Condillac und die Sprachphilosophie der Aufklärung
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- Elke Kranz
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1 Universität Tübingen Romanisches Seminar SS 2005 HS Französische Sprach- und Literaturwissenschaft: Die Französische Revolution Leitung: Prof. Dr. Johannes Kabatek und Prof. Dr. Maria Moog-Grünewald Referenten: Thomas Huemer und Patrizia Mascolo Condillac und die Sprachphilosophie der Aufklärung 1. Aufklärung zwischen Rationalismus und Empirismus Rationalismus Bestimmend für frz. Philosophie des 17. Jhd. René Descartes ( ) Baruch de Spinoza ( ) Gottfried Wilhelm Leibniz ( ) - Erkenntnis abhängig von Denkprinzipien - Sinne störend /irrelevant für Erkenntnis - Alles Durchdachte ist wirklich - Gott ist der Ursprung der Logik und ist erkennbar (idea innata) - deduktive Methode (vom Allgemeinen zum Einzelnen) Empirismus Bestimmend für frz. Philosophie des 18. Jhd. Thomas Hobbes ( ) John Locke ( ) David Hume ( ) - Erkenntnis abhängig von (Sinnes-)Erfahrung - Erfahrung muss vom Verstand geprüft werden - Alles Beweisbare ist wirklich - Wissen um die Existenz Gottes, dieser ist aber nicht erkennbar (keine ideae innatae) - induktive Methode (vom Einzelnen zum Allgemeinen) 2. Condillacs Bedeutung für die frz. Revolution 2.1 Condillacs Sensualismus als Radikalisierung von Lockes Empirismus 1700 erschien in Frankreich die Übersetzung von Lockes An essai concerning human understanding erschien Condillacs Essai sur l origine des connoissances humaines. 1
2 Locke: kontrolliert 1.sensation 2. réflexion keine eingeborenen Ideen!! 2 Quellen der Erkenntnis (sinnl.-geist.) Erkenntnis Empirismus Condillac: sensation nur 1 Quelle der Erkenntnis (sinnlich!) graduelle Steigerung Erkenntnis (= sensation transformée) Sensualismus Condillac sieht in der sinnlichen Erfahrung die Grundlage jeder möglichen Erkenntnis 2.2 Rolle der Sprache bei Condillac - Condillac unterscheidet verschiedene geistige Stufen - Die Sprache hat eine kognitive Funktion. - Der Unterschied zwischen Tier und Mensch ist graduell. - Drei Arten von Zeichen: 1. signes accidentels 2. signes naturels 3. signes d institution. - Nur die signes d institution machen die menschliche Sprache aus, die in der Fähigkeit besteht, arbiträre Zeichen mit Ideen zu verbinden. Diese Fähigkeit ist zugleich Grundlage für das Gedächtnis (sich durch Zeichen an Dinge in absentia erinnern) und somit für alle höheren Denkvorgänge. 2
3 Entwicklungsstufen des Geistes 1 : Tier C sensation (unmittelbare sinnl. Erfahrung) F H perception (Wahrnehmung) keine Zeichen nötig Ü R conscience (bewußte Wahrnehmung) H O attention (Aufmerksamkeit) L N réminiscence (Erinnerung) E O imagination (Einbildungskraft) Rückwirkung Zeichen 1. und 2. Art N L contemplation (Anschauung) reichen aus O D G mémoire (Gedächtnis) Sprache Zeichen 3. Art E I réflexion (Reflexion) notwendig N E höhere geistige Operationen (z.b. Analyse) K Mensch E N Rationalismus: Sensualismus - Denken Sprache - Sprache Denken - Denken existiert auch ohne Sprache - Denken existiert nicht ohne Sprache - Sprache = äußerer Beweis für das Denken - Sprache = Denken - Sprache als Kommunikationsinstrument Über die kommunikative Funktion hinaus bekommt Sprache bei Condillac eine kognitive. Sprachursprung und Bezug der Sprache zur Natur: - Der Ursprung der Sprache ist nach Condillac evolutionsbedingt. Ausschlaggebende Faktoren: primäre Lebensbedürfnisse und die Notwendigkeit der Kommunikation. - Aus der ursprünglichen Handlungssprache (langage d action), die in engem Bezug zur Natur stand und aus Körperbewegungen und nicht artikulierten Lauten bestand, ist die artikulierte Sprache mit immer abstrakterem Naturbezug - bis hin zur Arbitrarität - entstanden. - Die artikulierte Sprache hat sich vom Einfachen zum Abstrakten entwickelt - Die Künste sind nach Condillac ursprüngliche Sprachformen, die sich beim Übergang zu einer neuen Sprachform abgezweigt und weiterentwickelt haben. 1 Schaubild in Anlehnung an Coseriu,
4 2.3 Das Politische / Revolutionäre an Condillacs Sprachphilosophie - Abschaffung der ideae innatae: 1. Gott ist nicht mehr die letzte Instanz der ratio und 2. Der König ist nicht mehr durch Gottes Gnaden, sondern durch die menschliche Vernunft eingesetzt - Der Mensch ist nicht mehr Herrscher über das Tierreich, sondern ein primus inter pares. - Sprache = Denken: Sowohl die verschiedenen Bedeutungen in einer Sprache als auch die Verschiedenheit der Sprachen führen zum préjugé, zu Mißverständnissen und zum Mißbrauch der Sprache und erschüttern die Annahme einer Universalität des Denkens. Politische Forderungen gegen sprachliche Gefahren: - 1. Normierung von Bedeutungen Condillac sieht die Individualität einer Sprache (= genie) zum einen in der Wortstellung und zum anderen in den Nebenideen (= idées accessoires) Abschaffung anderer in Frankreich existierender Sprachen (patois) sprachphilosophischer Terrorismus und Denkverbot, totalitäre Sprache. Condillacs Philosophie ist repräsentativ für den Geist der französischen Revolution!! 3. Rousseau Beschäftigung mit Sprache in Discours sur l inégalité und Essai sur l origine des langues. 3 Hauptfragen beschäftigen Rousseau: 1. Gesellschaft Sprache? Oder: Sprache Gesellschaft? Ausschlaggebender Faktor zur Benutzung von Sprache: Ursprünglich Ausdruck von Gefühlen, später entpoetisierende Sprachentwicklung. 2. Denken Sprache? Oder: Sprache Denken? 3. Konvention Sprache? Oder: Sprache Konvention? Wie entwickeln sich die natürlich motivierten Gebärden zu arbiträren sprachlichen Zeichen, ohne sich dazu einer Lautsprache zu bedienen? Sprache entstand ausschließlich aus natürlichen Ursachen. 4
5 Primärliteratur: - Condillac, Etienne Bonnot Abbé de (1973) Essai sur l origine des connaissances humaines, ed. critique par Ch. Porset, Paris. - Locke, John (1690/1975) An essai concerning human understanding, ed. by Peter H. Nidditch, Oxford. Sekundärliteratur: - Brück, Gerhard W. (1999) Philosophen und Denker, Wiesbaden. - Coseriu, Eugenio (1972) Die Geschichte der Sprachphilosophie von der Antike bis zur Gegenwart, Tübingen. - Edler, Markus (2001) Der spektakuläre Sprachursprung, München. - Ricken, Ulrich (1984) Sprache, Anthropologie, Philosophie in der französischen Aufklärung, Berlin. - Russell, Bertrand (2001) Philosophie des Abendlandes, Wien. - Trabant, Jürgen: Condillacs Erkenntnis- und Sprachtheorie als philosophische Grundlage der französischen Revolution, in: Engler, Winfried (Hg.), Die französische Revolution, 1992,
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