Grundkurs Wohlfahrtsstaatliche Konzeptionen. Sommersemester 2007, FH Frankfurt : Grundsicherung
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1 Grundkurs Wohlfahrtsstaatliche Konzeptionen Sommersemester 2007, FH Frankfurt : Grundsicherung Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
2 Gliederung Historische Entwicklung Arten der Grundsicherung Allgemeines, Grundprinzipien Merkmale der Grundsicherung in Deutschland Einkommensanrechnung Vermögensanrechnung Höhe Zuschläge/ Erwerbstätigenfreibetrag 2
3 Historische Entwicklung 1962: Einführung der Sozialhilfe durch das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Ersatz der Sozialfürsorge für alle Bevölkerungsgruppen (Ausnahme: Auszubildende und Studierende BAföG und Ausbildungsbeihilfe) seit : bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit seit : - Arbeitslosengeld II für Erwerbsfähige - Sozialgeld für Kinder und sonstige erwerbsunfähige Mitglieder der Bedarfsgemeinschaften von Erwerbsfähigen, sofern sie keinen Anspruch auf bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei EU haben. 3
4 Grundsicherung in Deutschland 1. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit ( BG ) 2. Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II) genauer: für alle Erwerbsfähigen, also z.b. auch für Erwerbstätige 3. Sozialgeld für Haushaltsmitglieder von Alg II-BezieherInnen, die keinen Anspruch auf BG oder Alg II haben (vor allem Kinder) 4. Sozialhilfe/ Hilfe zum Lebensunterhalt (für den Rest) 4
5 Arten der Grundsicherung bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei EU ab 65. Lebensjahr oder ab 18, voll erwerbsgemindert im Sinne des 43 SGB 6 und unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann Arbeitslosengeld II ab 15, erwerbsfähig auch: Erwerbstätige und Personen, die nicht erwerbstätig sein brauchen, z.b. Alleinerziehende mit kleinen Kindern Sozialgeld nicht erwerbsfähig, Mitglied der Bedarfsgemeinschaft eines Erwerbsfähigen und kein Anspruch auf Bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter oder bei EU vor allem Kinder Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt sonstige (außer Studierende und Personen in Ausbildung) 5
6 Arten der Grundsicherung Bedarfsgemeinschaft unter 15 Jahre 15-64, erwerbsfähig 15-64, nicht erwerbsfähig aber kein Anspruch auf BG mit Erwerbsfähigen Sozialgeld Arbeitslosengeld 2 Sozialgeld ohne Erwerbsfähige Sozialhilfe - Sozialhilfe 18-64, Anspruch auf BG ab 65 bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit (BG) 6
7 Allgemeines Im Grundsatz haben alle Bevölkerungsgruppen (auch ohne deutsche Staatsbürgerschaft) Anspruch auf Sozialhilfe unabhängig davon, ob die Notlage selbst verschuldet ist oder nicht es besteht ein rechtlicher Anspruch Sozialhilfe wird nicht nur auf Antrag gewährt, sondern Sozialämter müssen aktiv werden, wenn sie von einer Notlage erfahren. Die Sozialhilfe wird nachrangig gewährt (Subsidiaritätsprinzip) letztes Netz, gedacht für (Ausnahme-)Fälle, bei denen die Absicherung durch vorgelagerte Sicherungssysteme nicht ausreicht 7
8 Merkmale der Grundsicherung in Deutschland Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, BG: 1. an bedürftige Bedarfsgemeinschaften 2. nachrangige Leistung: nur nach Prüfung (fast) aller Einkommensquellen und von Vermögen 3. Erwerbsarbeitszentrierung: nur an Personen, die - dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen oder - dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen brauchen (Alte, Kinder, Alleinerziehende mit kleinen Kindern) oder - dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen können (Erwerbsunfähige) 8
9 Berechtigung geringes Einkommen und Vermögen Einkommen unterhalb des notwendigen Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft Vermögen unterhalb bestimmter Grenzen wessen Einkommen und Vermögen? das eigene plus das der Partnerin bzw. des Partners (auch bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften) plus bei Minderjährigen das Einkommen der Eltern, wenn sie mit ihnen zusammenleben (mittlerweile auch bei bis zu 25-Jährigen) 9
10 Einkommen Nachrangigkeitsprinzip grundsätzlich werden alle Einkommen der Bedarfsgemeinschaft auf die Sozialhilfe angerechnet Nettoeinkommen abzüglich Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und Werbungskosten Ausnahmen: Mindestelterngeld (300 ) Grundrente aus der Kriegsopferversorgung Freibetrag beim Erwerbseinkommen 10
11 Vermögensgrenzen Sozialhilfe bzw. bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit (SGB XII) im Grunde das gesamte Vermögen, außer Altersvorsorgevermögen (Riesterrente) angemessener eigener Wohnraum besondere Familien- und Erbstücke kleinere Barbeträge und sonstige Geldwerte (1.600 bzw für Personen über 60 J., 614 für die Partnerin bzw. den Partner) Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld (SGB II) 150 pro Lebensjahr (max ) Ausnahmen ähnlich wie bei Sozialhilfe ein Unterschied: ein KFZ pro erwerbsfähigem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft wird nicht berücksichtigt 11
12 Höhe Regelbedarf/ Regelleistung + Wohnkosten + Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bei Bedarf: Mehrbedarfe einmalige Bedarfe zusätzliche Leistungen beim Arbeitslosengeld II: Beiträge zur Rentenversicherung befristeter Zuschlag nach Auslaufen des Arbeitslosengelds Kindergeldzuschlag 12
13 Höhe Regelbedarf/ Regelleistung (Arbeitslosengeld II) Einpersonenhaushalt 345 Eckregelsatz zwei erwachsene Personen: je 90% davon (311 ) erwerbsfähige Person unter 18 Jahre: 80% des Eckregelsatzes Sozialgeld: unter 14 Jahre: 60 % ab 14 Jahre: 80% Sozialhilfe, bedarfsorientierte Grundsicherung: identische Höhe (Regelsatzverordnung) 13
14 Mehrbedarfszuschläge (in % des Regelsatzes) Alleinerziehende ein Kind unter 7 zwei Kinder unter 16 oder: pro Kind über 65 oder EU und gehbehindert werdende Mütter ab der 12. Schwangerschaftswoche Behinderte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben und Eingliederungshilfe zur Schul-, Aus-oder Fortbildung beziehen Kranke, Genesende, Behinderte oder von einer Krankheit oder Behinderung Bedrohte, die einer kostenaufwendigen Ernährung bedürfen alt neu 40% 36% 40% 36% - 12% 20% 17% 20% 17% 40% 35% in angemessener Höhe 14
15 Einmalige Bedarfe seit dem : Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte Erstausstattung für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt mehrtägige Klassenfahrten vorher: sämtliche unregelmäßigen Bedarfe nicht genannte Bedarfe müssen ab aus den Regelleistungen gedeckt werden! deshalb Erhöhung der Regelleistungen um ca. 16% (bisheriger Durchschnittsbetrag der einmaligen Leistungen) 15
16 Modellberechnung der Bedarfsniveaus von Arbeitslosengeld II/Sozialgeld nach Haushaltstypen, alte Bundesländer Regelsätze Mehrbedarf Brutto- Warmmiete Gesamtbedarf Kaltmiete 2) 3) Alleinlebende/r Ehepaar ohne Kinder Ehepaar mit - 1 Kind 1) Kindern 1) Kindern 1) Kindern 1) Alleinerziehende mit - 1 Kind, 6 Jahre Kindern, 10 und 15 Jahre ) Berechnet mit dem Mittelwert bei der Alterszusammensetzung, das entspricht einem Regelsatzanteil/einer Äquivalenzquote je Kind von 70 %. 2) Durchschnittlich anerkannte Bruttokaltmiete (in NRW), nach: Statistisches Bundesamt, Statistik der Sozialhilfe: Fachserie 13, Reihe 2.1, Wiesbaden ) Kaltmiete zuzüglich Heizkostenaufschlag von 20 %. Quelle: Bäcker, Gerhard: Arbeitslosengeld II-Grundsicherung für Arbeitsuchende, 16
17 Gesamthöhe des Arbeitslosengeld II Single Paar ohne K. Paar, 1K. Paar 2K. ALG
18 Zuschlag zum Arbeitslosengeld II nach Auslaufen des Arbeitslosengeld I in den ersten zwei Jahren nach Auslaufen des Arbeitslosengeld I im ersten Jahr: zwei Drittel der Differenz aus Arbeitslosengeld I plus Wohngeld und Arbeitslosengeld II (maximal 160 für Alleinstehende und 320 für Paare) im zweiten Jahr die Hälfte des Zuschusses im ersten Jahr wenn es wegen fehlender Bedürftigkeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II gibt, entfällt auch die Berechtigung für den Zuschlag 18
19 Zuschlag zum Kindergeld Ziel: Verhinderung, dass Bedarfsgemeinschaften nur aufgrund von Kindern Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben Zuschlag zum Kindergeld von maximal 140 Berechtigt sind Personen und Paare, bei denen das eigene Einkommen über deren Existenzminimum, aber das gesamte Einkommen inkl. Kindergeld unter dem Existenzminimum der Familie liegt Erwerbseinkommen der Eltern, das deren Existenzminimum übersteigt, wird zu 70% auf diesen Zuschlag angerechnet Der Zuschlag wird nur befristet für maximal 36 Monate gezahlt Der befristete Zuschlag nach Auslaufen des Arbeitslosengelds entfällt 19
20 Freibetrag beim Erwerbseinkommen Betrag vom Arbeitseinkommen, der nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird ursprünglich: 15% bis 400 (max. 60 ) zusätzlich 30% vom Lohn zwischen 400 und 900 (max. 150 ) zusätzlich 15% vom Lohn zwischen 900 und 1500 (max. 90 ) max. 300 seit noch einmal geändert: 100 bis 100 Lohn +20% von 100 bis 800 (max. 140 ) +10% von 800 bis 1500 (max. 70 ) max
21 Auslaufender Anspruch auf Arbeitslosengeld II/Sozialgeld bei Erwerbstätigkeit, alte Bundesländer 2005, in Euro Single Paar ohne Paar Paar Paar Kinde 1 Kind 2 Kinder 3 Kinder Bruttoarbeitseinkommen entspricht Entgeltsätzen je Stunde 7,47 10,40 9,59 11,82 12,31./. Lohnsteuer /. Sozialversicherungsbeiträge = Nettoarbeitseinkommen Kindergeld Wohngeld = verfügbares Einkommen /. Freibetrag vom Nettoarbeitseinkommen = anzurechnendes Einkommen Grundsicherungsbedarfsniveau Aufstockende Leistung ArbeitslosengeldII/ Sozialgeld Quelle: Bäcker, Gerhard: Arbeitslosengeld II-Grundsicherung für Arbeitsuchende, 21
22 Leitfaden (Schneider) 1. Welche grundlegenden politische Vorstellungen konkurrieren miteinander? Liberalismus (individuelle Freiheit und Verantwortung, Leistungsgerechtigkeit, Markt...), Sozialismus (kollektive Verantwortung, planender Staat, bedarfsgerechte Gleichheit...), Konservatismus (Wertegemeinschaft, trad.familienorientierung...) 2. Welche (historischen) Ursachen und Funktionen hat der Sozialstaat ökonomische, politische, kulturelle und soziale Aspekte 3. Grundelemente des Sozialstaates Zusammenspiel von Familie (Reproduktion), Wirtschaft (Produktion) und Staat (Umverteilung, Funktionssicherung...) 22
23 Leitfaden (Schneider) 4. Indikatoren für sozialstaatliche Aktivitäten Sozialbudget (nach Institutionen und Funktionen), Sozialleistungsquote, internationaler Vergleich Dimensionen des Sozialstaates Leistungsarten (Geld, Rechte, Dienstleistungen), Säulen (Versicherung, Versorgung, Fürsorge), Finanzierung (Steuern, Beiträge (Kapitaldeckung/Umlage)) 6. Grundorientierung des deutschen Sozialstaates Erwerbsorientierung, Normalarbeitsverhältnis, Familienorientierung, Besitzstandswahrung... 23
24 Leitfaden (Schneider) 7. Sozialstaatlich abgesicherte Risiken und ihre Strukturen Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Armut 8. Probleme des Sozialstaates Demografie, Vereinigung, Arbeitsmarkt, Familienstrukturen, Globalisierung Reformperspektiven Beschränkung auf Grundsicherung, Privatisierung, Verbreiterung der Basis (Einkommensarten, Personengruppen), Leistungsabbau 24
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