Beitrag: Vergessene Soldaten Politik lässt Veteranen im Stich

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1 Manuskript Beitrag: Vergessene Soldaten Politik lässt Veteranen im Stich Sendung vom 24. Februar 2015 von Marc Lindemann Anmoderation: Deutsche Verteidigungsminister weigerten sich lange, das Wort Krieg überhaupt in den Mund zu nehmen, wenn sie Soldaten an die Front schickten. So war der Bundeswehr-Einsatz im Kosovo eine Friedensmission, das Schlachtfeld Afghanistan ein Krisengebiet. Auch wollten die Verteidigungsminister lange nicht hinsehen, wenn Soldaten als seelisch verwundete Kriegsversehrte heim kamen. Und sogar im Frieden den Krieg in ihren Köpfen nicht mehr loswurden. Inzwischen leugnen sie Krieg und Verantwortung nicht mehr, denn immer mehr Soldaten erkranken an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Staatliche Hilfe lässt aber trotzdem auf sich warten. Marc Lindemann über Veteranen und ihren letzten Kampf um Anerkennung. Text: Ein Wald im westlichen Niedersachsen. Hierhin zieht sich Dana Theers zurück, wenn ihre Kraft nachlässt. Und das passiert fast täglich. Also, das ist ja für mich hier eine Art Schutzzone. Das ist so mein Schutzwall, den ich mir hier aufgebaut habe. Zum Beispiel, ich kann hier atmen, ich kann hier denken und ich komme hier zur Ruhe. Was für andere versehrte Soldaten sowas wie Medikamente, Arznei ist, ist für mich das hier: die Ruhe. Dana Theers ist 44 Jahre alt und leidet an PTBS einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Begonnen hat das während ihres Einsatzes mit der Bundeswehr im Kosovo. 14 Jahre liegt das nun zurück. Dana Theers ist heute zu 100 Prozent schwerbehindert. Sie lebt in selbstgewählter Isolation.

2 Ich habe komplett meine Telefonnummern geändert, ich habe auch kein Auto, weil ich, wenn ich Autofahren würde, auch noch unter Selbstmordgedanken stehe, immer noch. Ich habe den Freundeskreis um einiges reduziert, sodass ich auch in Ruhe gelassen werde. Ich habe zum Beispiel auch kein Internet. Nicht, weil ich das nicht gerne möchte, sondern einfach um meine Ruhe zu haben. Sie war Soldatin aus Leidenschaft. Meldet sich freiwillig für den Kosovo-Einsatz. Dana Theers will Deutschland dienen und als Sanitäterin ihre Kameraden unterstützen. Die Erinnerungsfotos zeigen Bilder einer fröhlichen jungen Frau. Juni Beginn der Friedensmission deutscher Truppen im Kosovo. Dann der Tag, der das Leben von Dana Theers für immer verändern sollte. Also, ich war gerade bei meiner Arbeit und dann kam halt da irgendein Alarm. Das hieß aber nicht Alarm, das hieß dann auch Üb-Alarm. Sodass wir davon ausgegangen sind, dass das nur eine Übung ist. Und dann haben wir uns vorne getroffen an der Notfallaufnahme, alle zusammen, und dann auf einmal kamen tatsächlich Minenverletzte rein. Also, der Hubschrauber landete halt und dann sind die zwei Kameraden, die jeweils zwei auf der Trage lagen, sind dann vorgeschoben worden, zum Notfalleingang. Und da, ich erinnere mich nur, ich stand ungefähr ein, zwei Meter vor diesen Tragen und da habe ich halt nur gesehen, wie das Blut runtertropfte und der eine röchelte halt. So habe ich das halt wahrgenommen und in dem Moment ist auch so gefühlt, war auch alles still in dem Moment und dann Die seelische Verwundung hat ihr Leben damals zerstört. Ihr Kosovo-Einsatz endet Für ihre Kriegsopferrente musste sie über acht Jahre kämpfen. Der sogenannte Friedenseinsatz wird schnell zum Kriegseinsatz - mit allen Konsequenzen. Die Gefahren für die deutschen Soldaten sind allgegenwärtig. Heckenschützen, Flüchtlingselend, Lynchjustiz unter den verfeindeten Volksgruppen. Viele Bundeswehrsoldaten erleiden posttraumatische Belastungsstörungen. Bis heute gab es über 1600 Behandlungsfälle. Die Dunkelziffer liegt weitaus höher. O-Ton Marco Seliger, Journalist und Militär-Experte: Wenn dann so etwas passiert, dass eigene Kameraden auf eine Mine treten, die explodiert, teilweise Gliedmaßen abreißt, und als Soldat sieht man das, das ist natürlich

3 traumatisierend. Zumal viele Soldaten auf solche Ereignisse überhaupt nicht vorbereitet waren. Im Kosovo kam ja noch etwas dazu, wie auch in Bosnien, und zwar waren das die Massengräber, die teilweise ja unter Anwesenheit von deutschen Soldaten ausgehoben worden sind und dann auch begutachtet werden mussten, bewacht werden mussten. Als Dana Theers nach ihrer Verpflichtungszeit aus der Bundeswehr ausscheidet, steht sie ohne medizinische und finanzielle Hilfe der Bundeswehr da. Denn für die ehemaligen Soldaten ist das Verteidigungsministerium nicht mehr zuständig. Dadurch dass die Betreuung nicht da war, hat das in meiner Verschlimmerung der Krankheit noch einen oben draufgesetzt. Also, es hat sich um einiges, bei weitem verschlimmert. Massiv, ja. Auch die Versorgungsgesetze sind lückenhaft. Denn nur für Soldaten, die nach dem 1. Dezember 2002 im Einsatz verwundet wurden, gibt es bisher eine Einmalzahlung von Euro. Kritiker fordern, dass dies für alle kriegsversehrten Veteranen gelten soll. O-Ton Agnieszka Brugger, B 90/Grüne, MdB, Obfrau Verteidigungsausschuss: Natürlich gibt es auch Soldatinnen und Soldaten, die vor diesem Stichtag im Einsatz waren und dort auch geschädigt wurden. Und ich finde, man kann es doch niemandem erklären, dass man unterschiedlich behandelt wird, unterschiedliche Entschädigungszahlungen beispielsweise erhält, nur weil man vor einem bestimmten Stichtag etwas erlitten hat. Auf Druck des Parlaments handelt die Bundesregierung nun endlich. Ende des Monats soll der Stichtag zurückdatiert werden - auf den Ein überfälliger Schritt. Doch viele traumatisierte Soldaten kritisieren die ohnehin schleppende Bürokratie des Verteidigungsministeriums. Oberstabsfeldwebel Jan Johmann hat drei Einsätze in Afghanistan hinter sich, verlor in Kunduz vier seiner Soldaten. Er brachte die Gefallenen in die Heimat zurück, übergab die Särge den Familien brach er psychisch zusammen. Jan Johmann stellte einen Antrag auf Wehrdienstbeschädigung, seitdem ist er vom Dienst freigestellt. O-Ton Jan Johmann, Oberstabsfeldwebel, Afghanistan- Veteran: Meine Antragsstellung auf Wehrdienstbeschädigungsverfahren war im Februar Seit Februar 2012 habe ich

4 bis jetzt noch keinen abschließenden oder annähernd abschließenden Bescheid erhalten, außer mehrere Schriftstücke, dass ich mehr Geduld aufbringen muss, um, ja, denen die Zeit zu geben, die notwendig ist, um dieses Verfahren eben halt zu bearbeiten. An dieser Praxis hat sich bis heute offenbar wenig geändert. Viele seelisch verwundete Soldaten sind gezwungen Anwälte zu bezahlen, um überhaupt die notwendige Hilfe und Unterstützung vom Staat zu erstreiten. O-Ton Arnd Steinmeyer, Rechtsanwalt, Spezialist für Wehrrecht: Der Dienstherr kommt seiner Fürsorgepflicht da nicht ausreichend nach und wenn die Bundeswehr der attraktivste Arbeitgeber werden will, dann ist das meines Erachtens die erste Visitenkarte, die er ausstellen müsste. Denn die Einsätze finden statt, die Einsätze sollen vermehrt stattfinden. Und da ist eigentlich das erste, was der Dienstherr abbilden müsste, dass wenn irgendwas passiert mit den Soldaten in den Einsätzen, dass sie sich sicher sein können, dass sie vernünftig versorgt sind. Oberstabsfeldwebel Johmann hat Deutschland 25 Jahre treu gedient. Er hat in Afghanistan sein Leben riskiert und seine Gesundheit verloren. Sinnvolle Hilfe von seinem Dienstherrn, bisher Fehlanzeige. O-Ton Jan Johmann, Oberstabsfeldwebel, Afghanistan- Veteran: Wenn Sie drei Jahre irgendwo zu Hause sitzen und keiner Sie mehr beachtet und mehr oder weniger sie in Vergessenheit geraten. Wenn das alles, was man gemacht hat, dann auf einmal nichts mehr zählt, nur weil man eben halt krank geworden ist, durch den Einsatz, dann verlieren Sie halt irgendwann mal auch den Glauben und die Hoffnung, dass es eben Ihnen halt mal wieder besser geht. Deutschland will und soll künftig noch mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Die Zahl der Militäreinsätze wird steigen mit weitreichenden Konsequenzen. O-Ton Marco Seliger, Journalist und Militär-Experte: Wenn man jetzt die Zahlen der traumatisierten Veteranen aus dem Balkan nimmt und sie nach Afghanistan überträgt, wird sein, wir werden in einigen Jahren, eine noch viel höhere Anzahl an traumatisierten Soldaten, an PTBS erkrankten Soldaten, aus Afghanistan haben. Wer seine Soldaten in den Krieg schickt, der sollte sich auch um die Folgen kümmern.

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