Implementierung kommunaler Präventionsstrategien bei Gewalt in der Langzeitpflege älterer Menschen
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- Gerrit Kraus
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1 Implementierung kommunaler Präventionsstrategien bei Gewalt in der Langzeitpflege älterer Menschen Das internationale Projekt MILCEA und das nationale Folgeprojekt Gewaltfreie Pflege Fachtag Chemnitz Handlungskompetenzen erweitern Gegen Gewalt in der Pflege Ludger Jungnitz, MDS e.v.
2 Einstieg (Gründe für Tabuisierung des Themas) Gewalt in der Pflege Angst vor eigener körperlichen Hinfälligkeit eigener Sterblichkeit drohender Abhängigkeit Pflegende Generalverdacht Anerkennungsdefizit 2
3 Einstieg Bei Gewalt gegen ältere Menschen handelt es sich um eine einmalige oder wiederholte Handlung im Rahmen einer Vertrauensbeziehung oder um die Unterlassung geeigneter Maßnahmen, die älteren Menschen Schaden oder Leid zufügt. WHO, 2002: Erklärung von Toronto zum Schutz älterer Menschen vor Gewalt Von zentraler Bedeutung ist für diese Definition, dass zwischen einem potenziellen Täter und einem potenziellen Opfer ein Vertrauensverhältnis, meist ein Abhängigkeitsverhältnis besteht 3
4 Häufigkeit Gewalt in der Pflege Hohe Dunkelziffer, vor allem in der familiären Pflege Verlässliche Zahlen sind kaum verfügbar Selbstaussagen von Pflegekräften sind oft gute Anhaltspunkte Beispielsweise Angaben von pflegenden Angehörigen (Görgen et al 2012) 19% der pflegenden Angehörigen berichten von physischen Misshandlungen innerhalb von 12 Monaten 48% von psychischen, vor allem Anschreien (35%) Beschimpfen (30%) 4
5 Formen von Gewalt gegen ältere Menschen Physische Gewalt Psychische Gewalt Sexueller Missbrauch Vernachlässigung Finanzielle Ausbeutung Freiheitsentziehende Maßnahmen 5
6 Fragestellung Wie müssen die bestehenden Strukturen und Bedingungen in der Pflege gestaltet sein, um ältere und pflegebedürftige Menschen vor Gewalt zu schützen? Ludger Jungnitz, MDS, Fachtag Fortbildung Chemnitz MDK SAN, Gegen Gewalt in der Pflege,
7 Vorgängerprojekt Laufzeit Dezember 2009 November 2011 Gefördert durch die Europäische Kommission (DG Social Affairs) Koordination: Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.v. Partner aus Luxemburg, Niederlande, Österreich, Spanien Fokus auf institutionelle, formelle häusliche und informelle Pflege 7 7
8 Erkenntnisse des Vorgängerprojekts MILCEA In der Langzeitpflege tätigen professionelle Akteure sind sich oftmals nicht über das Problem Gewalt gegen ältere Menschen bewusst Es existieren auf der Systemebene weder verbindlich geregelte Zuständigkeiten im Falle von Gewalt, noch sind Instrumente zur Identifizierung von Gewalt oder einem Risiko Opfer von Gewalt zu werden bekannt und im routinemäßigen Einsatz. In Deutschland fehlen für Gewaltsituationen gegenüber alten und pflegebedürftigen Menschen Zuständigkeitsregelungen wie sie z.b. im Kinder- und Jugendhilfesektor bestehen Gleichwohl haben alle wichtigen Akteure der pflegerischen Langzeitversorgung den mittelbaren (gesetzlichen) Auftrag, für das Wohlbefinden und die Würde des Pflegebedürftigen zu garantieren. Ihnen kommt damit auch eine entscheidende Funktion in der Prävention von Gewalt zu. 8
9 Konsequenzen aus MILCEA für Prävention Bewusstsein schaffen / sensibilisieren bei allen Akteuren, die mit zu Pflegenden in Kontakt kommen Auf kommunaler Ebene verbindliche Zuständigkeiten im Falle von Gewalt verabreden, vor allem in der ambulanten und familialen Pflege, Den Einsatz von Instrumenten zur Identifizierung von Gewalt oder einem Risiko Opfer von Gewalt zu werden prüfen. Gesetzliche abgesicherte Zuständigkeitsregelungen wie im Kinder- und Jugendhilfesektor bestehen fordern und bis dahin soweit wie möglich nachbilden Die Verantwortung aller im System Tätigen zur Verhinderung und Beendigung von Gewalt stärken auch über den eigenen Zuständigkeitsbereich hinaus. 9
10 Erkenntnisse für kommunale Präventionsansätze Keine neuen Strukturen schaffen, sondern Bestehende systematisieren und optimieren Systematische Verantwortlichkeiten schaffen, bei allen beteiligten Akteuren der Langzeitpflege Zentrale Ansprechpersonen festlegen, als verantwortliche und koordinierende Instanzen 10
11 Projekt Ziel: Entwicklung und Implementierung von Präventionsstrukturen zu Gewalt gegen Ältere in der Langzeitpflege in vier Modellkommunen Wissenschaftliche Begleitung zur Beschreibung der hindernden und fördernden Faktoren einer solchen Entwicklung und Implementierung 11
12 Projekt Ziel: Juli 2013 Dezember 2015 Finanzierung: Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Modellkommunen: Dortmund, Landkreis Fulda, Potsdam, Stuttgart Projektdurchführung: Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.v. (MDS) Projektleitung: Wissenschaftliche Koordination: Durchführung: Uwe Brucker Dr. Andrea Kimmel Ludger Jungnitz Wissenschaftliche Begleitung: Universität zu Köln, Lehrstuhl für Rehawissenschaftliche Gerontologie Leitung: Durchführung: Prof. Dr. Susanne Zank Michael Neise 12
13 Projekt Gewaltfreie Pflege Modellkommunen und Settings: Stuttgart Häusliche Pflege Potsdam Dortmund Landkreis Fulda Häusliche Pflege u. Stationäre Pflege Häusliche Pflege u. Stationäre Pflege Häusliche Pflege Stationäre Pflege 13
14 Projektablauf Gewaltfreie Pflege Schritt 1: Vorbereitungsphase Beschreibung bestehender Strukturen in der Langzeitpflege der beteiligten Kommunen (2013) Schritt 2: Entwicklungsphase Entwicklung von kommunalen Präventionsstrategien (2014) Schritt 3: Implementierungsphase Umsetzung von Präventionsstrategien auf kommunaler Ebene unter wiss. Prozessbegleitung (ab 2015) 14
15 Ergebnisse der Vorbereitungsphase Wichtige Kommunale Akteure in allen vier Kommunen identifiziert Steuerungskreise in allen vier Kommunen gegründet Örtliche Strukturen und Rolle der Akteure analysiert (Akteursanalyse) (hinsichtlich: Verantwortlichkeiten, Rechtsgrundlagen, Ressourcen zur Gewaltprävention/Intervention 15
16 Beteiligte kommunale Akteure Pflegestützpunkte Ehrenamtliche Begleitung Pflegeeinrichtungen Ambulante Pflegedienste Pflegekassen MDK Niedrigschwellige Beratungsdienste Betreuungsstelle Kommunale Verwaltung Heimaufsicht Gesetzliche Betreuer Polizei Selbsthilfe 16
17 Vorgehen in der Entwicklungsphase Austausch der Akteure in den Steuerungskreisen, Abklärung von Zuständigkeiten Identifizierung von Lücken in der kommunalen Gewaltprävention/ Intervention mittels entwickelter Fallbeispiele Entwicklung kommunenspezifischer Präventionsmaßnahmen 17
18 Erste Erkenntnisse aus der Vorbereitungsphase: Ergebnisse der Akteursanalysen Bestätigung der MILCEA-Ergebnisse: Präventions- und Interventionsstrukturen sind vorhanden Aber : Häufig unverbunden, Akteure wissen häufig nicht, welche genaue Zuständigkeit der andere hat Klare Zuständigkeiten bei der stationären Pflege (Heimaufsicht) Dies ist allen Akteuren bewusst Vielfältige Zuständigkeiten in der ambulanten Pflege, v.a. bei pflegenden Angehörigen Hier kommt es vor allem darauf an, dass klar ist, wer in Fällen von Gewaltverdacht und in wahrgenommenen Risikosituationen das Case Management macht und wer als Erstanlaufstelle fungiert 18
19 Erste Erkenntnisse aus der Vorbereitungsphase: Ergebnisse der Akteursanalyse Hier kommt es vor allem darauf an, dass klar ist, wer in Fällen von Gewaltverdacht und in wahrgenommenen Risikosituationen das Case Management macht und wer als Erstanlaufstelle fungiert In den meisten Kommunen gibt zentrale Ansprechpartner, die potentiell geeignet ist: Potsdam: Pflege in Not Brandenburg & Pflegestützpunkt Dortmund: Städtische Seniorenbüros Landkreis Fulda: Schutzambulanz & Pflegestützpunkt Stuttgart: Bürgerservice Leben im Alter (zugehende Beratung) Pflegestützpunkte, Notdienste, Johanniter (Anlaufstelle/Hotline) 19
20 Erste Erkenntnisse aus der Entwicklungsphase: Notwendige Maßnahmen (Ergebnisse der Steuerungskreise) Im stationären Bereich Die Heimaufsicht (bzw. Nachfolger) als Anlaufstelle auch mit beratender Funktion für den stationären Bereich bekannt machen 20
21 Erste Erkenntnisse aus der Entwicklungsphase: Notwendige Maßnahmen (Ergebnisse der Steuerungskreise) Im ambulanten Bereich Die Zuständigkeiten aller lokalen Akteure klären und nach außen kommunizieren Innerhalb der Organisationen Handlungsrichtlinien und Zuständigkeiten klären Nachhaltige Vernetzungsstrukturen zum fachlichen Austausch schaffen ( Vernetzen, Vernetzen, Vernetzen ) Zentrale Ansprechpartner für hilfe- und ratsuchende Angehörige, Nachbarn etc. benennen, Zuständigkeiten klären, Handlungsalgorithmen erstellen 21
22 Erste Erkenntnisse aus der Entwicklungsphase: Notwendige Maßnahmen (Ergebnisse der Steuerungskreise) Sensibilisierung und Fortbildung aller kommunalen Akteure: auf ein gemeinsames Verständnis von Gewalt in der Pflege kommen Sensibilisierung und Fortbildung der Pflegefachkräfte Systematisch Informations- und Aufklärungsangebote für pflegende Angehörige machen Alle Maßnahmen der Öffentlichkeit als ein kommunales Konzept vorstellen und nachhaltig bewerben Sensibilisierung der Öffentlichkeit, Enttabuisierung des Themas 22
23 Fazit Zu erreichende Ziele (für Prävention auf kommunaler Ebene) Wichtig ist, dass alle Akteure im System in und um die Pflege sich der Verantwortung für die Beendigung und Vermeidung von Gewalt gegenüber Pflegebedürftigen bewusst sind, über die Grenzen ihrer formalen Zuständigkeit hinaus Wichtig ist, dass alle Akteure das dafür notwendige Handlungs- und Vernetzungswissen haben Wichtig ist, dass einen klaren Verantwortlichen für die Koordination und das nachhaltige Vorantreiben des Projektes in der Kommune gibt 23
24 Was durch dieses Projekt nicht gelöst wird Grenzen des Konzepts Das Projekt liefert bisher keine Antwort, wie pflegende Angehörige, die keinerlei Leistungen in Anspruch nehmen, erreicht werden können (informelle Pflege) Das Projekt kann nicht für einen besseren Personalschlüssel in der professionellen Pflege sorgen Das Projekt wird aller Voraussicht nach keine flächendeckende Kampagne zur Aufwertung der Pflege und Enttabuisierung von Überforderung durchführen Das Projekt wird Pflegebedürftige gegen ihren erklärten Willen nicht vor Gewalt schützen 24
25 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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