Grenzüberschreitung. Predigtzettel Kantate 2013 Hugsweier und Langenwinkel. Gegenwart und Zukunft. der Einzelne und Gott. die Kirche und die Welt
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- Lorenz Innozenz Stein
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1 Predigtzettel Kantate 2013 Hugsweier und Langenwinkel Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, HERR, dass du bist zornig gewesen über mich und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest. Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil. Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen. Und ihr werdet sagen zu der Zeit: Danket dem HERRN, rufet an seinen Namen! Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist! Lobsinget dem HERRN, denn er hat sich herrlich bewiesen. Solches sei kund in allen Landen! Jauchze und rühme, du Tochter Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir! Jesaja 12 Grenzüberschreitung Gegenwart und Zukunft der Einzelne und Gott die Kirche und die Welt
2 Predigt zu Jesaja 12 Kantate 2013 Liebe Gemeinde, Singen ist eine Grenzüberschreitung. Das ist unser Thema heute morgen. Kantate! Singet! heißt unser Sonntag. Wir wollen es uns ein wenig abgucken beim Propheten Jesaja. Jesaja aus dem 8. Jahrhundert vor Christus ist eigentlich ein Gerichtsprophet. Er schreibt über das kommende Gericht, seine Botschaft ist knallhart: Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt s nicht, und mein Volk versteht s nicht! Ihr seid dümmer als die Ochsen, sagt Jesaja zu den Leuten. Lernt Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht. Ein Meister der Sprache, der Prophet Jesaja, und ein Meister der Sprache ist auch Luther, der uns das übersetzt hat. Weh denen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen Je reicher die Leute werden, desto mehr hängen sie am Geld, wo ist eure Gottesfurcht? Und mitten hinein in diese klaren Worte, die auch gut in unsere Zeit passen würden, weil die Menschen ja gleich sind zu allen Zeiten, mitten hinein in seine Worte streut Jesaja das Danklied der Erlösten, Jesaja 12, unseren Predigttext am Sonntag Kantate. Eine Grenzüberschreitung. Jesaja führt uns hinaus ins Weite mit seinem Lied, und das ist das Ziel heute morgen: dass wir über den gegenwärtigen Augenblick hinaus, über das eigene kleine Leben hinaus, über den Horizont unseres eigenen Kirchturms hinaus die Grenze überschreiten. Ich habe Ihnen das auf den kleinen Predigtzettel geschrieben unter die Löwenzahnschirmchen, die in gewisser Weise auch die Grenze überschreiten und davonfliegen: drei Gedanken am heutigen Sonntagmorgen: wer an Kantate singt, der überschreitet die Grenze: 1. Gegenwart und Zukunft 2. der Einzelne und Gott 3. Kirche und Welt. In den dreißiger Jahren hat ein kluger evangelischer Professor einmal ein Buch geschrieben. Es hieß Auf der Grenze.
3 Und er hat dort den Gedanken entwickelt, dass der Mensch einer ist, der quasi auf der Grenze lebt. Er stößt immer wieder an Grenzen: die Grenzen seiner Möglichkeiten, seiner Erkenntnis, an die Grenze des Lebens, an die Grenze des Todes. Aber der Mensch ist ein Lebewesen, das immer einen Schritt über die Grenze macht, er kann JA und NEIN sagen, er überschreitet die Grenze, er ist neugierig, er will nicht stehen bleiben, sondern bricht immer wieder auf ins neue Land. Die ganze biblische Geschichte ist die Geschichte eines Aufbruchs: Exodus, Aufbruch aus der Sklaverei in Ägypten, durch die Wüste, ins gelobte Land. Der christliche Glaube ist ein Aufbruch. Wir singen hier jeden Sonntag egal, ob s uns nach Singen zumute ist oder nicht. Wir proben hier den Aufbruch, zaghaft, aber immerhin. Vielleicht erinnern Sie sich an die kleine Geschichte von den Gänsen, die ich vor einiger Zeit mal erzählt habe, Kierkegaard, der dänische Philosoph, Theologe, hat sie aufgeschrieben: die Gänse sitzen im Hof und schnattern, und jeden Sonntag steigt ein Gänserich auf eine Kiste und hält den Gänsen einen Vortrag übers Fliegen, erzählt, wie herrlich doch das Fliegen sei und dass die Gänse dazu geschaffen seien zu fliegen und dass man erst zur Gans wird, wenn man abhebt. Und alle Gänse hören zu und sagen: Ja, so ist es! Aber keine der Gänse fliegt, sondern sie bleiben alle im Hof sitzen und schnattern bloß. Kierkegaard will damit die Situation in der Gemeinde karikieren, in der Kirche wird vom Fliegen geredet und vom Abheben --- aber alle bleiben am Boden. Grenzüberschreitung. Wer singt, der hebt ab. Das ist unser Thema am Sonntag Kantate. Jesaja zeigt uns in seinem Lied, wie das geht. Ich habe drei Gedanken fettgedruckt im Predigttext. 1. Wir heben ab aus der Gegenwart in die Zukunft. Zu der Zeit wirst du sagen: ich danke dir, Herr, dass du bist zornig gewesen über mich ---- und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest. Der erste Gedanke. Der Glaube ist eine Grenzüberschreitung in die Zukunft hin. Zu der Zeit wirst du sagen: alles ist gut geworden. Der christliche Glaube geht nicht auf in den frommen Geschichten der Vergangenheit. Wir träumen nicht von der guten alten Zeit, als die Kirchen voll waren und die Leute fromm..wenn man genau hinsieht, stimmt s auch nicht unbedingt, sondern der Glaube blickt immer nach vorne.
4 Er sagt nicht: es wird immer weniger, sondern der Glaube sagt: es wird gut werden. Es wird sich einmal auflösen, was wir im Augenblick nicht zusammenbringen: das Leid der Menschen, die Traurigkeit, die Krankheit und den Tod, im Glauben überschreiten wir die Grenze, gehen wir einen Schritt in die Zukunft, singen wir ein neues Lied. Ich danke dir, Herr, dein Zorn hat sich gewendet, du tröstest mich. 2. Wir heben nicht nur ab aus der Gegenwart in die Zukunft, sondern auch aus unserer Beschränkung, unserer Fixierung nur auf uns selber. Wir singen nicht von uns, sondern vom Herrn unseres Lebens: Gott, der Herr, ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil. Wir singen gewissermaßen nicht unser eigenes Lied, wir müssen nicht ständig betonen, wie gut wir selber sind, keiner ist ein Superstar, we are the champions nein, stimmt ja gar nicht, höchstens mal einen Augenblick im Fußballstadion, wenn die eigene Mannschaft gewonnen hat, aber sonst im Leben sind wir ja nicht die Champions. Eher sind wir hin und her gerissen, manchmal traurig und manchmal froh. Das Gedicht von Dietrich Bonhoeffer geht mir oft durch den Kopf, das er im Gefängnis geschrieben hat und in dem es heißt: Manchmal trete ich aus meiner Zelle wie ein Gutsherr aus seinem Schloss, und manchmal bin ich auch wie ein Vogel im Käfig, komme mir so mickrig und nichtig vor ---- geängstet, als ob mir einer die Kehle zudrückt. Genauso ist es doch, wir sind nicht die Herren unseres Lebens. Manchmal können wir Bäume ausreißen, aber schon wenn wir entsetzliche Zahnschmerzen haben, dann sind wir ganz klein. Und dennoch singen wir, proben wir den Aufstand jeden Sonntag aus dem kleinen Alltag. Wir singen nicht von unsrer Stärke, sondern von dem, was uns stark macht: Gott, der Herr, ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil. Was wir zum Leben brauchen --- er IST es. Das versuche ich jedes Jahr den Konfirmanden weiterzugeben, wenn wir die Ich-bin-Worte auswendig lernen: Brot, Licht, Leben, Auferstehung --- er IST es für uns. Und indem wir davon singen, wird Gott in uns lebendig. Indem wir singen, fliegen wir --- um nochmal die Geschichte mit den Gänsen aufzugreifen. Und jetzt noch ein dritter Gedanke zur Grenzüberschreitung am Sonntag: 3. Aus der Gegenwart in die Zukunft, von der Fixierung auf uns selber auf Gott hin nun noch ---- der weltweite Horizont. Machet kund unter den Völkern sein Tun! Irgendwann hat jemand das Evangelium aus dem fernen Palästina auch hierher zu uns in die Ortenau gebracht.
5 Jeden Sonntag beim Fürbittgebet sag ich am Anfang, für welche Länder an diesem Sonntag gebetet wird nach dem ökumenischen Kalender. Wir leben in einer weltweiten Ökumene. Es wird nicht nur in Hugsweier oder in Langenwinkel gesungen am Sonntagmorgen, sondern überall auf der Welt gibt es Menschen, die mit uns einstimmen, die ein neues Lied wagen, die ihr Herz über die Mauer werfen, die in all ihren Ängsten und Sorgen alles von Gott erwarten. Und das ist großartig! Es ist, als ob irgendwann einmal ein Stein ins Wasser geworfen worden ist: es fängt an mit Abraham, dem alten Nomaden irgendwo in der Wüste, dann die Israeliten, die aus der Sklaverei aufbrechen, dann das Evangelium für die Völker bis an die Enden der Erde bis nach Hugsweier und nach Langenwinkel. Immer wieder fordert die Bibel zum Singen auf, alle sollen einstimmen: Täler und Höhen, Land und Meer: das Meer brause und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen so haben wir es vorhin im Wechsel gesprochen im Psalm 98, dem Psalm für Kantate. Die Ströme sollen frohlocken, und alle Berge seien fröhlich vor dem Herrn Spüren Sie das Überschäumende, Grenzenüberschreitende? Grenzüberschreitung ist das Thema an Kantate. Singt mit, sagt uns Jesaja. Wir brauchen nichts Großes zu werden, wir müssen unser Leben nicht selber vollenden, sondern wir sollen einstimmen. und die Stimmen der Vielen o Wunder ergeben nicht das Chaos, sondern ergeben den Lobgesang. Vor vielen Jahren war dieses Lied aus dem Buch des Propheten Jesaja, unser Predigttext, Jesaja 12, mein erster Predigttext. Wir waren damals Kandidaten im Petersstift, sollten das Predigen lernen. Und jeder hat damals einen Text zugeteilt bekommen für eine Blitzpredigt. Wir hatten eine Woche Zeit für die Vorbereitung, eine ganze Woche, das sollte schnell gehen wie der Blitz, deshalb Blitz-predigt. Es war nämlich gar nicht so einfach mit der Predigt wir sollten ja erst mal in den Text hineinhören, bevor wir es wagen sollten, dazu etwas zu sagen. Mein Text war Jesaja 12, unser Text. Und die erste Predigt sollte ich halten in der orthopädischen Klinik in Heidelberg. Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Lang ist es her, aber der Text von damals Jesaja 12 hat nichts von seinem Glanz verloren, diese Texte verbrauchen sich nicht, sie werden nicht alt. Und das Singen ist mir nicht vergangen seit damals. Und so gilt es auch heute Morgen für uns alle miteinander: ganz gleich, woher wir kommen aus glücklichen Verhältnissen, aus großer innerer Not, zufrieden und froh oder geängstet und voller Probleme: Kantate singt dem Herrn! Wer singt, der hebt ab und unser Leben bekommt eine gute Stimmung. Ich wünsche uns, dass wir es alle erfahren an diesem Sonntag Kantate. Amen.
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