Aktuelles zur Arbeitsstättenverordnung und zur Betriebssicherheitsverordnung Muss der betriebliche Arbeitsschutz jetzt neu organisiert werden?

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1 Aktuelles zur Arbeitsstättenverordnung und zur Betriebssicherheitsverordnung Muss der betriebliche Arbeitsschutz jetzt neu organisiert werden? Dipl.-Ing. Wolfgang Strampe Franki Grundbau GmbH & Co KG, Seevetal Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) Mit dem Inkrafttreten der Betriebssicherheitsverordnung hat sich die Baupraxis an eine Art der Vermittlung von staatlichen Arbeitsschutzvorschriften zu gewöhnen, die eine liebgewordenen Form der Information über Vorschriften, wie sie z.b. mit dem Berufsgenossenschaftlichen Regelwerk bekannt war, nach und nach ablöst. Erstmaliges bewusstes Umdenken wurde den Beteiligten durch die Forderung einer Beurteilung der Arbeitsbedingungen im Arbeitsschutzgesetz abverlangt. Die für den Arbeitsschutz Verantwortlichen erhielten mit der Gefährdungsermittlung ein Instrument in die Hand gegeben, das im Konzert der Schutzmaßnahmen ohne Misstöne zu erzeugen, d.h. richtig zu spielen war. Noch haben nicht alle Akteure im Arbeitsschutz den richtigen Ton gefunden. Es muss nach wie vor noch geübt werden, die Fortsetzung der Unterstützung eines Musiklehrers, falls möglich aus den Reihen der BG, hat sich hierbei als sehr hilfreich erwiesen. Auch die Betriebssicherheitsverordnung hat mit 3 BetrSichV die Gefährdungsermittlung zu einem bestimmenden Element gemacht. Statt der bislang üblichen Arbeitsmittel bezogenen Formulierung in den Vorschriften sind die vom Unternehmer zu treffenden Arbeitsschutzmaßnahmen nunmehr nach den aus den Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) zu entnehmenden Vorschlägen auszurichten. Grundlage dafür bilden die vom ihm zuvor ermittelten möglichen Gefährdungen. Ziel ist es, den Arbeitnehmern nur Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen, die der Verordnung entsprechen und so Gefährdungen zu vermeiden, bzw. diese soweit als möglich zu minimieren. Der Unternehmer erhält aber gleichzeitig die Möglichkeit, Schutzmaßnahmen den individuellen Anforderungen z.b. einer Spezialtiefbau Baustelle anzupassen um sie somit auch zu optimieren. Zu den anzuwendenden geeigneten Maßnahmen macht die Verordnung nur noch beispielhafte Angaben. Wie zu erwarten, sind diese nicht in jedem Fall uneingeschränkt praxistauglich. Um einer Verunsicherung der Praxis frühzeitig zu begegnen, bedarf es für die rechtssichere Umsetzung der Vorgaben der Betriebssicherheitsverordnung einer Übersetzung in Form von ergänzenden Aussagen, in diesem Fall von Technischen Regeln. Die Verordnung hat als ein entsprechendes Instrument für die Erstellung dieses Regelwerkes in 24 BetrSichV den Ausschuß für Betriebssicherheit vorgesehen. Seine Aufgabe ist es: Regeln zu ermitteln, die dem Stand der Technik entsprechen und Regeln zu ermitteln, wie die in dieser Verordnung gestellten Anforderungen erfüllt werden können. Es liegt dann im Ermessen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) diese, vom Ausschuß ermittelten und vorgeschlagenen 1 Seite von 6

2 Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) durch Veröffentlichung im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBI), herausgegeben vom Bundesministeriums des Inneren, in Kraft zu setzen. Die bislang bekannt gemachten Technischen Regeln für Betriebssicherheit sind auf der BAuA-Website unter ( Betriebssicherheit/TRBS/TRBS.html nnn=true). bar. abruf- Orientiert sich der Unternehmer an den in den Regeln genannten Beispielen, lösen sie eine Vermutungswirkung aus. Folglich kann er davon ausgehen, die Anforderungen der BetrSichV zu erfüllen. Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, davon abzuweichen. Entschließt er sich dazu, muss er dies jedoch schriftlich begründen. Jeder TRBS ist mit den Vorbemerkungen ein entsprechender Hinweis auf diese Möglichkeit vorangestellt: Das vorgesehene Regelwerk gliedert sich mit einer Ausnahmen nach folgenden möglichen Gefährdungen: Kategorie / Regeltitel TRBS Status Allgemeines und Grundlagen 1000er veröffentlicht (1001, 1002) Methodisches Vorgehen 1100er z.b bis1159 Zum Teil veröffentlicht, in Vorbereitung Prüfungen Erfassung und Behandlung von Unfällen und Schadensfällen Gefährdungsbezogene Regeln Allgemeine Gefährdungen Gefährdungen durch Wechselwirkungen Tätigkeitsbezogene und sonstige Gefährdungen Arbeitsmittel bzw. Anlagen bezogene Regeln Ortsbewegliche Druckgeräte Füllen, Lagern, Bereithalten, innerbetrieblicher Transport und Entleeren 1200er z.b.1201 bis er 2000er 2100er z.b bis er z.b er 3000er Zum Teil veröffentlicht, in Vorbereitung In Vorbereitung Zum Teil veröffentlicht, in Vorbereitung Veröffentlicht In Planung 3145 Verabschiedet, noch nicht veröffentlicht Am Beispiel des Einsatzes einer Spezialtiefbaumaschine zur Herstellung von Verdrängungsbohrpfählen werden die nach BetrSichV zu beachtenden Vorschriften beispielhaft genannt. Hier könnte, sofern gewünscht, dass Foto der beigefügten Folie eingefügt werden 2 Seite von 6

3 Zu berücksichtigen für den sicheren Betrieb des Arbeitsmittels sind z.b. die TRBS 1111 Gefährdungsermittlung TRBS 1201 Prüfung von Arbeitsmittel und. TRBS 1203 Befähigte Personen Allgemeine Anforderungen TRBS 2111 Mechanische Gefährdungen- Allgemeine Anforderungen sowie Teil 4 TRBS 2121 Gefährdung von Personen durch Absturz Allgemeine Anforderungen sowie Teil 4 TRBS 2131 Elektrische Gefährdungen Für eine schlüssige Beurteilung der zutreffenden Maßnahmen ist es für den Unternehmer bzw. seinen Bauleiter und Aufsichtführenden unabdingbar, sich mit Inhalten der v.g. Regeln vertraut zu machen. Ohne sich mit den neuen Strukturen der Regeln und der ausschließlich beispielhaften genannten Maßnahmen beschäftigt zu haben, wird man sicherlich nicht in der TRBS 2111 unter dem Titel Mechanische Gefährdungen Hinweise für die Transportsicherung des v.g. Arbeitsmittels (Bohrgerät) vermuten. Man wird überrascht sein, in einer technischen Regel Hinweise zur Ermittlung des Bedarfs für Aus- und Fortbildung, zur Unterweisung für Tätigkeiten mit mobilen Arbeitsmitteln, zur Erstellung von Betriebsanweisungen und zur Durchführung regelmäßiger Unterweisungen zu finden. Ein weiteres wichtiges Element für den Unternehmer stellt der ebenfalls in der TRBS 2111, Teil 4 aufgenommene Hinweis bzgl. Organisatorischer Maßnahmen zum Schutz vor Gefährdungen durch mobile Arbeitsmittel dar, der von ihm vorzunehmenden Festlegungen zur Qualifikation für Maschinen-, Fahrzeugführer und Bediener enthält. Als gewöhnungsbedürftig wird es empfunden, die bisherigen Aussagen zum sicheren Einsatz einer Arbeitsplattform am Bohrgerät zukünftig in der TRBS 2121, Gefährdungen von Personen durch Absturz nachlesen zu müssen. Der Einsatz einer nicht geführten Arbeitsplattform zählt nach BetrSichV zukünftig zu Tätigkeiten unter dem sehr voluminösen Titel der TRBS 2121, Teil 4: Bereitstellung und Benutzung von Zugangs- und Positionierungsverfahren unter Verwendung von nicht für das Heben von Personen vorgesehenen Arbeitsmitteln Es ist seitens der Anwender nur zu begrüßen, wenn sie auch zukünftig das Fachwissen des Technischen Aufsichtsdienstes der Berufsgenossenschaft nutzen können, auch wenn die Art und Weise möglicher und hilfreicher Veröffentlichungen von Regelungsinhalten durch den Vorrang des staatlichen Rechtes eingeschränkt ist. Als positiven Beitrag zum Verständnis eines Teiles der Betriebssicherheitsverordnung sei hier beispielhaft die Berufsgenossenschaftliche Information (BGI 663) genannt. Handlungsanleitung für den Umgang mit Arbeits- und Schutzgerüsten 3 Seite von 6

4 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) Mit Erlass der neuen Arbeitsstättenverordnung wurde auch hier eine Anpassung an die zukünftige Struktur von Arbeitsschutzvorschriften vorgenommen. Der vom Umfang her erheblich reduzierte Verordnungstext nennt im Vorschriftenteil ausschließlich Schutzziele und allgemeine Anforderungen für das Errichten und Betreiben von Arbeitsstätten. Konkrete Anforderungen der alten ArbStättV befinden sich jetzt im Anhang zur Verordnung, jedoch ohne Maßangaben. Wie bei der Betriebssicherheitsverordnung löst die Einhaltung der genannten Maßnahmen eine Vermutungswirkung aus. Auch diese Verordnung erfährt eine Konkretisierung durch Arbeitsstätten - Regeln, die von einem in der Verordnung unter 7 ArbStättV genannten Ausschuß erarbeitet werden. Er hat die Aufgabe: Regeln zur Erfüllung der Anforderungen in der Verordnung zu erarbeiten das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes beim Errichten und Betreiben von Arbeitsstätten zu beraten Regeln können vom BMAS bekannt gemacht werden. Die Betonung liegt auf dem Wort können. Es eröffnet dem BMAS die Möglichkeit, dem Vorschlag des Arbeits- Stätten-Ausschusses (ASTA) nicht zu folgen. Die bisher geläufige Abkürzung ASR für Arbeits-Stätten-Richtlinien hat man beibehalten. Sie stehen jetzt allerdings für die Abkürzung Arbeits-Stätten-Regel. Mit einer Gliederung in drei Bereiche erfolgt eine inhaltliche Zuordnung. Sie macht mit dem nach der Abkürzung ASR eingefügten Buchstaben deutlich, welcher Teil der Verordnung von dieser Regel betroffen ist. ASRG behandelt Grundsätzliches ASRV bezieht sich auf Inhalte der Verordnung ASRA bezieht sich auf Inhalte des Anhangs Die den Buchstaben nachfolgende Nummerierung der Regel orientiert sich an dem Paragrafen der Verordnung, bzw. der Ziffer des Anhangs, für die mit der Regel die Konkretisierung erfolgt. Die Verordnung, folglich auch die ASR, gilt für Beschäftigte beim Errichten und Betrieben von Arbeitsstätten und somit grundsätzlich auch für Arbeiten im Freien und auf Baustellen. Sie macht lediglich in 6 ArbstättV konkrete Angaben zu den auf Baustellen vorgesehenen Unterkünften und hat im Anhang Ziffer 5.2 zusätzliche Anforderungen an Baustellen formuliert. Das hat zur Folge, dass Inhalte der originären ASR, i.d.r. ausgelegt für stationäre Arbeitsstätten, auch auf Baustellen Anwendung finden müssten. Eine derartige Umsetzung ist unrealistisch. Baustellen mit ihren oft kurzfristig wechselnden Arbeitstätten passen nicht in das starre Schema für stationäre Arbeitsstätten. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen und dennoch die Forderungen der Verordnung zu erfüllen, hat der ASTA eine Arbeitsgruppe eingerichtet, deren Aufgabe darin besteht, die zum Beschluss vorgeschlagenen Arbeitstätten-Regeln auf ihre Anwendungstauglichkeit auch auf Baustellen zu prüfen. Stellt die Arbeitsgruppe (AG) Baustellen dabei fest, dass Ergänzungs- oder Änderungsbedarf bzgl. baustellenspezifischer Belange besteht, schlägt sie der jeweiligen Facharbeitsgruppe und somit dem ASTA in einem gesonderten Kapitel Ergänzende Anforderungen für Baustellen zu der betreffenden ASR vor. 4 Seite von 6

5 Zum jetzigen Zeitpunkt sind baustellenspezifische Ergänzungen in den Arbeitsstätten-Regeln zum Thema: Beleuchtung einschl. Sicherheitsbeleuchtung Türen und Tore Verkehrswege Sanitärräume Schutz vor Entstehungsbränden Mittel und Einrichtungen zur Ersten Hilfe Pausen- und Bereitschaftsräume Absturz Raumabmessungen und Bewegungsflächen Raumtemperaturen vorgesehen. Für die beiden letzt genannte Regeln, für die eine Baurelevanz auf den ersten Blick nicht erkennbar ist, betrifft die Aussage der AG Baustellen u.a. die Sozialeinrichtungen auf Baustellen. Die ASR Unterkünfte wird wahrscheinlich keine auf die unterschiedliche Art der Arbeitsstätten bezogene abweichenden Aussagen zu den Anforderungen für Unterkünfte treffen. Bis zum heutigen Datum sind zwei Arbeitsstätten-Regeln erlassen, die auf der Website der BAuA abgerufen werden können: ASR A1.3 Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung ASR A2.3 Fluchtwege, Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan Eine Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung macht keinen Unterschied beim Ort ihrer Anwendung. Insofern erfährt diese ASR A1.3 keine baustellenspezifischen Ergänzungen. Auch in der als Pilot-Regel verabschiedet ASR 2.3 fehlen bauspezifische Inhalte. Sie enthält jedoch den Hinweis, dass die Ergänzungen für Baustellen zu einem spätern Zeitpunkt aufgenommen werden. Sollte die AG Baustellen zum Abschluss ihrer Arbeit bzw. der ASTA feststellen, dass für Baustellen noch Regelungsbedarf offen geblieben ist, wird man diesen in einer eigenen ASR Baustellen erfassen. Ausblick Ob man von einem Arbeitsplatz abstürzt oder von einem Arbeitsmittel, ist für die Verletzungsfolgen unerheblich. In beiden Fällen hat eine fehlende Sicherungseinrichtung zum Absturz geführt. In den zuvor zitierten zwei Ausschüssen wird z.zt. geprüft, ob eine, sowohl für Arbeitsstätten Regeln (ASR) als auch Technische Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) geltende Dachregel erarbeitet werden kann. Sie soll dem Unternehmer als Leitfaden Anhaltspunkte geben, in welchem Regelwerk er beispielhafte Maßnahmen finden kann. Ein weiterer Schritt der Praxis die Anwendung des neuen Regelwerkes zu erleichtern, ist die Absicht, ein für beide Regeln anwendbares gemeinsames Kapitel / Glossar 5 Seite von 6

6 Begriffsbestimmungen zu schaffen. Man darf auf die Umsetzung gespannt sein. Mit der Ausweitung der betriebsspezifischen und Arbeitsplatz bezogenen Gestaltungsmöglichkeit für Präventionsmaßnahmen soll der vielfach geforderten Modernisierung des Arbeitsschutzes Rechnung getragen werden. Um die nunmehr eröffneten Spielräume effektiv zu nutzen, bedarf es sicherlich eines Überdenkens der bisherigen Arbeitsweise. Dies sollte m. E. aber mit den bestehenden Strukturen eines Arbeitssicherheitsmanagements im Unternehmen durchaus leistbar sein. Aus der Abkehr von stringenten Vorgaben und der Eröffnung eigener Gestaltungsmöglichkeit ergibt sich zwangsläufig ein gesteigertes Maß an Flexibilität aber auch ein Mehr an Verantwortung für den Unternehmer. Fazit: Flexibilität steigt, Eigenverantwortung steigt, Rechtssicherheit sinkt, 6 Seite von 6