B. Das Demokratieprinzip und seine Ausgestaltung
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- Georg Hofer
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1 B. Das Demokratieprinzip und seine Ausgestaltung I. Grundlagen 1. Volkssouveränität Demokratie heißt: Volksherrschaft (griech.), das Volk ist der Träger der Staatsgewalt, es ist der Souverän d.h. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus (so auch Art. 20 II S. 1 GG) a) Was bedeutet ein solcher Satz für die Verfassungswirklichkeit, was nützt er dem Bürger im realen Leben? Antwort: Das GG sieht in dem Volk den fundamentalen Träger aller staatlichen Gewalt, der Satz ist ein Leitgrundsatz für das gesamte öffentliche Recht in Deutschland. Was heißt Leitgrundsatz? Leitgrundsatz heißt: Der Staat hat das genannte Prinzip bei jeder seiner Entscheidungen zu berücksichtigen und in die Abwägung mit einzustellen. Der Satz beeinflusst sämtliche Sachentscheidungen des Staates b) Gibt es weitere solche Fundamentalnormen im Grundgesetz? (1) Art. 1 I GG in dem Wort unantastbar in S. 1 und in S. 2 Sie zu achten und zu schützen ist Aufgabe aller staatlichen Gewalt (2) Art. 20 I die BRD ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat (3) Art. 20a GG Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (4) Art. 28 I S. 1 GG Die Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des GG entsprechen c) Wer verhindert, dass dieser Grundkonsens durch Verfassungsänderung außer Kraft gesetzt wird? Grundsätzlich kann auch die Verfassung geändert werden, wie sich aus Art. 79 GG eindeutig ergibt. 1
2 Eine erste Schutzhürde bildet aber schon Art. 79 II GG, danach Bedarf ein solches Gesetz, welches den Wortlaut der Verfassung eindeutig ändert, der Zustimmung von 2/3 der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. Aber: Eine Änderung des GG ist nicht ohne Einschränkung möglich. Art. 79 III GG sieht vor: Eine Änderung des GG, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder (Bundesstaat), die grundsätzliche Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung oder die in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig. e) Was heißt die die in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze berührt? Grundsätzlich wäre vorstellbar, dass Grundsätze sehr schnell berührt werden. Das BVerfG legt aber die Betonung nicht auf das Wort berührt sondern mehr auf das Wort Grundsätze. Art. 79 III GG ist daher nicht berührt, wenn den Belangen im Allgemeinen Rechnung getragen wird und sie nur für eine Sonderlage aus sachgerechten Gründen modifiziert werden. Grund: Der Staat soll flexibel sein, soll nicht durch sehr abstrakte Staatsstrukturprinzipien in seiner Handlungsfähigkeit erdrückt werden. 2. Das Demokratieprinzip was ist Demokratie repräsentative - direkte Demokratie Demokratie heißt auch: Die Ausübung jeder staatlichen Gewalt bedarf der Legitimation durch das Volk. Grund: Das Volk als Souverän kann die Staatsgewalt nicht alleine ausüben, es kann nicht alle Entscheidungen selbst treffen Entscheidungsdelegation an den Staat. Lies: Art. 20 II S. 2 GG Sie (die Staatsgewalt) wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Frage: Welches sind die besonderen Organe? - v.a. das Parlament (Gesetzgebungsorgan), der Bundestag 2
3 - die Bundesregierung und die Behörden (Vollziehende Gewalt) - die Gerichte (Judikative) wichtigste Forderung aus Art. 20 II S. 2 ist, dass jedes staatliche Organ in Deutschland seine Legitimation für das Volk zu handeln, auch auf dieses zurückführen muss. Wenn dem so ist, warum werden Bundesrichter und Bundesregierung nicht auch vom Volk gewählt? Die obersten Bundesgerichte werden gem. Art. 95 II GG durch den Justizminister zusammen mit dem Richterwahlausschuss besetzt. Dieser besteht zum Teil aus den zuständigen Ministern, aber auch zur Hälfte aus Mitgliedern, die durch den Bundestag gewählt sind. Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern (Art. 62 GG). Der Kanzler wird vom Bundestag gewählt (Art. 63 I). Die Minister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen. Bundesregierung und Bundesrichter leiten ihre Legitimation letztlich vom Parlament ab. Dies genügt nach dem BVerfG für den Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und Herrschaft. Diese Organe des Staates sind mittelbar demokratisch legitimiert, sie leiten ihre Herrschaftsgewalt vom Bundestag ab. 3
4 II. Die Ausübung der Staatsgewalt in Wahlen Grundsätze des Wahlrechts 1. Art. 20 II S. 2 GG Wahlen und Abstimmungen a) Wahl ist der Vorgang, bei dem ein Repräsentativorgan gewählt wird, welches dann Sachfragen der Gemeinschaft entscheidet, vgl. Art. 28 I S. 2 Vertretung, Art. 38 I S. 1, 2 Vertreter b) Abstimmung ist die unmittelbare Entscheidung einer Sachfrage durch das Volk (Art. 29 II S. 1 Neugliederung des Bundesgebietes, Art. 118 GG 2. Wahlgrundsätze Eine Wahl muss bestimmten Grundsätzen genügen, soll man sie als solche bezeichnen. Hierzu trifft Art. 38 I GG eine Aussage, die gegenüber früheren Verfassungen der Weimarer Republik und des Reiches um das Wort frei ergänzt wurde. Der Wortlaut: Art. 38 I GG: Die Abgeordneten des Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. a) Allgemein Das Wahlrecht steht allen Bürgern zu. (P) Altersgrenze zulässig (Wahlmündigkeit als Argument) b) Unmittelbar - Eine Wahl ist unmittelbar, wenn zwischen der Wahlentscheidung des Bürgers und der Bestimmung, wer Abgeordneter wird, keine Dritte Instanz mehr vorhanden ist (Bsp.: USA Wahlmännerverfahren) - Um sein unmittelbares Wahlrecht auszuüben muss der Bürger auch wissen, wer sich um ein Mandat bewirbt und wie seine Stimmabgabe darauf Einfluss ausübt. c) Freie Wahl Frei ist die Wahl nur dann, wenn die Stimmabgabe frei von Druck und Zwang erfolgt ist. Auch das Wahlverfahren muss dieser Entschließungsfreiheit genügen (Bsp.: Drucktechnische Herstellung der Wahlbögen muss einheitliche Gestaltung aufweisen) 4
5 d) Geheime Wahl (selbsterklärend) (P) Wahl über das Internet absolute Sicherheit lässt sich hier nicht gewährleisten, deshalb gilt schon bei Briefwahlen, dass der Briefwähler eidesstattlich versichern muss, dass er den Stimmzettel persönlich und unbeeinflusst ausgefüllt hat. Bei online- Wahlen (von zu Hause aus) wäre eine größere Beeinflussung des Wahlergebnisses durch Wahlfälschungen zu befürchten als bei der herkömmlichen Wahlmethode, Sicherungsmechanismen könnten in größerem Umfang umgangen werden, als dies sonst üblich und möglich ist. (Rüß, Wahlen im Internet, Multimedia und Recht 2000, 73) e) Gleichheit der Wahl Zwei Inhalte a) Zählwertgleichheit: Jede abgegebene Stimme zählt als eine abgegebene Stimme Zählwertgleichheit, keine Aufspaltung der Stimmgewichtung z. B. nach Steuerlast pro Kopf. b) Erfolgswertgleichheit: Jede Stimme muss grundsätzlich gleiches Gewicht für die Zusammensetzung des Parlaments haben. D.h. ihre Chance auf Erfolgswirkung muss grundsätzlich mit der anderen Stimmen gleich sein (nicht unbedingt auch ihr Erfolg selbst), dazu sogleich bei der Erörterung des Wahlsystems. 3. Das Wahlsystem in Deutschland: a) Personalisierte Verhältniswahl zum Wahlsystem Grundsätzlich existieren zwei denkbare Wahlsysteme (1) reine Mehrheitswahl die Stimmenmehrheit entscheidet über den gewählten Kandidaten im jeweiligen Wahlkreis hier sieht man z.b. dass der Erfolgswert durchaus unterschiedlich sein kann, bei der Mehrheitswahl ist der Erfolgswert der unterlegenen Stimmen effektiv = 0. Allerdings besteht Erfolgswertgleichheit insofern, als jede abgegebene Stimme die gleiche Möglichkeit hat, im Erfolg wirksam zu werden Nachteil: Stimmen bleiben unberücksichtigt. (2) reine Verhältniswahl - Die Wahl der Abgeordneten auf den Listen für das Parlament sowie die Zusammensetzung des Parlaments erfolgt im Verhältnis der abgegebenen Stimmen. 5
6 Vorteil: Stimmen haben allesamt effektiv den gleichen Erfolgswert. Nachteil: Mögliche Zersplitterung der Regierung, u. U. keine klaren Mehrheiten. Das Grundgesetz legt sich bezüglich des Wahlsystems selbst nicht fest, der Gesetzgeber kann in den Grenzen des Art. 38 I GG jedes Wahlsystem wählen, welches daneben auch über Art. 21 I GG die Chancengleichheit der Parteien gewährleistet. In Deutschland hat man sich für ein System aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht entschieden (sog. personalisierte Verhältniswahl ) Gründe: Einerseits legt Art. 38 I GG fest, dass die Abgeordneten gewählt werden, d.h. also Personen und nicht bloß Parteien. Andererseits haben die Parteien im Grundgesetz einen hohen Stellenwert bei der politischen Willensbildung des Volkes (vgl. Art. 21 I GG). Zwischen diesen beiden Positionen wollte der Gesetzgeber einen Kompromiss schließen. b) Die Funktionsweise der personalisierten Verhältniswahl : Den Bundesländern steht am Ende der Wahl nach dem Verhältnis der Zweitstimmen eine bestimmte Anzahl von Mandaten zu (Anreiz für eine hohe Wahlbeteiligung in dem jeweiligen Land zu sorgen). Eine Hälfte davon wird an die sog. Direktkandidaten auf den Wahlkreislisten vergeben, die andere Hälfte über die sog. Landesliste, d.h. (1) Es gibt Wahlkreislisten mit Kandidaten der Wahlkreise innerhalb der Bundesländer z. B. 1. Hugo X. (CDU), Thomas Y. (SPD), Christa Z. (Bündnis 90/Die Grünen) (2) Es gibt Landeslisten mit einer bestimmten Anzahl von Kandidaten pro Liste Bsp.: Liste der CDU / Liste der SPD etc... Wahlvorgang: (1) Der Bürger vergibt eine sog. Erststimme mit der er den Kandidaten auf der Wahlkreisliste wählt. Dies ist der sog. Direktkandidat seines Wahlkreises. Dieser zieht, sofern er sich unter den Direktkandidaten mehrheitlich durchsetzt, in den Bundestag ein. Bsp.: z. B. 1. Hugo X. (CDU) 25 %, Thomas Y. (SPD) 40 %, Christa Z. (Grüne), 35 % gewählt als Abgeordneter des Wahlkreises wäre Thomas Y. 6
7 (2) Der Bürger vergibt eine Zweitstimme für die Landesliste. Alle Landeslisten einer Partei gelten insgesamt als verbunden, d.h. als eine Liste. Nun werden die Gesamtstimmen, die auf die einzelnen Parteien entfallen, zusammengezählt. Die Zahl der Mandate nach 1 I S. 1 BWahlG (598 Abgeordnete) wird sodann nach dem Verhältnis der Zweitstimmen aufgeteilt (seit Januar 2008 nach dem Zuteilungsverfaren Sainte-Laguë/ Schepers, das erstmals bei der Bundestagswahl 2009 angewandt werden wird, geregelt in 6 Abs. 2, S. 2-7 BWahlG) Dann werden die Mandate auf die Landeslisten verteilt ( 7 Abs. 3 S. 1 BWahlG in Verbindung mit (i.v.m.) 6 Abs. 2 BWahlG). Hierbei kommt es darauf an, wie viele Stimmen für die Partei den einzelnen Ländern abgegeben wurden. Die auf dieses Land entfallenden Mandate werden sodann besetzt, zunächst die erworbenen Direktmandate, dann werden die verbleibenden Mandate aus der Landesliste besetzt. Bsp.: z. B. auf die SPD entfallen bundesweit 50 %. Insgesamt sind 598 Abgeordnete in den deutschen Bundestag zu wählen. Auf die SPD entfallen somit 299. Die SPD hat in Rheinland- Pfalz Stimmen erzielt, die sie im Verhältnis zur Gesamtzahl der Stimmen zu 30 Abgeordneten berechtigen. Sie erzielte zudem 10 Direktmandate. Folge: Die 10 direkt gewählten (Erststimme) Mitglieder ziehen in den Bundestag ein. Es verbleiben 20 Plätze, die über die Liste vergeben werden. 7
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