Begrüßungsrede des Chefarztes Dr. med Andreas Romberg Die Kreativtherapien und ihre Bedeutung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie

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1 Begrüßungsrede des Chefarztes Dr. med Andreas Romberg Die Kreativtherapien und ihre Bedeutung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Kreativitätstherapie ist eine tiefenpsychologisch und phänomenologischhermeneutisch fundierte Methode, oft auf der Grundlage der integrativen Therapie. In der intermedialen Arbeit mit kreativen Medien (Farben, Spiel, Musik, Tanz und Bewegung) können Kindern und Jugendlichen in besonderem Maße neben verbalen auch nonverbale unbewußte Botschaften, Erinnerungen und Erfahrungen erschlossen werden. Dabei können die innewohnenden heilenden Potentiale dieser Medien genutzt werden. So werden mit der Entfaltung des eigenen Ausdrucks und der kreativen Fähigkeiten Wachstum des Vertrauens in sich selbst, in andere und in die Welt, emotionales Nachnähren, Aufarbeitung von traumatischen und verletzenden Erfahrungen, soziales Leben, Erleben von Ich-Stärke, Identität und Lebensfreude möglich. Die Kreativtherapien werden in speziellen Wirkungsweisen indikationsspezifisch eingesetzt. In Therapiegruppen kann dann das Erlernen sozialer Kompetenzen als Therapieziel hinzukommen. Der Therapeut/die Therapeutin tritt in der Stunde durch Motivieren, Strukturieren und Reflektieren von aktuell erlebten Erfahrungen des Patienten mit diesem in Dialog. Kinder und Jugendliche erleben und erkennen sich, ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Grenzen. Im Vordergrund steht dabei ein ganzheitlich zu erfassender Kontext mit dem Kind oder Jugendlichen in seinem Erleben und nicht ein zu erstellendes Produkt. Was aber meint kreative Therapie: Sie ist ein spezielles Angebot des Gesundheitswesens für Patienten mit unterschiedlichen Krankheitsbildern. Sie ist ein Sammelname für vier verschiedene nonverbale Therapien, die mit künstlerischem Medium (Mittel) arbeiten. Sie unterscheidet sich von verbalen Formen der Therapie, da sie den Patienten durch Aktivitäten innerhalb des kreativen therapeutischen Mediums hilft, emotionale,

2 - 2 - soziale, kognitive und auch psychomotorische Probleme zu erkennen, zu überwinden, zu vermindern oder zu akzeptieren. Sie trägt auch innerhalb eines multidisziplinären Behandlungsteams dazu bei, durch vertiefte Erkenntnis zu einer deutlicheren Diagnose des Patienten zu kommen. Somit ist sie eine zielgerichtete Behandlung auf der Basis einer Indikation mit einem expliziten Behandlungsziel. Jedes Medium hat für sich unterschiedliche Methoden, Arbeitsweisen und Zielsetzungen, was auch abhängig ist vom Krankheitsbild des Patienten, der Arbeitsweise des Kreativtherapeuten und auch vom Behandlungskonzept der Einrichtung oder Klinik. Die Methoden können strukturierenden, lindernden, konfrontierenden und verarbeitenden Charakter haben. Die Therapien können im Einzel- und Gruppensetting gestaltet werden. Die Arbeitsweisen werden auf die Problematik des Patienten abgestimmt. Die Kreativtherapeuten orientieren sich an den Diagnose- und Klassifikationssystemen wie MAS, ICD 10. Jedes der vier Medien (Kunsttherapie, Musiktherapie, Tanztherapie, Dramatherapie) verfügt über eigene Indikationen. Nicht jeder Patient ist offen und geeignet für ein bestimmtes Medium der kreativen Therapie. Damit ist es zunächst sehr wichtig, in gemeinsamer Absprache mit dem multidisziplinären Behandlungsteam, dem Kreativtherapeuten und dem Patienten, Informationen auszutauschen und die Arbeitsweisen aufeinander abzustimmen. Somit wird auch die Qualität der Behandlung gefördert. Der Unterschied zu anderen Therapien liegt darin, dass in der kreativen Therapie das Mittel/Medium als Kommunikationsform mit dem Therapeuten und dem Patienten im Vordergrund steht. In den verbalen Therapien wird mit aktiver Sprache kommuniziert. In der kreativen Therapie wird das Medium eingesetzt, um Gefühle, Gedanken und Handlungsweisen auszudrücken und zu bearbeiten. Es vermittelt Emotionen, Gedanken und Handlungsweisen an den Therapeuten, worauf der Therapeut sprachlich und/oder auch im Medium eingeht. Die Sprache miteinander kann also im Umgang mit dem Mittel stattfinden. Hierbei kann die Formgebung im Medium auch symbolischen Charakter annehmen.

3 - 3 - In einem Nachgespräch werden Erfahrungen oder Erkenntnisse, welche der Patient in der Therapie gemacht hat, besprochen. Ich möchte kurz auf die verschiedenen Bereiche eingehen: 1. Kunsttherapie: Ziele der Kunsttherapie können sein: - Zur eigenen Formgebung mit Hilfe des zur Verfügung stehenden Materials kommen - Sich im Umgang mit dem Material mitteilen können - Zu einer verbesserten Selbstwahrnehmung und zu einer Steigerung des Selbstwertgefühls zu kommen. Indikationen für die Kunsttherapie: Patienten, die: - Keine Wörter für Erfahrungen haben - Sich stark verbal rationalisieren - Die kaum Kontakt zur eigenen Erfahrungswelt haben - Die Schwierigkeiten haben, eigenes Verhalten und Handeln zu erfahren und Kontakte zu knüpfen sowie Emotionen zu ordnen. Mit Hilfe der Kunst als Medium können Emotionen zum Ausdruck kommen, die innerhalb des Umgangs mit dem Material verarbeitet werden. Kunsttherapie bietet Hilfe beim Entdecken der eigenen Möglichkeiten und Grenzen sowie das sich selbst Gestalt geben im Material und in der Form. Die Farbe, Form und Beschaffenheit des gewählten Materials wirkt sich auf den Schaffenden/den Formgeber aus.

4 - 4-2.Dramatherapie: In der Dramatherapie wird mit Materialien wie Requisiten, Dekor, Bühnenbild, Raum, Licht, Text, Video, Musik, Poesie, dem eigenen Körper, Phantasie und Geschichten gearbeitet. Ziele der Dramatherapie können sein: - Erweiterung des Rollen- und Verhaltensrepertoires - In Kontakt kommen mit seinen Mitmenschen und diesen halten - Empathieentwicklung, Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung verbessern - Verarbeiten von belastenden Erlebnissen - Expression von Emotionen. Patienten können geeignet sein bei: - Einer Affinität für das Theater und Schauspiel - Bei Lernproblemen und Problemen auf dem Gebiet der Kommunikation, sozialer Interaktion und der Selbstpräsentation - Bei Problemen des eigenen Körperempfindens und Macht- und Autoritätsproblemen. So werden in der Dramatherapie die Möglichkeiten des Theaters und Rollenspiels eingesetzt, um den Kontakt zum Patienten anzugehen und mit ihm darüber zu kommunizieren. Der eigene Körper sowie Requisiten können hierbei eine unterstützende Funktion sein. 3.Tanztherapie: Der Tanz zählt zu den elementaren Lebensäußerungen des Menschen. In der Tanztherapie sind Musik, Bälle, Stöcke, Kissen, Bänder und der eigene Körper Materialien, womit gearbeitet werden kann. Der eigene Körper ist das Ausdrucksmittel, womit in der Tanztherapie kommuniziert wird. Welche Bewegungen und Handlungen nimmt der Patient an? Wie geht er mit sich selbst und dem anderen um?

5 - 5 - Ziele der Tanztherapie können sein: - Körpersignale erkennen - Nonverbale Signale des anderen kennenlernen - Körperliche Bedürfnisse kennenlernen und beherrschen - Eigene Grenzen und Grenzen des anderen wahrnehmen - Nähe und Distanz einschätzen lernen. Patienten mit: - Ängsten - Lern- und Verhaltensproblemen - Problemen der Impulskontrolle und Problemen auf dem Gebiet der sozialen Interaktion können geeignet sein. Es wird mit dem Körper als Kommunikationsmittel gearbeitet. Bewegungen sowie Haltung und Emotionen des Patienten können mit Hilfe von Materialien Ausdruck verliehen werden. Über den Weg der Bewegung sucht man den Weg zum Wort. 4. Musiktherapie: In der Musiktherapie arbeitet man mit Musikaufnahmen, mit Instrumenten, der eigenen Stimme, mit Noten und Liederbüchern. Jedes Instrument hat seine eigene Wirkung auf den Patienten. Wie in den anderen beschriebenen Medien steht das musische Spiel im Vordergrund, um mit dem Patienten in Kontakt zu kommen. Mittels der Instrumente kann hier eine völlig neue Sprache entstehen. Musik kann Gefühle, Gedanken und Assoziationen freisetzen. Der Patient kann auf den Reiz mit seinem Musikinstrument reagieren und so seiner Empfindung Ausdruck verleihen. Allgemeine Möglichkeiten und Ziele der Musiktherapie können sein: - Förderung von Konzentration und auch Entspannung - Einsicht über das eigene Verhaltensrepertoire zu erhalten und Förderung der Konzentration und Reaktionsschnelligkeit sowie - der Kontaktgestaltung und Kommunikationsfähigkeit

6 dabei aber auch das Erkennen eigener Gefühle und das Benennen derselben zu fördern. Indikationen der Musiktherapie: - Geeignet für Patienten mit emotionalen Problemen - Antriebslosigkeit - Kontaktproblemen, aber auch aggressiven und impulsiven Verhaltensweisen. In der Musiktherapie geht es letztlich darum, zu hören, sich selber Gehör zu schenken, sich hören zu lassen, gehört zu werden und anderen zuzuhören. Im musikalischen Spiel können sich Verhaltensmuster des Patienten widerspiegeln, die sich auch außerhalb der Musiktherapie zeigen. Diese Übersicht der einzelnen Medien sollte nur einen kurzen allgemeinen Überblick über die Inhalte geben. Die Methodenvielfalt der kreativen Therapie läßt verschiedene psychotherapeutische Herangehensweisen zu. Dies hängt dann auch von der jeweiligen Behandlungszielsetzung ab. Der kreative Therapeut ist geschult, um lindernd, unterstützend, strukturierend, analytisch erklärend oder verhaltensverändernd vorzugehen. Ich habe mich bei den aufgelisteten Indikationen allgemein gehalten und diese nicht wissenschaftlich an Krankheitsbilder gebunden. In der Erforschung ist die Musik- und Kunsttherapie diesbezüglich schon weiter entwickelt als die Tanz- und Dramatherapie. In diese Darstellung beziehe ich mich auf die Forschungen von Frau Melanie Weck, Kunsttherapeutin der Rheinischen Klinik in Bedburg-Hau, und Herrn Henk Smeijsters (Musiktherapeut und Dozent der Hochschule Arnheim und Nimwegen).