Depressionstherapie aus der Sicht des niedergelassenen Psychiaters
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- Alwin Meinhardt
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1 Depressionstherapie aus der Sicht des niedergelassenen Psychiaters DGPPN - Hauptstadtsymposion zu Pro und Contra der Behandlung mit Antidepressiva 2.April 2008 Dr.Norbert Mönter Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse Berlin - Charlottenburg
2 Überblick 1. Depressionsbehandlung in der Psychiater- Praxis im Kontext Evidenz-basierter Medizin 2. QZ-Erfahrungen zur Depressionsbehandlung 3. Individualisierte Therapie 4. Alltag fachärztlicher Depressionsbehandlung 5. Über den (Psychiater-)Alltag hinaus
3 Behandlungsqualität und Behandlungserfolg eine besondere Korrelation
4 Franz Anton Mesmer Animalischer Magnetismus
5 Michael Balint Arzt und Biochemiker
6 Wirkfaktoren I Pharmakon Arzt (Balint) Soziale Kompetenz (incl. psychologisches Gespür und Überzeugungskraft) Fachliche Gebildetheit Erfahrung Qualität des eingesetzten Mittels
7 Wirkfaktoren II Biologische Response Psychologische Response Erwartung des Patienten (incl. Leidensdruck und Motivation) Compliance
8 Evidenz basierte Medizin EbM (n. David Sackett) EbM ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten. EbM beinhaltet die Integration - individueller klinischer Expertise (Erfahrung, Können, Urteilskraft) mit der - bestmöglichen externen Evidenz aus systematischer Forschung - und den Bedürfnissen des Patienten.
9 Qualitätssicherung in der Depressionsbehandlung - Was ist wichtig für niedergelassene Psychiater? Qualitätszirkel (reflektierender Austausch mit über hundert Jahren Behandlungserfahrung bei mehreren tausend Patienten) Leitlinien, Studien und ihre kritische Bewertung (RCT sind nicht alles! Versorgungsforschung anhaltend äußerst mangelhaft ) Verantwortung der Wissenschaftler Weitere Informationen: z.b. Unabhängige Informationsquellen, Information der Industrie
10 Qualitätszirkel - Erfahrungen I Menschen mit Depressionen sind unterschiedlich in - Herkunft, Sprache und Religion - aktuellen sozialen, kulturellen, familiären Kontexten - Alter, Geschlecht - materiellen und ideellen Ressourcen - Intelligenz, Persönlichkeit - Komorbidität, Dauer ihrer Erkrankung - Therapieerwartung Verlauf /Therapie einer Depression ist multifaktoriell determiniert Aber: Je schwerer die Depression, - desto monomorpher imponiert das klinische Bild und - desto markanter häufig der pharmakotherapeutische Effekt
11 Qualitätszirkel - Erfahrungen II Für die Wahl der Therapie ist der Schweregrad einer Depression als alleiniges Kriterium unzureichend Für die psychiatrische Praxis erweist sich die Dichotomie von Psychotherapie versus Pharmakotherapie als obsolet Basis jeder Behandlung: Zuhören, Beziehungaufbau, Ressourcenaktivierung, Aufklärung, Ermutigung, Situationsklärung, Weichenstellung für längerfristige Therapie... Auch watchful waiting ( Primum nil nocere ) in der Depressionsbehandlung ist therapeutisch Versorgungsschnittstelle Klinik Praxis anhaltend mangelhaft
12 Qualitätszirkel - Erfahrungen III SSRI (z.b.citalopram),ssnri (z.b. Venlafaxin), Alpha2- Adrenorezeptor-Antagonisten (z.b.mirtazapin) sind heute medikamentöser Therapie - Standard Tricyclika bleiben eine wichtige differentialtherapeutische Option Lithium hat ohne je beworben zu sein - einen festen Platz in der Depressionstherapie MAO-Hemmer (z.b.tranylcypromin) werden von einigen Psychiatern häufig, von anderen gar nicht angewandt SNRI ( Reboxetin) und neu - NDRI (Bupropion) gelten für die meisten Kollegen (noch?) als Reserve-Medikation Johanniskraut gilt den meisten Psychiatern als zu wenig potent
13 Qualitätszirkel - Erfahrungen IV Response und Non-response der depressiven Kernsymptomatik auf Antidepressiva sind noch immer nicht vorhersagbar Kombinationstherapien (z.b. mehrere AD plus Moodstabilizer plus Neuroleptika u.a.) werden ambulant selten akzeptiert, sind oft nicht hinreichend rational und daher streng zu prüfen! Anwendungskonzentrierung auf einige repräsentative Gruppensubstanzen ist wichtiger als Einsatz möglichst vieler AD Alle AD haben Nebenwirkungen, bedürfen aufmerksamer Beobachtung. Die neueren AD (SSRI etc) werden patientenseitig weniger belastend/einschränkend erlebt.
14 Individualisierung: biologische Ebene Individuelles klinisches Therapieziel z.b. Unruhe, Suizidalität, Angst, Schlafstörung, Gehemmtheit Individuelle Metabolisierung z.b. Tricyclica wie Amitriptylin Komorbidität z.b. Diabetes mellitus Nebenwirkung z.b. Sedierung, kardiovasculäre Komplikationen, Gewichtszunahme Komedikation Problem: Polypharmazie
15 Individualisierung: Biographische und Persönlichkeitsebene Erprobte/ erfahrene Lösungsstrategien - im allgemeinen z.b. abwägend - abwartende Haltung z.b. Handlungsorientierung z.b. familiärer Stil - im speziellen z.b. Vorerfahrungen in früheren Krankheitsphasen z.b. Orientierung an medikamentösen Hilfen z.b. Orientierung an Konzepten der Selbsthilfe z.b. Orientierung an psychotherapeutischen Hilfen
16 Individualisierung: Patientenwunsch/ Shared decision Optimale (nicht überfordernde) Aufklärung Gewichtung durch Arzt Gewichtung durch Patienten Gemeinsame Entscheidung
17 Psychiater-Alltag I Überlaufene Praxen, monatelange Wartezeiten Schwere Erkrankungen Steigende Fallzahlen (42 % von 1994 zu 2004) Sinkende Honorarbudgets, regional z.t. nur noch 30 bis 40 pro Quartal pro Patient Reduzierte Gesprächskontakte pro Quartal (10 Minuten pro Quartal)
18 Psychiater-Alltag II Regreß-Streß (Beträge bis /Jahr) In Berlin überschreitet knapp 40 % aller Nervenärzte und 32 % aller Psychiater die Arzneimittel- Richtgrößen regreß-relevant (2.Quartal 07) Konsequenz der unbefriedigenden Arbeitssituation: weitere Abwanderung (Psychotherapie, Neurologie u.a.) und mangelhafte Versorgung der Patienten
19 Über den (Psychiater-)Alltag hinaus: Hilfen zur Krankheitsbewältigung Unterstützendes Umfeld (Familie, Freunde, Kollegen) Arbeit Lebensführung, z.b. Sport, Ernährung Akzeptanz der Erkrankung; Akzeptanz notwendiger Zeit ( alles hat/ braucht seine Zeit ) Entwickeln einer eigenen Lebensphilosophie, Frage nach Sinn im Leiden, nach einer (verbleibenden) Aufgabe, ggf. nach Religion und Spiritualität
20 19.April 2008 Urania Berlin Veranstaltung des Vereins der Psychiatrie und seelische Gesundheit Seelische Erkrankung, Religion und Sinndeutung - Was hilft und was schadet?
21 Fazit I : Gegen die Vereinfachung Depression ist eine schwere, u.u. tödlich verlaufende, komplexe Erkrankung und weit mehr als nur eine Neurotransmitterstörung Depressionstherapie sollte individuell unter Berücksichtigung aller relevanten individuellen Faktoren und Optionen erfolgen Pharmakotherapie mit Antidepressiva ist sehr vielen Menschen mit einer Depression eine entscheidende Hilfe, auch wenn sie in nicht wenig anderen Fällen unbefriedigend bleibt
22 Fazit II Für Perspektiven: Gezieltere Einsatzmöglichkeit vorhandener Antidepressiva (biologische Prädiktoren für individuelle Response und Nebenwirkungen) Weiterentwicklung antidepressiver Pharmakotherapie Verbesserte Zusammenarbeit in der Versorgung Mehr Zeit in der Psychiaterpraxis für eine individualisierte Behandlung
23 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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