II. Förderung in der allgemeinen Schule
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- Sigrid Kalb
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1 II. Förderung in der allgemeinen Schule II. 1 Pädagogische Grundlegung Entsprechend dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und Artikel 11 der Landesverfassung hat Schule die Aufgabe, jedem Kind bestmögliche und entwicklungsgerechte Bildungsangebote zu bieten. Dies bedeutet: Jeder Unterricht, jede Schulstufe, jede Schule ist Förder-Unterricht", Förder-Stufe", Förder-Schule" bzw. hat den Auftrag, es zu werden. Fördern als zentrale Aufgabe der Schule Die Verwaltungsvorschrift "Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und besonderem Förderbedarf" vom 8.März 1999 hat diesen Auftrag umgesetzt und definiert ausdrücklich den Anspruch der Förderung als Aufgabe der allgemeinen Schule: Veränderte Kindheit und die große Verschiedenheit der Kinder voneinander verlangen von der allgemeinen Schule Offenheit und Flexibilität. Kinder in Grundschulen unterscheiden sich in ihren sozialen Voraussetzungen und Verhaltensweisen, in Alter, Geschlecht, in der Nationalität, in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung, in ihren sprachlichen Fähigkeiten, kognitiven Möglichkeiten und sprachlichen Fertigkeiten, in ihren Erwartungshaltungen, Interessen und Bedürfnissen, in ihrer Lerngeschwindigkeit und Lernart. Grundschulunterricht wird demnach vermehrt durch die Elemente Individualisierung und Differenzierung, die Weiterentwicklung von Unterrichtsformen bis hin zur Schulentwicklung bestimmt, um der Heterogenität der Kinder gerecht zu werden. Heterogene Lerngruppen Die zunehmende Verschiedenartigkeit der Lerngruppen in der allgemeinen Schule bedeutet für Lehrerinnen und Lehrer die
2 Chance, Schule und Unterricht unter Nutzung der vorgegebenen Möglichkeiten neu zu denken und zu gestalten, wobei integrative Formen des gemeinsamen Unterrichts von behinderten und nichtbehinderten Kindern einbezogen werden können. Die Wertschätzung der Vielfalt in ihren Formen der gegenseitigen Ergänzung sollte jeden Bereich der Schule durchwirken". Durch einen Perspektivenwechsel - weg von der defizitären Blickrichtung hin zu den Stärken - wandelt sich auch die Einstellung gegenüber Fehlern: Sie sind nicht mehr in erster Linie Dokumentationen von Versagen, sondern geben Aufschluss über Lernwege und Lernstrategien der Kinder. Entsprechend dieser Sichtweise formuliert die Verwaltungsvorschrift: "Für Kinder, die Anhaltspunkte für einen besonderen Förderbedarf aufweisen, ist ein gestuftes pädagogisches Verfahren notwendig: Nach einer differenzierten Ermittlung des Lernstandes und des Lernumfeldes, verbunden mit einer kontinuierlichen Beobachtung des Lernprozesses, klären die beteiligten Lehrerinnen und Lehrer in Zusammenarbeit mit den Eltern die Ergebnisse und erstellen mit den Eltern ein Profil des individuellen Förderbedarfs. Mit Zustimmung der Eltern können in diesen Klärungsprozess Erkenntnisse aus Diagnose und Fördermaßnahmen im Vorfeld und im Umfeld der schulischen Förderung, einschließlich der Jugendhilfe, einbezogen werden. Danach wird geprüft, welche Fördermaßnahmen die einzelne Schule aus eigener Kraft einrichten und verfolgen kann. Die Fördermaßnahmen werden mit den Eltern abgestimmt. Die Förderung und Entwicklung ist nachvollziehbar zu dokumentieren." Von den Stärken ausgehen Für Eltern und Kinder ist es grundlegend wichtig, dass sie ernsthaft und von Anfang an in die Förderplanung einbezogen werden. Voraussetzung für jede richtige und sinnvolle Entscheidung sind Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Diese gilt es bei Eltern Einbezug der Eltern von Anfang an
3 und Kindern zu stärken. Eltern, die ein echtes Anliegen der Schule zur bestmöglichen Förderung ihres Kindes spüren, werden konstruktiv die angedachten Wege mitgehen. Und Kinder, die sich in der Schule angenommen und ernst genommen fühlen, werden entsprechend ihren Möglichkeiten alle Anstrengungen zu einem für sie bestmöglichen Lernerfolg aufbringen. Die Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen fordert das Wohl des Kindes", verbietet seine Diskriminierung und verlangt das Recht auf Bildung. Durch Schulpflicht soll Chancengleichheit ermöglicht werden, und die Disziplin in der Schule soll der Menschenwürde des Kindes entsprechen". Das Recht auf Bildung beinhaltet, dass erziehende Erwachsene Kindern Anforderungen zumuten und sinnvoll Grenzen ziehen. Dies kann auch konstruktive Strafe erfordern. Überforderung aber auch Unterforderung hemmen die Eigenleistung, die das Kind von Natur aus" erbringen möchte. In einem für die Vielfalt der Kinder offenen Unterricht sollen Wohlbefinden und Anstrengung nicht getrennte Maximen sein, sondern möglichst oft zusammenfallen. (s. A. Prengel: Vielfalt durch gute Ordnungen im Anfangsunterricht, Opladen 1999) Das Kind sucht Anforderungen, d.h. Aufgaben, die es gut und sicher bewältigen kann; und es braucht Herausforderungen, um sein Bestes geben und bisweilen über sich hinauswachsen zu können. Leistungsförderung im Unterricht heterogener Lerngruppen kann nicht durch Orientierung an einem Jahrgangscurriculum erfolgreich geschehen. Innere Differenzierung ermöglicht dagegen eine individuelle Lernentwicklung. Dabei kommt der Leistungsmessung neue Bedeutung zu: Kinder und deren Eltern erfahren individuell, wie erbrachte Leistungen gewertet werden, welche Leistungen die Schule Fördern bedeutet auch Fordern. Leistungsförderung Leistungsmessung
4 von ihnen fordert und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Wertschätzung für die Individualität und vorgegebene Leistungsnormen bedürfen einer Verknüpfung, die Kindern und Eltern transparent sein muss. Ohne ein Messen an Normen besteht die Gefahr, Lernwege und Bedürfnisse des einzelnen Kindes aus dem Blick zu verlieren. Um möglichst allen Kindern eine bestmögliche Förderung zukommen zu lassen, bedarf es eines Hinschauens", eines Zur- Kenntnis-Nehmens", einer Be-Achtung" des Kindes durch die Lehrerin oder den Lehrer. Durch einen ganzheitlichen Unterricht, der auf vielfältige Weise alle Kinder erreicht, erkennt der beobachtende Pädagoge die Kinder, die besonderer Förderung bedürfen. Eine entsprechende prozessorientierte Leistungsbeobachtung und ein individueller Förderplan, immer unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten, dienen der Optimierung der Förderung. Feststellung von Förderbedarf Dieser Förderplan kann im Einzelfall bedeuten: - Abwarten und weitere prozessorientierte Beobachtung - Intensive Förderung nach erstelltem Förderplan unter Einbezug der Möglichkeiten der allgemeinen Schule - Hilfen suchen (z.b. Sonderpädagogischen Dienst hinzuziehen, außerschulische Institutionen einschalten,...) Förderplan Bei der Erstellung eines Förderplanes sollten die angestrebten Hilfsangebote zeitlich und inhaltlich aufeinander abgestimmt werden, um einer Überforderung von Kind und Eltern vorzubeugen. Förderung geschieht bereits präventiv und primär durch das Üben basaler Lernprozesse, durch das Schärfen der Sinne, das Trainieren von Bewegungsabläufen und Gleichgewicht, von Stimme, von Konzentration etc.. Präventive Förderung Lernfördernde Faktoren bedürfen der Beachtung im Schulalltag.
5 Dies betrifft schulorganisatorische Gegebenheiten wie Tagesabläufe, Pausenplanungen, Fachlehrerstunden, offene Anfänge, Klassenzusammensetzungen, Räume. Es betrifft die Förderung sozio - emotionaler Bezüge sowohl durch Unterrichtsgestaltung als auch durch Formen der Leistungsmessung und durch eine Öffnung der Schule zum Gemeinwesen. Wichtig ist letztendlich die Förderung der Lernmotivation, was aus den vorher genannten Überlegungen resultiert. Dabei sollte hemmenden Faktoren wie Angst oder Denkblockaden entgegengewirkt werden. (vgl. Englbrecht/ Weigert: Lernbehinderungen verhindern, Diesterweg 1994) Förderung der Lernmotivation Teamarbeit und eine offene, vertrauensvolle Schulsituation können die Belastungen der Lehrerinnen und Lehrer zum Teil auffangen. Die Zusammenarbeit von Kolleginnen und Kollegen im gemeinsamen Unterricht, bei gemeinsamer Unterrichtsplanung, Lernbeobachtung und bei Gesprächen kann hilfreich sein. Teamarbeit Sibylle Ermel, Konrektorin Grundschule Zell, Esslingen Ehemalige Mitarbeiterin der Landesarbeitsstelle Kooperation am Regierungspräsidium Stuttgart Pädagogische Schwerpunkte: Förderung von Kindern mit Verhaltens- und Lernschwierigkeiten an der allgemeinen Schule
6 Literatur Arenhövel / Ringbeck (Hrsg.) Fördern macht Spaß Auer, Englbrecht / Weigert Lernbehinderungen verhindern Diesterweg, Prengel Vielfalt durch Ordnungen im Anfangsunterricht Opladen, 1999.
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