Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz

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Dorothea Fried
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1 Untervazer Burgenverein Untervaz Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz 1980 Hängenelken und Tulpen Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter erhältlich. Beilagen der Jahresberichte Anno Domini unter

2 Hängenelken und Tulpen Lilly Bardill-Juon Terra Grischuna - Heft Nr Seite

3 - 3 - Blumen schmücken die alte Engadiner Festtagstracht; stilisierte Nelken und Tulpen wurden bevorzugt.

- 4 - Es ist eigentlich eigenartig, dass Hängenelken und Tulpen in Graubünden bevorzugte Motive der Volkskunst sind. Immer wieder werden sie als Sgraffitoornamente verwendet und sehr oft auf Bordüren.

4 - 4 - Es ist eigentlich eigenartig, dass Hängenelken und Tulpen in Graubünden bevorzugte Motive der Volkskunst sind. Immer wieder werden sie als Sgraffitoornamente verwendet und sehr oft auf Bordüren. Kammtaschen und sogar auf kirchliche Gewänder gestickt oder gedruckt. Und wie würden unsere alten Frauentrachten ohne Nelken und Tulpen wirken? Erker mit Hängenelken in S-chanf Hängenelken sind beliebt werden bewundert und oft als die Bündner Blume betrachtet.

5 - 5 - Weiche, sanfte Sommernacht! Stille tropft von schwarzen Bäumen in mein Inneres, überzieht die sanften Stunden ohne Schlaf mit leisem Licht. Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft fliessen ineinander über, sind schwebend überall. Unerschöpflich ist das Geheimnis der Sprache. Tausendfach kannst du dieselben Worte zum Satz reihen - aber nur die eine Art entspricht dir, deinem So-Sein. Der Duft von violetten Hängenelken aus früher Kindheit, ist in meinen Wünschen. Der aufgekommene Wind lässt schattenhafte Blumen nicken, hörst du ihr leises Flüstern? Eine verspätete Maus huscht eilig über den Gartenweg, beeil dich Mäuschen, ehe die Nachtvögel aufmerksam werden. Schaurig und sehnend klingt der Ruf des Käuzchens. Vielfältige Geräusche einer Sommernacht, warm und geheimnisvoll, wiegen dich in einen Traum voller Bilder... Blumen am Kleid, am Haus, im Garten. Vor Jahrzehnten spielten die Trachten eine grosse Rolle. Da gab es keine «Garderobefragen»: wenn eine Festlichkeit bevorstand, sei es die Schlittada, eine Hochzeit oder Taufe oder andere Gelegenheit, die rote Festtagstracht der Engadinerin, die blau-rote der Prättigauerin, und die vielen anderen der übrigen Täler, sie wurden aus dem Schrank genommen, a die Luft gehängt, Bluse, Tuch und Schürze gebügelt und da ewige Problem der Frau «was ziehe ich an?» war gelöst. Im vorigen Jahrhundert - das kann man in der Erzahlung «Der rote Rock» von Tina Truog-Saluz nachlesen, war di, rote Tracht der Unterengadinerin das Sonntagskleid für den Kirchgang das ganze Jahr über. Und im Rätischen Museum befinden sich viele Zeugen aus der Vergangenheit, Bordüren an Bettanzügen, Filethäkeleien, Stoffdrucke, Kammtaschen, kirchliche Gewänder, überall treten die Motive Nelke und Tulpe auf. Eine Tracht aus dem 18. Jh. hat sogar die Ärmel und das ganze Mieder bestickt, erstere mit Tulpen und Nelken. Zu einem besonderen Anlass bekam ich als junges Mädchen die Tracht. Die feinen Stickereien an Palotta, Schultertuch und Schürze, führten die Nonnen im Kloster Müstair aus, ich durfte die Motive aussuchen. Ich fand, dass die Nelke die eigentliche Blume sei, die zur Engadiner Tracht gehöre - Tulpen sah man

6 - 6 - damals noch wenige, im hoch gelegenen Münstertal keine - und so habe ich jetzt eine Tracht, dessen schwarze Seide nur Nelken schmücken. Auf Anfrage teilte mir die Verwaltung des Klosters Müstair mit, dass auch jetzt noch Trachten bestickt werden, vor allem im Winter. Vier Schwestern seien mit den feinen Arbeiten beschäftigt: Das Ende des 17. und das 18. Jahrhundert glänzten im Engadin durch eine eigentliche kulturelle Blütezeit. Die Hause wurden mit Sgraffito-Ornamenten geschmückt, die Kleider bestickt - sogar Herrenhemden mit geklöppelten oder gehäkelten Spitzen versehen. Jedes Sonntagskleid erhielt ein gesticktes, oft weisses Schultertuch. Blumenkistchen mit Hängenelken leuchteten aus den tiefen Fenstersimsen des Engadinerhauses. Man hatte genug unter den Kriegswirren und Plünderungen gelitten, die Menschen bedurften nebst dem Lebensnotwendigen eines: Schönheit. Tulpen, verschlungene Ranken, Nelken zierten die Häuser, im Sgraffito von flinken Händen rasen skizziert, leuchteten auf Trachtentüchern von geduldigen Händen in mühsamer Kleinstarbeit ausgeführt. Man freute sich, feierte lebenslustig Feste - jede Bacharia war Anlas genug dazu. Unverständlich ist es, dass in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts die Häuser auf einmal ohne Dekorationen zu sein hatten. Die Fassaden wurden übertüncht mit Gelb, Rosa oder Weiss, das Karge nahm wieder überhand. Und heute? Welchen Umständen verdanken wir es, das wieder so grosse Sehnsucht nach Schönheit besteht? Vielleicht jenen, dass der Mensch in seinem Innersten kaum mit den zu schnellen Fortschritten der Technik Schritt halten konnte, oder aber ist in ihm jenes Erbgut erwacht, das seine Vorfahren dazu trieb, trotz knappsten Geldmitteln Haus und Kleid und Garten mit den sogenannten «Unnötigen», nicht Lebensnotwendigen zu schmücken? Denn die Seele fordert ihre Nahrung, das Auge will in Schönheit baden, um sich zu erholen vom Weltgeschehen, das allzuviel Schreckliche, zeigt. Und so wird in mühseliger und geduldiger Hingabe die Farbe vom Haus weggekratzt, alte bunte Zeichnungen und Sgraffitofantasien werden freigelegt und freudevoll erneuert und gepflegt. Auch die Tracht hat eine wahre Wiedererstehung erlebt.

- 7 - Prächtige Hängenelken am Fenster eines Bündner Hauses. Auch viele neue Häuser verschönern das Dorfbild, viel Mühe wurde darauf verwendet, stilecht zu bauen, zu schmücken. Und die Gärten?

7 - 7 - Prächtige Hängenelken am Fenster eines Bündner Hauses. Auch viele neue Häuser verschönern das Dorfbild, viel Mühe wurde darauf verwendet, stilecht zu bauen, zu schmücken. Und die Gärten? Ich habe nur Freude am Garten, wenn eine gewisse Wildheit die Arbeit der trotzdem ordnenden Hand nicht sehen, sondern nur ahnen lässt. Wo bunte Flecken mit Tulpen im Frühling die Farbenpracht des Herbstes schon vorwegnehmen, diese stolzen, fast wächsernen Geschöpfe, die nur schön gedeihen, wenn sie unter einer Menge ihresgleichen wachsen dürfen. In der Vase lassen sie bald ihre Köpfe hängen und zerfallen. Und dann im Sommer: ganze Büsche von kleinen Nelken, der betäubende Duft verrät ihren Standort schon von weitem. Sie sind nicht zerbrechlich, sind robust wie der Bergler, sie passen zu Graubünden. Internet-Bearbeitung: K. J. Version 11/2012

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