Überblick. Allgemeine Psychologie 1. Prof. Dr. Adrian Schwaninger. Herbstsemester (aktualisiert)
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- Franka Ackermann
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1 Allgemeine Psychologie 1 Herbstsemester (aktualisiert) Prof. Dr. Adrian Schwaninger Überblick Wahrnehmung: Sinnesorgane Prozesse und Grundprinzipien Sehen Hören Propriozeption Tastsinn Geschmackssinn Geruchssinn Wahrnehmung: Organisation und Interpretation Wahrnehmungsorganisation Wahrnehmungsinterpretation Prof. Dr. Adrian Schwaninger 2 1
2 Geschmackssinn Der Geschmackssinn, ein chemischer Sinn, setzt sich verschiedenen Grundempfindungen zusammen (süss, sauer, salzig, bitter,»umami«und evt. fettig) sowie aus den Aromen, die mit den Informationen der Geschmacksknospen interagieren. Umami hat eine geschmackliche Ähnlichkeit zu Fleisch, Brühe, und Bohnenkraut und wird oft mit den geschmacksverstärkenden Eigenschaften von Mononatriumglutamat assoziiert wurde ein neuer Rezeptor für Fett entdeckt. Noch nicht eindeutig bewiesen ist, ob die Signale dieser Rezeptoren über spezialisierte Geschmackszellen und nachgeschaltete Nervenbahnen ans Gehirn weitergeleitet werden. Auf der Zunge befinden sich vier Arten von Papillen (Wall-, Folien, Faden- und Pilzpapillen). Ausser den Fadenpapillen enthalten alle anderen Papillen Geschmacksknospen (insgesamt ca ). Eine Geschmacksknospe enthält Geschmacksinneszellen. Mit jeder Sinneszellen sind eine oder mehrere Nervenfasern assoziiert. Rezeptoren auf den Mikrovilli der Geschmackssinneszellen reagieren auf unterschiedliche Substanzen (bitter, süss, sauer, salzig, etc., siehe nächste Folie). Die in den Geschmackssinneszellen erzeugten elektrischen Signale werden von der Zunge über den Thalamus zum Frontalhirn weitergeleitet (zur Insula und zum frontalen Operculum). Für die Geschmacksempfindung spielt auch das über viele Neurone verteilte Aktivierungsmuster eine wichtige Rolle. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 3 Neu (2011): Rezeptor für Fett (Aus Goldstein, 2008) 4 2
3 (Aus Goldstein, 2008) 5 Wissenswertes zum Geschmackssinn Geschmacksrezeptoren erneuern sich alle 1-2 Wochen. Wenn Sie also mit heissem Essen Ihre Zunge verbrennen, dann ist das nicht so schlimm. Mit dem Alter nehmen die Anzahl der Geschmacksknospen und die Geschmacksempfindung ab. Deshalb ist es nicht überraschend, dass Erwachsene gerne kräftig schmeckende Speisen zu sich nehmen, die Kinder nicht so gerne mögen. Rauchen und Alkohol beschleunigen die Verringerung der Geschmacksknospen und ihre Sensibilität. Unsere emotionalen Reaktionen auf Geschmack sind grösstenteils genetisch determiniert (ähnliche Reaktionen von Zunge und Gehirn auf süsse oder bittere Substanzen bei Neugeborenen wie bei Erwachsenen). Menschen ohne Zunge können trotzdem schmecken, und zwar über Rezeptoren im Rachenbereich und am Gaumen. Wenn Sie die Geschmacksempfindung auf einer Seite der Zunge verlieren, merken Sie es wahrscheinlich gar nicht. Denn die andere Zungenseite wird daraufhin entsprechend sensibler. Hinzu kommt, dass das Gehirn den Ort des Geschmackes auf der Zunge nicht gut lokalisieren kann. Obwohl sich in der Mitte der Zunge nur wenige Geschmacksrezeptoren befinden, nehmen wir Geschmack wahr, als würde er von der gesamten Zunge aufgenommen. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 6 3
4 Sensorische Interaktion und Synästhesie Sensorische Interaktion ist das Prinzip der gegenseitigen Beeinflussung verschiedener Sinne, wie beispielsweise der Geruch von Essen seinen Geschmack beeinflusst. Um einen Geschmack auszukosten, atmen wir normalerweise das Aroma über die Nase ein. Ohne Geruch ist die Geschmacksempfindung stark beeinträchtigt. Bsp. 1: Bei starker Erkältung ist Geruch und damit auch Geschmack beeinträchtigt. Bsp. 2: Halten Sie sich einmal die Nase zu, schliessen die Augen, und lassen Sie sich dann von jemand anderem füttern. Ein Stück Apfel erscheint Ihnen dann kaum unterscheidbar von einem Stück roher Kartoffel. Ein Stück Steak kann wie Pappe schmecken. Ohne Geruch (Aus Zimbardo & Gerrig, 2008) kann eine Tasse Kaffee schwer von einem Glas Rotwein zu unterscheiden sein. Synästhesie: Ist ein Extremfall von sensorischer Interaktion und kommt sehr selten vor. Dabei erzeugt eine Art von Empfindung (z.b. ein Ton hören) eine andere Empfindung (z.b. die Farbe rot). Oder wenn man die Zahl 3 sieht, so kann das bei einem Synästhetiker eine Geschmacksempfindung auslösen. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 7 Überblick Wahrnehmung: Sinnesorgane Prozesse und Grundprinzipien Sehen Hören Propriozeption Tastsinn Geschmackssinn Geruchssinn Wahrnehmung: Organisation und Interpretation Wahrnehmungsorganisation Wahrnehmungsinterpretation Prof. Dr. Adrian Schwaninger 8 4
5 Geruchssinn Moleküle von Geruchsstoffen gelangen mit dem Luftstrom in die Nase und kommen mit der Riechschleimhaut in Kontakt, in der sich die olfaktorische Rezeptorzellen (Riechsinneszellen) befinden. Die Zilien der Riechsinneszellen, die in den Luftstrom hinausragen, enthalten die Geruchsrezeptoren. Der Kontakt von Geruchsstoffen mit den Geruchsrezeptoren führt zur Transduktion, die elektrische Signale in den Riechsinneszellen hervorruft. Die elektrischen Signale werden durch zusammenlaufende Axone im Bulbus olfactorius (Riechkolben) weitergeleitet, der ein Teil des Gehirns ist. Von dort werden die Signale über die Riechbahn in den primären olfaktorischen Kortex (piriformer Kortex) und den sekundären olfaktorischen Kortex (orbitofrontal Kortex) weitergeleitet. Olfaktorische Signale gelangen auch an die Amygdala, eine Struktur tief im Kortex, die an der Steuerung emotionaler Reaktionen beteiligt ist. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 9 Geruchssinn Nächste Folie Prof. Dr. Adrian Schwaninger 10 5
6 Prof. Dr. Adrian Schwaninger 11 vorne hinten (Aus Goldstein, 2008) Prof. Dr. Adrian Schwaninger 12 6
7 Kodierung von Gerüchen Der Mensch besitzt ca. 350 verschiedene Arten von Geruchsrezeptoren. Eine Riechsinneszelle enthält nur eine Art von Geruchsrezeptoren. Der Mensch kann Tausende von Gerüchen unterscheiden. Ein Geruch wird vermutlich durch das Aktivierungsmuster von Geruchsrezeptoren der Riechsinneszellen kodiert. (Aus Goldstein, 2008) Prof. Dr. Adrian Schwaninger 13 Kodierung von Gerüchen Molekülstruktur (Nach Goldstein, 2008) Prof. Dr. Adrian Schwaninger 14 7
8 Kodierung von Gerüchen Veranschaulichung des kombinatorischen Kodes für Gerüche wie von Malnic et al. (1999) vorgeschlagen. Die farbig dargestellten Rezeptoren sind diejenigen, die auf den jeweils links abgebildeten Geruchsstoff antworten. Beachten Sie, dass jeder Geruchsstoff ein unterschiedliches Muster von Rezeptoraktivitäten hervorruft, ein bestimmter Rezeptor jedoch auf mehrere Gerüche antwortet. (Nach Goldstein, 2008) Geruchsstoffe Rezeptoren Prof. Dr. Adrian Schwaninger 15 Weitere Merkmale des Geruchssinns Gerüche können zwar relativ gut unterschieden werden aber man kann sie schlecht beschreiben. Laboruntersuchungen haben gezeigt, dass wir uns schwer an Namen und Bezeichnungen von Gerüchen erinnern können. Aber lange vergessene Gerüche und damit assoziierte persönliche Erlebnisse können gut wiedererkannt werden. Gerüche können intensive Erinnerungen und Gefühle hervorrufen (durch Verbindungen zum limbischen System). Ähnlich wie bei den Geschmackssinneszellen gilt auch für die Riechsinneszellen, dass sie einen ständigen Zyklus des Entstehens, Reifens und Absterbens durchlaufen. Bei den Riechsinneszellen dauert dieser Zyklus ca. 5-7 Wochen. Riechsinneszellen des Menschen sind nicht weniger empfindlich als die irgendeiner Tierart. Allerdings sind z.b. Hunde viel empfindlicher für Gerüche als Menschen weil sie viel mehr Geruchsrezeptoren besitzen. Menschen haben ca. 10 Mio Riechsinneszellen, während Hunde etwa 500 Mio besitzen. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 16 8
9 Alter, Geschlecht und Geruchssinn Ergebnisse eines Riechtests mit 1.2 Mio Personen, bei welchem 6 Geruchsproben identifiziert werden mussten. Frauen schnitten besser als Männer ab. Mit zunehmenden Alter, sowie bei Rauchern und regelmässigen Alkoholkonsumenten war der Geruchssinn herabgesetzt. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 17 Überblick Wahrnehmung: Sinnesorgane Prozesse und Grundprinzipien Sehen Hören Propriozeption Tastsinn Geschmackssinn Geruchssinn Wahrnehmung: Organisation und Interpretation Wahrnehmungsorganisation Wahrnehmungsinterpretation Prof. Dr. Adrian Schwaninger 18 9
10 Transduktion: Enkodierung physikalischer Energie als neuronale Signale Prof. Dr. Adrian Schwaninger 19 Die Gestaltpsychologie entstand anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland (Max Wertheimer, Kurt Koffka, Wolfgang Köhler u.a.) Gestaltpsychologen suchen nach Regeln, mit deren Hilfe das Gehirn sensorische Daten in Gestalten oder sinnvollen Formen organisiert. Diese Forscher betonten den alten Lehrsatz das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Gestaltpsychologie Prof. Dr. Adrian Schwaninger 20 10
11 Figur-Grund Beziehung Die erste Wahrnehmungsaufgabe besteht darin, ein Objekt (Figur) als ein Gebilde wahrzunehmen, welches sich vom Hintergrund (Grund) abhebt. Umkehrbare Figur-Grund Beziehung Prof. Dr. Adrian Schwaninger 21 Umkehrbare Figur-Grund Beziehung Prof. Dr. Adrian Schwaninger Bild: Anna Schmocker, ZHdK
12 Gruppierung von Reizen Wir bringen Ordnung und Form in die Welt der Reize, indem wir die Reize in sinnvollen Gruppierungen organisieren und dabei den Gesetzen der Nähe, der Ähnlichkeit, der Kontinuität, des Zusammenhangs und der Geschlossenheit folgen. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 23 Gruppierung von Reizen Gesetz der Geschlossenheit: In der Abbildung links nimmt man an, dass die Kreise vollständig sind aber teilweise durch ein Dreieck verdeckt werden. Die Wahrnehmung des Dreiecks verschwindet, wenn die Kreise geschlossen werden (Abbildung rechts). Prof. Dr. Adrian Schwaninger 24 12
13 Gruppierung von Reizen Manchmal führen Gruppierungsprinzipien aber auch zu Täuschungen... Beispiel: Neonwurm Prof. Dr. Adrian Schwaninger 25 Täuschung durch Gesetz der Geschlossenheit Prof. Dr. Adrian Schwaninger 26 13
14 Täuschung durch Gesetz der Geschlossenheit Prof. Dr. Adrian Schwaninger 27 Tiefenwahrnehmung Tiefenwahrnehmung ist unsere Fähigkeit, Objekte in drei Dimensionen zu sehen, obwohl auf unsere Retina nur zweidimensionale Bilder auftreffen. Ohne die Tiefenwahrnehmung wären wir nicht in der Lage, die Entfernung, die Höhe und die Tiefe zu beurteilen. Die Forschung zur visuellen Klippe bei 6-14 Monate alten Kleinkindern legt nahe, dass Entstehen von Tiefenwahrnehmung genetisch angelegt ist. Viele Arten von Lebewesen nehmen die Welt schon von Geburt an oder kurz danach als dreidimensional wahr. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 28 14
15 Binokulare Hinweisreize Binokulare Hinweisreize sind Hinweisreize für Tiefe, die auf Informationen aus beiden Augen beruhen. Beim Hinweisreiz der Konvergenz berechnet das Gehirn, wie stark unsere Augen neuromuskulär angespannt sind, wenn sie sich nach innen bewegen, um ein Objekt in der Nähe anzusehen. Je grösser die Anspannung (oder der Konvergenzwinkel), desto näher das Objekt. Beim Hinweisreiz der retinalen Disparität berechnet das Gehirn die relative Entfernung eines Objekts, indem es die leicht unterschiedlichen Bilder, die vom Objekt auf die beiden Retinae treffen, miteinander vergleicht. Je grösser der Unterschied ist, desto näher muss das Objekt sein. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 29 Monokulare Hinweisreize Monokulare Hinweisreize gestatten es uns, Tiefe mit Hilfe von Informationen zu beurteilen, die nur von einem Auge übermittelt werden: Relative Grösse: Erzeugt ein Objekt ein kleineres Bild auf der Retina, so ist es weiter entfernt. Interposition: Versperrt uns ein Objekt die Sicht auf ein anderes, ist es näher als das andere Objekt. Relative Klarheit: Licht von weiter entfernten Objekten muss einen grösseren Teil der Atmosphäre durchwandern. Unscharfe Objekte werden deshalb als weiter entfernt wahrgenommen. Ein Objekt im Nebel sieht deshalb weiter entfernt aus als ein Objekt, das man klar und deutlich sehen kann. Bei Föhn sind die Berge zum Greifen nah. Texturgradient: Wenn sich die Textur verändert, sind grobe, deutlich strukturierte Objekte nah, feine, nicht mehr unterscheidbare weiter entfernt. Relative Höhe: Objekte, die weiter oben im Gesichtsfeld liegen, sind i.r. weiter entfernt. Relative Bewegung oder Bewegungsparallaxe: Wenn man sich bewegt, kann aufgrund der relativen Bewegungen in der Retina die Distanz von Objekten berechnet werden. Zentralperspektive: Je stärker parallele Linien konvergieren, desto weiter entfernt sind sie. Licht und Schatten: Nähere Gegenstände reflektieren mehr Licht als weiter entfernte Gegenstände. Licht kommt i.r. von oben, was für die Formwahrnehmung benutzt wird. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 30 15
16 Relative Grösse Aufgrund der relativen Grösse ist in diesem Bild klar, dass der Elefant nicht das Ziel des Jägers sein kann. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 31 Relative Grösse Interposition Prof. Dr. Adrian Schwaninger 32 16
17 Relative Klarheit Texturgradient Prof. Dr. Adrian Schwaninger 33 Relative Höhe Relative Höhe: Objekte, die weiter oben im Gesichtsfeld liegen, sind i.r. weiter entfernt. Nachthimmel Prof. Dr. Adrian Schwaninger 34 17
18 Relative Höhe Aufgrund der relativen Höhe erscheint der untere Teil der Abbildung jeweils näher und wird als Figur wahrgenommen. Taghimmel Nachthimmel Prof. Dr. Adrian Schwaninger 35 Der Gateway Arch von St. Louis wird höher als breit wahrgenommen. Tatsächlich ist er jedoch genau gleich hoch wie breit. Diese Täuschung hängt mit dem monkularen Hinweisreiz relative Höhe zusammen. Relative Höhe Prof. Dr. Adrian Schwaninger 36 18
19 Relative Bewegung oder Bewegungsparallaxe Prof. Dr. Adrian Schwaninger 37 Zentralperspektive Zentralperspektive: Je stärker parallele Linien konvergieren, desto weiter entfernt sind sie. Die Zentralperspektive kann zu Unfällen an Bahnübergängen beitragen, weil sie die Menschen dazu verleitet, die Entfernung des Zuges zu überschätzen. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 38 19
20 Licht und Schatten: Nähere Gegenstände reflektieren mehr Licht als weiter entfernte Gegenstände. Licht kommt i.r. von oben, was für die Formwahrnehmung genutzt wird. Achtung: Ein Fahrzeug im Nebel oder eines, welches nur die Parkleuchten angeschaltet hat, wird als weiter entfernt wahrgenommen, was das Risiko eines Unfalles erhöht. Licht und Schatten Prof. Dr. Adrian Schwaninger 39 Licht und Schatten Bei den unten dargestellten Bildern handelt es sich um zweidimensionale Zeichnungen in einer Ebene. Sie werden jedoch als dreidimensionale Figuren wahrgenommen. Dabei spielen die monokularen Hinweisreize Licht und Schatten eine wichtige Rolle. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 40 20
21 Welche monokularen Hinweisreize sind hier enthalten? Prof. Dr. Adrian Schwaninger 41 Bewegungswahrnehmung Wenn sich Objekte quer über unsere Retina oder auf sie zu bewegen, machen wir die grundlegende Annahme, dass schrumpfende Objekte sich von uns weg bewegen und grösser werdende Objekte sich uns nähern. Aber wir können uns nicht immer auf unsere Bewegungswahrnehmung verlassen. Grosse Objekte wie z.b. Züge scheinen sich langsamer zu bewegen als kleinere Objekte wie z.b. Autos welche sich mit der gleichen Geschwindigkeit bewegen. Jumbos scheinen z.b. langsamer zu landen als kleinere Jets, welche genau so schnell sind oder sogar langsamer. Wenn die Bilder auf der Retina in schneller Abfolge auftreffen, so kann dies eine Bewegungstäuschung hervorrufen, wie bei der stroboskopischen Bewegung (ausgelöst durch eine rasche Abfolge leicht variierender Bilder) oder beim Phi-Phänomen (ausgelöst durch ein schnelles Anund Ausschalten zweier stationärer Lichtquellen). Ein Film basiert auf Bewegungstäuschung und stroboskopischer Bewegung, da eigentlich nur 24 Einzelbilder pro Sekunde gezeigt werden, was wir als kontinuierliche Veränderung wahrnehmen. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 42 21
22 Wahrnehmungs-, Form- und Grössenkonstanz Beim Sehen ist die Wahrnehmungskonstanz Voraussetzung dafür, dass man ein Objekt unabhängig von der Änderung des Blickwinkels, der Entfernung oder der Beleuchtung erkennt. Wegen dieser Fähigkeit nehmen wir Objekte als etwas wahr, was trotz der sich verändernden Bilder, die sie auf die Retina projizieren, unveränderliche charakteristische Merkmale hat. Bei der Formkonstanz handelt es sich um unsere Fähigkeit, vertraute Objekte (wie etwa eine sich öffnende Tür) als in ihrer Form unveränderlich wahrzunehmen. Grössenkonstanz bedeutet, Objekte trotz ihrer sich verändernden Bilder auf unserer Retina als unveränderlich in ihrer Grösse wahrzunehmen. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 43 Beziehung von Grösse und Entfernung Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen wahrgenommener Grösse und wahrgenommener Entfernung. Wenn man die Grösse eines Objektes kennt, so ist das ein Anhaltspunkt für seine Entfernung; wenn man seine Entfernung kennt, ist das ein Hinweis auf seine Grösse. Obwohl die Monster in der Abbildung genau gleich gross sind, teilt die Zentralperspektive unserem Gehirn mit, dass das Monster, welches das andere verfolgt, weiter weg ist. Deshalb nehmen wir es als grösser wahr. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 44 22
23 Ponzo Täuschung Die Ponzo Täuschung beruht auf dem gleichen Prinzip. Die beiden roten Streifen ergeben gleich grosse Bilder auf der Retina des Auges (Netzhaut). Unsere Erfahrung sagt uns, dass ein entfernteres Objekt nur ein gleich grosses Netzhautbild erzeugt, wenn es in Wirklichkeit grösser ist. Deshalb nehmen wir den roten Streifen, welcher weiter entfernt zu sein scheint, als grösser wahr. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 45 Mondtäuschung Der Mond erscheint in der Nähe des Horizonts grösser als wenn er hoch am Himmel ist (Abbildung unten links). Eine weit verbreitete Erklärung basiert auf der wahrgenommenen Entfernung. Wenn man die Entfernung zum Horizont und zum Zenit schätzt, erscheint der Horizont aufgrund der Tiefeninformation weiter entfernt. Das Himmelsgewölbe ist zwar rund, es wird aber "abgeflacht" wahrgenommen (Abbildung unten rechts). Da der Mond in beiden Fällen das gleiche Netzhautbild bewirkt, erscheint der Mond am Horizont demnach grösser. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 46 23
24 Müller-Lyer Täuschung Die Abstände AB und BC sehen gleich lang aus. Tatsächlich ist jedoch AB um mehr als ein Drittel länger. Ein Erklärungsansatz basiert auf unserer Erfahrung mit Ecken von Zimmern und Gebäuden. In der Abbildung rechts erscheint die senkrechte Linie an der Kinokasse näher und wird damit kürzer wahrgenommen als die gleich lange Linie neben der Tür, welche weiter weg ist und damit länger erscheint. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 47 Kultur und Wahrnehmung Menschen aus dem ländlichen Afrika, die nicht in einer Umgebung aus rechteckig entworfenen Gebäuden lebten (wie z.b. den hier dargestellten Rundhäusern bei den Zulus in Südafrika), waren weniger anfällig für die Müller-Lyer Täuschung. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 48 24
25 Ames Raum Unten abgebildet sind zwei echte Fotos von zwei Personen im sogenannten Ames Raum. Dabei schaut man durch ein Guckloch mit einem Auge in den Raum und kann dadurch die wahren Raumdimensionen nicht erkennen. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 49 Ames Raum Erklärung: Der Ames Raum ist verzerrt gebaut. Weil man nur durch ein Guckloch mit einem Auge hineinsehen kann, erkennt man dies jedoch nicht und man nimmt an, dass der Raum rechteckig ist. Weil man annimmt, die beiden Mädchen seien gleich weit entfernt vom Betrachter, nimmt man deren Grösse falsch wahr. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 50 25
26 Wahrnehmungstäuschungen Die wahrgenommene Beziehung zwischen Entfernung und Grösse entspricht im Allgemeinen der Realität. Doch unter bestimmten Umständen treten Wahrnehmungstäuschungen auf (z.b. Ponzo Täuschung, Mondtäuschung, Müller-Lyer Täuschung, Ames Raum, u.a.). Die seltenen Täuschungen enthüllen, wie unsere normalerweise sehr effektiven Wahrnehmungsprozesse funktionieren. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 51 Helligkeits- und Farbkonstanz Bei der Helligkeitskonstanz handelt es sich um unsere Fähigkeit, ein Objekt als etwas wahrzunehmen, was eine konstante Helligkeit hat, auch wenn sich die Beleuchtung - das Licht, das darauf geworfen wird - ändert. Die Farbkonstanz ermöglicht es uns, die Farbe eines Objekts als unveränderlich wahrzunehmen, auch wenn sich die Beleuchtung ändert. In beiden Fällen nimmt das Gehirn die Eigenschaft (Helligkeit oder Farbe) als relativ zu den Objekten in der Umgebung wahr. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 52 26
27 Helligkeitswahrnehmung und Kontext Die wahrgenommene Helligkeit bleibt bei unverändertem Kontext mehr oder weniger konstant. Verändert sich jedoch der Kontext, wird die gleiche Helligkeit unterschiedlich wahrgenommen, weil das Gehirn die Helligkeit einer Fläche in Relation zu seinem Kontext berechnet (z.b. relevant für Künstler, Innenarchitekten und Modedesigner). Dies ist illustriert in der Abbildung rechts. Die Flächen A und B haben die gleiche Helligkeit. Sie werden jedoch sehr unterschiedlich wahrgenommen. Die unter dem Schachbrett liegenden Flächen A und B wurden aus der Abbildung oben mit Photoshop ausgeschnitten. Prof. Dr. Adrian Schwaninger 53 27
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