanden bzw. finden sich sehr große Populationen von Getreideblattläusen. Insbesondere auf Greeningflächen sind inzwischen auf beinahe jeder Ausfallgetreidepflanze Blattläuse zu finden. Diese grünen Brücken sorgen dafür, dass auflaufende Neueinsaaten fast sofort von Blattläusen beflogen werden können. Abbildung 1 zeigt die aktuelle Flugaktivität der Getreideblattläuse im Vergleich zu den letzten Jahren. Bei warmen Temperaturen war bereits im September eine deutliche Flugaktivität zu erkennen, die beim Ausfallgetreide in Zwischenfrüchten als grüne Brücke Dr. Werner Monatswechsel zum Oktober mit fallenden Temperaturen leicht zurückgegangen ist. Gleichzeitig fanden sich bereits Anfang Oktober in Septembersaaten von Gerste oder Weizen, also im Ein- bis Zweiblattstadium des Getreides, hohe Besätze mit geflügelten Blattläusen. Daher sind umgehend alle Septembersaaten und auch frühe Oktobersaaten auf ihren Blattlausbesatz zu kontrollieren. Die Bekämpfungsschwelle liegt jetzt bei 10 % befallener Pflanzen, bei Auflaufterminen ab der zweiten Oktoberhälfte bei 20 %. Abb. 1: Dr. Krüssel
3 HOHES INFEKTIONSRISIKO DURCH GETREIDEVIREN IM HERBST 2016 Seite 3 von 5 Virusbefall im Ausfallgetreide Dass der Virusbesatz in diesem ernst zu nehmen ist, bestätigen auch die Daten in Tabelle 1. Gezeigt wird eine Auswertung des Pflanzenschutzamtes der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zum Virusbefall in Ausfallgetreide in den letzten sieben Jahren getrennt nach BYDV und WDV. Der Befall mit dem zikadenübertragbaren WDV liegt im 2016 bisher auf einem sehr niedrigen Niveau. Auf knapp 5 % der Schläge fanden sich WDV befallene Pflanzen, das Befallsniveau liegt 2016 bei unter 1 %. Besorgniserregend ist in 2016 dagegen der Befall des Ausfallgetreides mit dem Gelbverzwergungsvirus. In diesem wurde auf ca. 80 % der untersuchten Schläge BYDV nachgewiesen, die mit Abstand höchsten Werte im Vergleich der letzten sieben Jahre, im Schnitt waren über 12 % der Pflanzen befallen, den höchsten Befall zeigte ein Schlag im Landkreis Schaumburg mit 61 % befallener Ausfallgetreidepflanzen. In den Zwischenfrucht-, Ausfallgetreide- und Altgrasbeständen liegt aktuell also ein hohes Infektionspotential für die Getreideblattläuse vor, genauso können sich die Blattläuse in noch stehenden Maisbeständen infizieren und das Virus von dort in die Getreidebestände bringen. Tab. 1: Entwicklung des Virusbefalls in Ausfallgetreide in Niedersachsen * Untersuchte Schläge BYDV ** WDV Angabe der Spannweite in Klammern Quelle: Dr. Krüssel/Dr. Zahn - Pflanzenschutzamt
4 HOHES INFEKTIONSRISIKO DURCH GETREIDEVIREN IM HERBST 2016 Seite 4 von 5 Junge Getreidebestände regelmäßig kontrollieren Aus diesem Grund müssen alle Getreidebestände regelmäßig auf Blattläuse kontrolliert werden. Wird die aktuelle Schwelle von 10 % befallener Pflanzen überschritten, ist ein Insektizideinsatz ab dem 2 bis 3 Blattstadium des Getreides erforderlich. Die Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die im im Getreide gegen Blattläuse als Virusvektoren zugelassenen Insektizide, ihre Wirksamkeit und ihre Anwendungsauflagen. Es handelt sich hierbei ausschließlich um Mittel aus der Wirkstoffgruppe der Pyrethroide. Die weitere Entwicklung der Blattlauspopulationen hängt wesentlich von der Witterungssituation in den kommenden Wochen ab. Das aktuell kühlere Wetter wird den Blattlauszuflug bremsen, eine weitere Gutwetterphase könnte das Problem aber auch wieder verschärfen. Daher müssen alle Getreideschläge, vorrangig natürlich die September- und die frühen Oktobersaaten je nach Witterung bis in den November auf ihren Blattlausbesatz kontrolliert werden. Fazit Warme Witterung im August und September haben zu einem deutlichen Anstieg der Blattlauspopulationen geführt. In diesem ist die Gefährdung durch das blattlausübertragbare Gelbverzwergungsrisiko (BYDV) hoch, da im Ausfallgetreide als grüne Brücke bereits ein hohes Viruspotential vorhanden ist. Bei Überschreiten der Bekämpfungsschwelle sind ab dem Zwei- bis Dreiblattstadium des Getreides Bekämpfungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Anwendungsauflagen der Insektizide durchzuführen. Landwirtschaftskammer Niedersachsen Bezirksstelle Hannover Dr. Bernhard Werner Neben den in den Artikeln bzw. Tabellen genannten Präparaten mit einer deutschen Zulassung gibt es so genannte parallel gehandelte Pflanzenschutzmittel. Diese sind in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR zugelassen, stimmen mit einem in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmittel überein und sind als parallel gehandelte Pflanzenschutzmittel von der Zulassungsbehörde genehmigt. Eine Liste der verkehrsfähigen. Parallelimporte ist im Internetangebot des BVL verfügbar:
5 HOHES INFEKTIONSRISIKO DURCH GETREIDEVIREN IM HERBST 2016 Seite 5 von 5 Tab. 2: Getreideinsektizide ( 2016) gegen Blattläuse als Virusvektoren (Auswahl) Präparat Bulldock Cythrin 250 EC* Karate Zeon JAGUAR* (nur in WW, WG, WH) Shock Down* (nur in WW) TRAFO WG Lambda WG Kaiso Sorbie* Hunter* Decis forte* Wirkstoff g/l/kg beta-cyfluthrin 25 g/l Cypermethrin 250 g/l 50 g/l 50 g/kg 50 g/kg Deltamethrin Sumicidin Alpha EC Esfenvalerat 50 g/l MAVRIK tau-fluvalinat 240 g/l maximal zugelassene Aufwandmenge kg;l/ha max. Anzahl Anwendungen in der Kultur bzw. je Jahr Kosten ( /ha) 0,3 1 5 Anwendungstermin bzw. vor Blüte Formulierung Auflagen NW EC 605 Gewässerabstand (in m) / Abdriftminderung (in %) Auflagen NT Saumstrukturen Saumstrukturabstand (in m) / Abdriftmindering (in %) sonstige Auflagen / Kennzeichnungen Auflagen zum Bienenschutz 5 / / 90 B2 0,1 2 Sw/Wd EC / / 90 NW713 NW800 0, Sw/Wd CS / / 75 0, Sw/Wd CS / / 75 0,1 2 4 Sw/Wd EC 605 0, Sw/Wd WG , Sw/Wd EG B1 5 / / 75 B2 5 / / 75 5 / / 75 VV603 0, Sw/Wd EC / / 90 NG405 bzw. NW800 0, Sw/Wd EC / / 90 NW706 B2 0, Sw/Wd EW / / 50 B2 Blattläuse als Virusvektoren XX XXX XXX Cyperkill Max* Cypermethrin 500 g/l 0,05 2 Sw/Wd EC / / 90 B1 XX * = vorläufige Einstufung Sw/Wd = nach Erreichen von Schwellenwerten oder ab Warndienstaufruf
Abb.1: Große Getreideblattlaus, Überträger des Gerstengelbverzwergungsvirus
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