5 Kognitive Strukturen - Erkenntnistheorie
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- Kurt Morgenstern
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1 Soziale Strukturen der Wissenschaft 5 Kognitive Strukturen - Erkenntnistheorie PD Dr. Ulrich Schmoch Vorlesung SS 2011 PD Dr. U. Schmoch 1
2 Verhältnis von inhaltlichen und sozialen Orientierungen Ausgangsfrage: Verhältnis von inhaltlichen/erkenntnistheoretischen/epistemischen und sozialen Orientierungen Oder: Wird der Forschungsprozess vorwiegend von sachlich/inhaltlichen oder aber sozialen Faktoren bestimmt? PD Dr. U. Schmoch 2
3 Wissenschaftstheorie von Karl Popper ( ) Entwicklung der Wissenschaft durch Aufstellung von Theorien und Hypothesen Verifikation oder Falsifikation durch empirische Forschung Rationalistisches Bild der Wissenschaftsentwicklung Positivismusstreit (1961) mit Adorno und Habermas (Frankfurter Schule): Einheit der Methoden von Naturund Sozialwissenschaft Letztlich ähnliches Denken von Popper und Merton PD Dr. U. Schmoch 3
4 Kuhn: Wissenschaftliche Revolutionen Nach Popper: Wissenschaft entwickelt sich inkrementell und kumulativ Nach Kuhn: Wissenschaftliche Entwicklung als Abfolge wissenschaftlicher Revolutionen Die "Normalwissenschaft" wird durch Orientierung auf ein "Paradigma" bestimmt Paradigma = Beispiel, Vorbild, Muster, Vorbild (kognitive Institution) Eine wissenschaftliche Revolution entsteht durch Zweifel am bestehenden Paradigma und Aufstellung eines neuen. PD Dr. U. Schmoch 4
5 Umstände eines Paradigmenwechsels Das alte und das neue Paradigma sind inkommensurabel Beispiel für einen grundlegenden Paradigmenwechsel: Newtons Mechanik und Einsteins Relativitätstheorie Oftmals Paradigmenwechsel weniger spektakulär Durchsetzung des neuen Paradigmas erfordert Brechung der Macht der etablierten Wissenschaftler Nach Durchsetzung des neuen Paradigmas Verifikation durch Vielzahl von Einzeluntersuchungen (Normalwissenschaft) PD Dr. U. Schmoch 5
6 Paradigma und Scientific Community Scientific Community in einem Themenfeld = Paradigmengruppe g Handlungen und Kommunikationen werden durch Paradigma bestimmt Verknüpfung von Inhalten und Sozialstruktur Einführung in Paradigma durch Sozialisation und Institutionalisierung Institutionalisierung durch Vorlesungen, Lehrstühle, Lehrbücher, Zeitschriften, Fachgesellschaften Disziplinäre Matrix (Kuhn): Konstellation von Meinungen, Werten, Techniken PD Dr. U. Schmoch 6
7 Weitere Grundfrage: Einfluss von Scientific Community und Gesellschaft Relation von Scientific Community mit Paradigma/disziplinärer Matrix/Verbindung von sozialer und inhaltlicher Orientierung und gesellschaftlicher Orientierung (strong program, Bloor u.a. )? Relevanter Einfluss allgemeiner gesellschaftlicher Interessen auf wissenschaftliche Ideen? PD Dr. U. Schmoch 7
8 Scientific Communities als Kommunikationsgemeinschaften Verschiedene Fallstudien, insbesondere von Mullin, zur Herausbildung von Kommunikationsgemeinschaften Phase 1: Intellektuelle Übereinstimmung einiger Forscher, oft aus verschiedenen Gebieten Phase 2: Entstehung eines wachsenden Kommunikationsnetzwerkes Phase 3: Gruppenbildung, Grenzziehung, Formulierung eines "Dogmas" Phase 4: Zeitschriften, Konferenzen, Vereinigungen PD Dr. U. Schmoch 8
9 Verallgemeinerung durch Mullins/Griffith Aktive Gruppen erhöhen Kommunikations- und Organisationsgrad Strategische Einwirkung auf Umwelt zur Ressourcenakquisition Abgrenzung gegenüber Gruppen mit konkurrierendem Programm Herausbildung intellektueller Führer Entwicklung neuer Forschungsprogramme, g da Fehlen von Belegen/Beweisen PD Dr. U. Schmoch 9
10 Das Innen und Außen Die Unterscheidung von Innen und Außen meint nicht Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft Zunächst Forschergruppen und andere Wissenschaft PD Dr. U. Schmoch 10
11 Strategisches Gruppenhandeln Strategisches Gruppenhandeln Voraussetzung für wissenschaftliche Innovationen Akkumulation von symbolischem und sozialem Kapital (Bourdieu) Bourdieu: Autonomer und heteronomer Pol (Wissenschaft und Politik/Wirtschaft) Übersetzung von symbolischem Kapital in materielles: Wissensansprüche/Reputation in Stipendien, Forschungsmittel PD Dr. U. Schmoch 11
12 Credibility Cycle Materielles Kapital allein unzureichend, muss in symbolisches übersetzt t werden (innovative Forschungsergebnisse) Credibility Cycle (Latour/Wolgar) PD Dr. U. Schmoch 12
13 Relevanz kluger Köpfe Individualisierte Sicht von Forschern greift zu kurz "Kluge Köpfe" notwendige Voraussetzung, aber nicht hinreichend Wichtig ist Rezeption mit inhaltlichen und sozialen Voraussetzungen PD Dr. U. Schmoch 13
14 Unterscheidung zwischen Wissenschaftsgebieten Ausmaß der Kontrolle über eigene Arbeitsziele und Arbeitsprozesse Wechselseitige Abhängigkeit der Mitglieder einer Community bei der Koordination von Einzelergebnissen Unsicherheit bei Zielen und Aufgaben Unterscheidung zwischen etablierten und (noch) unterentwickelten Disziplinen (Whitley) Erinnerung: Emergente und etablierte Felder/Netzwerke bei Callon PD Dr. U. Schmoch 14
15 Finalisierung der Wissenschaft These der Finalisierung mit Hintergrund der Atombombe und des steigenden Interesses an technischer Nutzung der Wissenschaft (Böhme 1976) Phase 1: Entstehung eines neuen Gebietes und einer neuen Community Phase 2: Abgrenzung gegenüber Außen, Stärkung des Innen, Erreichen der Reife Phase 3: Nutzung für externe Zwecke, Steuerung von außen Thema: Steuerung der Wissenschaft von außen, Relevanz interner Widerstände PD Dr. U. Schmoch 15
16 Relevanz der Finalisierung Beleg durch viele Einzelstudien, aber auch Gegenbeispiele Aufgreifen des Gedankens durch Gibbons (1994, new production of knowledge) Frage nach Autonomie oder Heteronomie der Wissenschaft PD Dr. U. Schmoch 16
17 Marxistische Wissenschaftstheorie Hessen (1931): Wissenschaftliche Konzepte (Überbau) entstehen aus materiellen Problemen (Unterbau) Gegenposition Weber (Protestantische Ethik 1922): Mindestens gleichwertiger g Einfluss von Religion Fazit: Wissenschaftsentwicklung ohne Bezug auf gesellschaftlichen Kontext nicht plausibel, aber als alleinige Erklärung zu einfach Umsetzung von spezifischen Konzepten ohne Bezug auf wissenschaftliche Kommunikation nicht verstehbar Keine einfachen Kausalbeziehungen PD Dr. U. Schmoch 17
18 Wissenschaft und Gesellschaft, 1 Wissenschaft ist Teil der Gesellschaft, also verläuft nicht asozial wie bei Popper Allerdings professionelle (wissenschaftliche) und allgemeine gesellschaftliche Interessen (Intellektuelles) Milieu der Wissenschaftler relevant (Forman 1971), allerdings analytisch kaum fassbar PD Dr. U. Schmoch 18
19 Wissenschaft und Gesellschaft, 2 Allgemeiner gesellschaftlicher Einfluss vor allem bei Art der Verfolgung bestimmter Forschungslinien und Auswahl zwischen konkurrierenden k Themen PD Dr. U. Schmoch 19
20 Schließung von Diskursen Objektiv nach rein wissenschaftlichen Kriterien (alle erforderlichen Beweise eise erbracht) Oftmals Kontroversen nicht entscheidbar (keine eindeutige Evidenz für eine Seite) Entscheidung über soziale Macht Scheinbar objektive Darstellung (neutrale Rhetorik) in Bezug auf "richtige" Positionen PD Dr. U. Schmoch 20
21 Beobachtung zur soziologischen Betrachtung, 1 Gegenstände soziologischer Analyse sind komplex und vielfachen Einflüssen unterworfen Es ist schon schwer, den Gegenstand der Untersuchung, hier die Scientific Community, zu beschreiben Es gibt keine einfachen Einflüsse, die streng kausal bestimmte Effekte induzieren Bei empirischen Analysen müssen viele Aspekte vereinfacht durch Indikatoren abgebildet werden. Die Betrachtung der Zusammenhänge erfordert multivariate Untersuchungen PD Dr. U. Schmoch 21
22 Beobachtung zur soziologischen Betrachtung, 2 Die Untersuchung einzelner Aspekte ist in der Regel unzureichend, die Vereinfachung und Fokussierung kann aber die Forschung voranbringen Vorsicht: Einfache eindimensionale Erklärungen sind in der Regel unzureichend Auch natur- und ingenieurwissenschaftliche Analysen arbeiten mit Vereinfachungen, können damit aber häufig mehr erklären PD Dr. U. Schmoch 22
4 Soziale Differenzierung in der Wissenschaft
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