Sicherheit und ihre Bedrohungen im Alter:
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- Willi Sommer
- vor 7 Jahren
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1 Sicherheit und ihre Bedrohungen im Alter: Befunde und Ansätze zur Prävention Prof. Dr. Thomas Görgen Deutsche Hochschule der Polizei Münster
2 Überblick Demografischer Wandel und Pflegebedürftigkeit in Deutschland Kriminologische Befundlage zur Sicherheit im Alter Polizeiliche Kriminalstatistik (Hellfeld) Bevölkerungsbefragungen (Dunkelfeld) Ein zweiter Blick auf Sicherheitsgefährdungen im Alter Sicherheit im hohen Alter und Perspektiven der Prävention
3 Prognostizierter Wandel der Altersstruktur der Bevölkerung Bevölkerung nach Altersgruppen in % 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung - Variante 1 Quelle: Statistisches Bundesamt (2015)
4 Grunddaten zur Pflege in Deutschland Ende 2013: ca. 2,6 Mio. Leistungsempfänger SGB XI 71 % Bezieher ambulanter Leistungen (1,86 Millionen, gegenüber in Heimen Versorgten) zu Hause Versorgte überwiegend (1,25 Mio.) ohne Inanspruchnahme ambulanter Pflegedienste ca ambulante Pflegedienste mit Beschäftigten Ca voll-/ teilstationäre Pflegeeinrichtungen mit Beschäftigten Quelle: Statistisches Bundesamt, Pflegestatistik 2013
5 Höheres Alter ein Kriminalitäts- / Gewaltrisiko? Insgesamt nein: Opferwerdungsrisiken in der Altersgruppe 60+ niedriger als in allen anderen Phasen des Erwachsenenalters Dies zeigt sich im Hellfeld (Polizeiliche Kriminalstatistik) im Dunkelfeld (Bevölkerungsbefragungen zu Opfererfahrungen)
6 Polizeiliche Kriminalstatistik (Deutschland): Vollendete Gewaltdelikte Weibliche Opfer je nach Alter, Heranwachsende Jugendliche J. + weibl. bis 13 Jahre weibl Jahre weibl Jahre weibl Jahre weibl. 60 Jahre und älter PKS-Summenschlüssel Gewaltkriminalität
7 Polizeiliche Kriminalstatistik (Deutschland): Vollendete Gewaltdelikte Männliche Opfer je nach Alter, Heranwachsende 1000 Jugendliche J. + männl. bis 13 Jahre männl Jahre männl Jahre männl Jahre männl. 60 Jahre und älter PKS-Summenschlüssel Gewaltkriminalität
8 Viktimisierungssurvey Deutschland 2012 Befunde zur Altersabhängigkeit von Opferwerdungsrisiken Quelle: "Deutscher Viktimisierungssurvey 2012" (BKA /Max-Planck-Institut Freiburg); Befragte
9 Dunkelfeldstudie LKA Niedersachsen 2013: Opferraten 2012 nach Alter in % 60% 50% 48,9% schriftlich-postalische Befragung Befragte Diebstahlsdelikte, Raub, Betrug, Cybercrime, Sexualdelikte, KV, Bedrohung, Sachbeschädigung 40% 30% 20% 44,4% 36,7% 30,4% 17,3% 27,4% 12,9% 10% 0% Jugendliche/ Heranwachsende (16-20 J.) junge Erwachsene (21-26 J.) Jahre Jahre Senioren (60-79 Jahre) Hochaltrige (80+) Insgesamt ungewichtet, n=18.726
10 Dunkelfeldstudie LKA Niedersachsen 2013: Opferanteile Wohnungseinbruch/Körperverletzung 2012 nach Alter (in %) 8 7, , J J ,6 2,4 2,4 2,5 1,9 3,4 1,7 1,1 0,6 0, J J J. 80 J. + 0 Einbruch Körperverletzung
11 Dunkelfeldstudie LKA Niedersachsen 2013 Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen 2012 nach Alter (in %) ,6 16,1 10,2 9,3 7,9 7 6,2 4,4 4,4 4 2,3 1, J J J. 60 J. + Gewalt gesamt Psych. Gewalt Phys. Gewalt
12 Zentrale Befunde aus Kriminalstatistiken und Dunkelfeldbefragungen für die Altersgruppe 60+ Hell- wie Dunkelfelddaten zufolge nehmen Kriminalitätsrisiken im höheren Alter nicht zu, sondern ab. Dies gilt für allgemeine Kriminalität und für Gewalt in engen sozialen Beziehungen. Wenige (als solche erkannte) Deliktsbereiche weichen von diesem Muster ab (u.a. fahrlässige Tötung, Handtaschenraub, z.t. Wohnungseinbruch). Ältere Menschen zeigen stärkeres Vorsichts- und Vermeideverhalten als jüngere (und reduzieren dadurch ihr Risiko). Sie sind nicht generell kriminalitätsängstlicher.
13 Im Alter sicherheitsmäßig alles im grünen Bereich???? Nicht ganz, denn...
14 (1) Alter Alter kontinuierliche Erhöhung der Lebenserwartung Gebrechlichkeit, Pflegebedürftigkeit, Funktionseinschränkungen treten immer später auf Gerontologie spricht vom "dritten und vierten Lebensalter" in wirtschaftlich hoch entwickelten Gesellschaften Beginn des "vierten Lebensalters" im Bereich J.
15 (2) Wir wissen über Gefährdungen der jungen Alten und der alten Alten unterschiedlich viel. Im 4. Lebensalter häufen sich Merkmale, die zugleich. Befragbarkeit im Rahmen von Dunkelfeldstudien einschränken Anzeigefähigkeit einer Person reduzieren Verletzbarkeit (Vulnerabilität) erhöhen in Bezug auf Tatbegehung Tatverdeckung Schwere und Dauerhaftigkeit von Tatfolgen
16 (3) Es gibt Gefahrenzonen im höheren Alter auf Hochaltrige ausgerichtete Eigentums- / Vermögensdelikte Misshandlung / Vernachlässigung von Pflegebedürftigen.
17 Auf Hochaltrige ausgerichtete Eigentums- / Vermögensdelikte Täter wählen gezielt hochaltrige Opfer aus, weil sie günstige Tatbedingungen vermuten (alleinlebend, körperlich eingeschränkt, leicht zu täuschen, verlangsamte Reaktionen..) Zugang zum Opfer häufig via Simulieren einer persönlichen Beziehung Simulieren einer speziellen beruflichen Rolle / amtlichen Funktion Simulieren einer Not- / Bedarfslage
18 ab 90 Geschädigte je EW Beispiel: Diebstahl in / aus Wohnungen (ohne Einbruchsdiebstahl) in Bayern 2011: Opfer je nach Alter *00 - Diebstahl ohne erschwerende Umstände in/aus Wohnungen (PKS Bayern 2011) männlich weiblich Altersgruppe
19 Vermögensdelikte gegen Hochaltrige Breite der Erscheinungsformen Organisierte Tatbegehungsformen unter Vorspiegelung falscher Identitäten Telefonisch angebahnte Betrugsdelikte (Enkeltrick, Schockanrufe ) Trickdiebstähle unter Vorspiegelung falscher (Berufs-) Identitäten Betrügerisches oder unlauteres Geschäftsgebaren überteuerte / unnötige Reparaturen am Haus ( Dachdeckertrick ) Verkauf überteuerter Waren ( Lederjackentrick, Kaffeefahrten ) Zahlungsaufforderungen von Unternehmen, die gezielt im rechtlichen Graubereich operieren (falsche Gewinnbenachrichtigungen, Unterschieben von Verträgen) Finanzielle Ausbeutung im Nahraum Missbrauch von Vollmachten / Unterschlagung Missbrauch im Rahmen rechtlicher Betreuung
20 Gefahrenzone Misshandlung / Vernachlässigung Pflegebedürftiger Private wie professionelle Pflege. einerseits: grundsätzlich prosozial angelegt / ausgerichtet (pflegen, helfen, unterstützen, Defizite kompensieren.) andererseits: für "motivierte Täter" günstige Tatbegehungs- und Tatverdeckungsmöglichkeiten durch Machtunterschiede / Abhängigkeiten gekennzeichnet hohe Belastungs- und Konfliktpotenziale
21 Befragung pflegender Angehöriger, 2006/07: 12-Monatsprävalenz eigenen problematischen Verhaltens gegenüber Pflegebedürftigen (% Befragte) ,6 53, ,4 13,5 10 1,2 4,4 6,3 0 phys. Misshandlung problem. mechan. FE pfleg. Vernachlässigung gesamt verb. Aggress. / psych. Missh. probl. medik. FE psychosoz. Vernachl. Schriftliche Befragung; 254 pflegende Angehörige; gefördert durch BMFSFJ
22 Risikokonstellationen für Misshandlung / Vernachlässigung durch pflegende Angehörige Datenbasis: Schriftl. Befragung (254 Angehörige) + Interviews in 90 pflegenden Familien Erkennbare Risikokonstellationen: schlechte Qualität der Beziehung vor Beginn der Pflege negative Entwicklung der Beziehung im Verlauf der Pflege erlebte Belastung + ungünstige Interpretation des Verhaltens der pflegebedürftigen Person ("Absicht" oder "Charakter", nicht "Krankheit") in hohem Maße pflegebedürftige Person aggressives / schwieriges Verhalten der pflegebedürftigen Person Alkohol- / Substanzkonsum als Strategie der Belastungsbewältigung schlechte physische und psychische Verfassung der pflegenden Person fehlendes Wissen um Krankheitssymptome, -verläufe etc. primär finanzielle Motivation zur Übernahme von Pflege prekäre wirtschaftliche Lage / fehlende finanzielle Ressourcen Gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
23 Misshandlung / Vernachlässigung Pflegebedürftiger Befragungen: hohe 12-Monats-Prävalenz von "Problemverhalten" in der häuslichen Pflege (40% der ambulanten Pflegekräfte; 53% der pflegenden Angehörigen) Spezifika des Phänomenbereichs Misshandlung / Vernachlässigung Pflegebedürftiger: häufig ohne jede Schädigungsabsicht (Täter/ Täterin weiß / kann nicht besser) vielfach aus eskalierenden situativen Konstellationen erwachsend aber: zum Teil mit auch situationsübergreifender Schädigungsabsicht und unter Ausnutzung der besonderen Hilflosigkeit Pflegebedürftiger
24 Alter als gefährliche Zone? Nicht generell das dritte Lebensalter gehört zu den sichersten Phasen des Lebens Gefährdung nimmt zu angesichts von Vulnerabilität / Verletzbarkeit. Vulnerabilität erwächst vor allem aus gesundheitlichen / funktionalen Einschränkungen und aus Abhängigkeiten von / Angewiesensein auf Dritte. Vulnerabilität kann von Tätern vorgefunden oder willentlich (auf-)gesucht werden.
25 Perspektiven der Prävention im Alter Eigentums- / Vermögensdelikte: Aufklärung / Information Aktivierung von Wächtern ( guardians ) Crime Triangle des Routine-Activity-Ansatzes: Motivierte, z.t. hochprofessionelle Täter P Vulnerable Opfer P Mögliche Guardians: Strafverfolgungsbehörden Verbraucherschutz Banken Angehörige
26 Perspektiven der Prävention im Alter Misshandlung / Vernachlässigung in der (häuslichen) Pflege: Beratung / Unterstützung / Entlastung Pflegender Verbesserung der Früherkennung von Risikokonstellationen Prävention via ambulante Dienste ( guardians ) Prüfung der Übertragbarkeit familienrechtlicher Interventionen auf Altenwohlgefährdung für Polizei / Strafverfolgung schwer zugänglich; bedarf vernetzter Prävention / Intervention
27 Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Thomas Görgen Deutsche Hochschule der Polizei (Münster) Fachgebiet Kriminologie und interdisziplinäre Kriminalprävention
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