predigt am , zu 1. samuel 16,14-23 und bild: marc chagall, david mit der harfe

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1 predigt am , zu 1. samuel 16,14-23 und bild: marc chagall, david mit der harfe 1

2 14 der geist des herrn wich von saul und ein böser geist vom herrn ängstigte ihn. 15 da sprachen die grossen sauls zu ihm: siehe, ein böser geist von gott ängstigt dich. 16 unser herr befehle nun seinen knechten, die vor ihm stehen, dass sie einen mann suchen, der auf der harfe gut spielen kann, damit er mit seiner hand darauf spiele, wenn der böse geist gottes über dich kommt, und es besser mit dir werde. 17 da sprach saul zu seinen leuten: seht euch um nach einem mann, der des saitenspiels kundig ist, und bringt ihn zu mir. 18 da antwortete einer der jungen männer und sprach: ich habe gesehen einen sohn isais, des bethlehemiters, der ist des saitenspiels kundig, ein tapferer mann und tüchtig zum kampf, verständig in seinen reden und schön gestaltet, und der herr ist mit ihm. 19 da sandte saul boten zu isai und liess ihm sagen: sende zu mir deinen sohn david, der bei den schafen ist. 20 da nahm isai einen esel und brot und einen schlauch wein und ein ziegenböcklein und sandte es saul durch seinen sohn david. 21 so kam david zu saul und diente vor ihm. und saul gewann ihn sehr lieb und er wurde sein waffenträger. 22 und saul sandte zu isai und liess ihm sagen: lass david mir dienen, denn er hat gnade gefunden vor meinen augen. 23 sooft nun der böse geist von gott über saul kam, nahm david die harfe und spielte darauf mit seiner hand. so wurde es saul leichter und es ward besser mit ihm und der böse geist wich von ihm. liebe gemeinde, hören sie es? aus dem bild des jüdischen malers marc chagall hört man geradezu die musik herausklingen. dieses bild singt selber schon, auch ohne musik. 2

3 es sind die farben, die den klang erzeugen. es sind eigentlich ganz wenige farben, die dominieren, rot und orange und violett. aber wie bei chagall so oft, ist fast die ganze palette benutzt worden. in der reduzierten ein- oder dreifarbigkeit steckt die fülle der farben, die fülle des farbklangs, die fülle der musik. chagall hat david in diesem werk mit seiner harfe dargestellt, die er meisterhaft spielte. wobei es sich nicht wirklich um eine harfe in unserem heutigen verständnis handelt. das hebräische wort kinnor bezeichnet ein altorientalisches zupfinstrument, das mit der griechischen kithara (von daher wiederum kommt unser wort gitarre) verglichen werden kann und zu den leiern gezählt wird. der große galliläische see, in der deutschen bibel meist als see genezareth bezeichnet, heißt auf hebräisch jam kinnereth, also harfenmeer. das liegt an der form des sees, der eben wie eine kinnor aussieht. die bauform auf chagalls bild entspricht nicht der realität. die auf einem asymmetrischen klangholz montierten saiten ergeben ein instrument, das man als vorläufer der gitarre bezeichnen kann, zumal es in der antike so verbreitet war, wie die gitarre heute. david war offenbar der damalige eric clapton auf der harfe. behutsam hält er das instrument in den armen, sein blick ist nachdenklich, gedankenverloren, in sich versunken. 3

4 das gesicht leuchtet weiß. vielleicht das zeichen für die erleuchtung, die ihm von gott zuteil wurde. die gleiche weiße farbe findet sich in seinen händen wieder, vielleicht weil er das, was er mit herz und verstand erkannt hatte, auch ausführte. der violette hintergrund versinnbildet die gegenwart gottes, den eigentlichen könig und herrn über israel, deshalb ist auch die krone davids violett eingefärbt. davids herrschaft ist eine von gott eingesetzte, von ihm geschenkte herrschaft. chagall malt den könig nicht mit mittelalterlichen machtinsignien, mit zepter und schwert, sondern als musiker. ein musiker als herrscher, als könig, als staatspräsident. ein schauspieler hat das ja in amerika schon mal geschafft. aber eigentlich ist das undenkbar. ein musiker als bundekanzler oder präsident? nein, das geht nicht. in israel hat das vor 3000 jahren funktioniert. deshalb, weil herrschaft in israel von gott geliehene herrschaft war. auch in der demokratie ist herrschaft geliehen, nämlich vom volk. aber oft hat man den eindruck, dass die politiker das vergessen haben und ob das volk es noch weiß, ist auch nicht sicher. könig david hatte es chagall angetan. er hat ihn unzählige male gemalt, unendlich oft. 4

5 und chagall hat sich selber in david gesehen, sich in den bildern von ihm gespiegelt. nicht weil er sich als könig sah, sondern weil er sich mit der überaus ambivalenten gestalt davids identifizieren konnte. in der talmudischen literatur wird die frage gestellt, warum nicht der größte israelische könig david, die alles in der geschichte israels überragende, ja messianische gestalt david den tempel in jerusalem gebaut hat, sondern erst sein nachfolger und sohn salomo. die antwort, die von den rabbinen gegeben wird, lautet: weil er ein so großer sünder war, weil er getötet hat. als der prophet nathan ihn deswegen zur rede stellt, sagt david nur: mea culpa und gott antwortet: ego te absolvo. vergebung der sünden durch einen barmherzigen liebenden gott ist keine erfindung des neuen testaments, es ist tief verwurzelt im glauben israels. das unterscheidet david von seinem vorgänger saul. auch der war von gott berufen, aber gott entzieht ihm diese berufung wieder. auch saul sagt, ja, ich habe gesündigt. aber er fügt hinzu: weil das volk es so wollte. ich habe auf das gehört, was die leute wollten. er versucht sich herauszureden und die eigentliche schuld bei den anderen zu suchen. david lebte um das jahr 1000 v. chr. er war unbestritten der bedeutendste herrscher des jüdischen volkes. nicht nur politisch galt er als genie - er einte das nordreich israel und das südreich juda - sondern auch schriftstellerisch und 5

6 musikalisch. ihm werden ein großteil der psalmen zugeschrieben, jene gebete und lieder, die im ersten testament zu einem eigenen buch zusammengefasst sind und die heute noch in fast jedem gottesdienst erklingen, gesungen oder gesprochen und die nach wie vor eine unaufhörlich sprudelnde quelle der inspiration für künstler aller kunstgattungen sind. die kunst davids, seine musik, wird zur heilsamen kraft für den alten abgehalfterten, von einem bösen geist ergriffenen depressiven, gemütskranken könig saul. aber immerhin wusste er selbst etwas von der heilenden wirkung der musik, und er hatte weise berater, die diese einsicht mit ihm teilten: wenn den könig der böse geist, die schwermut, die depression, überfiel, sollte der klang einer kinnor, sollte die musik die dunkelheit aus seinem gemüt vertreiben und seine gedanken erhellen. so wurde es saul leichter und es ward besser mit ihm und der böse geist wich von ihm, heißt es fast lapidar in der bibel. musik kann zur therapie werden, wenn sie uns erfasst, in uns eingeht und sich in uns entfaltet. das ist heute eine anerkannte tatsache und war es damals schon. auch luther schätzte die musik hoch, wenn er schreibt: den ersten platz gebe ich der musik nach der theologie. das ergibt sich aus dem beispiel davids. und er fügt hinzu: ich lobe die fürsten bayerns deshalb, 6

7 weil sie die musik pflegen. bei uns sachsen werden waffen und bombarden gepredigt. lässt sich von der heilenden und nach luther auch frieden stiftenden kraft der musik auch etwas in der kirche spüren? es macht keinen sinn, über die erzählte biblische geschichte von saul und david so zu sprechen, als sei das eine story von damals. alles in der kunst ist gegenwart oder nicht der rede wert, sagt der geniale zeichner horst janssen. und william faulkner hat geschrieben: das vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen. die bibel erzählt von saul und david so, wie du erzählst von deinem mann oder deiner nachbarin. die bibel meint dich mit deinen träumen und deinem leid und mich mit meinen gaben und meiner traurigkeit. also ist die geschichte von david und saul eine, die heute hier in unserer kirche spielt. auch bei uns gibt es böse geister, die von uns besitz ergreifen, z.b. den geist der verzagtheit. wenn sich die frage einnistet, wie lange wird es die kirche noch geben, wie lange werden wir so noch als gemeinde da sein können? wenn diese frage zur lähmung führt und zur stagnation und nicht dazu, sich neu von gottes geist begeistern, inspirieren zu lassen für eine ganz neue art von kirche sein, dann hat dieser böse geist gewonnen. 7

8 musik kann diesen geist vertreiben, weil sie immer wieder neue ausdrucksformen in jeder kultur hervorbringt und nie zu ende geht. musik verbindet menschen miteinander, weil sie nie nur für sich da ist. sie inspiriert zu neuen ideen und zu einer verbindenden und verbindlichen gemeinschaft. musik macht den gottesdienst lebendig und lässt so neues leben in der gemeinde aus der gottesdienstgemeinschaft entstehen. begeisterung, lebendigkeit, gemeinsamkeit das ist es, was uns die musik schenkt. sie kann es, weil sie gottes wunderbare gabe ist. und weil sie gottes gabe ist, darum nutzt er sie, um zu uns zu kommen und uns zu heilen vom geist des pessimismus und der verzagtheit und uns neu zu inspirieren. 8