(1) Strategien bei problematischem Schülerverhalten
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- Liese Geiger
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1 Gute Schülerleistungen - Machen Lehrer den Unterschied? (1) Strategien bei problematischem Schülerverhalten Disziplin, Kontrolle und Klassenmanagement gehören zu dem Problembereich, von dem sowohl viele Lehrer als auch Schüler meinen, er sei verantwortlich für Lehrerversagen. Hierbei begegnet der Lehrer zwei Arten von problematischem Schülerverhalten: unerwünschtes Verhalten tritt zu oft auf ( physische Aggressivität, lautes Stören etc) erwünschtes Verhalten tritt nicht oft genug auf ( mangelnde Aufmerksamkeit, Desinteresse, Unwilligkeit zur Zusammenarbeit mit anderen Schülern). Je nach Art des Schülerverhaltens gibt es verschiedene Strategien, diesem als Lehrer zu begegnen: zu viel unerwünschtes Verhalten verlangt nach Extinktion ( Auslöschung) oder erzieherischen Maßnahmen zu wenig erwünschtes Verhalten verlangt nach Verstärkung Strategien bei zu viel unerwünschtem Verhalten 1. Prävention 2. Extinktion 3. Inkompatibles erwünschtes Verhalten verstärken 4. Erzieherische Maßnahmen Prävention um unerwünschtes Verhalten gar nicht erst aufkommen zu lassen Allgegenwärtigkeit ( Withinness): immer über alles im Bilde sein, was in der Klasse vor sich geht und dies die Schüler merken lassen; hinten Augen haben Überschneidungen ( Overlappingness) : Fähigkeit, sich zwei Verhaltensproblemen gleichzeitig widmen zu können, ohne die Übersicht und Kontrolle über die Gesamtsituation zu verlieren Arbeitsschwung ( Momentum) : keine Verzögerung oder Stillstand im Unterrichtsfluss Arbeitsschwung in der Klasse bleibt erhalten Gruppenaufmerksamkeit wecken ( Group- alerting skills) : z.b. durch das Frage Antwort- Verfahren wird die Spannung im Unterricht aufrecht erhalten, die Klasse ist interessiert und aufmerksam Extinktion ( Auslöschung) Der Lehrer schenkt unerwünschtem Verhalten keine Aufmerksamkeit. Wo es angebracht ist, sollte der Lehrer den Schüler ignorieren, denn durch besondere Aufmerksamkeit wird der Schüler in seinem Verhalten bestärkt. Extinktion braucht jedoch Zeit. Das unerwünschte Verhalten muss konsequent ignoriert werden, denn eine unfreiwillig unterlaufene Verstärkung kann den Prozess wieder ins Gegenteil 1
2 verkehren. Allerdings gibt es Fehlverhalten, das so störend oder gefährlich ist, dass man es nicht ignorieren darf. Bei dieser Art von Fehlverhalten ist eine frühe Intervention notwendig. Inkompatibles erwünschtes Verhalten verstärken Erwünschtes Verhalten, das jedoch mit dem unerwünschten Verhalten inkompatibel ist, wird verstärkt, indem man die Stimuli, die das unerwünschte Verhalten ausgelöst haben, beseitigt. Zum Beispiel kann man einen Schüler, der die Antwort auf eine Frage in die Klasse ruft, ohne sich zu melden, aufrufen, bevor er losredet und ihn loben und aufrufen, wenn er sich meldet. Erzieherische Maßnahmen - wenn alle anderen Anstrengungen versagen Leise Ermahnungen, die nur der betreffende Schüler hört, sind oft wirkungsvoller, als eine Ermahnung, die alle Schüler hören können Negative Aufmerksamkeit, d.h. Worte ( Jetzt reicht es aber! ), stimmliche Lautstärke, Mimik und Gestik die deutlich machen, dass sich der Schüler falsch verhält Körperliche Bestrafung ist keine angebrachte Strategie und gesetzlich verboten! Strategien bei zu wenig erwünschtem Verhalten Auslösung, Verstärkung und Formung erwünschter Verhaltensweisen, indem man dem Schüler die Gelegenheit gibt, sich zu engagieren, z.b. in Projekten, und an interessanten Aufgaben teilzunehmen Bei einer Antwort des Schülers auf eine solche Aufforderung Verstärkung durch den Lehrer Verhaltensverträge schließen, in denen der Schüler für eine bestimmte erbrachte Leistung ( z.b. jeden Tag einmal melden) eine Belohnung innerhalb vernünftiger Grenzen bekommt. Die Leistung, die der Schüler für eine Belohnung erbringen muss, wird nach und nach gesteigert. Nach einiger Zeit wird der Verhaltensvertrag überflüssig, da die erhaltene Bestätigung durch Lehrer und Mitschüler dem Schüler Belohnung genug sind. Auch diese Strategien brauchen Zeit, um Wirkung zu zeigen. Im Anschluss an das Referat wurde zur Vertiefung des Gehörten eine Gruppenarbeit zu drei verschiedenen Fallbeispielen von problematischem Schülerverhalten mit der Aufgabenstellung Mit welcher Strategie würdet ihr dem folgenden Fallbeispiel begegnen? durchgeführt. Im Folgenden werden die einzelnen Fallbeispiele und die Ergebnisse der Gruppen dargestellt. 2
3 Fallbeispiel 1 Die 12-jährige Karin folgt zwar mit Interesse dem Deutschunterricht und schreibt gute Noten in den Klassenarbeiten, ihre aktive Teilnahme am Unterricht ist jedoch sehr gering. Sie meldet sich kaum aus eigenem Antrieb, sondern muss vom Lehrer zu Wortbeiträgen aufgefordert werden. Ergebnis der Gruppenarbeit: Bei Karin kann man zu wenig erwünschtes Verhalten feststellen. Eine Strategie des Lehrers könnte sein, mit ihr zunächst das persönliche Gespräch zu suchen und anschließend einen Verhaltensvertrag mit ihr zu schließen. Fallbeispiel 2 Thomas ist ein sehr lebhafter Schüler und in seinem Lieblingsfach Englisch stets mit Eifer bei der Sache. Vor lauter Eifer kann er er jedoch kaum abwarten, die Fragen des Lehrers zu beantworten und ruft deshalb seine Beiträge in die Klasse, ohne sich zu melden und zu warten, bis er drangenommen wird. Ergebnis der Gruppenarbeit: Es wurde die Strategie gewählt, das inkompatible erwünschte Verhalten zu verstärken, indem man Thomas zwar ignoriert, wenn er Lösungen in die Klasse ruft und sich offensichtlich einem anderen Schüler zu widmen, Thomas allerdings ebenfalls Aufmerksamkeit zu widmen und ihn dranzunehmen, wenn er sich meldet. Alternativ wurde als Prävention vorgeschlagen, einen Redestab oder eine Redemuschel in der Klasse einzuführen. Nur wenn ein Schüler diesen Stab oder diese Muschel erhält, darf er das Wort ergreifen. Ein anderer Vorschlag war die Einführung von gelben und roten Strafkarten, orientiert am Beispiel des Fußballs, als erzieherische Maßnahme. Eine andere Gruppe mit dem selbem Fallbeispiel würde den Schüler darauf hinweisen, sich erst zu melden und dann zu reden und gegebenenfalls das Gespräch mit ihm nach der Unterrichtsstunde oder während einer Gruppenarbeit suchen. Weitere Vorschläge betanden darin, durch eine Demonstration seines Verhaltens oder durch eine Diskussion über sein Verhalten die Selbsteinsicht des Schülers hinsichtlich seines Fehlverhaltens zu erreichen. Fallbeispiel 3 Robert hat Langeweile im Mathematikunterricht. Statt dem Unterricht zu folgen, wippt er mit seinem Stuhl und fängt an, Grimassen zu schneiden. Ergebnis der Gruppenarbeit: Zunächst wurde vorgeschlagen, die Strategie der Extinktion anzuwenden und das Verhalten des Schülers zu ignorieren. Als erzieherische Maßnahme könnte man Robert die Aufgabe geben zu berechnen, bei welchem Winkel er mit seinem Stuhl beim Wippen umfällt. 3
4 (2) Lehrerreaktion I: Lob und Akzeptanz Lob und Leistung: In acht Untersuchungen zu einer Verbindung zwischen der Leistungsfähigkeit der Schüler und dem Lob des Lehrers finden sich positive Korrelationen, in fünf anderen hingegen negative. Ein eindeutiger Zusammenhang von Lob und Leistung ist nicht erkennbar. Das Lehrerlob wird in den meisten Fällen von Schülern nicht als ein Lob interpretiert zu Recht. Lehrer verwenden ein Lob einer Untersuchung zufolge zumeist zweckentfremdet mit folgenden Absichten: 1) als spontaner Ausdruck der Verwunderung oder Bewunderung 2) als Wiedergutmachung für Kritik oder als eine Rechtfertigung des Lehrers für eine vorausgegangene Ermahnung 3) als Versuch einer stellvertretenden Verstärkung, wenn der Lehrer einen Schüler lobt, um das Verhalten anderer Schüler unter Kontrolle zu bringen 4) als positive Anleitung zum Versuch, menschliche Wärme zu verbreiten 5) als Eisbrecher oder ein Friedensangebot 6) als Überleitungsritual 7) als einen Trostpreis oder eine Ermunterung Gegenüber 7) wirkt sich jedoch eine vom Lehrer ohne Tadel vorgenommene Richtigstellung einer Schülerantwort, indem die Frage einfach weitergegeben oder selbst beantwortet wird, positiv auf die Schülerleistung aus. Eine solche 4
5 klare Reaktion auf falsche Antworten korreliert positiv (0,61) mit der Leistung der Schüler. Es sollte beim Aussprechen eines Lobes auf folgendes geachtet werden: 1) Schüler müssen als Ursache des Lobes ihre Leistung und/oder ihr Verhalten klar erkennen, um obige Gründe für Lob ausschließen zu können. 2) Nicht nur leistungsschwache Schüler sollten gelobt werden, damit Lob nicht zur indirekten Quelle von Diskriminierung wird. 3) Das Lob darf nicht zu oft verteilt werden, da es sonst an Wirkung verliert. Neben dem Lob gibt es eine weitere Möglichkeit, dem Schüler zu zeigen, daß seine Beiträge dem Erwünschten entsprechen: Schülerideen akzeptieren: Diese Vorgehensweise bietet ähnliche Vorteile wie das (richtige) Loben: 1) Es wird durch das Akzeptieren und Aufgreifen einer Schüleridee im weiteren Unterrichtsverlauf gezeigt, daß der Lehrer dieser einen gewissen Wert beimißt und sie ernst nimmt. Das Risiko des Verdachts einer bloßen Höflichkeitshandlung durch den Lehrer ist hier ganz im Gegensatz zum Lob höchst unwahrscheinlich. 2) Untersuchungen ergaben eine niedrige positive Korrelation (0,19) zwischen den Leistungen der Schüler und der Akzeptanz und dem Aufgreifen von Schülerideen durch den Lehrer. 3) Es darf angenommen werden, daß diese Vorgehensweise neben besseren Leistungen auch allgemein zu einer positiveren Einstellung gegenüber dem Lehrer führt. 5
6 (3) Lehrerreaktion II: Tadel und Strukturierungsreaktionen Tadel und Leistung: Untersuchungen in Bezug auf die Verbindung von Tadel seitens des Lehrers mit der Leistungsfähigkeit der Schüler ergaben als Zentralwert eine negative Korrelation von -0,32. Tendenziell haben Lehrer, die ihre Schüler häufiger kritisieren, Schüler mit schlechteren Leistungen. Die Frage, ob aus schlechter Leistung Tadel oder aus Tadel schlechte Leistung resultiert, kann hierbei nicht ohne weiteres beantwortet werden. Zusätzlich kann auch die Möglichkeit eines Teufelskreises nicht ausgeschlossen werden. Grundsätzlich sollte darauf geachtet werden, als Lehrer mit Tadel und Mißbilligung vorsichtig umzugehen. Neben dem Tadeln gibt es eine weitere Möglichkeit, auf falsche Schülerantworten zu reagieren: 6
7 Strukturierungsreaktionen: 1) Adressatenwechsel, indem z.b. dieselbe Frage einem anderen Schüler gestellt wird 2) lehrergesteuerte Gesprächsführung, indem Strukturierungshilfen am Ende einer Phase des Unterrichtsgesprächs z.b. in Form einer kurzen Zusammenfassung gegeben werden Strukturierungsreaktionen und Leistung: Eine Untersuchung zum Zusammenhang von Strukturierungsverhalten und Leistung der Schüler ergab eine Korrelation von 0,67. Strukturierungsmaßnahmen sind sinnvoll. Wenn ein Fehler einfach ignoriert und die Frage weitergegeben wird, ist dies noch keine Erniedrigung des Schülers. Weitere Vorteile dieser Methode sind: 1) Sanfte Kritik durch die implizite Korrektur einer Antwort, indem, nachdem eine Frage richtig beantwortet wurde, diese richtige Antwort gelobt, auf die falsche aber nicht mehr eingegangen wird. 2) Abschließende Strukturierung durch Zusammenfassung mindert das Risiko, daß die Schüler sich eine der falschen Antworten merken. 3) Die Forschung bestätigt die generelle Wichtigkeit eines Feedbacks seitens des Lehrers durch seine Reaktionen, was bei dieser Vorgehensweise gegeben wird, ohne allerdings mit den negativen Eigenschaften des Tadels einherzugehen. 7
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