Was kann ich jetzt? von P. G.
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- Axel Frei
- vor 8 Jahren
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Transkript
1 Was kann ich jetzt? von P. G. Ich bin zwar kein anderer Mensch geworden, was ich auch nicht wollte. Aber ich habe mehr Selbstbewusstsein bekommen, bin mutiger in vielen Lebenssituationen geworden und bin sicherer im Lesen und Schreiben geworden. Ich habe meinem Freund gebeichtet, was ich für ein Problem habe, da ich keine Lust mehr hatte, mich zu verstecken. Denn es war für mich sehr belastend, mir ständig Geschichten zu überlegen, wie zum Beispiel, warum ich keine SMS geschrieben habe oder mich nicht getraut habe in seinem Beisein am PC zu schreiben. Irgendwann hatte ich so viel Vertrauen zu ihm und genug Selbstbewusstsein, dass ich es ihm sagen konnte, und er hat es ganz einfach hingenommen und unterstützt mich seitdem auf meinem Weg. Seit dem Besuch im Verein habe ich wieder die Lust am
2 Schreiben und Lesen gefunden. Ich habe gelernt, mich nicht mehr verstecken zu müssen, auch gegenüber Behörden. Ich habe auch nicht mehr das Gefühl, dass ich ein DUMMER Mensch bin. Früher war es so, dass ich immer jemanden mitnehmen musste, um an mein Ziel zu gelangen, wenn es zu weit weg war und mir die Umgebung fremd war. Dann hatte ich Angst, nicht mehr nach Hause zurückzukehren. Belastend war für mich auch die Situation, dass ich immer jemanden anrufen musste um Hilfe zu bekommen und dann zu wissen, derjenige hat gerade keine Zeit. Ich habe mir dann immer so gedacht, ich muss jetzt wieder jemanden anrufen, und das war einfach belastend, weil ich mich selber darüber geärgert habe, dass ich vieles nicht alleine kann, sondern auf jemanden angewiesen bin. Was ich aber heute weiß und was ich alleine kann, ist, mich besser zu orientieren. Es ist einfacher
3 geworden mich zu orientieren und mein Ziel zu erreichen, wenn ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin. Das gibt mir eine Menge Lebensqualität zurück und hat mich stark gemacht. Auch habe ich gelernt mir Zeit zu geben und zu akzeptieren, dass nicht alles auf Anhieb klappt, und nicht immer so hart mit mir selbst ins Gericht zu gehen. Durch meine Schwäche habe ich bei meiner Tochter gemerkt, als sie in die 3. Klasse kam, das sie auch Probleme mit dem Schreiben bekommt. Mir war es nicht möglich, ihr richtig zu helfen. Wenn meine Tochter Hausaufgaben auf hatte, war es ganz schlimm für mich, zu wissen, dass kann ich selber nicht. Das hat mich schon sehr frustriert. Heute kann ich meine Tochter motivieren, die Fehler, die sie macht, für sich zu nutzen und daraus zu lernen. Wir haben uns dann Hilfe gesucht
4 und auch bekommen und seitdem geht es ständig bergauf. Ich habe auch gelernt, dass es nicht unmöglich ist, was Neues zu lernen. Nur wichtig ist die Einstellung zu sich selber, wenn man möchte und den Ehrgeiz dazu hat, weiter im Leben vorwärts zu kommen und was zu erreichen, schafft man viel mehr. Ich bin noch längst nicht an dem Punkt angekommen, wo ich sage: Das macht mich glücklich. Ich möchte noch viel mehr lernen und mich wieder beruflich orientieren, was Neues lernen, die Herausforderung annehmen, das ist mir ganz wichtig. Und es macht mir Freude, dass ich wieder nach vorn schauen kann. Mein Ziel ist es, so gut zu werden, dass ich noch mal eine Umschulung zur Kosmetikerin machen kann. Ich weiß, wenn man was will, kann man alles schaffen. Ich erinnere mich, wie ich vor ein paar Monaten angefangen habe mit dem Lesen und Schreiben. Ich habe immer gesagt: Das
5 kann ich nicht. Aber man muss klein anfangen und heute schreibe ich Geschichten. Ich hätte niemals für möglich gehalten, meine Schreibblockade zu brechen. Und es macht mir Freude. Gerne möchte ich mich auch bei den Menschen vom Verein bedanken, die so viel Geduld und Kraft in uns stecken und uns so toll unterstützen und die uns das Gefühl geben, zur Gesellschaft dazuzugehören. Ich mache das erste Mal bei so einem Schreibwettbewerb mit, früher wäre das undenkbar für mich gewesen. Ich möchte auch gerne Leuten mit demselben Defizit Mut zusprechen und ihnen zeigen, dass man offen mit dem Thema umgehen kann. Auch kleine Schritte, die ich mache, bringen mich nach vorne. Und selbst, wenn man mal einen Schritt zurück macht, wichtig für mich ist, dass ich nicht aufgebe und nicht den Kopf in den Sand stecke.
6 Zum Foto: Das ist der Name eines Hügels in Neuseeland. Der Name bedeutet in etwa: Der Ort, an dem Tamatea, der Mann mit den großen Knien, der Berge hinabrutschte, emporkletterte und verschluckte, bekannt als der Landfresser, seine Flöte für seine Geliebte spielte.
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