WAS BRAUCHEN KINDER, UM SEELISCH GESUND AUFWACHSEN ZU KÖNNEN?
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- Josef Albrecht
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1 WAS BRAUCHEN KINDER, UM SEELISCH GESUND AUFWACHSEN ZU KÖNNEN? Dr. med. Gudrun Rogler Fachärztin für Kinder und Jugendpsychiatrie und psychotherapie Fachtag Seelische Gesundheit 27. Juli 2016
2 Gespräche mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zum Thema Resilienz und Resilienzforschung Diskussion: Was meinen Sie? Frage an die Anwesenden
3 H., 9 Jahre, Schülerin 4. Klasse: Ich brauche Mama. Und Papa. Und Freunde. Freien Auslauf. Öfter rausgehen. Was machen können. Ein bisschen was mitbestimmen. Dass man auch mal traurige Situationen erlebt, um zu wissen, wie das ist. Immer wieder Vertragen bei Streit. Ab und zu auch mal Ruhe. Hobbies, damit man auch was zu tun hat. Über Probleme reden können. Jemanden, der zu einem steht, der einem hilft. Besuch, wenn man allein ist. Die Lehrer dürfen nicht zu nett sein, aber auch nicht zu streng. Kleine Kinder brauchen Aufmerksamkeit und Spielzeug. Jugendliche brauchen nen Freund oder ne Freundin, coole Klamotten, ein eigenes Zimmer, wo sie nicht gestört werden und dass sie Kumpels mit in den Urlaub nehmen können.
4 C., 12 Jahre, Schüler 7. Klasse Gesamtschule: Ein eigenes Zimmer. Eine gewisse Ordnung. Vorbilder. Ein gutes Familienverhältnis, dass alle miteinander auskommen und glückliche Eltern. Zeit. Spielzeug. Ein Handy. Bücher. Dass Eltern was erlauben, keine Helikopter Eltern. Stabile Freundschaften.
5 E., 16 Jahre, Fachoberschülerin: Eine Familie Eltern, Geschwister, Großeltern, die für einen da sind. Dass man weiß, dass man gut aufgehoben ist. Mit ihnen reden, was unternehmen. Dass man von den Eltern was mit auf den Weg bekommt, dass einen was prägt. Regeln und Aufgaben. Vorbilder. Freunde, mit denen man was machen kann, die einen seelisch unterstützen. Nicht allein sein, seine Freizeit teilen. Partnerschaft. Zärtlichkeit. Lehrer, die einem zeigen, wies geht, die aufgeschlossen und zuverlässig sind und die ein Interesse an den Schülern haben. Menschen, die einem beibringen, mit anderen Menschen umzugehen und andere Regeln kenne zu lernen. Tiere. Lernen, Verantwortung zu übernehmen. Hobbies. Aufmerksamkeit.
6 A., 18 Jahre, derzeit bei der Bundeswehr: Eine Familie, die Rückhalt bietet. Freunde. Einen starken Charakter. Genug Geld in der Familie, damit das Kind mit anderen mithalten kann. Grenzen von den Eltern, aber in gemeinsamer Absprache. Ehrlichkeit. Verständnis. S., 17 Jahre, 11. Klasse Gymnasium: Vertrauen. Liebe. Gemeinsame Zeit. Aufmerksamkeit. Grenzen. Unterstützung. Freiraum. Dem Kind etwas zutrauen. Lehrer mit Verständnis.
7 R., 50 Jahre, Rettungsassistent, 2 Töchter: Verlässliche und gelassene Eltern. Ein Gefühl für Familie. Ein rhythmischer Alltag. Gemeinsame Mahlzeiten und Aktivitäten in der Familie. Spielerische Momente und Quatsch machen können. Natur und Jahreszeiten hautnah erleben. Freiwillige Zeit mit Gleichaltrigen. Individualität leben können. Feinfühligkeit der Eltern. Traditionen. Mitspracherecht. Fürsorge. Sicherheit. Keine permanente Kontrolle, keine Überfürsorge. Keine ständige Medienpräsenz, kein Überangebot an Informationen.
8 M., 49 Jahre, Diplom Ingenieur, 4 Töchter: Freiräume, Zeit selber gestalten dürfen. Gefühl, dass die Erwachsenen einem etwas zutrauen. Stärkung des Selbstwertgefühls. Träumen können. Grenzen. Musik und Sport. Gesellschaftliche Spielregeln erklärt bekommen. Einen eigenen Kinderbereich. Eltern und Großeltern. Einzelzuwendung. U., 45 Jahre, Physiotherapeutin, 2 Kinder: Verlässlichkeit, Sicherheit. Liebe. Freiheit und Grenzen. Einen halbwegs geregelten Tagesablauf. Rituale. Flexibilität.
9 K., 62 Jahre, Ärztin, 2 erwachsene Kinder: Frieden. Vorhersehbarkeit. Stabilität. Vertrauen. Sicherheit. Schutz. Rituale. L., 71 Jahre, ehemalige Lehrerin an einer Gesamtschule, mehrere Kinder und Enkel: Zusammenhalt in der Familie. Viel Betreuung, Zeit und Geduld. Dem Kind Zeit lassen, es nicht immer unterbrechen. Kontakt zu älteren Menschen (Eltern, Großeltern, Lehrer). Zuwendung und Ansprache, Lob.
10 C., 71 Jahre und H., pensionierte Ärzte, 3 Kinder, 6 Enkel: Regeln, Sicherheit, einen verlässlichen Rahmen, Gebote und Verbote, Aufgaben und Verpflichtungen. Das Familienleben mitbestimmen können. Wertschätzung, Anerkennung. Als Person gesehen werden. Vorbilder. Zeit. Zuwendung und Anregung. Gemeinsame Erlebnisse in der Familie. Schutz. Unterstützung. Wurzeln. Bildung. Taschengeld. Vielfältige Beziehungen. Ein gutes Grundgefühl, v.a. in den ersten Lebensjahren.
11 F., 75 Jahre, pensionierter Gymnasiallehrer, mehrere Kinder und Enkel: Verständnis für die Bedürfnisse und Probleme der Kinder. Harmonische Familienverhältnisse. Zeit. Kinder nicht zu etwas zwingen, aber auch mal etwas durchsetzen. Unterstützung, Förderung und Zuwendung auch von Schule. H., 80 Jahre, ehemaliger Hochschullehrer, 2 erwachsene Töchter, 4 Enkel, 1 Urenkelin: Wertschätzung. Anerkennung. Erfolge. Aufgaben in der Familie. Sachliche, berechtigte und verstehbare Kritik und auch Strafe. Kein Bloßstellen, kein Demütigen. Angemessene Erfüllung großer und kleiner Wünsche. Gleichbehandlung von Geschwistern. Geborgenheit. Heimat.
12 Resilienz und Resilienzforschung
13 Schutzfaktoren Begriff: Resilienz innere Widerstandskraft gutes Gedeihen trotz widriger Umstände Kauai Studie, Emmy E. Werner, 1992/ 2001: Langzeitstudie ab 1955 über 32 Jahre: 698 Kinder, darunter 201 high risk children
14 Ergebnisse der Kauai Studie: Es gibt Schutzfaktoren, die über den Entwicklungsverlauf zusammen wirken und sich gegenseitig verstärken. Die Entwicklung dieser Faktoren wird in der Kindheit begünstigt durch: eine enge emotionale Beziehung zu mindestens einem Familienmitglied und damit: Aufbau eines Gefühls von Zuverlässigkeit und Sicherheit das Erleben von Akzeptanz und Respekt aufgrund des eigenen Verhaltens: Offenheit, Freundlichkeit, Anpacken und Lösen von Problemen ein unterstützendes Umfeld in der weiteren Familie, der Schule, der Nachbarschaft Ermutigung von anderen Menschen zu Selbständigkeit, Vertrauen und Initiative
15 Risikofaktoren und Schutzfaktoren Quellen: Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) BELLA Studie im Rahmen von KiGGS (Ravens Sieberer/ Wille/ Bettge/ Erhart, Robert Koch Institut Berlin, 2007 Bielefelder Invulnerabilitätsstudie: Lösel/ Bender, 1999 Mannheimer Risikokinderstudie: Laucht/ Esser/ Schmidt, freiburg.de
16 Umweltbedingte Risikofaktoren (Stressoren): Traumatische Erlebnisse (Krieg, Gewalt, Missbrauch ) Niedriger sozioökonomischer Status, chronische Armut Psychische Erkrankungen eines bzw. beider Elternteile Niedriges Bildungsniveau der Eltern Alleinerziehender Elternteil Erziehungsdefizite Sehr junge Elternschaft (vor dem 18. Lj.) Häufige Umzüge u.a.
17 Risikofaktoren beim Kind selbst (Vulnerabilität): Vorgeburtliche und geburtsbedingte Faktoren (z.b. Frühgeburtlichkeit, Sauerstoffmangel) Genetische Faktoren (z.b. Behinderungen) Chronische Erkrankungen Schwierige Temperamentsmerkmale Unsichere Bindung Geringe kognitive Fertigkeiten Geringe Fähigkeiten zur Selbstregulation von Anspannung und Entspannung
18 Ob ein Risikofaktor die Entwicklung eines Kindes beeinflusst hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dauer und Kontinuität (z.b. wiederholte Traumata) der Risikofaktoren Häufung von Risikofaktoren eigene Bewertung der Risikofaktoren Vorhandensein von Schutzfaktoren erhöhte Verletzlichkeit des Kindes in besonderen Lebensphasen (z.b. Übergänge: Kindergarteneintritt, Einschulung, Pubertät, Ausbildungsbeginn)
19 Resilienzfaktoren 1. Personale Ebene (Individuum= Kind) 2. Familiäre Ebene (Eltern, Großeltern, Verwandte) 3. Soziale Ebene (Umfeld: Nachbarschaft, Schule, Freunde)
20 Resilienzfaktoren personale Ebene gute kognitive Fähigkeiten positive Selbstwahrnehmung und realistische Selbsteinschätzung positive Lebenseinstellung soziale Kompetenzen positive Wesenszüge: freundlich, aufgeschlossen, fröhlich, gesellig, hilfsbereit u.a. aktive Bewältigungsstrategien / Selbstwirksamkeit Kreativität und Phantasie Bewirken von positiven Reaktionen bei betreuenden Personen
21 Resilienzfaktoren familiäre Ebene emotional stabile Bindung zu mindestens einer kompetenten Bezugsperson familiäre Stabilität, gute und stabile Beziehung der Eltern guter sozialökonomischer Status ein emotional warmes, aber auch klar strukturiertes Erziehungsverhalten (autoritativer Erziehungsstil) positive Beziehungen zu Geschwistern und zu Ersatzeltern Ermutigung Gefühle zum Ausdruck zu bringen und unabhängig zu werden
22 Resilienzfaktoren soziale Ebene soziale Unterstützung, Kontakt zu sozialen Gruppen (Gleichaltrige, Lehrer, ältere Betreuer, Trainer, Nachbarn, Kirche, erwachsene Freunde der Familie etc.) Qualität der Bildungsinstitution (KiTa, Schule, Hort ) positives Schulklima, gute Schulqualität positive soziale Rollenmodelle
23 Ich brauche dich, damit du meinen Erkundungsdrang unterstützt. Pass auf mich auf. Beschütze mich. Tröste mich. Hilf mir. Ordne meine Gefühle. Freu dich mit mir. Freu dich an mir. Ich brauche dich, damit du mich willkommen heißt, wenn ich zu dir komme. Immer: Sei größer, stärker, klüger und liebenswürdig. Wenn möglich: Folge meinen kindlichen Bedürfnissen. Wenn nötig: Übernimm die Leitung. (Marvin u.a., 2002)
24 Ich glaube daran, dass das größte Geschenk, das ich von jemandem empfangen kann, ist, gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden. Das größte Geschenk, das ich geben kann, ist, den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren. Wenn dies geschieht, entsteht Kontakt.
25 Um ein Kind aufzuziehen braucht es ein ganzes Dorf. (afrikanisches Sprichwort)
26 Wenn die Kinder klein sind gib ihnen Wurzeln. Wenn sie groß sind gib ihnen Flügel. (Khalil Gibran)
27 Resilienzförderung: Ben Furman : Ich schaffs! Spielerisch und praktisch Lösungen mit Kindern finden, Carl Auer Systeme 2005 Corinna Wustmann: Resilienz. Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern. Cornelsen 2007 Wolfgang Jaede: Kinder für die Krise stärken. Selbstvertrauen und Resilienz fördern. Herder 2007 Elterntrainingsprogramme: Paula Honkanen Schobert: Starke Kinder brauchen starke Eltern. Der Elternkurs des deutschen Kinderschutzbundes. Urania 2002 Robert Brooks: Das Resilienz Buch. Wie Eltern ihre Kinder fürs Leben stärken. Klett Cotta 2007
Individuelle Risikofaktoren
Resilienz bio psycho sozial Individuelle Risikofaktoren Genetische Faktoren Geschlecht Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen Temperament Alkohol, Drogen Chronische körperliche Erkrankungen Niedrige
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