I I. 20 Insulintherapie. Merke Eigenschaften verschiedener Insulinpräparate
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- Ludo Hartmann
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1 20 Insulintherapie 20.1 Eigenschaften verschiedener Insulinpräparate NPH- Insulin (Neutral-Protamin-Hagedorn-Insulin), ein kristalliner Insulin-Protamin-Komplex. Protamin bewirkt eine mittellang verzögerte Resorption des s.c. injizierten Präparates über ca h; deshalb werden NPH-Insuline auch als Intermediärinsuline bezeichnet ( Tab. 20.1). Sie müssen ca. 20-mal gewendet und dann sofort injiziert werden, um ein optimales Suspensionsverhalten und damit auch Dosissicherheit zu erreichen. NPH-NI- Mischinsuline wirken erst ab 30 min, also SEA beachten. Das lang wirksame Insulinanalogon Insulin- Glargin (Lantus) führt nach Injektion ins Gewebe zu einem Mikropräzipitat mit Wirkverzögerung. Es ist mit Normalinsulin nicht mischbar. Das Insulinanalogon Detemir (Levemir) bindet an Albumin im Gewebe sowie in der Blutbahn. Es zeichnet sich deshalb durch eine sehr konstante Wirkrate aus. Alle Insuline enthalten Konservierungsstoffe. Dies verhindert eine bakterielle Kontamination und macht die Desinfektion der Haut überflüssig. Merke I I Sehr wichtig ist es, die Konzentration der Insulinpräparate: in der Regel stehen nur noch U-100-Insuline (Insulinkonzentration 100 IE/ml) zur Verfügung. Hien_Böhm TB.indd :20:57
2 98 Insulintherapie Tabelle Wirkcharakteristika einzelner Insulinpräparationen. Angaben basieren auf der Anwendung von 0,1 0,2 IU/ kg an Humaninsulin, s.c.-injektion im Abdomen; Insulinanalogon: unmittelbare präprandiale oder auch postprandiale Injektionen möglich; Normalinsulin: bei Normoglykämie unmittelbar präprandiale Injektion möglich. (Mod. nach Böhm et al. 2001a) Insulinpräparation Wirkungsbeginn [h] Wirkmaximum [h] Wirkungsdauer [h] Kurz wirksames Insulinanalogon 1/4 1/ Normalinsulin 1/2 I Intermediärinsulin (NPH) Lang wirksames Analoginsulin (Glargin, Detemir) (8) Physiologie der Insulinwirkung Insulin wirkt über Insulinrezeptoren an den insulinsensitiven Organen. Die Wirkdauer des exogenen Normalinsulins ist, abhängig von der Resorptionsgeschwindigkeit, 4 6 h. Die Insulinsekretion wird gefördert durch: BZ: Ein hoher Blutzucker stimuliert die Beta-Zellen. Nahrungsproteine gering. N. vagus: Die Aussicht auf Nahrung und die Motilität im oberen Gastrointestinaltrakt. n_böhm TB.indd :20:57
3 Insulintherapie 99 GLP-1: Glukagon: Das Glucagon-like-Peptid-1 ist das stärkste insulinotrope Hormon; GLP-1 wird nach Einnahme von Mahlzeiten von den L-Zellen sezerniert. Das Glukagon ist das Hungerhormon, es sorgt für die Glukoneogenese und die Mobilisation der Fettreserven. Trotzdem stimuliert es die Insulinsekretion direkt. Damit werden Glukoneogenese und Lipolyse nicht überschießend. Der Wirkungsweise des Insulins an den insulinsensitiven Organen Leber, Muskulatur und Fettgewebe steht die (geringe) Insulinunabhängige an allen anderen Organsystemen, wie Gehirn, Niere, Gefäße, Nervenzellen, Blutzellen, Endothelien gegenüber. Sie nehmen Glukose unabhängig vom Insulin auf. Wirkungen des Insulins In der Leber: Glukoseaufnahme, Glykogensynthese, Eiweiß-, Funktionsprotein- und Enzymsynthese Glykolyse Im Fettgewebe: Glukose-, Fetttaufnahme und Fettsynthese In der Muskulatur: Glukoseaufnahme, Glykogensynthese, Proteinsynthese Glykolyse Im Pankreas: Hemmung der Glukagonsekretion und -produktion mit konsekutiver Hemmung der Lipolyse, Glukoneogenese, Glykogenolyse, Proteolyse Insulinmangel führt zur ungehemmten Glukagonämie. Hien_Böhm TB.indd :20:58
4 100 Insulintherapie Bei Nahrungskarenz produziert die Leber Glukose, der Hauptwirkort des Insulins ist die Leber. Bei gesunden Menschen werden pro Tag in etwa 46 IE Insulin produziert und sezerniert. 1 IE/h entfällt auf die Basissekretion an Insulin. (Der D. m.-1-pat. braucht 0,5 bis 1,0 IE/kgKG/Tag). Merke I I Bei Sport oder langer Nahrungskarenz ist es nur 1/2 IE/h. Pro Berechnungseinheit, die gegessen wird, braucht man physiologischerweise in etwa 1 1,5 IE Insulin Insulinwirkung bei s.c.-injektion Die s.c.-injektion ist unphysiologisch, nur etwa 10% erreichen die Leber im ersten Durchlauf. Die subkutane Resorptionsgeschwindigkeit hängt ab von: Injektionsort: Abdomen rascheste Resorption, Wirkbeginn nach ca. 15 min Oberschenkel Wirkbeginn nach ca min Temperatur z. B. heißes Bad sehr schnelle Resorption. z. B. Winter, Kälte verzögerte Resorption Massage: am Injektionsort Resorptionsgeschwindigkeit nimmt zu Kreislauf Zentralisation Nach s.c.-injektion z. T. keine Resorption Muskelarbeit: Schnellere Resorption. n_böhm TB.indd :20:58
5 Insulintherapie 101 i.m.-injektion: Resorptionsgeschwindigkeit verdoppelt sich. Insulin Glargin wirkt i.m. nahezu wie ein Normalinsulin. Wirkspiegel und Wirkdauer Bei s.c.-injektion hoher Dosen ist die Wirkdauer länger. So kann die subkutane Injektion von z. B. 16 IE Normalinsulin über 8 12 h wirken ( Abb. 20.1) Konventionelle Insulintherapie Die CT erfolgt meist mit Normal-/ NPH-Insulin im Mischverhältnis 30/70 oder 50/50. Morgendosis etwa 2/3, Abenddosis etwa 1/3 der Gesamtdosis ( Abb. 20.1b). Nachteile Häufiges Essen: Starres Schema: Oft Gewichtszunahme: Hyper- und Hypoglykämie Vorteile Einfache Handhabung: Wenig Blutzuckerkontrollen: 5- bis 7-mal Essen/Tag, um eine Hypoglykämie zu vermeiden. Essensunregelmäßigkeiten, Sport kaum möglich. hohe Insulinspiegel plus häufiges Essen. kaum Dosisanpassung möglich. für Patient, die Pflegenden oder Angehörigen. 1- bis 3-mal 3 BZ-Werte/ Woche. Hien_Böhm TB.indd :20:58
6 102 Insulintherapie n_böhm TB.indd :20:58
7 Insulintherapie 103 Abb a Physiologische Insulinspiegel bei normaler Pankreasfunktion; b Insulinspiegel unter Therapie mit NPH- Mischinsulinen, z. B. Mischung Normal/NPH 30/70. Eine konventionelle Insulintherapie mit 2/3 der Dosis am Morgen und 1/3 abends. NI Normalinsulin, ZM Zwischenmahlzeit, SpM Spätmahlzeit; c Insulinspiegel unter Therapie mit Normalinsulin. Eine intensivierte Insulintherapie mit einem NPH-Basisinsulin und einem Normalinsulin, dosiert nach den zu essenden Kohlenhydraten (BE) Hien_Böhm TB.indd :20:58
8 104 Insulintherapie Die konventionelle Insulintherapie ist eine Domäne der Therapie des älteren insulinbedürftigen Typ-2-Diabetikers, wenn z. B. eine normnahe Blutzuckereinstellung nicht mehr das primäre Therapieziel ist. Indikationen Typ-1-Diabetiker: Typ-2-Diabetiker: z. B. bei Demenz, hohem Alter, Pflegebedürftigkeit. perioperativ oder in anderen Belastungssituationen vorübergehend. im Rahmen einer Kombinationstherapie OAD/Insulin. eine intensivierte Insulintherapie nicht sinnvoll ist (s. oben). Passager, zur Durchbrechung einer Insulinresistenz. Der Spritz-Ess-Abstand ist länger als bei der Verwendung von reinem Normalinsulin. Bei einem präprandialen BZ <145 mg/ dl [8,0 mmol/l] liegt der Spritz-Ess-Abstand bei min, >145 mg/dl [8,0 mmol/l] kann er bei min liegen, um eine ausreichende Insulinanflutung zum Essen zu gewährleisten. Biphasische Insuline, die sich aus NPH-gebundenem und freiem Analoginsulin zusammensetzen, zeigen auch weiterhin das typischerweise schnelle Anfluten des Analoginsulins, das bei den Zeitvorgaben zum Spritz-Ess-Abstand berücksichtigt werden muss. Merke I I Bei älteren Menschen und Analoginsulin ist die postprandiale Injektion zu erwägen, um Hypoglykämien zu vermeiden. n_böhm TB.indd :20:58
9 Insulintherapie 105 Insulin Abb Insulinspiegel unter einer konventionellen Insulintherapie, z. B. mit Normal/NPH-50/50-Insulin Morgendliche Hyperglykämien sind meist auf die Phase der geringsten Insulinsensitivität zwischen 3.00 und 6.00 Uhr zurückzuführen. Nächtliche Hypoglykämien treten wegen der maximalen Insulinsensitivität zwischen 0.00 und 3.00 Uhr auf ( Abb. 20.2). Die Dosierung beginnt beim D. m. Typ 2 einschleichend, da meist noch eine Restsekretion vorliegt. Eine partielle Insulinsubstitution ist für Typ-2-Diabetiker in der Regel über Jahre ausreichend. Die Wirksamkeit der oralen Antidiabetika wird beim Typ-2-Diabetiker im Rahmen der Kombinationstherapie zusätzlich genutzt ( Kap. 20.7). Beginn einer CT beim Typ-2-Patienten Im Beispiel wäre die Initialdosis 70 kg KG 0,5=35 IE Insulin Tagesdosis. Der typische ältere Patient für diese Therapie ist körperlich nicht sehr aktiv. Altersbedingt ist der Energiebedarf um ca. 1/3 reduziert. Bei 70 kg KG errechnen sich etwa 1400 kcal/tag, entsprechend ca BE. Bei adäquater Ernährung werden pro BE insgesamt ca. 100 kcal aufgenommen. Also werden initial BE über den Tag verteilt und mit einem 30/70iger- Mischinsulin 22 IE morgens und 12 IE vor Hien_Böhm TB.indd :20:59
10 106 Insulintherapie dem Abendessen, abgedeckt. In der Klinik passt man die Insulindosis in 10%-Schritten alle 2 3 Tage an. Eine bedarfsgerechte Insulinsubstitution ist mit der konventionellen Insulintherapie kaum möglich. Typ-2-Diabetiker substituieren ihr Insulin besser mit der supplementären bzw. komplementären intensivierten Insulintherapie, Typ-1-Diabetiker mit der intensivierten Insulintherapie Intensivierte Insulintherapie Die intensivierte Insulintherapie (ICT, Synonyme: funktionelle, intensivierte konventionelle oder Basis-Bolus-Insulintherapie Abb. 20.3) orientiert sich an der physiologischen Insulinsekretion. Die ICT ist der Pumpenbehandlung fast ebenbürtig und der konventionellen Insulintherapie eindeutig überlegen. Vorteile Bestmögliche BZ-Einstellung: Selbstkontrollen, Selbstdosierung. Flexibler Tagesablauf, variabel: Mahlzeiten, sportliche Aktivitäten und Tag/Nacht- Rhythmus. Weniger Folgeerkrankungen: Risiko um ca %. Indikationen Typ-1-Diabetiker: Schwangere Diabetikerinnen: Gestationsdiabetes: Typ-2-Diabetiker: Dekompensierter Typ-2-Diabetes: Nahezu immer. Stets. Zunächst nur zu den Mahlzeiten, dann ggf. ICT. Typ-2-Diabetiker mit erschöpfter Eigenproduktion. Passager bei Operation, Traumata, Kortisontherapie u. a. n_böhm TB.indd :20:59
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