Einführung in die Politikwissenschaft: Begriffe, Theorien, Methoden
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- Nicole Fertig
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1 Anne Faber Einführung in die Politikwissenschaft: Begriffe, Theorien, Methoden Typen demokratischer Regierungssysteme
2 Veranstaltungsplan Termine Themen 1. Grundbegriffe: Politik, Wissenschaft, Politikwissenschaft 2. Gegenstände der Politikwissenschaft: Politische Systeme 3. Theorien: Vergleichende Regierungslehre, Theorien der IB, Theorien der europäischen Integration 4. Techniken und Methoden und KLAUSUR
3 Aufbau der Sitzung Typen demokratischer Regierungssysteme 1. Einstieg: Definition und Sinn und Zweck 2. Typen von Demokratie (Beteiligung und Modi der Integration) 3. Typen demokratischer Regierungssysteme (institutionelle Arrangements zur Organisation von Demokratie) 4. Zusammenfassung
4 Nachtrag Nachtrag Wie viele Staaten gibt es auf der Welt? 192 Mitgliedsstaaten der VN + Vatikanstadt = Änderungen des deutschen Grundgesetzes seit 1949 insgesamt rund 60 Mal; z.b. Europaartikel (Art. 23; 1992): (1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen. Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13; 1998)
5 Nachtrag Nachtrag Deutschland/totalitär ab 1938? ab 1933 ( Machtergreifung) klare Tendenzen zum Totalitarismus (Ermächtigungsgesetz 1933, Gleichschaltung , Konzentration der Herrschaftsbefugnisse in einer Hand, Judenverfolgung, Verfolgung politischer Gegner)
6 1. Einstieg: Definition Demokratie: ursprünglich: direkte Volksherrschaft Herrschaft des Volkes, manifest in Zustimmung der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger zur Regierungsform Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Politikgestaltung government of the people, by the people, for the people (A. Lincoln, 1863) Definition Freedom House: politische Rechte + bürgerliche Freiheiten (seit 1972 surveys)
7 1. Einstieg: Definition autoritäre Regime: China Iran Pakistan Russland Venezuela Demokratien lt. Freedom House: von 193 anerkannten souveränen Staaten
8 1. Einstieg: Definition
9 1. Einstieg: Definition Vorschlag Croissant: Dabei sind institutionell geregelte Machtverteilung, Machtkontrolle und Machbegrenzung die Schlüsselbegriffe zur Analyse demokratischer Regierungsformen [ ]. (Croissant 2002: 133)
10 1. Einstieg: Definition Eine Demokratie ist dann gegeben, wenn (Prüfkriterien): das Volk politische Entscheidungen in Wahlen und Abstimmungen trifft der Austausch der Regierung ohne politischen Umsturz (Revolution) möglich bzw. vorgesehen ist die Grundrechte gewährleistet werden es eine Gewaltenteilung gibt Meinungs- und Pressefreiheit herrschen auch Demokratie ist ein evolutionäres Konzept!
11 1. Einstieg: Definition Fragen, denen sich Demokratie aktuell (wieder) stellen muss: Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern aus nationalstaatlichen Demokratien an transnationalen und globalen Fragen und Entscheidungen! z.b.? Entwicklung von Demokratieformen jenseits des Staates Regelungsreichweite und Aufgabenbereiche des demokratischen Staates (libertäre oder soziale Demokratie)
12 1. Einstieg: Sinn und Zweck Wozu ist eine Definition und genauere Betrachtung demokratischer Regierungssysteme sinnvoll? erfolgreiche Prinzipien und Formen der Institutionalisierung von Demokratie herausfiltern Lernen von erfolgreichen Vorbildern junge Demokratien: Kopie erfolgreicher Prinzipien und Institutionen Stabilisierung!
13 1. Einstieg: Sinn und Zweck Feststellung von Trends und Veränderungen Vergleich und Verständnis politischer Prozesse
14 2. Typen von Demokratie Beteiligung und Modi der Integration 1. Direkte Demokratie 2. Repräsentative Demokratie 3. (Republikanische Demokratie) 4. Liberale Demokratie 5. Deliberative Demokratie 6. Libertäre Demokratie 7. Soziale Demokratie
15 2. Typen von Demokratie Beteiligung und Modi der Integration 1. Direkte Demokratie unmittelbare Beteiligung eines jeden Staatsbürgers an politischen Entscheidungsprozessen Rousseau: einzig echte Demokratie Grenzen: Problem der Entwicklung großer Flächenstaaten; Organisation von direkten gemeinsamen Entscheidungen aller BürgerInnen schwierig Bsp.: Athen (Antike); Schweiz: halbdirekte Demokratie
16 2. Typen von Demokratie Beteiligung und Modi der Integration 2. Repräsentative Demokratie regelmäßige Wahl von Repräsentanten (Abgeordneten) für das (Parteien-)Parlament; freies Mandat Professionalisierung und Etablierung einer politischen Klasse bestmögliche Annäherung an das demokratische Ideal (?) oder: Quelle für Politikverdrossenheit? Ergänzung um direktdemokratische Instrumente und Verfahren; z.b. Referendum; Initiativverfahren/Bürgerbegehren; Volksabstimmungen Bsp: BRD; USA; VK
17 2. Typen von Demokratie Beteiligung und Modi der Integration 3. Republikanische Demokratie (Staatsform) Sache des Volkes ; Gegenentwurf zur Monarchie (Nicht- Monarchie und Nicht-Despotie) d.h.: Staat mit gewähltem Staatsoberhaupt Basis: politische Tugenden der BürgerInnen; Herausbildung eines einheitlichen politischen Willens im öffentlichen Raum Gemeinwohlorientierung des politischen Handelns des Einzelnen (Rousseau)
18 2. Typen von Demokratie Beteiligung und Modi der Integration 3. Republikanische Demokratie (Staatsform): Beispiele: Demokratie und Republik: USA, Deutschland, Türkei, Frankreich, Italien, Schweiz, Österreich Demokratie, aber keine Republik: Japan, Vereinigtes Königreich, Dänemark, Schweden, Norwegen (parlamentarische Monarchien) keine Demokratie, aber Republik im Namen: Volksrepublik China, Syrien, Vietnam, Kuba (Parteidiktaturen) keine Demokratie und keine Republik: Saudi-Arabien, Brunei (Quelle: Wikipedia; )
19 2. Typen von Demokratie Beteiligung und Modi der Integration 4. Liberale Demokratie zentrale Idee: Demokratie = Vermittlung von partikularen Interessen, die sich in der ökonomischen und in der gesellschaftlichen Sphäre gebildet haben werden als Forderungen an den Staat/politisches Handeln formuliert: politischer Pluralismus Anspruch der liberalen Demokratie: Raum für die Entfaltung und Artikulation von Interessen zu bieten und Institutionen zu ihrer Aushandlung bereit zu stellen
20 2. Typen von Demokratie Beteiligung und Modi der Integration 5. Deliberative Demokratie Basis: individuelle, partikulare Interessen + Bereitschaft, sich in öffentlichen Diskussionen von anderen Lösungen/Vorstellungen überzeugen zu lassen hohe Voraussetzungen und Anforderungen an die Qualität und das Funktionieren des öffentlichen Raumes und der Kommunikationswege (Kommunikationskultur); Mediensystem und Medienkultur
21 2. Typen von Demokratie Beteiligung und Modi der Integration 6. Libertäre Demokratie Entscheidungskompetenzen des politischen Systems (der Legislative/Parlamente) auf Setzung eines Rahmens für das wirtschaftliche und soziale Leben ansonsten: möglichst freies Spiel der Kräfte, freier Wettbewerb im Markt, Freiheit des Einzelnen Staat: Sicherung der Grund- und Menschenrechte, Aufrechterhaltung der Ordnung, Sicherung der Währung und Schutz nach außen
22 2. Typen von Demokratie Beteiligung und Modi der Integration 7. Soziale Demokratie soziale Alternative zur libertären Demokratie Argument: freies Spiel der Kräfte führt zu großen Ungleichgewichten und Ungleichheiten, da Macht und Handlungsfähigkeit sehr unterschiedlich verteilt sind; Folge: neue Formen der Unfreiheit, Widerspruch zur Grundidee der Demokratie wirtschaftliche und soziale Grundrechte ebenso wichtig wie bürgerliche und politische Grundrechte; Sicherung der wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen Bsp.: BRD; Sozialstaatsprinzip zum Schutz der individuellen Würde und sozial gerechter Verhältnisse Fragen: Welches Ausmaß sollten sozialstaatliche Sicherungsmodelle erreichen? Welche Maßnahmen und Ziele werden als angemessen betrachtet?
23 FRAGEN?
24 3. Typen demokratischer Regierungssysteme IDEALTYPEN! besondere Hervorhebung charakteristischer Merkmale + Ergänzung z.b. parlamentarisches System; präsidentielles System, Verhältnis von 1. Exekutive und Legislative sowie 2. der Kompetenzverteilung von Organen innerhalb der Exekutive
25 3. Regierungssysteme Zentrale Unterscheidung (klassisch/idealtypisch) parlamentarisches System Abberufbarkeit der Regierung durch das Parlament (Steffani 1979) zweiköpfige Exekutive (PräsidentIn/KönigIn und Premier) Parlamente: Wahl- und Gesetzgebungsfunktion präsidentielles System Regierung kann nicht aus politischen Gründen vom Parlament abberufen werden geschlossene Exekutive (PräsidentIn) Präsident ist die Regierung; Staatsoberhaupt und Regierungschef zugleich Parlament und Regierung stehen unverbunden nebeneinander Parlament: Legislative + Kontrolle
26 3. Regierungssysteme Erweiterung: Semi-präsidentielle Systeme Parlamentarisches System Präsidentielles System doppelköpfige Exekutive: Staatspräsident direkt gewählt, (geteilte) bedeutende exekutive und legislative Kompetenzen Parlamente: Wahl- und Gesetzgebungsfunktion zwei eigenständige Zentren politischer Gestaltung: Parlament und Exekutive; aber: institutionelle Verbindung beider durch Premier und Regierung (können durch Parlament abberufen werden)
27 3. Typen demokratischer Regierungssysteme Semipräsidentielle Systeme (Duverger 1980): Direktwahl des Staatspräsidenten Ausstattung des Staatspräsidenten mit bedeutenden exekutiven und legislativen Kompetenzen Staatspräsident gegenüber: Premierminister + Regierung (Cohabitation) Bsp.: V. Republik F
28 3. Typen demokratischer Regierungssysteme Alternativer Ansatz zur Dichotomie Präsidentialismus Parlamentarismus (Shugart/Carey 1992): Unterscheidung von Regierungssystemen nach a. Autorität des Präsidenten über die parlamentarische Versammlung b. Trennung von Regierung und Parlament
29 3. Typen demokratischer Regierungssysteme Fünf Typen von Regierungssystemen (Shugart/Carey 1992): 1. Präsidentielles System 2. Präsidentiell-parlamentarisches System 3. Premier-präsidentielles System 4. Parlamentarisches System 5. versammlungsunabhängige Regierung
30 3. Regierungssysteme Stand: Mai 2009 Quelle: Wikipedia, Regierungsformen der Welt Republikanische Staatsform Präsidentielles Regierungssystem An das Parlament gebundene Exekutivbefugnis Semipräsidentielles Regierungssystem Parlamentarisches Regierungssystem Einparteiensystem Monarchische Staatsform Parlamentarische Monarchie Konstitutionelle Monarchie Absolute Monarchie Militärdiktatur Militärregierung
31 3. Typen demokratischer Regierungssysteme Bedeutung und Konsequenzen der Betrachtung der institutionellen Ausgestaltung von Demokratie: wichtig für die Abschätzung der Stabilität junger Demokratien, z.b.: MOEL z.b.: nicht-konsolidierte Demokratien: präsidentielles System wird eher dazu führen, Konflikte zwischen Parlament und Exekutive zu provozieren (Verordnungsrecht) Wirkbedingungen für effektive und stabile präsidentielle Systeme abhängig von Faktoren wie den legislativen Kompetenzen des Präsidenten oder dem Fragmentierungsgrad der Parteienlandschaft
32 3. Typen demokratischer Regierungssysteme Mindestens ebenso wichtig wie konstitutionelle Merkmale: Wahlsystem politische Traditionen institutionelle Arrangements zweiter Ordnung (Geschäftsordnungen etc.) parlamentarische Mehrheitsverhältnisse Fragmentierungsgrad der Parteienlandschaft Grad der gesellschaftlichen Segmentierung Stärke der Zivilgesellschaft
33 3. Regierungssysteme Mehrheits- und Konkordanzdemokratie (A. Lijphart, 1999): Konsensdemokratie Konkurrenzdemokratie Parteienwettbewerb Verhandlungsdemokratie Dialog und Konsens zwischen allen Einbindung von Minderheitspositionen Bsp.: Schweiz; EU (?) Voraussetzungen: Pluralismus und Mehrheitsprinzip Entscheidungsfindung durch den Mehrheitsentscheid Regierungsparteien vs. Oppositionspartien Vorteile: schnelle Entscheidungen, hohe Effizienz Nachteile: Ausgrenzung von Minderheiten, niedrigere Akzeptanz (Legitimität) Bsp.: BRD (?), A
34 3. Typen demokratischer Regierungssysteme Indikatoren für die Bestimmung der Mehrheits- oder der Konkordanzdemokratie (A. Lijphart) z.b.: Konzentration der Exekutivmacht Pluralismusgrad des Verbändesystems Parlamentstyp (eine oder zwei Kammern) Zentralbankautonomie
35 3. Typen demokratischer Regierungssysteme Vier Idealtypen: Unitarische Mehrheitsdemokratie z.b. Großbritannien Föderale Mehrheitsdemokratie z.b. Australien Unitarische Konsensdemokratie z.b. Schweden Föderale Konsensdemokratie z.b. Schweiz; BRD (?) Konsensdemokratien: bessere, leistungsfähigere Systeme
36 3. Typen demokratischer Regierungssysteme Bedeutung von Vetospielern für einen Politikwechsel in einem demokratischen System: Vetospieler: alle Akteure, die einem Politikwechsel zustimmen müssen (institutionelle, parteipolitische, Verbände oder Zentralbanken) je größer ihre Zahl und je divergenter ihre Interessen bei gleichzeitiger interner Geschlossenheit (kollektive Akteure), desto schwieriger sind Politikwechsel Konsensdemokratien: höhere Zahl konstitutioneller und parteipolitischer Vetospieler
37 FRAGEN?
38 4. Zusammenfassung Politikwissenschaftliche Klassifikationen und Typologisierungsversuche: ständige Anpassungen und Neuentwicklungen, um mit den empirischen Entwicklungen Schritt zu halten zu starke Ausdifferenzierung von Typologien: Verlust von Orientierungsleistung Konzentration auf formale/institutionelle/ primärrechtliche Merkmale: größere Verlässlichkeit, aber auch: Verengung; kann nur erster Schritt bei der Beschreibung und Analyse politischer Systeme sein ebenso wichtig: Erfassung der informellen politischen Tiefenstruktur ( politische Kultur )
39 Fragen zur nächsten Woche 1. Was unterscheid aus Sicht der Vergleichenden Regierungslehre die EU vom Nationalstaat? 2. Weshalb ist es gerechtfertigt, von der EU als einem politischen System "sui generis" zu sprechen? 3. Welche Theorien bieten die Internationalen Beziehungen zur Erklärung der EU? Wie sind diese zu bewerten? 4. Was versteht man unter Europäisierung? Wie wirkt sich diese am Beispiel Deutschlands aus?
40
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