Beitrag: Die Tricks der Möbelkette XXXL Arbeitnehmerrechte ausverkauft

Transkript

1 Manuskript Beitrag: Die Tricks der Möbelkette XXXL Arbeitnehmerrechte ausverkauft Sendung vom 25. Oktober 2016 von Thomas Münten, Heiko Rahms und Anna Maria Schuck Anmoderation: Groß ist für dieses Möbelhaus nicht groß genug. Die österreichische XXXL-Gruppe, bekannt durch den riesigen roten Stuhl in der Werbung, schluckte in Deutschland einen Familienbetrieb nach dem anderen, ist seit Jahren auf Expansionskurs, beschäftigt inzwischen mehr als Mitarbeiter. Deren Rechte hält das Gernegroße-Unternehmen aber klein. Da werden Betriebsräte behindert, der Kündigungsschutz ausgehebelt und Löhne gedrückt. Thomas Münten und Heiko Rahms entlarven XXXL-Missstände im Möbelhaus. Text: O-Ton Unternehmensvideo XXXLutz: Gertrude Lutz hatte nicht vor, ein Möbelhaus zu gründen. Sie hatte sich einfach einen Pinsel geschnappt, um die Welt in bunte Farben zu tauchen. Im Oktober 1945 entstand in Österreich ein Möbelhaus, in dem jeder genau das kriegt, was er will. So entstand die XXXL-Auswahl und der Lutz wurde zum XXXL Möbelhaus. So lebt Gertrudes Lebenstraum weiter mit ihren Söhnen, die auch in anderen Ländern XXXL Möbelhäuser eröffnet haben, um noch viel mehr Menschen ihre Wünsche und Träume zu erfüllen. Und so kam XXXL 2014 auch nach Oberhausen und kaufte die marode Möbelstadt Rück, versprach bessere Zeiten. Darauf hoffte auch der Betriebsratsvorsitzende Bernd Borgards. Es sollten goldene Zeiten anbrechen, auf jeden Fall aber alle Arbeitsplätze sicher sein. O-Ton Bernd Borgards, Beriebsrat XXXL Rück: Man hat gesagt, dass sich für die Mitarbeiter nichts ändern wird. Also, vertragsinhaltlich wird sich nichts ändern. Man wird bei der 37,5-Stunden-Woche bleiben. Man wird die

2 tarifliche Entlohnung weiter fortführen und vor allen Dingen auch das Weihnachts- und Urlaubsgeld ist abgesichert. Doch das Märchen wird nicht wahr, das alte Möbelhaus Rück - einfach zerlegt: Zwei neue Gesellschaften übernehmen das Geschäft als GmbH & Co. KGs. So werden alle Verkäufer in eine Gesellschaft verschoben, die Immobilie, alle Waren und das Inventar in die andere. Ein schöner Trick. Für den Münsteraner Arbeitsrechtsprofessor Peter Schüren ist klar, warum: Bei einer solchen Struktur mit einer Personalführungsgesellschaft, die wenig Geld hat, ist das Risiko von einer Insolvenz natürlich größer, als wenn jemand Substanz hat. Ob dieses Risiko realisiert wird, hängt davon ab, was man von Anfang an vorhat. Soll das Ding leben oder soll es sterben. O-Ton Frontal 21: Und in diesem Fall? Hat man anscheinend vorgehabt, dass es stirbt. Und so passiert es: Im Sommer 2015 lassen die neuen Herren die neu gegründete Personalgesellschaft sterben. Sie kündigen einfach den Dienstleistungsvertrag. Auch Bernd Borgards verliert an diesem Tag seinen Job. Ganz überraschend. Der nächste Trick: Das Möbelhaus Rück wird nun offiziell geschlossen und am nächsten Morgen ganz neu eröffnet - und zwar mit gleich sechs neuen Gesellschaften unter einem Dach, die Kassierer in der einen Firma, die Verkäufer in einer anderen. Die Interessenvertretung durch Betriebsräte ist kaum noch möglich. Das zweite ist: Der Kündigungsschutz der Leute verändert sich radikal. Im Kleinbetrieb gibt es bei uns überhaupt keinen Kündigungsschutz. Wenn also so eine Einheit zehn Mitarbeiter hat nur, dann haben die keinen Kündigungsschutz. O-Ton Thomas Voss, ver.di Deutschland: Aus unserer Sicht dient das vor allen Dingen dazu, Arbeitnehmerrechte zu bekämpfen, Mitbestimmung zu bekämpfen und zu unterbinden. Also, der Beschäftigte hat unsichere Arbeitsverhältnisse. Und das bedeutet unter anderem auch, dass er etwa ein Drittel weniger Lohn

3 bekommt. Bevor Betriebsratschef Borgards entlassen wird, soll er XXXL noch einen Dienst erweisen. Auf einer vertraulichen Liste, die Frontal 21 vorliegt, stehen 50 Mitarbeiter, die XXXL loswerden will. Betriebsrat Borgards soll das absegnen. Das sind in der Regel langjährige Mitarbeiter, die unter einen Sonderkündigungsschutz fallen. Es sind Betriebsräte dabei gewesen, die auf der Liste gestanden haben, von denen man sich trennen wollte. Es waren aber auch vor allen Dingen die Schwerbehinderten. Arbeitnehmerrechte beschneiden, Löhne drücken, schwere Vorwürfe. Erklärungsversuche des Deutschland-Chefs: O-Ton Alois Kobler, Deutschland-Chef XXXL Möbelhäuser: Speziell bei den Übernahmen - auch in Oberhausen - waren wir in einer extrem schwierigen Situation. Das Unternehmen hat Riesenverluste gemacht und wir mussten schnell Lösungen finden. Schnelle Lösungen? Bei XXXL soll Deutschland-Chef Kobler Betriebsräte bedroht haben. Und wenn der Betriebsrat das nicht mitmachen würde, dass man sich durchaus vorstellen könnte, sich an Mitarbeiter in Würzburg oder in Umgebung zu wenden, die bei den Hells Angels angeschlossen sind. Und die würden sich dann um den Betriebsrat hier in Oberhausen kümmern. Hells Angels als Druckmittel sind das die Methoden von XXXL? O-Ton Alois Kobler, Deutschland-Chef, XXXL Möbelhäuser: Es ist mir unverständlich, wie es zu solchen Vorwürfen kommen kann. Keiner von uns hat in irgendeiner Form auch nur andeutungsweise solche Aussagen getroffen. Fest steht aber: Es gab Angriffe - zum Beispiel gegen den Hausmeister Jürgen Weber. Auch er hatte seinen Job verloren und verteilte im Sommer vor dem Oberhausener Möbelhaus Protestflyer. Ein Anwohner filmt das Geschehen. O-Ton Jürgen Weber, ehemaliger Hausmeister Möbelstadt Rück: Dann kam der Hausleiter mit drei Wachleuten an, die mich dann arg bedrängt haben und haben mir riesen, laute Schimpfworte um die Ohren gehauen: Alter Mann hau ab, geh auf die andere Seite. Und haben mich dann stark bedrängt.

4 Schließlich reißt einer der Wachmänner Weber die Flyer aus der Hand. Weber hat Anzeige erstattet, XXXL bedauert den Vorfall, die Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelt. Inzwischen haben viele entlassene Mitarbeiter, wie Jürgen Weber und Bernd Borgards, gegen ihre Kündigung geklagt. In der ersten Instanz haben etliche ihren Prozess gewonnen. Auch das Landesarbeitsgericht hat erste Urteile bestätigt. O-Ton Michael Gotthardt, Pressereferent Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Die 14. Kammer hat sich ausdrücklich auch mit der Frage befasst, ob es sich jetzt um ein Dienstleistungsunternehmen verschiedener Einzelgesellschaften handelt. Das hat es verneint, sondern es hat gesagt: Organisatorisch arbeiten diese verschiedenen Unternehmen genauso zusammen, wie es vorher auch der Fall war. XXXL wehrt sich dagegen, will vor das Bundesarbeitsgericht in Erfurt ziehen. Denn ihre Expansionsstrategie, übernehmen und zerlegen, ist in Gefahr. So aber handelte XXXL nicht nur in Oberhausen, sondern auch in Mannheim bei MANNMOBILIA. In Aachen kauft der Möbelriese gerade die Wohnwelt Pallen. In Lüdenscheid, Iserlohn und München sind die Folgen zu besichtigen. München-Theresienhöhe: Seit drei Jahren ist das Möbelhaus geschlossen, steht leer. Fast alle Mitarbeiter wurden auf die Straße gesetzt. O-Ton Anna Reichardt, ehemalige Betriebsratsvorsitzende XXXL München: Es ist deprimierend, deprimierend, dass sowas gestattet ist, dass sowas sein darf. Weil das ist Menschenhandel, ich weiß gar nicht, was wir da alles - man ist ein Sklave und ein Mensch ohne Wert. Das ist wirklich so, Menschen ohne Wert. Vor den Toren der Stadt hat XXXLutz neu gebaut, von den 160 ehemaligen Mitarbeitern wurde kaum einer übernommen. Viele haben geklagt, doch der jahrelange Weg durch die Instanzen macht mürbe. O-Ton Dirk Nagel, ver.di München: Es ist eine Strategie dieses Unternehmens und das macht Menschen kaputt - mit einem Arbeitgeber, der brutal und unnachgiebig ist. Und diese Zermürbungstaktik hat irgendwann das Ergebnis gehabt, dass die Leute nicht mehr konnten und gesagt haben: Jetzt ist gut, ich schließ das Kapitel ab.

5 Ich denke, hier hat sich die Kultur verändert. Die Bereitschaft zum Missbrauch ist einfach gewachsen. Das gibt es hat manchmal, dass die Sitten in der Gesellschaft rauer werden, und man darauf dann reagieren muss. Und ich meine, dass wir ernsthafte Missbräuche in dem Bereich mit Bußgeldern belegen sollten. Arbeitgeber, die so etwas machen, sollten gewaltig eins auf die Finger bekommen. Kurz vor der Sendung meldet sich überraschend der österreichische Firmenchef Richard Seifert. Er will über die Vorwürfe mit uns reden, gefilmt werden möchte er nicht. Nach dem Gespräch kündigt er schriftlich Konsequenzen an. Es soll eine völlig neue gesellschaftliche Firmenstruktur erarbeitet werden, die Zahl der Gesellschaften soll drastisch reduziert und überschaubarer werden. Und bei Kündigung der internen Dienstleistungsverträge sollen umfangreiche Garantien für die Arbeitnehmer gelten. O-Ton Alois Kobler, Deutschland-Chef XXXL Möbelhäuser: Wissen s, wir nehmen ihre Vorwürfe sehr ernst. Wir würden aber heute das ein oder andere sicher anders machen und wir werden versuchen, aus diesen Fehlern auch zu lernen. Vergangenen Samstag: Betriebsrat Bernd Borgards will zurück an seinen alten Arbeitsplatz. Das Arbeitsgericht hatte das Hausverbot gegen ihn aufgehoben, das Urteil zwingt XXXL, ihn wieder zu beschäftigen. Doch der XXXL-Hausleiter ruft die Polizei, will den Betriebsrat rauswerfen lassen. Da geht Borgards lieber freiwillig. O-Ton Frontal 21: Ist er denn auf Ihr Argument eingegangen, dass Sie das Recht haben, hier zu arbeiten? Das interessierte ihn überhaupt nicht, er hätte Hausrecht und dementsprechend würde er ganz allein entscheiden, was zu tun ist. Die versprochene neue Unternehmenskultur - in Oberhausen ist sie noch nicht angekommen. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.