Vernehmlassungsantwort von H+ zur Teilrevision der Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV)
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- Erwin Haupt
- vor 8 Jahren
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1 Vernehmlassungsantwort von H+ zur Teilrevision der Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV) H+ bedauert das Niveau der Vernehmlassungsvorlage zur Revision der KVV. Anstatt bei der Umsetzung des Gesetzes zu helfen, bringt sie nur mehr Verwirrung und Rechtsunsicherheit. H+ lehnt die Vorschläge in dieser Form ab. Vor allem bemängeln wir drei Punkte. Das kürzlich erst eingeführte Regime des Vergütungsaufschubs im Falle von nicht gezahlten Prämien hat sich nicht bewährt. H+ fordert, die unsäglichen Vorschläge zu Gunsten einer Gesetzesrevision zurückzustellen. Die Revision ist unausgereift. Viele Begriffe bleiben vage. Tarifstreitigkeiten sind absehbar. Die Vorlage bedarf dringend der materiellen Verbesserung. Die Krankenversicherer werden systematisch bevorteilt. Die Verordnungsbestimmungen müssen ausgewogen formuliert werden. Zu den Vorschlägen im Einzelnen. Art. 59 Abs. 5 Die Pflicht zur Zustellung einer Rechnungskopie im Tiers payant soll prinzipiell bei den Krankenversicherungen liegen. Der ursprüngliche Zweck der obligatorischen Rechnungszustellung wird mit der elektronischen Abrechnung und neuen Tarifen nicht mehr erfüllt. Der Zweck der Zustellung einer Rechnungskopie war, beim Patienten das Kostenbewusstsein zu fördern und gleichzeitig eine erste Rechnungskontrolle durchzuführen. Seit der Ausarbeitung des KVG in den frühen 1990er Jahren haben sich die Rechnungsabläufe und Tarife massiv verändert. Die elektronische Abrechnung wurde eingeführt, neue Tarife wie AP-DRG und TARMED sind heute Rechnungsgrundlage. Diese Tarife sind hochkomplex und für den Laien ohne Hilfsmittel nicht überprüfbar. Mit dem elektronischen Rechnungsversand wurden das Drucken von Rechnungen massiv eingeschränkt und für die Versicherer optimale Administrativabläufe geschaffen. Mit der Vorlage geht der bisher erzielte Effizienzgewinn bei den Spitälern wieder verloren. Ein Anstieg der Kosten und damit der Prämien muss erwartet werden. Die Pflicht für die Spitäler ist umso absurder, als die Versicherung sowieso mit einer Abrechnung die für die Patientinnen und Patienten relevanten Kosten zustellt. Eine Verdoppelung von Rechnungen durch Spitäler und Versicherer ist zu verhindern. In diese Richtung geht auch die laufende KVG-Revision, die inzwischen den Tiers payant als
2 Standard für stationäre Leistungen vorsieht (Fahne des Ständerates, nach den Abstimmungen vom 19. September 2006). Hingegen wehren sich die Spitäler nicht gegen die Zustellung einer Rechnungskopie (oder auch des Originals) auf Verlangen der Patientinnen und Patienten. Sie gehört selbstverständlich zur Spitaldienstleistung. Änderungsvorschlag.. so hat der Leistungserbringer auf Verlangen der versicherten Person die Kopie der Rechnung... Art. 59c Abs 1 H+ und die Spitäler sind sich bewusst, dass eine soziale Krankenversicherung nicht einfach unbesehen "jeden Preis" bezahlen muss. Es kann aber auch nicht Sache der sozialen Krankenversicherung sein, die Leistungserbringer in grossem Umfang zu nicht entschädigten Leistungen zu verpflichten. Das geht letztlich zu Lasten der Patienten. Die Notwendigkeit, Grundsätze festzulegen, welche eine systematische und wirtschaftliche Tarifierung gewährleisten, ist unbestritten, ebenso das Postulat der Transparenz. H+ hat vier Kernanliegen: Die Spitäler wehren sich vehement gegen all jene Formulierungen, die nur die billigsten Anbieter voll abgelten. Die Vorschläge tragen den angewandten und künftigen Tarifen zu wenig Rechnung. Die DRG bringen einen Systemwechsel von Input- (Kosten) zu Outputsteuerung (Preise). Dies muss sich auch in der Verordnung niederschlagen. Der Absatz ist voll von abstrakten Begriffen, die selbst wieder eine Umsetzungsverordnung bedürften. Genauere Begrifflichkeiten sind notwendig. Im Absatz fehlen die Kriterien, die das Niveau, das nicht überschritten werden darf, definieren. Art. 59c Abs. 1 Bst. a Spielen die Kosten in der Outputsteuerung durch DRG überhaupt noch eine Rolle? Im Hinblick auf die vorgesehene Leistungsabgeltung anstelle von Kostenrückerstattung ist es eine Zwängerei, jetzt noch Grundsätze über die Kostenvergütung festzulegen. Es handelt sich nicht mehr um Kostenvergleiche, sondern um Preisvergleiche. Falls die Verordnung die Kosten weiterhin als relevant betrachtet, bleibt unklar, ab wann die Kosten transparent ausgewiesen sind. Hier kann die Anwendung von REKOLE weiterhelfen. Immer wenn die Leistungserbringer in der Vergangenheit mehr Transparenz erreichten, haben die Krankenversicherer neue Detailaspekte verlangt, die auch noch transparent darzulegen waren. Für welche Leistungen sind Kosten transparent 2
3 auszuweisen? Diejenige der TARMED-Position, einer Gruppe der DRG? Wie werden Overhead-Kosten ausgewiesen, resp. zugeteilt? Falls die Verordnung die Kosten weiterhin als relevant betrachtet, ist unklar wieso nur höchstens diese vergütet werden. Vorausgesetzt die Kosten oder Preise sind alle diagnose- und behandlungsrelevant, dann müssen diese voll durch den Tarif getragen werden. Wer sollte die übrigen Kosten sonst übernehmen? Wenn die Möglichkeit der nicht vollen Kostendeckung bleibt, dann ist in jedem Fall ein Defizitträger zu definieren. H+ fordert mit der Einführung des neuen Artikels 59c den Artikel 59a KVV zu streichen. Die Institutionen der Langzeitpflege erfüllen inzwischen in der Regel die Auflagen der Kostenrechnung. a. Der Tarif deckt (darf höchstens decken) die transparent ausgewiesenen Kosten der Leistungen. Die Transparenz ist gewährleistet, wenn die Leistungserbringer ihre Kosten gemäss den Vorschriften der Verordnung über die Kostenermittlung und Leistungserfassung durch die Spitäler und Pflegeheime in der Krankenversicherung (VKL) ermitteln. Art. 59c Abs. 1 Bst. b Die Kriterien zur Ermittlung der effizienten Leistungserbringung fehlen. Was ist eine effiziente Leistungserbringung? Wer legt die Standards dazu fest? Hier handelt es sich um einen Modebegriff. Effizienz ist der grösste mögliche Output beim kleinsten möglichen Input. Wird nur der Input gemessen, hier wahrscheinlich der Preis, oder anachronistisch doch die Kosten, handelt es sich nicht um die effizienteste sondern um die billigste Leistung. Das EDI und das BAG sollten den Mut haben, dies so zu sagen, anstatt Augenwischerei zu betreiben. Der Output kann übrigens nur durch die Qualität der Leistungen festgehalten werden. Diese zeigt sich bei gewissen Behandlungen erst nach Jahren (zum Beispiel Hüftgelenkimplantation). Wie können die volkswirtschaftlichen Gewinne (erhöhter Output, mehr Qualität und damit mehr effiziente Leistungen) in die Effizienzberechnungen einfliessen, wenn innovative Behandlungen zu früherer Arbeitsfähigkeit führen. Statt des ungenauen Begriffs der effizienten Leistungserbringung können die durchschnittlichen Preise (Kosten) genommen werden. Wer legt die Werte der Mindestauslastung von Einrichtungen (siehe Kommentar) fest? Ein hoher Mindestauslastungswert kann dazu führen, dass solche Einrichtungen nur noch in grösseren Agglomerationen kostendeckend tarifiert werden und in der Folge in den Randregionen eine Unterversorgung entsteht. 3
4 b. Der Tarif deckt (darf höchstens decken) bei gleicher Qualität die durchschnittlichen Kosten. Art. 59c Abs. 1 Bst. c Eine allgemeine Einführung der Kostenneutralität bei Tarifmodellwechsel lehnt H+ ab. Die Erfahrungen von TARMED sind zu negativ. Die Kostenberechnungen von TARMED basieren auf den Leistungen von Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Inzwischen sind nicht nur die Lebenshaltungskosten gestiegen (Inflation), sondern die Spitäler wurden auch gesetzlich und gerichtlich gezwungen, gewisse Kosten anzupassen, namentlich im Lohnbereich. Mit einer Kostenneutralität wird die Innovation in der Medizin gehemmt, wenn die Leistungserbringer OKP-relevante Kosten selbst tragen müssen. Im Endeffekt leiden die Patientinnen und Patienten. Es wird nicht geklärt, unter welchen Bedingungen Tariferhöhungen zulässig oder gar notwendig sind. Als Beispiel sei hier die Laparoskopie genannt, die rund 40% teurer ist, als die klassische invasive Alternativen, durch die aber der Patient viel schneller arbeitsfähig ist. Insgesamt gesehen ist also die Laparoskopie meistens trotz höherer Behandlungskosten volkswirtschaftlich effizienter. Dem medizinischen Wandel wird zu wenig Rechnung getragen. Deshalb sind wir der Überzeugung, dass es sich um eine versicherungsfreundliche und eine patientenfeindliche Vorlage handelt. Die Teuerung und rechtliche Auflagen sind auf alle Fälle als mögliche Mehrkosten anzurechnen. Die Anrechnung von Teuerungskosten ist in Kantonen wie Graubünden bekannt. Es ist nicht einzusehen, wieso das BAG von der kontrollierten Kostensteigerung auf die Kostenneutralität für alle Tarife umschwenkt. c. Bei einem Wechsel des Tarifmodells werden die Umstellungskosten, die Teuerung und die Kosten von rechtlichen Auflagen angerechnet. Art. 59c Abs. 1 Bst. d Auch unter diesem Buchstaben wird mit unklaren Begriffen hantiert. Was bedeutet Leistungsbereich. Was hat eine versicherte Person mit den effektiven Leistungen zu tun. Ist dies eine zweckmässige Grösse für Behandlungspreise? Es handelt sich hier viel mehr um durchschnittliche Behandlungen. Warum sind die Vergleiche auf den Kanton beschränkt? 4
5 Art. 59c Abs. 2 Es kann nicht angehen, dass nur Kostenreduktionen also Massnahmen zu Ungunsten der Spitäler vorgenommen werden. Der Artikel muss auch Kostensteigerungen einbeziehen. Die Vertragsparteien müssen die festgelegten Tarife regelmässig überprüfen und bei Kostenveränderungen erhöhen oder senken. Art. 73 abs. 2 Therapeutische Gruppen werden nur in der Spezialitätenliste gemacht. Der Absatz ist dementsprechend zu präzisieren. Es muss beschrieben sein, nach welchen Kriterien eine Gesamtlimitierung errechnet wird. Die "jederzeitige" Unterstellung ist inakzeptabel. Aus Gründen der Rechtssicherheit und für betriebswirtschaftliche Vorkehrungen braucht es Fristen, zum Beispiel um Personal entlassen zu können. Art. 90 In der Regel äussert sich H+ nicht zu Versicherungsfragen. Uns ist nur aufgefallen, dass die Ausnahme zur monatlichen Zahlung nicht geregelt ist. Bei einer periodischen Zahlung (zum Beispiel 3-monatlich) kann eine mittlere Zahlungsfrist gelten. Art. 105c H+ bittet das EDI und das BAG, die Gesetzesrevision wieder rückgängig zu machen und auf die Verordnungsrevision zu verzichten. Der Hintergrund der Revision ist das Nichtfunktionieren des Artikels 64a KVG. Anstatt dieses Versagen zuzugeben, wird versucht, durch eine Überregelung in die Realität einzugreifen. Die neuen Bestimmungen stellen keine Verbesserung der Situation dar, die erst dadurch geschaffen wurde, dass ein Leistungsaufschub bereits ab Fortsetzungsbegehren und nicht erst ab Verlustschein möglich ist. Gefordert wird, dass der Gesetzgeber zur früheren Praxis (Aufschubmöglichkeit erst ab Verlustschein) zurückkehrt. Die Vorlage widerspricht den Bestimmungen vieler Tarifverträge, welche gemäss Tiers payant die Bezahlung der Rechnungen innerhalb klarer Fristen regelt. Eine Nichtbezahlung von Versicherungsprämien ist eine Angelegenheit zwischen Versicherten, Versicherern und allenfalls den Sozialbehörden. Dieses Problem darf nicht auf die Leistungserbringer abgewälzt werden. Es ist nicht einsichtig, wieso das Gesetz eine Verschiebung des Delkredererisikos von den Versicherern auf die Leistungserbringer 5
6 unterstützt. Die Übernahme des wirtschaftlichen Risikos ist eine der ureigensten Aufgaben der Versicherer. Sie wird heute von den Leistungserbringern, insbesondere den Spitälern, oder den Kantonen übernommen. Mit den Vorschlägen lassen sich die Krankenkassen ihr Inkassorisiko durch den Staat bezahlen. Das Vorgehen bleibt in einzelnen sehr zentralen Punkten unklar, trotz des gut gemeinten Versuches, es klar zu definieren. Muss der Versicherer bei Nachzahlung und erneutem Verzug wieder betreiben? Erhöht dies nicht die Gesundheitskosten zusätzlich. Darf das Spital in der Zeit zwischen Nachzahlung und neuem Verzug Leistungen erbringen und werden diese ihm auch vergütet? Trotz der gemachten Vorschläge ist die Delkredereproblematik nicht beseitigt, vor allem nicht für die Leistungserbringer. Art. 105c Abs. 3 Der Versicherer soll verpflichtet werden, den Leistungserbringer auf dessen Anfrage hin über die Mitteilung des Leistungsaufschubs zu informieren. Bei laufender Behandlung informiert der Krankenversicherer den jeweiligen Leistungserbringer. Art. 105c Abs. 7 Der Absatz hat in der vorliegenden Formulierung rein deklamatorischen Charakter ohne jede Wirkung. Unklar ist, welche Stelle im Kanton zuständig ist, und an wen sich Patienten und Spitäler wenden müssen. Umgekehrt zum Revisionsvorschlag soll der Kanton für eine schon erbrachte oder noch zu erbringende Leistung die Kosten tragen, und nicht nur die medizinische Leistungen garantieren. Dies muss sowohl für öffentliche wie auch für private Leistungserbringer gelten. Kosten aus stationären Behandlungen, für die der Krankenversicherer vor einem Leistungsaufschub gegenüber dem Leistungserbringer eine Kostengutsprache erteilt hat, sind vom Versicherer zu übernehmen, unabhängig davon, ob die Rechnung allenfalls erst nach Beginn des Aufschubs bei ihm eintrifft. 6
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