hr2wi Psychologische Schlüsselbegriffe 02 Würde sich selbst und andere achten hr2wissen Psychologische Schlüsselbegriffe
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- Mareke Kalb
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1 Hessischer Rundfunk hr2-kultur Redaktion: Volker Bernius hr2wissen Psychologische Schlüsselbegriffe 02 Würde sich selbst und andere achten $ linear PS 02 Würde 8'01 Monika Müller Heusch Von Lisa Laurenz Sendung: xy. xy. 2014, hr2-kultur O-Töne: Luise Reddemann, Psychotherapeutin / Traumaexpertin Peter Giese, Psychotherapeut (Hamburg), Leiter der Opferhilfe Hamburg Andrea Müller (anonym) hr2wi Copyright Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (z.b. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks. 1
2 hr2wi (Andrea Müller) 0`25 Es gibt Menschen, die sind sehr krank, leben sehr anders als andere Menschen und strahlen aber eine Würde aus. Da braucht man auch keine Angst zu haben, es ist klar, da rüttelt niemand dran. Die haben ein festes Selbst und können das gut auch nach außen vertreten. hr2wi (Peter Giese) 0`17 Würde hat mit Selbstbestimmung zu tun, so zu sein wie man ist. Angenommen zu werden von sich selber, aber auch von anderen. Das hat was mit Respekt zu tun, also ein achtsamer Umgang miteinander, auch mit sich selbst. Sich zu fragen, was die Würde fürs eigene Leben bedeutet, kann eine spannende Aufgabe sein. Sich der Würde zu nähern, ist jedoch nicht leicht, weil sie kaum fassbar ist. Und doch ist sie sichtbar. Ein Mensch, der Würde ausstrahlt, wirkt authentisch, aufrecht und in sich ruhend. Im täglichen Leben sind Menschen sich ihrer Würde oft gar nicht bewusst. Erst wenn diese verletzt wurde, die eigene oder die eines anderen, erinnern sie sich ihrer wieder, beobachtet die Psychotherapeutin Luise Reddemann: hr2wi (Luise Reddemann) 0`20 Ich glaube, dass meistens, wenn man sich verletzt fühlt, auch die Würde angetastet wird. Ich glaube, dass wir da ein ziemlich gutes Empfinden haben. Demütigungen, Mangel an Respekt, Autonomieverletzung, Beschämung bis hin zur Entwürdigung, das sind alles Dinge, die die Würde verletzen. hr2wi (Peter Giese) 0`23 Eine Verletzung der Würde erkennt man häufig daran, dass dem Menschen der Bezug zu sich selber weggefallen ist. Sie sehen sich nicht mehr als wertvoll, sie sehen sich auch selber als beschmutzt oder wertlos, auch nicht mehr als handlungsfähig, dass Menschen den Zugang zu ihren eigenen Fähigkeiten verlieren, das Gefühl haben, sie können nichts mehr und sind nichts mehr. Es ist tragisch, wenn ein Mensch das Gefühl für die eigene Würde verloren hat. Peter Giese weiß aus zahllosen Erfahrungen mit Klientinnen und Klienten, wie leicht das passieren kann. Er ist Psychotherapeut und Leiter der Opferhilfe, einer Beratungsstelle in Hamburg: hr2wi (Peter Giese) 0`31 Das Thema Würde kommt indirekt zur Sprache sehr oft über den Begriff der Scham, beschämt sein, Schamempfinden. Das ist etwas, was sehr oft 2
3 thematisiert wird. Es ist auch so, dass Opfern häufig Verantwortung zugeschoben wird, die sich entschuldigen, für das was ihnen passiert ist. Wo sie das Gefühl haben, sie sind mitverantwortlich für das was ihnen passiert ist, auch das ist etwas was beschämt. Da geht letztlich auch Würde verloren. In den großen Lehrbüchern der Psychotherapie taucht das Wort Würde bislang so gut wie nicht auf, bedauert Luise Reddemann. Es sei ein vergessener Wert, meint sie und weist auf die Bedeutung der Würde hin. Als Psychotherapeutin und Traumaexpertin befasst sie sich mit Menschen, die tiefe seelische Verletzungen erlitten haben. Es sei tragisch, sagt sie, dass Menschen, die entwürdigende Erfahrungen gemacht haben, häufig dazu neigen, sich auch noch selbst fertig zu machen und sich so den letzten Rest an Würde nehmen: hr2wi (Luise Reddemann) 0`18 Daher mein Ansatz, den Menschen zu sagen: ihr hab immer Würde, eigentlich kann euch die niemand wegnehmen. Ihr habt Würde, weil ihr existiert. Das reicht. Gebt sie euch, sprecht sie euch zu. Dieses für die eigene Würde eintreten, ist etwas ganz Wichtiges. Wir sprechen von der Würde des Alters, wir fordern würdiges Sterben, beklagen würde-lose Zustände, empfinden etwas als - unter unserer Würde. Auch wenn das Grundgesetz die Würde des Menschen als unantastbar verankert hat, ist niemand davor geschützt, in seiner Würde verletzt zu werden. Nicht nur durch andere, sondern auch durch Lebensereignisse, die häufig als entwürdigend empfunden werden. Eine schlimme Krankheit, Gebrechlichkeit im Alter, Arbeitslosigkeit, Verrat, Missbrauch oder Naturkatastrophen: hr2wi (Luise Reddemann) 0`25 Wir haben viele Dinge, die wir uns nicht genug bewusst machen. In Altersheimen zum Beispiel, alte Menschen, wie die zum Teil fließbandmäßig versorgt werden, kein freundliches Wort, schnell schnell, auch in Krankenhäusern ist das so zum Teil. Das sind alles entwürdigende Situationen. Auch dieses Hinnehmen von Arbeitsplatzvernichtung, das ist auch eine Entwürdigung. Luise Reddemann gehört zu denen, die sagen: der Mensch hat immer Würde, egal in welchem Zustand er sich befindet. Egal ob er arm, obdachlos, dement 3
4 oder heimatlos ist. Auch hier wohne die Würde: hinter der Fassade des hilflosen, aggressiven oder in sich zerrissenen Menschen. Luise Reddemann gehört zu denen, die bedauern, dass die Würde und die Rechte von Kindern in unserem Land immer weiter eingeschränkt und abgebaut werden: hr2wi (Luise Reddemann) 0`57 Ich finde es wichtig, dass man überall hinguckt, auch in der Pädagogik und im Umgang mit Kindern. Da gibt es inzwischen so viele für selbstverständlich gehaltene Umgangseisen mit Kindern, die eigentlich deren Würde nicht achten. Dass Kinder, damit sie wachsen können und sich entwickeln, Zuwendung brauchen, nicht nur materielle, sondern auch seelische. Dass man mit ihnen genügend viel spricht. Dass man die Verschiedenheit von Kindern in der Schule viel mehr achten müsste. Dass viele viele Kinder überhaupt nicht mehr die Möglichkeit haben, draußen zu spielen, zu toben usw. Und dass wir so viele Kinder haben, die unter der Armutsgrenze leben, das ist entwürdigend. Damit werden diese Kinder entwürdigt, deren Eltern entwürdigt und eigentlich entwürdigen wir uns auch selbst. Es sei wichtig, sich selbst immer wieder zu fragen: ist das, was ich gerade tue, mit der Würde des anderen und meiner eigenen Würde vereinbar? hr2wi (Luise Reddemann) 0`37 Da gibt es ganz viele Kleinigkeiten sowohl im Alltagsleben als auch im psychotherapeutischen Umgang mit Patienten. Dass man sich selbst nicht achtet, dass man sich selbst mit seinen Begrenzungen nicht respektiert, sich selber runtermacht, sich selber überhöht, sich wichtiger nimmt als man ist, das finde ich auch eine Würdeverletzung. Wenn man Macht missbraucht in Therapien. Dass man sich aufbläht und meint, die Dinge besser zu wissen als die Patienten. Damit verletzt man die eigene Würde und die des anderen auch. Würde ist ein Ergebnis von Erkenntnis und Selbsterkenntnis. Mit Würde durchs Leben zu gehen, kann heißen, sich mit sich selbst zu versöhnen, innere Ruhe zu kultivieren, nicht nach den Erwartungen anderer, sondern möglichst aus sich selbst heraus zu leben, zu entscheiden was für einen selber stimmig ist und was nicht: hr2wi (Peter Giese) 0`21 Würde wieder zu entdecken heißt z. B. auch, für sich selbst sorgen zu können, eigene Bedürfnisse manchmal überhaupt erst zu entdecken und sie dann vielleicht auch einzufordern bei anderen, zu schauen wie ich sie selbst befriedigen kann. Also eine Anerkennung von eigenen Wünschen. 4
5 hr2wi (Luise Reddemann 0`12 Es geht schon auch darum, sich selbst immer wieder einzusetzen für den Respekt vor der Würde. Dass wir den Mund aufmachen und nicht alles mit uns machen lassen, das gibt uns Würde. 5
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