Bindungsorientierte Pädagogik

Transkript

1 Ins%tut Trauma und Pädagogik Bindungsorientierte Pädagogik

2 Häufigkeit von Beziehungsstörungen Gottfried Spangler 2014 > es gibt kaum systematische Untersuchungen > sichere Bindung ca % > vermeidende Bindung ca % > ambivalente Bindung ca. 5-10% > desorganisierte Bindung ca %

3 Beziehungsstörungen nach dem ICD 10 vgl. Dilling, Momnour & Schmidt (Hrsg.), 2013) > Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend F 90 F 98 > F 94.1 Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters > F 94.2 Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung

4 Bindung: vielfältig und manchmal ungewöhnlich

5 Prof. Dr. Franz Ruppert Viele psychischen Störungen haben ihre Ursache in der Traumatisierung des menschlichen Bindungssystems

6 Traumatisierungskategorien nach Prof. Dr. Franz Ruppert

7 Trauma der Liebe Prof. Dr. Franz Ruppert 2014 Fakten, die auf ein Trauma der Liebe schließen lassen: > das Kind ist ungewollt > das Kind hat einen Abtreibungsversuch überlebt > die Einstellung zum Kind seitens der Eltern ist ambivalent > Schwangerschaftskomplikationen > Frühgeburten, Geburtskomplikationen, Kaiserschnitte > Störungen der sensiblen Bindungsphase nach der Geburt > wenig Körperkontakt und Nähe in den ersten Lebensmonaten > frühe (nicht gesicherte) Fremdbetreuung > Gewalt, Vernachlässigung, sexualisierte Gewalt

8 Sicherheit und Gefahr in Eltern-Kind-Beziehungen nach Dr. Martina Coppenberg

9 Bindungs-Explorations-Balance nach Gottfried Spangler

10 Bindungs-Explorations-Balance nach Gottfried Spangler

11 Ansätze traumapädagogischer Bindungsgestaltung > Bindungsbalance (Schmid) > Exklusive Bindung (Weiß) > Bindungsvielfalt (Gahleitner) > Reflexion des professionellen Bindungsverhalten (Schleiffer) > Bindungs(orientierte) Pädagogik (Bowlby, Weiß, Gies) > körperorientierte Bindungspädagogik (Lang) > Bindungspädagogische Gruppenarbeit (Brisch, Bausum)

12 Bindungsorientierte Pädagogik > sichere Bindungserfahrungen sind mit die größten Schutzfaktoren > Anerkennung und Befähigung zur Bindungspädagogik in den jeweiligen Kontexten > Konzeptionelle Auseinandersetzung mit Bindungspädagogik > Reflexion des professionellen Bindungsverhalten > Kenntnisse über die eigenen Bindungsfallen > fachliche Auseinandersetzung mit Bindungsbalance, Bindungsvielfalt und exklusiver Bindung

13 Falle: bindungsverstrickte Kommunikation nach Schleiffer 2007 > Das unsicher ambivalente Verhalten überträgt sich auf die/den PädagogIn > PädagogInnen können Gefühle von Nähe und Mitleid und Gefühle von Wut und Zurückweisung abwechselnd einstellen > Verstrickung entsteht, wenn der/die PädagogIn versucht Distanz zu gewinnen und das Kind in genau diesem Moment verstärkt Nähe sucht und Hilfsbedürftigkeit zeigt > Das Hin und Her von Nähe und Zurückweisung zwischen Kind und PädagogIn kann sich bis zur Eskalation aufschaukeln

14 Falle: bindungsabwertende Kommunikation nach Schleiffer 2007 > Die PädagogIn wird vom Kind gekränkt > Kränkung kann die Reflexionsfähigkeit der PädagogIn erschweren/ verhindern > In Folge solcher Erfahrungen besteht die Gefahr, dass der/die PädagogIn bindungsrelevante Situationen zukünftig meidet (bindungsvermeidendes Gegenagieren) > Das Kind kann sich in seiner Projektion bestätigt fühlen > Bindungsvermeidung manifestiert sich bei Kind und PädagogIn

15 Die Illusion über die Liebe Prof. Dr. Franz Ruppert März 2013 > Liebe ist für die Ewigkeit > wenn man nur fest genug liebt, wird auch der andere die Liebe erwidern > man kann einen anderen durch die eigene Liebe retten > Liebe heilt alle Wunden Fundamentales Missverständnis: die eigene Liebesbedürftigkeit als Liebesfähigkeit darzustellen

16 Bindungsorientiere Arbeit Bindungsorientierte Arbeit ist, wenn ich exklusiv für die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen da bin, ohne dass sie dafür verantwortlich sind, dass es mir gut geht! Und ich lasse mich nicht in die traumabedingte Interaktion hineinziehen!

17 Kreis der Sicherheit nach Cooper, Hoffmann, Marvin und Povell 2000

18 Silke Gahleitner, Bindungskonferenz 2014 Studien von Silke Gahleitner belegen: Wenn Kinder und Jugendliche es schaffen, neue Bindungen eingehen und einen eigenen konstruktiven Lebensweg gehen, dann beschreiben sie, dass es konkret mit den BetreuerInnen zu tun hatte, die an sie glaubten und sie auch in schwierigen Zeiten gehalten und nicht raus geschmissen haben...

19 Studie von Mary Margret Giesson Frühe desorganisierte Bindung führt zu enthemmtem Sozialverhalten ab 54 Monaten. Studie mit 60 desorganisierte gebundenen Kindern im Alter von 8 Jahren. klassische Heimunterbringung bedeutete Erhalt der Desorganisationsbindung frühe Überleitung zu neuen Bindungspersonen reduzierte diesen und Kinder nahmen neu Bindung auf Bindungskonferenz Karl-Heinz Brisch, München, 2013

20 Chinesisches Sprichwort Wenn ein Baum umfällt hört und registriert das jeder Wenn ein ganzer Wald wächst, hört das keiner!

21 Bindung und Gruppenbindung nach PD Dr. med. K.H. Brisch > sichere Gruppenbindung ist ein sicherer Hafen und verlässliche Ausgangsbasis für Exploration > unsicher-vermeidende Gruppenbindung ist geprägt durch gemeinsame Aktivitäten, emotionale Beziehungen machen Angst > bei unsicher-ambivalenter Gruppenbindung wechseln Jugendliche zwischen Gruppen- und Einzelbindung; ambivalentes Verhalten, komm her - geh weg > desorganisierte Gruppenbindung löst im Jugendlichen Angst aus, Mitglied in der Gruppe zu werden, obwohl Gruppen weniger Angst machen als Dyaden

22 Typen gestörter Gruppenbindung nach PD Dr. med. K.H. Brisch > Bindungsstörung ohne Bindung: Jugendliche haben meist in Gruppen aggressive, traumatisierte, ritualisierte, sexuelle Gewalt erlebt; einsame Wölfe > Promiskuitive Bindungsstörung: Jugendliche wechseln von Gruppe zu Gruppe, gehören keiner Gruppe bindungssicher an, benutzen Gruppen um sich zu stabilisieren, ohne innerlich dazu zu gehören > Bindungsstörung mit Übererregung: Jugendliche sind NIE in Gruppen, nur in Dyaden wegen höchst erregtem Bindungsniveau, allein die Vorstellung einer Trennung löst panikartige Angst aus

23 Typen gestörter Gruppenbindung nach PD Dr. med. K.H. Brisch > Bindungsstörung mit Hemmung: Jugendliche haben Angst in der Gruppe Ähnliches zu erleben wie in der Dyade; wünschen sich dennoch dazu zu gehören > Bindungsstörung mit Aggression: Jugendliche verhalten sich aggressiv, um in die Gruppe hinein zu kommen; Gruppen sind aggressiv geprägt, mischen auf > Bindungssuche mit Unfallrisiko: parasuizidale Handlungen als Aufnahmeritual, Mutproben; wenn es gut geht, wird gefeiert, wenn es schief geht, wird getröstet

24 Typen gestörter Gruppenbindung nach PD Dr. med. K.H. Brisch > Bindungsstörung mit Rollenwechsel: Jugendliche haben versorgendes Verhalten/Bonding, weil sie ihre Eltern versorgen mussten; Gruppen-Mutter/Gruppen-Vater > Bindungsstörung mit Sucht: Jugendliche binden sich durch exzessiven Konsum von Alkohol und Suchtmittel, Entspannen und Gefühl von verschmelzen > Bindungsstörung mit psychosomatischen Symptomen: Jugendliche reagieren bei Stress in Gruppen mit somatischen Störungen (z.b. Schmerzen, Lähmungen, dissoziativen Störungen, psychotischen Episoden)

25 Tragende und reflektierte Beziehungsangebote > die Anzahl und die Qualität der Beziehungen unterstützt die Heilung > beständige, geduldige, sich wiederholende und liebevolle Fürsorge > eine große Menge realer guter Beziehungserlebnisse > Wilma Weiß spricht von heilenden Gemeinschaften > Erhaltung der Beziehungsfähigkeit der PädagogInnen > Reflexion der eigenen Beziehungsstrukturen > (Team-)Reflexion über Beziehungsverhalten und -angebote in der Gruppe

26 Bindungspädagogik bedeutet: > sichere Bindungsangebote ermöglichen den Abbau von Traumafolgestörungen > dazu braucht es Kontinuität und Verlässlichkeit > Bindungspädagogik kann als milieutherapeutischer Auftrag verstanden werden > Biografiearbeit unterstützt Bindungspädagogik > es gibt keine lineare Entwicklung beim späteren/korrigierenden Bindungsaufbau > es benötigt langsames Entstehen von Bindungssicherheit und > Vertrauen

27 Navigationsmodell für die bindungsorientierte soziale und pädagogische Arbeit in Anlehnung an Alexander Trost

28 Helfen wir Kindern, stark zu werden! Danke für Ihre Aufmerksamkeit.